Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit. Anwendungsbereich des BAT. Ermessensausübung des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. § 24 BAT setzt für eine vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit die Möglichkeit einer derartigen Maßnahme in Ausübung des Direktionsrechts voraus und gestaltet diese Maßnahme. Deshalb hat sich die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit in entsprechender Anwendung von § 315 BGB am billigen Ermessen zu orientieren. Dieses billige Ermessen der Ausübung des Direktionsrechts muss sich im Wege einer “doppelten Billigkeitsprüfung” auf die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit “an sich” und die “Nicht-Dauerhaftigkeit” der Übertragung beziehen. An der früheren Rechtsprechung der Rechtsmissbrauchskontrolle einer vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit hält der Senat nicht fest.
2. Die Grundsätze der Billigkeit sind dann gewahrt, wenn alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt sind.
3. Wendet sich der Angestellte nicht gegen die Tätigkeitsübertragung “an sich”, sondern lediglich gegen deren zeitliche Begrenzung, so sind das Interesse des Arbeitnehmers, die höherwertige Tätigkeit auf Dauer zu erhalten, und das Interesse des Arbeitgebers, die Tätigkeit nicht auf Dauer zu übertragen, gegeneinander abzuwägen. Entspricht danach die nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nicht billigem Ermessen, ergeht eine richterliche Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 S. 2 BGB.
Normenkette
BAT §§ 24, 23, 22; BGB § 315; BAT Anl 1a VergGr VIb; BAT Anl 1a VergGr Vc
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. März 2001 – 18 Sa 1653/00 – aufgehoben, soweit es die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen hat.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob der Klägerin ab dem 1. Juli 1999 Vergütung nach VergGr. V c BAT zusteht. Dabei geht es darum, ob das beklagte Land der Klägerin eine höherwertige Tätigkeit gem. § 24 Abs. 1 und 2 BAT nur vorübergehend bzw. vertretungsweise zuweisen durfte oder ob sie der Klägerin auf Dauer zusteht.
Die am 3. Mai 1950 geborene Klägerin steht seit dem 1. April 1982 als Verwaltungsfachangestellte in den Diensten des beklagten Landes und ist im Versorgungsamt G mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt, vorübergehend auch als vollbeschäftigte Angestellte. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) kraft vertraglicher Vereinbarung Anwendung. Die Klägerin bezieht eine Vergütung nach VergGr. VII BAT.
Die Klägerin war zunächst im Schreibdienst eingesetzt. Von Mai 1994 bis Mai 1996 nahm die Klägerin an einer Fortbildungsmaßnahme für Angestellte mit der inhaltlichen Ausrichtung auf einen künftigen Einsatz in Tätigkeiten des mittleren Dienstes teil. Vom 29. April 1996 bis 28. Oktober 1996 war die Klägerin vorübergehend zur Erprobung als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Fachabteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) eingesetzt. Dem weiteren Einsatz der Klägerin als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes liegen folgende Übertragungsverfügungen des Versorgungsamtes G zugrunde:
Mit Schreiben vom 24. Oktober 1996 wurde der Klägerin ua. mitgeteilt:
„… mit Ablauf des 28.10.1996 wird Ihre Erprobungszeit erfolgreich beendet sein.
Ab 29.10.1996 werden Sie gemäß § 24 Abs. 1 BAT vorübergehend als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes eingesetzt. …
Der vorübergehende Einsatz endet mit Ablauf des 31.07.1997, weil ab 01.08.1997 der dem Versorgungsamt zugeordnete Regierungsassistentenanwärter Herr A als Sachbearbeiter des mittleren Dienstes eingesetzt wird und den von Ihnen vorübergehend besetzten Dienstposten einnimmt.
…”
Im Schreiben vom 28. Juli 1997 heißt es ua.:
„… Ihr auf § 24 Abs. 1 BAT basierender vorübergehender Einsatz als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes endet, wie ich Ihnen mit Schreiben vom 24.10.1996 … mitgeteilt habe, am 31.07.1997.
Ab 01.08.1997 werden Sie gemäß § 24 Abs. 2 BAT vertretungsweise als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 eingesetzt. Vertretungsgrund ist der vorübergehende Einsatz des Regierungsamtsinspektors W im gehobenen Dienst. Sie vertreten Herrn W bis zum 31.12.1997.
