Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensbindung. Direktionsrecht und Verwaltungsvorschriften
Leitsatz (amtlich)
Aus § 315 BGB in Verbindung mit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften kann sich ein Anspruch eines früher an einer Erweiterten Oberschule (EOS) tätigen Lehrers des Freistaates Sachsen ergeben, einem der neu errichteten Gymnasien zugewiesen zu werden.
Normenkette
BGB § 611; Verwaltungsvorschrift des Staatsministeriums für Kultus zur Regelung des Verfahrens für die personelle Besetzung der zukünftigen Gymnasien im Freistaat Sachsen (PBG-VwV)
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 20. Juli 1994 – 10 (1) Sa 379/93 – aufgehoben.
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 10. Mai 1993 – 5 Ca 7269/93 FR – abgeändert.
- Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger an ein Gymnasium im Freistaat Sachsen zu versetzen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, als Lehrer an einem Gymnasium eingesetzt zu werden.
Der 1938 geborene Kläger erwarb 1972 die Lehrbefähigung in den Fächern Mathematik und Physik der Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule der DDR. Er erhielt die Note “sehr gut”. Seither war er als Lehrer für die Fächer Mathematik und Physik an der Erweiterten Oberschule (EOS) … in F… tätig. Von 1985 bis 1990 war er auch Fachlehrer für Informatik, 1990 bis 1991 Stellvertreter des Direktors und ab 1991 Fachbereichsleiter Physik.
Seit 1990 ist er Vorsitzender des Personalrates beim Staatlichen Schulamt F…, seit 1991 war er auch Mitglied des Personalrats und des Lehrerrats der EOS, an der er unterrichtete. Er ist vermindert mit zehn Unterrichtsstunden wöchentlich zu beschäftigen.
Zum Schuljahr 1992/1993 strukturierte das beklagte Land das Schulsystem um und errichtete Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien.
Grundlage für die Besetzung der Stellen von Gymnasiallehrern war die im Amtsblatt des Kultusministeriums veröffentlichte “Verwaltungsvorschrift des Staatsminsteriums für Kultus zur Regelung des Verfahrens für die personelle Besetzung der zukünftigen Gymnasien im Freistaat Sachsen (PBG-VwV)” vom 21. Januar 1992. Darin heißt es u.a.:
“
Antragsverfahren
2.1.
Alle derzeit im Dienste des Freistaates Sachsen stehenden Lehrer mit der Lehrbefähigung für die Jahrgangsstufen 5 – 12, in Ausnahmefällen für die Jahrgangsstufen 5 – 10, die an den künftigen Gymnasien eingsetzt werden möchten, geben unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 2.3.1992 einen vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllten Antrag (Vordruck nach Anlage 1) bei ihrem Schulleiter ab. Der Kreis der Antragsberechtigten ergibt sich aus der Empfehlung der Kultusminsterkonferenz zur Einrichtung der Ämter für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR (Beschluß 121, AK am 14./15.3.1991) bzw. aus dem Merkblatt zu der Anlage 3 (s.S. 4).
2.2.
Der Schulleiter erstellt daraufhin eine Beurteilung des Antragstellers im Hinblick auf seine Eignung als Lehrer am Gymnasium gemäß des Vordrucks nach Anlage 2. Die Beurteilung stützt sich grundsätzlich auf mindestens eine vom Schulleiter persönlich besuchte und bewertete Unterrichtsstunde in einem von der Lehrkraft studierten Fach. Der Antragsteller kann verlangen, daß entweder ein Vertreter des zuständigen Staatlichen Schulamtes während dieser Unterrichtsstunde anwesend ist und an der vorzunehmenden Beurteilung mitwirkt oder ein Kollege seiner Wahl, der ebenfalls an der Hospitation teilgenommen hat, ein Votum zur Beurteilung abgibt.
Die Schulaufsichtsbehörden sind berechtigt, auch ohne Antrag des Antragstellers einen Vertreter oder einen Fachberater an der Bewertung zu beteiligen.
Dem Antragsteller ist Gelegenheit zu geben, eine Gegendarstellung abzugeben, die dem Antrag beizufügen ist.
2.3.
Die Anträge sind gesammelt vom Schulleiter zusammen mit den von ihm erstellten Beurteilungen bis spätestens 30.3.1992 dem jeweiligen Staatlichen Schulamt zu übergeben. Das Staatliche Schulamt leitet die Anträge mit den notwendigen Stellungnahmen an das zuständige Oberschulamt weiter.
