Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitsverhältnisses eines Kombinatsdirektors
Normenkette
AGB-DDR §§ 38, 62, 65; BGB § 611
Verfahrensgang
Thüringer LAG (Urteil vom 20.09.1993; Aktenzeichen 7/3/1 Sa 159/92) |
ArbG Erfurt (Urteil vom 05.02.1992; Aktenzeichen 3 Ca 3696/91) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 20. September 1993 – 7/3/1 Sa 159/92 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger aufgrund eines Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen und tarifmäßig einzugruppieren.
Der Kläger war von 1957 bis 1972 als Ingenieur für Landtechnik beim VEB Kombinat Landtechnik E. (fortan: Kombinat) beschäftigt. Nach einer anderweitigen Tätigkeit wurde der Kläger vom Rat des Bezirkes E. mit Wirkung ab 1. Juli 1983 zum Direktor des Kombinats berufen. Als Kombinatsdirektor erhielt der Kläger zuletzt im Jahre 1990 monatlich 2.950,00 Mark.
Mit Wirkung ab 1. Juli 1990 wurde das Kombinat aufgrund § 11 Abs. 2 Satz 1 des „Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens” vom 17. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 300) – fortan: Treuhandgesetz – in eine Aktiengesellschaft im Aufbau, die Beklagte, umgewandelt. Der Kläger nahm ab 1. Juli 1990 die Aufgaben des Vorstandsvorsitzenden gemäß § 16 Treuhandgesetz geschäftsführend wahr.
Am 1. Oktober 1990 schlossen die Parteien einen „vorläufigen Dienstvertrag”, wonach der Kläger rückwirkend ab 1. Juli 1990 zum Vorstandsvorsitzenden der Beklagten bestellt wurde. Als Vergütung war ein Bruttomonatsgehalt von 4.200,00 DM vereinbart. Der Vertrag war bis 1. Juli 1991 befristet. Während dieser Zeit sollte der Vertrag von jeder Partei mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden können. Der Dienstvertrag wurde im Juni 1991 einvernehmlich bis zum 30. September 1991 verlängert. Zugleich wurde das Gehalt des Klägers auf 5.000,00 DM brutto im Monat angehoben. Eine weitere Verlängerung des Dienstvertrages erfolgte nicht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein durch die Berufung vom 1. Juli 1983 begründetes Arbeitsverhältnis sei mangels Abberufung nicht beendet worden. Während der Ausübung der organschaftlichen Stellung als Vorstandsvorsitzender habe dieses Arbeitsverhältnis lediglich geruht und sei mit Beendigung dieser Stellung wieder aufgelebt. Von einer konkludenten Aufhebung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses sei nicht auszugehen, weil die Nachteile des befristeten Anstellungsverhältnisses als Vorstandsvorsitzender nicht durch eine erhebliche materielle Besserstellung ausgeglichen worden seien.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß er bei der Beklagten unter Einstufung in die Gehaltsgruppe VII gemäß § 10 des Manteltarifvertrages durch den Verband Landtechnik Thüringen e. V. und der IG Metall über den 30. September 1991 hinaus weiterzubeschäftigen sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das ursprüngliche Arbeitsverhältnis des Klägers sei mit dem Abschluß des Dienstvertrages vom 1. Oktober 1990 und der Bestellung des Klägers zum Vorstandsvorsitzenden erloschen. Es sei von einer stillschweigenden Aufhebungsvereinbarung auszugehen. Den wirtschaftlichen Interessen des Klägers sei durch die finanzielle Besserstellung Rechnung getragen worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Eingruppierung, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht.
1. Zwischen dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem VEB Kombinat Landtechnik E., und dem Kläger bestand seit 1. Juli 1983 ein durch Berufung nach § 38 Abs. 2 AGB-DDR begründetes Arbeitsrechtsverhältnis. Aufgrund dieses Arbeitsrechtsverhältnisses übte der Kläger bis 30. Juni 1990 die Funktion eines Kombinatsdirektors aus.
2. Dieses Arbeitsrechtsverhältnis wurde durch den zwischen den Parteien am 1. Oktober 1990 geschlossenen Dienstvertrag rückwirkend ab 1. Juli 1990 in ein freies Dienstverhältnis umgewandelt.