…”
Mit Schreiben vom 29. September 1997 wurde der Klägerin ua. mitgeteilt:
„… wie mit Bezugsschreiben mitgeteilt, endet Ihr vertretungsweiser Einsatz für Herrn W am 31.12.1997. Ab 01.01.1998 werden Sie allerdings erneut vertretungsweise gemäß § 24 Abs. 2 BAT eingesetzt, und zwar als Vertreterin des Sachbearbeiters des mittleren Dienstes Herrn R, der vorübergehend im gehobenen Dienst tätig ist. Sie vertreten Herrn R bis zum 31.03.1998.
…”
Im weiteren Schreiben vom 30. März 1998 heißt es ua.:
„… der anderweitige Einsatz des von Ihnen vertretenen Regierungsamtsinspektors Herrn R dauert voraussichtlich bis 31.12.1998.
Sie werden über den 31.03.1998 hinaus vertretungsweise für Herrn R gem. § 24 Abs. 2 BAT als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes eingesetzt. Sie vertreten den Beamten für die Dauer seiner Abwesenheit, längstens bis 31.12.1998. …”
Mit Verfügung vom 18. November 1998 erhielt die Klägerin ua. die Mitteilung:
„… Ihr vertretungsweiser Einsatz für Herrn R endet wie vorgesehen mit Ablauf des 31.12.1998. Ab 01.01.1999 werden Sie vertretungsweise gemäß § 24 Abs. 2 BAT für Herrn RHS Meyer, der voraussichtlich bis 31.08.1999 vorübergehend im gehobenen Dienst tätig ist, eingesetzt. Sie vertreten Herrn Meyer für die Dauer seines anderweitigen Einsatzes, längstens bis 31.08.1999. … „
In der letzten Übertragungsverfügung vom 30. August 1999 heißt es ua.:
„… Ihr vertretungsweiser Einsatz für Herrn M endet wie im Bezugsschreiben mitgeteilt mit Ablauf des 31.08.1999.
Ab 01.09.1999 übertrage ich Ihnen im Rahmen Ihrer reduzierten Arbeitszeit (1/2) gemäß § 24 Abs. 2 BAT vertretungsweise für Frau G die Tätigkeit einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes. Sie vertreten Frau G, die sich im Erziehungsurlaub befindet, bis zum 11.05.2000. …”
Mit Schreiben vom 8. September 1999 erhielt die Klägerin die Mitteilung, daß ihr vertretungsweiser Einsatz vorzeitig enden werde, falls der Erziehungsurlaub von Frau G vorzeitig beendet werden sollte. Nach dem Widerruf der vorübergehenden Tätigkeitsübertragung zum 1. April 2000 war die Klägerin zunächst in der Registratur beschäftigt. Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils wird sie seit dem 17. Mai 2000 wieder als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes eingesetzt. Der Antrag der Klägerin vom 21. September 1999 auf Vergütung nach der VergGr. V c BAT wurde mit Schreiben vom 8. November 1999 abschlägig beschieden.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe ihr die Sachbearbeitertätigkeit rechtsmißbräuchlich nur vorübergehend bzw. vertretungsweise übertragen. Grund der vorübergehenden Übertragung sei jeweils nicht der einzelne vorgegebene Vertretungsfall. Die Vertretungsfälle seien nur vorgeschoben. Die Arbeitsplätze der angeblich Vertretenen habe sie nicht eingenommen. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ausfall der Beschäftigten und der Vertretung bestehe nicht. Es habe ein Dauerbedarf vorgelegen. Im übrigen entspreche der Widerruf der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit zum 1. April 2000 nicht billigem Ermessen und sei wegen der fehlenden Personalratsbeteiligung unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an sie ab dem 1. Januar 1998 eine Vergütung nach der VergGr. V c Fallgruppe 1 a BAT zu zahlen, diese im Arbeitsvertrag festzuschreiben und die Zeit ab dem 1. Januar 1998 auf die Bewährungszeit gemäß VergGr. V b Fallgruppe 1 c BAT anzurechnen;
hilfsweise festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an sie eine Zulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen den VergGr. VII und V c BAT zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, eine rechtsmißbräuchliche Ausnutzung der Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT liege nicht vor. Die verfügten vorübergehenden Übertragungen höherwertiger Tätigkeiten auf die Klägerin seien sachlich gerechtfertigt. Ein dauerhafter Vertretungsbedarf habe nicht bestanden. Im übrigen habe während des Gesamtzeitraums der Vertretungsfälle im Versorgungsamt G ein Gesamtvertretungsbedarf vorgelegen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Hauptantrages stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht unter Zurückweisung der Berufung im übrigen festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 1. Juli 1999 eine Vergütung nach VergGr. V c BAT zu zahlen, und hat die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen auf Abweisung der gesamten Klage gerichteten Antrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann der Klage nicht in dem vom Landesarbeitsgericht erkannten Umfang stattgegeben werden. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
