Entscheidungsstichwort (Thema)
Energiebeihilfe für Rentner kraft Gleichbehandlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gewährt ein Arbeitgeber allen Arbeitnehmern und Rentnern sowie deren Hinterbliebenen anstelle nicht mehr verwendbarer Hausbrandkohle eine Barabgeltung, so verstößt es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn er diejenigen Altrentner und deren Hinterbliebenen von der Barabgeltung ausschließt, die schon vor einem 23 Jahre zurückliegenden Stichtag in den Ruhestand getreten waren und ihren Hausbrand nicht aufgrund eines Tarifvertrages, sondern aufgrund einer Gesamtzusage des Arbeitgebers bezogen.
2. Leistungsrichtlinien des Arbeitgebers müssen auch dann dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügen, wenn sie auf einer formlosen Absprache der Tarifvertragsparteien beruhen.
Orientierungssatz
Auslegung des Manteltarifvertrages für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaues vom 7.4.1953 und 13.4.1976.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 03.11.1981; Aktenzeichen 6 Sa 475/81) |
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 16.03.1981; Aktenzeichen 3 Ca 3568/80) |
Tatbestand
Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten Zahlung einer Energiebeihilfe anstelle früher bezogener Hausbrandkohle.
Die Klägerinnen sind Witwen von Bergleuten, die bei Rechtsvorgängerinnen der Beklagten beschäftigt waren und in den Jahren von 1941 bis 1950 ausgeschieden sind. Sie bewohnen Mietwohnungen, an denen der Beklagten ein Belegungsrecht zusteht. Die Wohnungen wurden ursprünglich mit Kohle beheizt. In den Jahren 1976 (Klägerin zu 3) und 1980 (Klägerinnen zu 1, 2 und 4) stellte der Wohnungseigentümer die Heizungsanlagen auf andere Energieträger um. Bis dahin erhielten die Klägerinnen von der Beklagten oder deren Rechtsvorgängerinnen jährlich 2,5 t Hausbrandkohle. Seit der Umstellung der Heizungsanlagen stellt die Beklagte keine Kohle mehr zur Verfügung. Anträge der Klägerinnen, ihnen eine Barabgeltung zu zahlen, lehnte die Beklagte ab.
Die Klägerinnen verweisen zur Begründung ihres Begehrens auf die "Richtlinien des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau über die Ablösung von Hausbrandkohlenansprüchen von vor dem 1. Juli 1976 ausgeschiedenen Rentnern und deren Witwen" vom 13. April 1976. Diese Richtlinien sind das Ergebnis von Tarifverhandlungen zwischen dem Unternehmensverband Ruhrbergbau und der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie. Sie stehen zusammen mit Tarifverträgen in einer Rechtsentwicklung, die in den Jahren 1953 und 1954 begann. Bis 1953 fehlte eine tarifliche Regelung des Kohledeputats. Erstmals durch den Arbeiter-Manteltarifvertrag für den Rheinisch-Westfälischen Steinkohlebergbau vom 7. April 1953 (ArbMTV) - in Kraft getreten am 1. Mai 1953 - wurde die Lieferung von Hausbrandkohle an aktive Arbeiter und Rentner tariflich geregelt. Für Angestellte galt ab 1. Juni 1954 ein entsprechender Tarifvertrag (AngMTV). Beide Tarifverträge erfaßten nur die beim Inkrafttreten noch im aktiven Dienst stehenden Arbeitnehmer. Für die vorher ausgeschiedenen Rentner und deren Witwen wurden jedoch von den Arbeitgebern Richtlinien erlassen, die mit den tariflichen Regelungen weitgehend übereinstimmten. Aufgrund dieser Richtlinien wurden auch die Klägerinnen mit Hausbrand versorgt.
