Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungskosten. Rückzahlungsvereinbarung
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 03.08.1988; Aktenzeichen 2 Sa 280/88) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.11.1987; Aktenzeichen 8 Ca 54/87) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. August 1988 – 2 Sa 280/88 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Ausbildungskosten für den Erwerb einer Musterberechtigung für den Flugzeugtyp Caravelle SE 210.
Der Beklagte wurde zunächst in der Zeit von 1981 bis 1983 in der Verkehrsfliegerschule der Deutschen Lufthansa AG in Bremen zum Luftfahrzeugführer ausgebildet. Er erwarb die Erlaubnis für Berufsflugzeugführer zweiter Klasse (CPL), die Instrumentenflugberechtigung (IFR) und die Musterberechtigung für verschiedene Flugzeugtypen sowie die theoretische Langstreckenflugberechtigung und die Kunstflugberechtigung.
Da der Beklagte von der Deutschen Lufthansa nach der Ausbildung nicht eingestellt wurde, bewarb er sich bei der Klägerin um eine Einstellung als Flugzeugführer.
Zwischen den Parteien wurde vereinbart, daß der Beklagte bei der Klägerin zum Einsatz als Copilot auf dem Flugzeugmuster SE 210 Caravelle aus- und fortgebildet werden sollte. Darüber haben die Parteien am 11. Januar/16. Januar 1984 zunächst einen Ausbildungsvertrag über die Phase I (Grundkurs und Simulator) abgeschlossen und in § 5 dieses Vertrages folgendes vereinbart:
„Die Kosten der gesamten Ausbildung werden von A vorfinanziert. Gleiches gilt während dieser Zeit für Unterkunft und Spesen. Einzelheiten sind im Ausbildungsvertrag Phase II, § 6, festgehalten. Weitere Entgelte oder Ausbildungsbeihilfen werden nicht gezahlt.”
Am 11. Mai/16. Mai 1984 schlossen die Parteien den Ausbildungsvertrag über die Phase II (Flight-Training und Supervision-Flying) und haben darin u.a. folgendes geregelt:
„§ 4
Der erfolgreiche Abschluß des in § 3 beschriebenen Ausbildungslehrganges durch den Auszubildenden verpflichtet A nicht, diesem den Abschluß eines Dienstvertrages anzubieten. Sollte A jedoch ein solches Vertragsangebot unterbreiten, ist der Auszubildende verpflichtet, einen Dienstvertrag abzuschließen, andernfalls findet § 6 b Anwendung.
…
§ 6
…
b) Sollte die Ausbildung, gleich zu welchem Zeitpunkt, vom Auszubildenden ohne wichtigen Grund abgebrochen werden oder lehnt der Auszubildende nach erfolgreicher Ausbildungsbeendigung den Abschluß eines Dienstvertrages im Sinne des § 4 Satz 2 ab, ist er verpflichtet, die aufgewandten Ausbildungskosten an A zurückzuzahlen.
c) Die von A aufgewandten Ausbildungskosten sind wie folgt zurückzuzahlen:
- bei Beendigung der Ausbildung während oder nach Phase I innerhalb eines Jahres;
- bei Beendigung der Ausbildung während oder nach Phase II innerhalb von drei Jahren;
- nach Abschluß eines Dienstvertrages in monatlichen Raten von netto DM 500,–.
…
§ 8
Mündliche Nebenabreden sind nicht getroffen. Änderungen und Ergänzungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.”
Am 6. Juli 1984 haben die Parteien einen Vertrag über die Anstellung des Klägers als Copilot CVL SE 210 abgeschlossen und in § 12 Abs. 1 dieses Vertrages folgendes vereinbart:
„§ 12
Bei Nichtantritt der Arbeit zum vereinbarten Termin oder Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist, verpflichtet sich der Mitarbeiter zur Zahlung einer Konventionalstrafe in Höhe von zwei Brutto-Monatsgrundgehältern neben der in Ziffer 2 der Zusatzvereinbarung geregelten Rückzahlung der Ausbildungskosten.
Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform …”
Die Vergütung des Klägers sollte sich nach dem Tarifvertrag zwischen der Klägerin und der DAG für die Mitarbeiter des Bordpersonals richten und belief sich auf 4.460,– DM brutto (Grundgehalt 3.575,– DM, Zuschlag für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit 835,– DM brutto und L.o.L. Versicherung 50,– DM).
Erstmals am 7. Januar 1985 hat die Klägerin dem Beklagten folgende „Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 6. Juli 1984” zur Unterschrift vorgelegt:
„1. A hat für den Mitarbeiter die Kosten zum Erwerb der Musterberechtigung Caravelle SE 210 in Höhe von 26.425,– DM vorfinanziert. Wie bereits im Ausbildungsvertrag vom 11. Mai 1984 verankert, werden diese Kosten in monatlichen Raten von 500,– DM ab Juli 1984 an A zurückgezahlt.
2. Wird das Arbeitsverhältnis – aus Gründen, die in der Person des Mitarbeiters liegen – vor der Tilgung des Gesamtbetrages gekündigt, so wird der Restbetrag bei Ausscheiden aus der Firma A in einer Summe fällig.
Diese Verpflichtung entfällt bei unverschuldetem Lizenzverlust und berechtigter fristloser Kündigung durch den Mitarbeiter.”
Der Beklagte hat diese ihm angebotene Zusatzvereinbarung nicht unterzeichnet und sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. Januar 1985 fristgerecht zum 31. Juli 1985 aufgekündigt.
Die Klägerin hat dem Beklagten in der Zeit von Juli 1984 bis Juli 1985 je 500,– DM netto monatlich vom Gehalt abgezogen und insgesamt 6.500,– DM einbehalten. Über den 31. Juli 1985 hinaus bis zum 30. September 1985 hat der Beklagte nur noch stundenweise für die Klägerin gearbeitet. Anschließend trat er in die Dienste der Deutschen Lufthansa AG.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei mit der vereinbarten Rückzahlung einverstanden gewesen und habe durch die Ausbildung berufliche Vorteile erlangt. Dafür habe sie nach ihrer Ausbildungskostenanalyse vom 31. Mai 1985 25.551,33 DM aufgewandt. Davon beanspruche sie in diesem Verfahren einen Teilbetrag von 8.500,– DM (17 Monatsraten von je 500,– DM für den Zeitraum August 1985 bis Dezember 1986).
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 8.500,– DM nebst 10 % Zinsen seit 1. August 1985 zu verurteilen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hat Widerklage auf Rückzahlung der vom Gehalt einbehaltenen Monatsraten mit folgenden Anträgen erhoben,
- die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 6.500,– DM zuzüglich 7,5 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit brutto für netto zu zahlen,
- festzustellen, daß die Klägerin vom Beklagten die Zahlung weiterer 9.551,33 DM als restliche Einweisungskosten für das Flugzeugmuster Caravelle SE 210 nicht verlangen kann.
Die Klägerin hat Abweisung der Widerklage beantragt.
Der Beklagte hat geltend gemacht, er habe eine Rückzahlung der von der Klägerin beanspruchten Kosten nicht vereinbart. Die Klägerin habe ihn, den Beklagten, auch nicht ausgebildet, sondern ihn nur in ihrem Interesse in die Benutzung des veralteten Flugzeugmusters Caravelle SE 210 eingewiesen. Diese Kenntnisse könne er außerhalb seines Arbeitsverhältnisses nicht nutzbringend verwerten, weil die Caravelle SE 210 kaum noch eingesetzt werde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel und die Abweisung der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr geltend gemachten Ausbildungskosten und war nicht berechtigt, diese vom Gehalt des Beklagten ratenweise einzubehalten. Das hat das Berufungsgericht in Ergebnis zutreffend erkannt.
I. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich eine Rückzahlungsverpflichtung nicht aus dem Arbeitsvertrag, denn der Beklagte habe die ihm nach Abschluß des Arbeitsvertrages angebotene Zusatzvereinbarung darüber nicht unterzeichnet.
Soweit die Klägerin ihre Rückzahlungsforderung auf § 6 c Ziff. 3 des Ausbildungsvertrages Phase II stütze, sei die Vereinbarung unzulässig, weil der schon zum Flugzeugführer ausgebildete Beklagte nur eine zusätzliche Einweisung in den Flugzeugtyp Caravelle SE 210 erhalten habe. Das habe allein im Interesse der Klägerin gelegen, ohne daß der Beklagte daraus beruflichen Nutzen über das Arbeitsverhältnis hinaus ziehen könne.
II. Die Revision macht demgegenüber geltend, die Klägerin habe schon im Einstellungsgespräch den Beklagten darauf hingewiesen, daß er Ausbildungskosten in Höhe von etwa 30.000,– DM zurückzahlen müsse. Das habe der Beklagte in der Vorinstanz zugestanden. Deswegen sei es unerheblich, daß der Beklagte die schriftliche Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausbildungskosten nicht unterzeichnet habe. Diese Rückzahlungsverpflichtung ergebe sich außerdem schon aus dem „Grundvertrag” und den Ausbildungsverträgen.
Die Rückzahlungsklausel sei zulässig, denn der Beklagte habe daraus berufliche Vorteile erlangt. Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz habe die Klägerin dem Beklagten nicht lediglich eine Einweisung in die Benutzung des Flugzeugtyps Caravelle SE 210 gewährt, sondern ihm in einer von der Klägerin vorfinanzierten Ausbildung die Kenntnisse für den Erwerb einer entsprechenden Musterberechtigung verschafft. Stattdessen hätte die Klägerin ebenso darauf bestehen können, daß der Beklagte noch vor Abschluß des Arbeitsvertrages die Musterberechtigung auf einer Flugschule oder bei einer anderen Fluggesellschaft auf eigene Kosten erwerbe.
III. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitsvertragsparteien zwar vereinbaren, daß Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aufgewendet hat, von diesem zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG beeinträchtigen. Deshalb kommt es darauf an, ob den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenübersteht. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen. Die Rückzahlungspflicht muß vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen; der Arbeitnehmer muß mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Dabei kommt es u.a. auf die Dauer der Bindung, den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung a (vgl. BAGE 13, 168, 174 ff. = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG, zu II 1 der Gründe; BAGE 28, 159, 163 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 a der Gründe; BAG Urteile vom 19. März 1980 – 5 AZR 362/78 – und vom 23. Februar 1983 – 5 AZR 531/80 – AP Nr. 5 und 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe sowie BAG Urteil vom 11. April 1984 – 5 AZR 430/82 – AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe).
IV. Es kann dahingestellt bleiben, ob die dem Beklagten angesonnene Rückzahlungsverpflichtung die vorgenannten Grenzen berücksichtigt oder nicht. Es fehlt schon an einer verbindlichen Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten.
1. Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz enthalten die Ausbildungsverträge (Phase I und II) eine Rückzahlungsverpflichtung nur für den Fall, daß die Ausbildung abgebrochen wird oder der ausgebildete Arbeitnehmer im Anschluß an seine Ausbildung den Abschluß eines Arbeitsvertrages ablehnt (vgl. § 6 Abs. 2 des Ausbildungsvertrages Phase I vom 11. Januar/16. Januar 1984 und § 6 b des Ausbildungsvertrages Phase II vom 11. Mai/16. Mai 1984). Der Beklagte hat aber weder die Ausbildung abgebrochen noch hat er sich geweigert, im Anschluß daran den Abschluß eines Arbeitsvertrages abzulehnen. Er hat vielmehr am 6. Juli 1984 mit der Klägerin einen Anstellungsvertrag als Copilot für den Flugzeugtyp Caravelle SE 210 abgeschlossen.