1. Auf das Arbeitsverhältnis ist auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) anzuwenden.
2. Danach setzt die von der Klägerin erstrebte Eingruppierung voraus, daß bei ihr zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die jeweils für sich genommen die Anforderungen zumindest eines Tätigkeitsmerkmals der von ihr in Anspruch genommenen VergGr. V c BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei kommt es auf die von der Klägerin nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit an (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT).
Die der Klägerin übertragene Sachbearbeitertätigkeit entspricht den Anforderungen der VergGr. V c Fallgr. 1 a des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT. Diese Bewertung ist zwischen den Parteien nicht umstritten. Dies war entsprechend den Grundsätzen zur Überprüfung einer Eingruppierung bei korrigierender Rückgruppierung (vgl. BAG 16. Februar 2000 – 4 AZR 62/99 – BAGE 93, 340 ff., 356 f.) zugrunde zu legen.
3. Das Landesarbeitsgericht hat erkannt, die Tätigkeit als Sachbearbeiterin mittlerer Dienst sei von der Klägerin ab 29. Oktober 1996 nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer auszuüben gewesen. Für die vorübergehenden Übertragungen der höherwertigen Tätigkeit durch die Verfügungen vom 24. Oktober 1996, 28. Juli 1997, 29. September 1997, 30. März 1998 und 18. November 1998 habe kein sachlicher Grund vorgelegen. Nur die erste Übertragung vom 29. April 1996 bis zum 28. Oktober 1996 und die letzte Übertragung vom 1. September 1999 bis 11. Mai 2000 hätten § 24 BAT entsprochen. Das hält der Revision nicht stand.
a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, das beklagte Land habe der Klägerin die Tätigkeit als Sachbearbeiterin ausdrücklich nicht auf Dauer, sondern jeweils nur vorübergehend bzw. zur Vertretung übertragen.
b) Bei seiner rechtlichen Prüfung, ob es rechtens war, diese höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen, ist das Landesarbeitsgericht – auch – von der bisherigen Rechtsprechung des Senats ausgegangen. Danach galt eine vorübergehend übertragene Tätigkeit als auf Dauer übertragen, wenn die Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT rechtsmißbräuchlich verwendet worden sei. Rechtsmißbrauch lag nach dieser Rechtsprechung vor, wenn die vorübergehende Übertragung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei (5. Juli 1967 – 4 AZR 162/66 – und 11. Oktober 1967 – 4 AZR 448/66 – AP TVG § 1 Tarifverträge: BAVAV Nrn. 10, 11; 25. Oktober 1967 – 4 AZR 12/67 – AP BAT § 24 Nr. 1; 5. September 1973 – 4 AZR 549/72 – AP BAT § 24 Nr. 2). Fehle es an einer sachlichen Rechtfertigung, sei der Angestellte vom Beginn der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit an so zu behandeln, als sei ihm diese auf Dauer zugewiesen (10. Februar 1988 – 4 AZR 585/87 – AP BAT § 24 Nr. 15 mwN; 16. Januar 1991 – 4 AZR 301/90 – BAGE 67, 59; 26. März 1997 – 4 AZR 604/95 – ZTR 1997, 413). Es bestehe aber hinsichtlich der tatsächlichen Rechtfertigung ein verhältnismäßig großer Beurteilungsspielraum sowohl des Arbeitgebers als auch der Tatsacheninstanz (15. Februar 1984 – 4 AZR 595/82 – AP BAT § 24 Nr. 8).