Veranlaßt durch die zunehmende Umstellung von Heizungsanlagen auf Öl, Gas und Fernwärme kam es zu weiteren tariflichen Regelungen und Richtlinien, die anfänglich nur Beihilfen und später auch Barabgeltungen vorsahen, wenn für Kohle keine Verwendung mehr bestand (z. B. Konzernrichtlinien Nr. 8/71 vom 9. August 1971 und Nr. 3/74 vom 1. Juli 1974). Den Abschluß der Entwicklung bildeten zwei Tarifverträge für die Arbeiter und für die Angestellten des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlebergbaus vom 13. April 1976. Beide Tarifverträge traten am 1. Juli 1976 in Kraft. In den §§ 99, 104 ArbMTV wurde die Zahlung von Energiebeihilfen für aktive und ausgeschiedene Arbeiter geregelt. Danach können Rentner, die nach dem 30. Juni 1976 ausgeschieden sind, und deren Witwen anstelle ihres Deputatanspruchs eine entsprechende Energiebeihilfe erhalten. Für die vor dem 1. Juli 1976 ausgeschiedenen Rentner wurden am 13. April 1976 wiederum Richtlinien vom Unternehmensverband Ruhrbergbau erlassen. Sie haben, soweit hier von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
"Nach §§ 100 und 101 des Manteltarifvertrages
für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen
Steinkohlenbergbaus bezugsberechtigte Rentner,
die vor dem 1. Juli 1976 aus der Bergbautätig-
keit ausgeschieden sind, und deren Witwen kön-
nen auf Antrag anstelle ihres Anspruchs auf
Hausbrandkohlen für jedes Bezugsjahr eine Energie-
beihilfe für 2,5 t erhalten, wenn sie ihren Haus-
halt in der Bundesrepublik Deutschland führen und
die Verwendungsmöglichkeit für Hausbrandkohlen in
ihrem Haushalt nach dem 31. Dezember 1969 verlo-
ren haben. Der Antrag ist in den Monaten Januar
bis März des laufenden Bezugsjahres zu stellen.
Die Energiebeihilfe wird in einer Summe gezahlt."
In inhaltlich übereinstimmenden Rundschreiben erläuterten der Unternehmensverband Ruhrbergbau und die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie diese Vorschriften dahin, daß es sich bei den "nach §§ 100, 101 ArbMTV bezugsberechtigten Rentnern" um diejenigen Rentner handele, die einen tariflichen Anspruch auf den Bezug von Hausbrandkohle hatten, weil sie erst nach dem 1. Mai 1953 ausgeschieden waren.
Die Klägerinnen haben die Ansprüche auf Barabgeltung rechtzeitig entsprechend den Richtlinien geltend gemacht. Ihre Forderungen sind der Höhe nach unstreitig. Sie sind der Ansicht, die Begrenzung der Ansprüche auf die nach dem 1. Mai 1953 ausgeschiedenen Rentner und deren Hinterbliebene sei willkürlich und verletze die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an
1. die Klägerin zu 1) 417,50 DM netto,
2. die Klägerin zu 2) 417,50 DM netto,
3. die Klägerin zu 3) 1.392,50 DM netto,
4. die Klägerin zu 4) 417,50 DM netto
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die mit dem Tarifpartner vereinbarte Stichtagsregelung sei sachgerecht. Die Ausnahme für Altrentner ohne tariflichen Anspruch sei vereinbart worden, um die mit der Barabgeltung verbundene finanzielle Belastung in überschaubaren Grenzen zu halten.
Die Vorinstanzen haben den Klagen stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerinnen können anstelle der vorher bezogenen Hausbrandkohle Barabgeltung verlangen.
I. Die Klägerinnen stellen nicht in Abrede, daß sie die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Barabgeltung nach den Richtlinien vom 13. April 1976 und den Tarifverträgen vom selben Tage nicht erfüllen. Die Tarifverträge erfassen sie nach ihrem persönlichen Geltungsbereich nicht. Die Richtlinien setzen voraus, daß ein Kohlebezugsrecht nach den §§ 100 und 101 ArbMTV bestand. Die Klägerinnen hatten einen solchen tariflichen Anspruch nicht, da ihre Ehemänner schon vor Inkrafttreten des ersten Tarifvertrags von 1953, der solche Ansprüche für die aktiven Arbeitnehmer vorsah, ausgeschieden waren. Dagegen sind unstreitig alle weiteren Anspruchsvoraussetzungen nach den Richtlinien erfüllt.