Allerdings bestimmt § 6 c des Ausbildungsvertrages Phase II vom 11. Mai/16. Mai 1984, in welchen Raten die Ausbildungskosten zurückzuzahlen sind. Danach sollten bei Beendigung der Ausbildung während oder nach Phase I innerhalb eines Jahres und bei Beendigung der Ausbildung während oder nach Phase II innerhalb von drei Jahren sowie nach Abschluß eines Dienstvertrages in monatlichen Raten von netto 500,– DM die Ausbildungskosten zurückgezahlt werden. Insoweit handelt es sich aber nur um Zahlungsfristen, die eine Rückzahlungsvereinbarung voraussetzen, an der es jedoch fehlt. Da der Beklagte die Ausbildung beendet hat, käme ohnehin nur die Regelung über die Höhe der Rückzahlungsraten nach Abschluß eines Dienstvertrages in Betracht. Ein solcher war aber im Zeitpunkt des Ausbildungsvertrages noch gar nicht abgeschlossen. Dazu sollte es noch kommen. Eine entsprechende Vereinbarung über die Höhe der Rückzahlungsraten findet sich nur noch in der dem Beklagten angesonnenen „Zusatzvereinbarung” vom 7. Januar 1985, die der Beklagte nicht unterzeichnet hat.
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht ausgeführt, daß der Arbeitsvertrag selbst keine Rückzahlungsverpflichtung enthalte. Eine solche ergibt sich auch nicht aus § 12 des vorgenannten Vertrages, wonach der Beklagte eine Konventionalstrafe „neben der in Ziff. 2 der Zusatzvereinbarung geregelten Rückzahlung der Ausbildungskosten” zahlen müsse, wenn er die Arbeit zum vorgesehenen Termin nicht aufnehme oder die Kündigungsfrist nicht einhalte. Daraus ergibt sich nur, daß mit der vereinbarten Vertragsstrafe die Rückzahlungsverpflichtung nicht abgegolten ist. Außerdem ergibt sich aus dieser Vertragsbestimmung, daß die Rückzahlung der Ausbildungskosten in einer Zusatzvereinbarung zu regeln ist, an der es hier gerade fehlt.
3. Die fehlende Vereinbarung über die Rückzahlung der Ausbildungskosten wird nicht dadurch ersetzt, daß die Klägerin den Beklagten bei der Einstellung darauf hingewiesen hat, daß ihr Ausbildungskosten in Höhe von etwa 30.000,– DM erwachsen und der Beklagte dafür aufkommen müsse. Die grundsätzliche Bereitschaft des Beklagten hierzu, wenn er sie angedeutet oder erklärt haben sollte, verpflichtet ihn noch nicht, weil es dazu nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des Bundesarbeitsgerichts (vgl. III der Gründe) konkreter Regelungen bedurft hätte. Im übrigen haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, daß mündliche Nebenabreden nicht getroffen sind. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, daß die Parteien davon vereinbarungsgemäß abgewichen wären.
Der Beklagte hat auch allein dadurch, daß er sich zeitweise den Abzug in Höhe von 500,– DM monatlich gefallen ließ, einer ratenweise Rückzahlung der von der Klägerin beanspruchten Ausbildungskosten nicht zugestimmt. Der Beklagte hätte über die schweigende Hinnahme dieses Gehaltsabzugs hinaus sein Einverständnis auf irgendeine Weise zu erkennen geben müssen. Die Klägerin kann das Verhalten des Beklagten auch nicht als Zustimmung angesehen haben, denn sie hat selbst dann noch den ratenweisen Abzug vom Gehalt fortgesetzt, als der Beklagte sich ausdrücklich geweigert hatte, die Rückzahlungsvereinbarung zu unterzeichnen. Damit hatte er deutlich gemacht, daß er mit einer Rückzahlungsverpflichtung nicht einverstanden ist.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Olderog, Dr. Peifer, Dr. Hirt, Wengeler
Fundstellen