c) Diese Rechtsprechung zur Rechtsmißbrauchskontrolle bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für einen vorübergehenden Zeitraum hat der Senat nach nochmaliger Prüfung in mehreren Entscheidungen vom 17. April 2002 aufgegeben. Vielmehr muß der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung, ob er kraft seines Direktionsrechts die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nur vorübergehend vornimmt, entsprechend § 315 BGB billiges Ermessen walten lassen. Der Senat hat diese Rechtsprechungsänderung und die Grundsätze für die Ermessensprüfung bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT in der Entscheidung in der Sache – 4 AZR 174/01 – (zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.]) ausführlich begründet. Darauf nimmt er Bezug.
Danach ist bei der „vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit” nach § 24 BAT zu unterscheiden zwischen einer „vorübergehenden” Übertragung nach § 24 Abs. 1 BAT und der „vertretungsweisen” Übertragung der Tätigkeit nach § 24 Abs. 2 BAT. Letztere bildet einen speziell geregelten Sonderfall der vorübergehenden (interimistischen) Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit.
aa) Um eine Vertretung iSv. § 24 Abs. 2 BAT handelt es sich nur dann, wenn der eigentliche Arbeitsplatzinhaber vorübergehend die ihm dauernd übertragene Tätigkeit nicht wahrnimmt (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand März 2002 § 24 Rn. 53). Die Billigkeit einer vertretungsweisen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 Abs. 2 BAT folgt schon aus dem Übertragungsgrund. Denn nach Rückkehr des vertretenen Arbeitnehmers auf seinen Arbeitsplatz besteht kein Bedürfnis für die Beschäftigung des Vertreters auf diesem Arbeitsplatz. Die vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für die Zeit der Verhinderung des Vertretenen entspricht daher regelmäßig billigem Ermessen (Senat 17. April 2002 – 4 AZR 174/01 – zVv.).
bb) Ist die Stelle, auf der der Angestellte – vorübergehend – beschäftigt wird, noch nicht besetzt, weil sie zB für einen Beamten freigehalten wird, liegt kein Vertretungsfall, sondern eine vorübergehend auszuübende Tätigkeit iSd. § 24 Abs. 1 BAT vor (Senat 25. Oktober 1967 – 4 AZR 12/67 – AP BAT § 24 Nr. 1). Daher ist vom Arbeitgeber kein Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Angestellten, der vorübergehend eingesetzt worden ist, und der nach dem Zugang vom Beamtenanwärter zu erbringenden Tätigkeit darzulegen. Zu prüfen ist die Zuordnung des vorübergehenden Einsatzes des Angestellten zu der freizuhaltenden Stelle im Zeitpunkt der Übertragung. Hierzu hat der Arbeitgeber vorzutragen. Die Zuordnung des vorübergehenden Einsatzes des Angestellten zu der freizuhaltenden Stelle zum Zeitpunkt der Übertragungsverfügung ist zB dann nicht schlüssig dargelegt, wenn der Arbeitgeber die vorübergehenden Übertragungen auf mehrere vollbeschäftigte Angestellte für dieselbe Zeit mit dem Freihalten der Stelle für denselben zugehenden Beamtenanwärter begründet. Die generelle Entscheidung des beklagten Landes, bestimmte Stellen nur mit Beamten zu besetzen und sie daher bis zum Zugang von Beamtenanwärtern freizuhalten, ist grundsätzlich hinzunehmen. Für eine solche Organisationsentscheidung kann es plausible Gründe geben wie zB die leichtere Versetzbarkeit von Beamten im Vergleich zu Angestellten, die häufig gegebene vielseitigere Einsetzbarkeit von Beamten, zB auf Grund einer breiteren Ausbildung, oder auch die Verfügbarkeit von Beamten im Falle eines Streiks. Diese Entscheidung schränkt letztlich die Ermessensentscheidung der einzelnen Versorgungsämter bei der Disposition über die Stellen ein. Es muß aber nachvollziehbar dargelegt sein, daß eine solche Entscheidung getroffen worden ist. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß im Einzelfall die Organisationsentscheidung rechtsmißbräuchlich ist. Dafür muß der Angestellte Gründe vortragen. Wird der vorübergehende Einsatz des Angestellten auf einer für einen zugehenden Beamtenanwärter freizuhaltenden Stelle nicht mit einer generellen Organisationsentscheidung begründet, ist zu prüfen, ob die Einzelentscheidung, die Stelle nur mit einem Beamten dauerhaft zu besetzen, billigem Ermessen iSv. § 315 BGB entspricht. Der Arbeitgeber muß also seine Interessen offenlegen, die Stelle für einen Beamten freihalten zu wollen. Diese sind gegenüber dem Interesse des Angestellten, die ihm nur vorübergehend übertragene Tätigkeit dauerhaft auszuüben, abzuwägen.