II. Ob der Anspruch eine Grundlage in der nachwirkenden Fürsorgepflicht der Beklagten finden könnte, erscheint fraglich. Allerdings beruht das Recht auf Bezug von Hausbrand aus der eigenen Produktion des Arbeitgebers, das sogenannte Kohledeputat, auf alter Bergsitte und hat seine rechtliche Wurzel in der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (Boldt in Anm. zu BAG, Urteil vom 14. Dezember 1977 - 5 AZR 673/76 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Deputat). Das Deputat ist nach alter Tradition an den Bedarf des Bezugsberechtigten gebunden (BAG Urteil vom 24. Oktober 1979 - 5 AZR 1088/77 - AP Nr. 4 zu § 611 BGB Deputat, zu 3 der Gründe). Die Klägerinnen verlangen aber nicht die weitere Erfüllung eines Kohlebezugsrechts, sondern die Zahlung eines Geldbetrags als Abgeltung für den nicht mehr verwendbaren Hausbrand.
Der ursprünglich auf Naturallieferung von Kohle beschränkte Deputatanspruch ist weithin in einen Lohn- oder Versorgungsanspruch umgewandelt worden ist (BAG 36, 39, 44 f. = AP Nr. 11 zu § 16 BetrAVG, zu I 2 der Gründe; Boldt, aaO). Dennoch könnten Bedenken bestehen, ob ein Anspruch auf Barabgeltung ohne Rücksicht auf bestehende Regelungen im Einzelfall aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abzuleiten ist. Das Bundesarbeitsgericht hatte bisher keinen Anlaß zu entscheiden, ob die Fürsorgepflicht eine so weitgehende Umgestaltung vertraglicher oder tariflicher Rechte gebieten könnte; es gelangte jeweils unter Abwägung aller Umstände zu einem Interessenausgleich im Einzelfall (vgl. zum Anspruch auf finanziellen Ausgleich von Deputatansprüchen bei Veränderung der Verhältnisse BAG, Urteil vom 14. Dezember 1977 - 5 AZR 673/76 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Deputat mit Anm. von Boldt und Urteil vom 24. Oktober 1979 - 5 AZR 1088/77 - BAG 32, 170 = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Deputat mit Anm. von Wolf). Auch im vorliegenden Rechtsstreit bedarf die Frage keiner Entscheidung, weil sich die erstrebte Rechtsfolge aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt.
III. Die von der Beklagten angewendeten Richtlinien des Unternehmensverbands Ruhrbergbau vom 13. April 1976 sind unwirksam, soweit sie vor dem 1. Mai 1953 ausgeschiedenen Rentnern und deren Witwen die Barabgeltung vorenthalten. Die Beklagte muß den Klägerinnen die gleichen Rechte einräumen, wie den von den genannten Richtlinien erfaßten Arbeitnehmern und Versorgungsberechtigten.
1. Das Berufungsgericht hat die umstrittenen Richtlinien zu Recht an dem arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gemessen. Die Richtlinien sind entgegen der Auffassung der Revision kein Tarifvertrag. Obwohl sie von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt worden sind und tarifliche Regelungen vom selben Tage ergänzen, können sie Tarifverträgen in ihrer rechtlichen Wirkung nicht gleichgestellt werden. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß die Annahme eines Tarifvertrags schon an dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG scheitert.
Die Richtlinien enthalten eine Gesamtzusage des Arbeitgebers an den begünstigten Personenkreis und beruhen in ihrer Geltung ausschließlich auf der rechtsgeschäftlichen Erklärung des Arbeitgebers und der stillschweigenden Annahme der begünstigten Arbeitnehmer. Entgegen der Ansicht der Beklagten waren die Tarifvertragsparteien zwar nicht gehindert, tarifliche Ansprüche zugunsten der Rentner zu begründen (BAG, Urteil vom 22. August 1979 - 5 AZR 1066/77 - AP Nr. 3 zu § 611 BGB Deputat, zu II 3 a der Gründe), sie haben das aber nicht getan, sondern die Arbeitgeber des Ruhrbergbaues auf das Regelungsmittel der Gesamtzusage verwiesen. Damit haben sie einen Teil der ausgehandelten Regelungen nicht dem Tarifrecht unterstellt, sondern dem Vertragsrecht überlassen. Daraus folgt, daß die Richtlinien an den für Vertragsrecht und nicht an den für Tarifrecht geltenden Maßstäben gemessen werden müssen.
