Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit. Eingruppierung nach dem BAT. Wirksamkeit einer “vorübergehenden” Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Tätigkeitsübertragung zur Erprobung. Erprobungsdauer. Rechtsfolgen bei nicht billigem Ermessen entsprechender Erprobungsdauer. Eingruppierung öffentlicher Dienst. Tarifrecht öffentlicher Dienst
Orientierungssatz
- Es entspricht grundsätzlich billigem Ermessen iSv. § 315 BGB, wenn der Arbeitgeber dem Angestellten zum Zwecke seiner Erprobung nach § 24 BAT eine höherwertige Tätigkeit nur für einen vorübergehenden Zeitraum überträgt.
- Eine Erprobungszeit von mehr als sechs Monaten entspricht nur billigem Ermesen, wenn dafür besondere Gründe vorliegen.
- Es obliegt dem Arbeitgeber, diese darzulegen.
Normenkette
BAT §§ 24, 23, 22; Anlage 1a zum BAT VergGr. VII und VergGr. Vb; BGB § 315
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin ab dem 1. Januar 2000 Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Vc BAT und ab dem 1. November 2000 nach VergGr. Vb BAT hat. Dabei geht es darum, ob das beklagte Land der Klägerin eine höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend zuweisen durfte oder ob sie der Klägerin auf Dauer zusteht.
Die am 20. März 1972 geborene Klägerin wurde nach ihrem Abitur vom beklagten Land beim Versorgungsamt D. in der Zeit vom 11. August 1991 bis zu ihrer mit der Gesamtnote “gut” am 5. Juli 1994 bestandenen Abschlußprüfung zur Verwaltungsfachangestellten/Fachzweig Versorgungsverwaltung ausgebildet. Seit dem 6. Juli 1994 steht sie als vollbeschäftigte Angestellte in den Diensten des beklagten Landes. Für das Arbeitsverhältnis gilt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der für die Bereiche des Bundes und der Länder geltenden Fassung, dessen Anwendung die Parteien zudem in § 2 ihres schriftlichen Arbeitsvertrages vom 4. Juli 1994 vereinbart haben.
Die seinerzeit in der VergGr. VIII BAT eingruppierte Klägerin wurde beim Versorgungsamt D., bei dem ca. 320 Bedienstete beschäftigt sind, zunächst zur Einarbeitung unter Aufsicht und Anleitung als “Rentenbearbeiterin” der damaligen Rentengruppe 4 zugewiesen. Im Anschluß an die erfolgreiche Einarbeitung übertrug das beklagte Land der Klägerin zum Zwecke ihrer Erprobung mit Schreiben vom 31. Mai 1995 “unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs … mit sofortiger Wirkung gemäß § 24 Abs. 1 BAT vorübergehend die den Merkmalen der Vergütungsgruppe Vc – Fallgruppe 1a – des Teils I der Anlage 1a zum BAT entsprechende Tätigkeit einer Rentenbearbeiterin”. Mit Schreiben vom 1. Februar 1996 teilte das beklagte Land der Klägerin ua. mit, ihr würden mit Einverständnis des Landesversorgungsamtes NRW “ab 01.01.1996 für die Dauer der Abordnung des RI B. unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs vertretungsweise gemäß § 24 Abs. 2 BAT die höherwertigen Aufgaben einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 'Schwerbehindertengesetz'” übertragen. Die Tätigkeit der Sachbearbeiterin im Fachbereich Schwerbehindertenrecht übte die seit dem 1. Januar 1997 nach VergGr. VII BAT vergütete Klägerin weiter bis zum 28. April 1999 aus und erhielt seit dem 31. Mai 1995 dafür eine persönliche Zulage nach § 24 Abs. 3 BAT. In der Zeit vom 28. April 1999 bis zum 31. Dezember 1999 war die Klägerin als Sachbearbeiterin in der Abteilung 4 (Bundeserziehungsgeldgesetz) tätig. Auch für diese Tätigkeit erhielt sie die Zulage nach § 24 BAT.