…
Auswahlverfahren
2.5.1.
Nach fristgemäßem Eingang der Antragsformulare (vergleiche Ziffer 2.1.) beim zuständigen Oberschulamt wird von dort eine Auswahlentscheidung nach einem Punktesystem getroffen (vergleiche Anlage 3 nebst Merkblatt).
2.5.4.
Bei Stattgabe des Antrages durch das zuständige Oberschulamt wird der Antragsteller ab dem Schuljahr 1992/93 einem Gymnasium zugewiesen. Bei Ablehnung des Antrags gibt das zuständige Oberschulamt die Antragsunterlagen nebst Anlagen an dasjenige Staatliche Schulamt ab, das für die Schule zuständig ist, an der der Antragsteller beschäftigt ist. In diesem Falle weist das Staatliche Schulamt den Antragsteller einer Mittelschule zu. Ziffer 2.6.3. gilt hierfür entsprechend.
Auswahlentscheidung
2.6.1.
Kriterien für die Auswahlentscheidung sind insbesondere die erreichte Punktzahl und der Bedarf in den Fächerkombinationen, die der Antragsteller unterrichtet oder unterrichten könnte. Es besteht kein Rechtsanspruch darauf, als Lehrer am Gymnasium eingesetzt zu werden.
2.6.2.
Bei der Auswahlentscheidung hinsichtlich der zu besetzenden Stellen ist von dem Bedarf in den einzelnen Fächerkombinationen auszugehen. Dabei ist denjenigen Antragstellern der Vorrang vor anderen einzuräumen, die die höhere Punktzahl erreicht haben.
2.6.3.
Die persönlichen Belange der Antragsteller (Fahrwege zum Dienstort, familiäre Gründe usw.) sollen bei der Zuweisung an eine bestimmte Schule nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen denjenigen Lehrern, die an den Schulen, die in ein Gymnasium umgewandelt werden, tätig gewesen sind, und Lehrern, die aufgrund bestehenden Bedarfs neu an die Schule zugewiesen werden, ist anzustreben.
Das Merkblatt zu Anlage 3 lautet auszugsweise:
Das Fragen- und Punktesystem soll als rationelles Mittel dienen, um in relativ kurzer Zeit die zu erwartende Vielzahl der Anträge von sächsischen Lehrern zum Einsatz in einem künftigen Gymnasium durch das zuständige Oberschulamt bearbeiten und für die Auswahlentscheidung vorbereiten zu können.
…
Die Lehrbefähigung soll für zwei Fächer (in Ausnahmefällen für ein Fach) vorliegen. Ihr Erwerb für ein drittes Fach gilt als Zusatzqualifikation. Nicht anerkannt werden Staatsbürgerkunde und “Freundschaftspionierleiter”.
Laut Schreiben des zuständigen Abteilungsleiters beim Sächsischen Staatsministerium für Kultus an den Hauptpersonalrat vom 22. April 1992 ist der Text der Verwaltungsvorschrift am 14. Januar 1992 mit den Vertretern der Verbände und Gewerkschaften besprochen und abgestimmt worden. Weiter heißt es in diesem Schreiben:
“Das Verfahren für die personelle Besetzung der Gymnasien stellt sicher, daß aus dem Kreis der Bewerber diejenigen zum Zuge kommen, die für eine Tätigkeit an Gymnasien geeignet sind. Die Aussage, daß kein Rechtsanspruch auf einen Einsatz als Lehrer an einem Gymnasium besteht, soll lediglich verdeutlichen, daß die Lehrer für die Tätigkeit an den Gymnasien entsprechend ihrer Eignung ausgewählt werden. Dies steht im Einklang mit Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz. Mit der Zuteilung eines Lehrers an ein Gymnasium ist die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit zunächst nicht verbunden. An der Qualifikation der betroffenen Lehrer ändert sich nichts. Eine Änderung in der Eingruppierung ist mit dieser neuen Zuteilung der Lehrer nicht verbunden.”