Am 1. Juli 1990 wurde das Kombinat aufgrund § 11 Abs. 2 Satz 1 Treuhandgesetz in die Beklagte umgewandelt. Der Kläger wurde durch den oben genannten Dienstvertrag mit Wirkung vom 1. Juli 1990 zum Vorstandsvorsitzenden der Beklagten bestellt. Die Parteien stellten damit ihre rechtlichen Beziehungen auf eine neue Grundlage. Der Kläger war nicht mehr Kombinatsdirektor, sondern Vorstandsvorsitzender. Er vertrat seither die Beklagte nach außen und übte deren Arbeitgeberfunktion gegenüber den Arbeitnehmern aus. Er erhielt eine höhere Vergütung. Das bisherige Arbeitsrechtsverhältnis wurde durch ein der Organstellung als Vorstandsvorsitzender zugrunde liegendes freies Dienstverhältnis abgelöst. Damit wurde das durch Berufung begründete Arbeitsrechtsverhältnis beendet. Einer Abberufung nach den befristet bis 31. Dezember 1991 weitergeltenden §§ 62, 65 AGB-DDR bedurfte es nicht, weil das Arbeitsrechtsverhältnis einvernehmlich beendet wurde (vgl. Oetker in MünchKomm-BGB, Ergänzungsband, 2. Aufl., Zivilrecht im Einigungsvertrag Rz. 1543).
Ob das Arbeitsrechtsverhältnis als Kombinatsdirektor durch die Umwandlung des Kombinats in eine Aktiengesellschaft „aufgrund des gewandelten normativen Fundaments” (so Oetker, a.a.O., Rz 1540) auch ohne besondere Vereinbarung gesetzlich in ein dem Dienstvertragsrecht unterliegendes Rechtsverhältnis umgewandelt wurde, kann im Streitfall dahingestellt bleiben. Die Parteien haben ihre Rechtsbeziehungen durch den Dienstvertrag vom 1. Oktober 1990 eindeutig geregelt.
3. Das hiernach zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis wurde ab 3. Oktober 1990 ein freies Dienstverhältnis nach § 611 BGB. Mit der Geltung des BGB für das Beitrittsgebiet sind für wiederkehrende persönliche Dienstleistungen von dieser Zeit an die Vorschriften des BGB anzuwenden (Art. 232 § 6 EGBGB). Dieses Dienstverhältnis endete unstreitig am 30. September 1991 durch Fristablauf.
4. Entgegen der Auffassung der Revision lebte das ursprüngliche Arbeits(-rechts)Verhältnis des Klägers mit Beendigung seines Dienstverhältnisses und seiner organschaftlichen Stellung als Vorstandsvorsitzender nicht wieder auf.
a) Die Parteien haben im Dienstvertrag vom 1. Oktober 1990 nicht vereinbart, daß das ursprüngliche Arbeitsverhältnis während der Zeit des Klägers als Vorstandsvorsitzender lediglich ruhe und danach wieder auflebe. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien eine solche Regelung mündlich oder stillschweigend vereinbarten. Die Revision hat vielmehr eingeräumt, die Parteien hätten sich im Oktober 1990 „keinerlei Gedanken über die nun im Streit bestehende Problematik gemacht”.
b) Zu Unrecht beruft sich die Revision auf die Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts, wonach bei Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers das ursprüngliche, lediglich suspendierte Arbeitsverhältnis wieder aufleben könne (BAG Urteil vom 9. Mai 1985 – 2 AZR 330/84 – BAGE 49, 81 = AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979). Diese Rechtsprechung setzt den Fall eines ursprünglichen, mit Bestandsschutz versehenen Arbeitsverhältnisses voraus. So hat der Zweite Senat entschieden, daß dann, wenn der Arbeitnehmer zwecks späterer Anstellung als GmbH-Geschäftsführer zunächst in einem Arbeitsverhältnis erprobt werden sollte, im Zweifel anzunehmen sei, daß mit Abschluß des Geschäftsführervertrages das ursprüngliche Arbeitsverhältnis beendet werde (BAG Urteil vom 7. Oktober 1993 – 2 AZR 260/93 – AP Nr. 16 zu § 5 ArbGG 1979).
Im Streitfall hatte der Kläger als Kombinatsdirektor kein Arbeitsverhältnis mit Bestandsschutz. Er könnte gemäß § 62 AGB-DDR mit einer Frist von einem Monat abberufen werden. Gegen die Abberufung stand ihm ein Beschwerderecht zu (§ 65 AGB-DDR). Nach dem befristeten Dienstvertrag vom 1. Oktober 1990 war jede Vertragspartei berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende zu kündigen. Der Kläger hat somit kein Arbeitsverhältnis mit Bestandsschutz gegen ein weniger sicheres ausgetauscht, das die Vereinbarung des Ruhens des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses nahelegen könnte.
5. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Schömburg, Hennecke
Fundstellen