Der arbeitsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet es, bei der Bildung von Gruppen willkürlich vorzugehen; er fordert, daß nur in einer sachgerechten Weise unter Berücksichtigung der vom Arbeitsrecht anerkannten Wertungen unterschieden wird (Urteil des Senats vom 8. Dezember 1977 - 3 AZR 530/76 - AP Nr. 176 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu 1 b der Gründe). Die Auffassung der Revision, es gelte ein großzügigerer Prüfungsmaßstab, weil die Tarifvertragsparteien bei der Regelung kollektiver Tatbestände nur die grundlegenden Prinzipien der Verfassung zu berücksichtigen hätten, übergeht den Umstand, daß die Tarifvertragsparteien keine Normen geschaffen, sondern die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse den Arbeitgebern überlassen haben.
2. Die umstrittenen Richtlinien enthalten - außer dem Datum des Inkrafttretens - eine zweifache Stichtagsregelung. Einmal wird mit dem Hinweis auf die §§ 100, 101 ArbMTV ein tariflicher Deputatanspruch vorausgesetzt und damit auf das Inkrafttreten desjenigen Tarifvertrags abgestellt, der einen Deputatanspruch vorsah. Tarifgebundene Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich des Tarifvertrages bereits vor dessen Inkrafttreten am 1. Mai 1953 geendet hatten, können diese Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllen. Zum anderen enthalten die Richtlinien den 31. Dezember 1969 als zweiten Stichtag; die Verwendung von Hausbrand muß nach diesem Tag unmöglich geworden sein. Damit soll offensichtlich verhindert werden, daß Ansprüche auf Barabgeltung eines Kohledeputats bei lange zurückliegenden Heizungsumstellungen nachträglich noch entstehen können. Dieser zweite Stichtag ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht umstritten, weil die Heizungen in den Wohnungen der Klägerinnen unstreitig erst nach dem 31. Dezember 1969 umgestellt wurden. Der Streit der Parteien betrifft ausschließlich die Frage, ob ein Teil der Rentner allein deshalb von der Barabgeltung ausgeschlossen werden kann, weil er schon vor dem 1. Mai 1953 in den Ruhestand getreten ist. Diese Unterscheidung ist nach Ansicht des Senats willkürlich.
3. a) Zu Unrecht beruft sich die Revision auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, soweit diese eine unterschiedliche Behandlung von Ruheständlern und aktiven Arbeitnehmern als zulässig angesehen hat. Das gilt insbesondere für das von der Revision angezogene Urteil vom 12. Mai 1966 - 5 AZR 528/65 - (BAG 18, 308 = AP Nr. 13 zu § 611 BGB Bergbau). Dieses Urteil bestätigt vielmehr die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz auch für Rentner gilt. Allerdings wird ein Verstoß gegen diesen Grundsatz verneint, wenn ein Tarifvertrag (es handelte sich um den ArbMTV vom 7. April 1953) allein für die beim Inkrafttreten aktiven Arbeitnehmer Verbesserungen einführt und die Rentner von Verbesserungen ausschließt (BAG 18, 308, 312 = AP, aaO, zu 4 der Gründe). Darum geht es im Streitfall jedoch nicht. Die Richtlinien des Unternehmensverbands Ruhrbergbau unterscheiden zwischen verschiedenen Gruppen von Rentnern, nämlich zwischen den Rentnern mit und ohne tariflichen Anspruch auf die Belieferung mit Hausbrandkohle. Dabei bestand zwischen beiden Gruppen kein wesentlicher Unterschied, weil auch die vor dem 1. Mai 1953 ausgeschiedenen Rentner Hausbrand aufgrund der Richtlinie aus dem Jahre 1953 erhielten. Eine Unterscheidung ergab sich nur im Falle der Zechenstillegung (vgl. das erwähnte Urteil vom 12. Mai 1966, aaO).