Am 28. Februar 1992 stellte der Kläger auf dem dafür vorgesehenen Formblatt einen “Antrag auf Zuweisung an ein Gymnasium”. Im März 1992 wurde die pädagogische Tätigkeit des Klägers mit der Höchstpunktzahl 30 (hervorragend) beurteilt. Mit Schreiben vom 17. Juni 1992 teilte das Oberschulamt dem Kläger mit, daß sein Antrag auf Zuweisung an ein Gymnasium “bisher nicht berücksichtigt werden konnte”. Eine Begründung wurde nicht gegeben. Zum damaligen Zeitpunkt bestand – auch für das künftige Gymnasium “Geschwister Scholl” in F… – ein Bedarf an Lehrern in der Fächerkombination Mathematik/Physik. Auch spätere Anträge des Klägers, an ein Gymnasium versetzt zu werden, blieben erfolglos.
Im vorliegenden Verfahren verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Rechtsanspruch auf Zuweisung an ein Gymnasium zu. Der Beklagte habe das ihm zustehende Direktionsrecht ermessensfehlerhaft ausgeübt. Die Entscheidung, ihn nicht einem Gymnasium zuzuweisen, sei willkürlich. Zum einen habe sich das Arbeitsverhältnis bereits auf eine bestimmte Art der Tätigkeit konkretisiert gehabt. Seine Lehrtätigkeit von 1972 bis 1992 an einer erweiterten Oberschule sei mit der Tätigkeit an einem Gymnasium vergleichbar, zumal er, abgesehen von den ersten zwei bis drei Jahren, durchgängig auf der Abiturstufe Mathematik und Physik unterrichtet habe. Zum anderen habe sich das Auswahlermessen des Beklagten im Rahmen der PBG-VwV auf Null reduziert. Er sei fachlich für eine Tätigkeit als Gymnasiallehrer geeignet; im gesamten Bezirk F… sei wohl kein anderer Lehrer so gut beurteilt worden wie er. Andere Lehrer, die in der erweiterten Oberschule unterrichtet hätten, seien mit geringeren Punktzahlen in den Gymnasialdienst übernommen worden. In Wirklichkeit halte das Oberschulamt ihn aufgrund eines belastenden Briefes aus persönlichen Gründen für ungeeignet. Noch heute bestehe landesweit und auch im Bezirk des Oberschulamts Chemnitz und an einem Gymnasium in F… Bedarf an Lehrern mit seiner Fächerkombination.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihn einem Gymnasium im Freistaat Sachsen zuzuweisen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch des Klägers auf Zuweisung an ein Gymnasium folge weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus der PBG-VwV. Einer Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses auf eine Tätigkeit als Gymnasiallehrer stehe entgegen, daß Gymnasien im Freistaat Sachsen mit der Neuordnung des staatlichen Bildungssystems erst neu errichtet worden seien. Aus der PBG-VwV folge ebenfalls kein Anspruch. Es handele sich um eine interne Dienstanweisung ohne Rechtsnormcharakter. Die Punktezahl und der Bedarf in den Fächerkombinationen seien keine abschließenden Auswahlkriterien. Es bleibe dem Beklagten überlassen, auch weitere Kriterien bei der Auswahl heranzuziehen. Neben dem Bedarf sei auch eine ausgewogene Verteilung fachlich guter Lehrkräfte auf Gymnasien und Mittelschulen zu berücksichtigen. Es gehe dem Oberschulamt darum, nicht einseitig die qualifizierten Lehrer an den Gymnasien zu sammeln und die Mittelschulen als “Schulen zweiter Klasse” auszustatten, sondern auch dort einen Anteil an Lehrern zu haben, die auch für das Gymnasium qualifiziert wären. Dementsprechend seien auch andere Lehrer den Mittelschulen zugewiesen worden, obwohl sie nach den Voraussetzungen auch einem Gymnasium hätten zugewiesen werden können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, daß ihn das beklagte Land einem Gymnasium zuweist. Das ergibt sich aus § 315 BGB in Verb. mit der Verwaltungsvorschrift vom 21. Januar 1992 (PBG-VwV).
I. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, übte der Beklagte bei der Zuweisung des Klägers zu einer Mittelschule sein Weisungsrecht aus.
1. Das Weisungsrecht ermöglicht dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen. Es gehört zum wesentlichen Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt sein. Auch soweit es danach grundsätzlich besteht, darf es nur nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB ausgeübt werden (BAGE 33, 71, 75 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG Urteile vom 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – und vom 23. Juni 1993 – 5 AZR 337/92 – AP Nr. 36, 42 zu § 611 BGB Direktionsrecht).
Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen berücksichtigt worden sind (BAGE 47, 238, 249 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A II 2 der Gründe; BAGE 47, 363 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu II 2b aa der Gründe). Bei der Ausübung billigen Ermessens ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (BAG Urteile vom 21. Dezember 1970 – 3 AZR 510/69 – und vom 22. Dezember 1970 – 3 AZR 52/70 – AP Nr. 1, 2 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle).
Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dabei kommt dem Revisionsgericht ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu (BAGE 47, 238, 249. = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A II 2 der Gründe; BAGE 55, 53 = AP Nr. 131 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Allerdings ist die Billigkeitskontrolle in erster Linie Aufgabe der Tatsacheninstanzen, weil es bei ihr darum geht, die besonderen tatsächlichen Gegebenheiten eines Falles festzustellen und zu würdigen. Stehen die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen jedoch fest, so ist das Revisionsgericht in der Lage, die Beurteilung selbst vorzunehmen (BAGE 55, 275 = AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle). Nach allgemein anerkannter Auffassung hat die Partei, der das Recht zur Leistungsbestimmung zusteht, zu beweisen, daß ihre Bestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspricht (BAG Urteil vom 26. November 1986 – 4 AZR 789/85 – AP Nr. 15 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; BAGE 55, 275 = AP, aaO).
2. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß sich das beklagte Land durch die Verwaltungsvorschrift vom 21. Januar 1992 bei der Ausübung seines Ermessens selbst gebunden hat. Es war erforderlich, allgemeine Regeln dafür aufzustellen, nach welchen Kriterien die Lehrer den Schulen der verschiedenen Schultypen zugewiesen werden sollten. Es handelte sich um eine grundlegende Umstrukturierung des gesamten Schulsystems im Gefolge der deutschen Wiedervereinigung. Von ihr waren sämtliche Lehrer des beklagten Freistaats, d.h. mehrere tausend Personen betroffen. Es wurden neue Schultypen eingeführt. Es war absehbar, daß sich für die Gymnasien erheblich mehr Lehrer bewerben würden, als es dort Lehrerstellen geben würde.
Allerdings haben nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 18. Mai 1988 – 4 AZR 765/87 – BAGE 58, 283 = AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer) Erlasse und Verwaltungsvorschriften regelmäßig nur verwaltungsinterne Bedeutung. Mit ihnen wendet sich ein Staatsorgan – meist das zuständige Ministerium – im Weisungswege an nachgeordnete, weisungsabhängige Organe, Ämter und Dienststellen. Deshalb fehlt den Verwaltungsvorschriften der normative Charakter. Sie können daher für sich allein betrachtet nicht Anspruchsgrundlage für arbeitsrechtliche Ansprüche darstellen.
Gleichwohl kann sich die Verwaltung durch den Erlaß von Verwaltungsvorschriften in der Ausübung ihres billigen Ermessens (§ 315 BGB) binden. Das gilt insbesondere für Verwaltungsvorschriften, die sich ihrem Inhalt nach nicht ausschließlich an nachgeordnete Dienststellen richten. Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die PBG-VwV wendet sich nicht ausschließlich an die Schulbehörden, sondern auch an die Lehrer selbst. Das ergibt sich aus Ziff. 2.1. PBG-VwV und aus dem Merkblatt zur Anlage 3. In diesen Bestimmungen werden Fristen gesetzt und der Kreis der Antragsberechtigten umschrieben. Im übrigen regelt die PBG-VwV das Auswahlverfahren, dem sich die Antragsteller zu unterziehen haben, die einem Gymnasium zugewiesen werden wollen.
II. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Entscheidung des beklagten Landes, den Kläger einer Mittelschule zuzuweisen, nicht bindend. Diese Entscheidung entspricht nicht der Billigkeit. Im Streitfall war nur die Zuweisung an ein Gymnasium ermessensfehlerfrei; das Ermessen des beklagten Landes war auf Null geschrumpft.