Die Übertragung der von der Klägerin in der Zeit vom 31. Mai 1995 bis zum 31. Dezember 1999 ausgeübten höherwertigen Tätigkeiten der VergGr. Vc BAT erfolgte auf Grund von insgesamt zehn Verfügungen des beklagten Landes. Die Parteien stimmen darin überein, daß die im vorgenannten Zeitraum von der Klägerin auszuübenden Tätigkeiten den Anforderungen der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT entsprechen.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 1999 teilte das beklagte Land der Klägerin ua. mit, aus Gründen der haushaltsrechtlichen Stellenbewirtschaftung sei eine weitere Übertragung der höherwertigen Tätigkeit über den 31. Dezember 1999 hinaus nicht möglich. Die Voraussetzungen für die Zahlung einer persönlichen Zulage nach § 24 BAT lägen somit ab 1. Januar 2000 nicht mehr vor. Seit dem genannten Zeitpunkt wurde die Klägerin als Assistenzkraft in der Registratur der Abteilung Bundeserziehungsgeld eingesetzt. Nach dem Obsiegen in erster Instanz durch das Urteil des Arbeitsgerichts vom 17. August 2000 wird die Klägerin seit dem 25. August 2000 wieder als Sachbearbeiterin in der Erziehungsgeldkasse eingesetzt.
Mit ihrer im Berufungsrechtszug beschränkten Klage erhebt die Klägerin gegenüber dem beklagten Land Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Vc BAT ab 1. Januar 2000 und nach VergGr. Vb BAT ab 1. November 2000.
Die Klägerin hat vorgetragen, die nur vorübergehende Übertragung der Aufgaben einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes sei sachlich nicht gerechtfertigt gewesen. Im Zeitpunkt der einzelnen Zuweisungen habe ein Dauervertretungsbedarf bestanden, dieser bestehe auch jetzt noch. Die einzelnen Befristungen seien unwirksam, da schon zum Zeitpunkt der einzelnen Übertragungen eine über den Endtermin hinausgehende Beschäftigung vorgesehen gewesen sei. Sie sei so zu stellen, als ob ihr die Tätigkeiten auf Dauer übertragen worden seien. Da sie Sachbearbeitertätigkeiten der VergGr. Vc Fallgr. 1a BAT ab dem 31. Mai 1995 ausgeübt habe, sei sie seit diesem Zeitpunkt in VergGr. Vc BAT/BL und nach Ablauf der dreijährigen Bewährungszeit zumindest ab 1. November 2000 in VergGr. Vb BAT/BL eingruppiert.
Die Klägerin hat zuletzt – im Berufungsrechtszug – beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an sie ab 1. Januar 2000 eine Vergütung nach der VergGr. Vc BAT/BL und ab 1. November 2000 nach der VergGr. Vb BAT/BL zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die vorübergehenden Zuweisungen von Aufgaben einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Zeit vom 31. Mai 1995 bis zum 31. Dezember 1999 seien jeweils sachlich gerechtfertigt gewesen. Die Mitteilung des Grundes der vorübergehenden Übertragung sei keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Die beim Versorgungsamt in D. praktizierte Regelung über Vertretungen und Zulagenzahlung sei auch dann nicht zu beanstanden, wenn regelmäßiger Vertretungsbedarf bestanden hätte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage, mit der die Klägerin seinerzeit die Vergütung nach VergGr. Vb BAT seit einem früheren Zeitpunkt gefordert hatte, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes nach dem im Berufungsrechtszug von der Klägerin eingeschränkten Feststellungsantrag erkannt. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist nicht begründet. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht der im Berufungsrechtszug beschränkten als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässigen Klage stattgegeben.
Unterschriften
Bott, Friedrich, Wolter, Pflügner-Wax, Weßelkock
Fundstellen
NZA 2003, 288 |
ZTR 2003, 82 |
ZfPR 2003, 50 |
NJOZ 2003, 2017 |
Tarif aktuell 2003, 9 |