cc) Ist bei nur einer dieser mehreren interimistischen Übertragungen billiges Ermessen hinsichtlich dessen, daß die Übertragung nicht auf Dauer erfolgte, nicht gewahrt, so kann dies zur Folge haben, daß diese Übertragung kraft richterlicher Entscheidung entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB als auf Dauer erfolgt anzusehen ist. Ob die zeitlich nachfolgenden interimistischen Übertragungen derselben oder einer gleichermaßen höherwertigen Tätigkeit ihrerseits billigem Ermessen entsprechen, ist rechtlich unerheblich, wenn die vorherige Übertragung als auf Dauer erfolgt anzusehen ist (Senat 17. April 2002 – 4 AZR 174/01 – zVv.).
d) Nach diesen Grundsätzen entsprechen die erste Übertragung für den Zeitraum vom 29. April 1996 bis 28. Oktober 1996 sowie die Übertragungsverfügungen vom 28. Juli 1997 und vom 18. November 1998 billigem Ermessen iSv. § 315 BGB, während dies für die Übertragungsverfügungen vom 24. Oktober 1996, 29. September 1997 und 30. März 1998 auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilt werden kann.
aa) Die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit auf die Klägerin für die Zeit vom 29. April bis 28. Oktober 1996 erfolgte zur Erprobung der Klägerin in einem neuen Aufgabengebiet. Die Prüfung der Eignung eines Angestellten ist ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, die höherwertige Tätigkeit nur für einen begrenzten Zeitraum zu übertragen, welches das Interesse des Arbeitnehmers, diese auf Dauer zu erhalten, überwiegt. Die knapp sechsmonatige Erprobungszeit ist angemessen (Senat 18. Juni 1997 – 4 AZR 728/95 – AP BAT-O § 24 Nr. 1 mwN).
bb) Auch die Übertragungsverfügung vom 28. Juli 1997 entsprach billigem Ermessen. Entsprechend dieser Verfügung hat die Klägerin in dem Zeitraum vom 1. August 1997 bis zum 31. Dezember 1997 den Regierungsamtsinspektor W vertreten. Die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf den Angestellten zur Vertretung (§ 24 Abs. 2 BAT) entspricht billigem Ermessen iSv. § 315 BGB. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt es nicht darauf an, daß das beklagte Land den Grund für die zeitweilige Abordnung des von der Klägerin vertretenen Regierungsamtsinspektors W bzw. des von diesem vertretenen Angestellten S nicht vorgetragen hat. Die Umsetzung des vertretenen bzw. letztvertretenen Angestellten ist nicht darauf zu prüfen, ob sie hinsichtlich ihrer Dauer pflichtgemäßem Ermessen des beklagten Landes entspricht. Einen diesbezüglichen Ermessensfehler zu beanstanden, ist Sache des abgeordneten Angestellten, nicht diejenige des ihn vertretenden Angestellten.
cc) Dementsprechend war auch die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit durch die Verfügung vom 18. November 1998 zur Vertretung des Beamten M zulässig. Auch dabei kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht darauf an, ob die Umsetzung des vertretenen Beamten M, welcher vorübergehend im gehobenen Dienst auf einer Stelle tätig war, die freigehalten wurde für den am 1. September 1999 zugehenden Regierungsinspektorenanwärter W, ihrerseits billigem Ermessen entspricht.