1. Nach Nr. 2.6.1. PBG-VwV sind “Kriterien für die Auswahlentscheidung … insbesondere die erreichte Punktzahl und der Bedarf in den Fächerkombinationen” des Antragstellers. Gemäß Nr. 2.6.2. PBG-VwV ist “bei der Auswahlentscheidung … von dem Bedarf … auszugehen. Dabei ist denjenigen Antragstellern der Vorrang vor anderen einzuräumen, die die höhere Punktzahl erreicht haben”. Nr. 2.6.3. PBG-VwV zeigt, daß daneben auch noch andere Kriterien eine Rolle spielen sollen. Sie sind jedoch nachrangig, wie sich bereits aus der Wortwahl ergibt. Nur “bei der Zuweisung an eine bestimmte Schule” – und nicht bei der Entscheidung über den Schultyp – “sollen” die persönlichen Belange der Antragsteller berücksichtigt werden. Weiter ist an den Schulen, die in ein Gymnasium umgewandelt werden, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen denjenigen Lehrern, die bereits früher dort unterrichtet haben und den neu zugewiesenen “anzustreben”.
Weitere Kriterien sind in der PBG-VwV nicht genannt. Es kann zugunsten des beklagten Landes unterstellt werden, daß die Aufzählung nicht abschließend ist. Doch dürfen etwaige sonstige Kriterien jedenfalls weder unsachlich sein noch der PBG-VwV widersprechen.
2. Das ist hier aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts der Fall. Ein Bedarf an Gymnasiallehrern mit der Fächerkombination des Klägers war und ist vorhanden. Das beklagte Land hat die Zuweisung des Klägers an eine Mittelschule ausschließlich damit begründet, daß fachlich gute Lehrkräfte ausgewogen auf Gymnasien und Mittelschulen zu verteilen seien. Das widerspricht der PBG-VwV und ist zudem im Einzelfall sachwidrig.
Das beklagte Land hat schon nicht dargelegt, daß es sich um ein durchgängig verwendetes Kriterium handelt und wenn ja, nach welchen Grundsätzen es dabei vorgegangen ist. Entscheidend ist aber, daß die Bedeutung des Kriteriums der fachlichen Qualifikation bei der Zuweisung an Gymnasien und Mittelschulen in der PBG-VwV abschließend geregelt ist. Die fachliche Qualifikation wird durch die erreichte Punktzahl ausgedrückt. Nach der PBG-VwV ist die erreichte Punktzahl nach dem Bedarf das wesentliche Kriterium. Nr. 2.6.2. PBG-VwV sieht vor, daß der höherqualifizierte Bewerber bei der Zuweisung an ein Gymnasium den Vorrang erhält. Stehen zwei Lehrer in Konkurrenz um eine Gymnasiallehrerstelle, so ist danach grundsätzlich der fachlich höher bewertete Lehrer vorzuziehen. Derjenige, dessen Antrag abgelehnt wird, ist einer Mittelschule zuzuweisen, wie sich aus Nr. 2.5.4. PBG-VwV ergibt.
Die antragstellenden Lehrer hatten sich einem Beurteilungsverfahren zu unterziehen. Mit der Argumentation, trotz besserer oder gar bester Qualifikation mit der Begründung abgewiesen zu werden, auch an Mittelschulen sollten Lehrer mit den Fähigkeiten von Gymnasiallehrern unterrichten, konnte kein Lehrer rechnen. Das Kriterium der erreichten Punktzahl würde dann völlig zur Disposition des beklagten Landes gestellt sein. Dies widerspricht der PBG-VwV. Damit kann das beklagte Land seine Auswahlentscheidung nicht auf den behaupteten Bedarf an qualifizierten Lehrern an Mittelschulen stützen. Weitere Gründe für die Zuweisung des Klägers an eine Mittelschule hat es nicht vorgetragen. Insbesondere hat es sich nicht darauf berufen, daß der Kläger persönlich ungeeignet ist.
3. Der Umstand, daß nach Nr. 2.6.1. Satz 2 PBG-VwV kein Rechtsanpruch darauf besteht, als Lehrer am Gymnasium eingesetzt zu werden, steht einem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Ausübung des Weisungsrechts nach billigem Ermessen kann nicht durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers ausgeschlossen werden.
4. Nach alledem hat der Kläger einen Anspruch darauf, daß ihm das beklagte Land einem Gymnasium zuweist.
Unterschriften
Griebeling, Reinecke, Schliemann, Müller, Kähler
Fundstellen
Haufe-Index 871634 |
BB 1996, 540 |
NZA 1997, 623 |
AP, 0 |