dd) Hinsichtlich der Verfügung vom 24. Oktober 1996 kann nicht entschieden werden, ob die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit für den Zeitraum vom 29. Oktober 1996 bis zum 31. Juli 1997 billigem Ermessen entspricht.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat die Unzulässigkeit dieser vorübergehenden Übertragung zum einen mit dem Hinweis begründet, daß es sich bei der für den zugehenden Regierungsassistentenanwärter A freigehaltene Stelle um Daueraufgaben handele. Zum anderen entspreche es nicht billigem Ermessen, wenn das beklagte Land den Regierungsassistenanwärtern schon während deren Ausbildung eine Stelle freihalte, während es vergleichbare Anstrengungen für qualifizierte Angestellte nicht unternehme. Unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Grundentscheidung von Art. 33 Abs. 2 und 4 GG erscheine es als unbillig, von einem Angestellten zu verlangen, daß er vorübergehend höherwertige Tätigkeiten auf einer Stelle ausführe, die für einen Beamtenanwärter freigehalten werde, obwohl nicht feststehe, ob der Anwärter überhaupt die Abschlußprüfung bestehe und wo er eingesetzt werde.
(2) Dem kann nach den dargelegten Grundsätzen nicht gefolgt werden. Danach ist zunächst von dem Arbeitgeber darzulegen, ob das Freihalten der Stelle für einen Beamten auf einer generellen Organisationsentscheidung oder auf einer Einzelfallentscheidung beruht, und vom Gericht zu entscheiden, ob diese Entscheidung nach den dargelegten Grundsätzen billigem Ermessen entspricht. Darüber hinaus ist die Zuordnung des vorübergehenden Einsatzes der Klägerin zu der freizuhaltenden Stelle für den Regierungsassistentenanwärter A im Zeitpunkt der Übertragung darzulegen und ggf. zu überprüfen. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts reichen nicht aus, um das bewerten zu können. Danach ergibt sich die Zuordnung nur aus der Begründung der Übertragungsverfügung vom 24. Oktober 1996. Das reicht angesichts des Bestreitens der Zuordnung durch die Klägerin nicht aus.
ee) Auch die Zulässigkeit der vertretungsweisen Übertragung der höherwertigen Tätigkeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1998 auf Grund der Verfügungen vom 29. September 1997 und 30. März 1998 kann nicht abschließend beurteilt werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann die Unbilligkeit dieser Übertragungsverfügungen auch hier nicht damit begründet werden, das beklagte Land habe keine Angaben dazu gemacht, daß der vorübergehende Einsatz des vertretenen Beamten R seinerseits berechtigt war. Die Klägerin hat substantiiert bestritten, daß sie tatsächlich während der Vertretung die dem Beamten R auf Dauer übertragene Tätigkeit ausgeübt hat. Der Beamte R werde erst seit Anfang Januar 2000 in einer SchwbG-Gruppe eingesetzt und sei vorher seit Jahren in anderen Abteilungen (TV, Facharbeitsgruppe, arbeitsmarktpolitisches Förderprogramm) tätig gewesen. Das Landesarbeitsgericht wird unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags der Parteien zu entscheiden haben, ob der von dem beklagten Land in der Übertragungsverfügung benannte Zusammenhang zwischen der der Klägerin vertretungsweise und der dem vertretenen Beamten Rauf Dauer übertragenen Stelle tatsächlich besteht.
ff) Auf die vom Landesarbeitsgericht angenommene Zulässigkeit der Übertragungsverfügung vom 30. August 1999, mit der der Klägerin die höherwertige Tätigkeit für den Zeitraum vom 1. September 1999 bis zum 11. Mai 2000 zur Vertretung der Angestellten G übertragen worden ist, bzw. auf die Wirksamkeit des vorzeitigen Widerrufs dieser Übertragung kommt es nur an, wenn die hinsichtlich der rechtlichen Bewertung offenen früheren Übertragungen während der Zeiträume vom 29. Oktober 1996 bis zum 31. Juli 1997 und vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1998 billigem Ermessen entsprechen.
Unterschriften
Bott, Friedrich, Wolter, Die ehrenamtliche Richterin Pflügner-Wax ist infolge Ausscheidens aus dem Amt an der Unterschrift verhindert. Bott, Weßelkock
Fundstellen