b) Die Beklagte kann auch nicht geltend machen, Stichtagsregelungen führten zu einer rein zeitbezogenen Differenzierung, die immer als sachgerecht angesehen werden müsse. Vielmehr kommt es nach der Rechtsprechung des Senats auf die Differenzierungsgründe an, die sich hinter einer Stichtagsregelung verbergen.
Der Senat hat sich bisher in drei Entscheidungen mit der Zulässigkeit von Stichtagsregelungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes befaßt, und zwar in den Urteilen vom 6. Juni 1974 (BAG 26, 178 = AP Nr. 165 zu § 242 BGB Ruhegehalt mit Anm. von Schröder), vom 8. Dezember 1977 (- 3 AZR 530/76 - AP Nr. 176 zu § 242 BGB Ruhegehalt mit Anm. von G. Hueck) und vom 11. September 1978(- 3 AZR 606/79 - AP Nr. 187 zu § 242 BGB Ruhegehalt mit Anm. von Herschel). In allen drei Fällen ging es darum, daß der Arbeitgeber die Versorgungsordnung für solche Arbeitnehmer verbesserte, die nach einem bestimmten Stichtag in den Ruhestand traten. Die Kläger jener Verfahren waren vor dem Stichtag in den Ruhestand getreten und nahmen daher an den Verbesserungen nicht teil. Der Senat hat Stichtagsregelungen in allen drei Fällen gebilligt. Eine Stichtagsregelung könne dann gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, wenn die Gründe für die Wahl des Stichtags unsachlich oder sachfremd seien. Das war in den entschiedenen Fällen nicht anzunehmen. Im Urteil vom 6. Juni 1974 hat der Senat finanzielle Erwägungen des Arbeitgebers im Grundsatz ausreichen lassen. Im Urteil vom 8. Dezember 1977 war maßgebend, daß die noch aktiven Arbeitnehmer die Verbesserung der Versorgung mit einer Limitierung ihrer Aktivenbezüge erkauften. Im Urteil vom 11. September 1980 hatte die Beklagte sich darauf berufen, sie habe zur Sicherung ihrer Leistungsfähigkeit und zur Verbesserung ihrer Konkurrenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt nur die Altersversorgung der noch aktiven Belegschaft verbessert.
Die Sachverhalte dieser Entscheidungen unterschieden sich von dem des vorliegenden Rechtsstreits darin, daß damals Leistungsverbesserungen für die Zukunft mit einem künftigen oder kurz zurückliegenden Stichtag wirksam werden sollten, während jetzt eine Regelung zu beurteilen ist, die einen 23 Jahre zurückliegenden Stichtag einführt: War zunächst die gesamte Rentnerschaft des Ruhrbergbaus gleichbehandelt worden, erhält nunmehr nach den Richtlinien der überwiegende Teil der Rentner eine Barabgeltung, während nur eine kleine Gruppe von Altrentnern von der Besserstellung ausgenommen sein soll. Es geht hier also nicht nur darum, den Zeitablauf und die Änderung der Verhältnisse zu berücksichtigen, wie das bei jeder generellen und auf Dauer angelegten Regelung unvermeidlich ist; vielmehr soll eine bisher im wesentlichen gleichbehandelte Gruppe nachträglich aufgespalten werden. Die Gründe, die die Beklagte dafür anführt, sind mit dem Zweck der Regelung schwer vereinbar und erscheinen sachwidrig.
c) Für die in den Richtlinien vom 13. April 1976 getroffene Unterscheidung beruft sich die Beklagte vor allem auf das Urteil des Senats vom 6. Juni 1974 (aaO), wonach es zulässig ist, aus wirtschaftlichen Gründen eine Versorgungsordnung nur für solche Arbeitnehmer zu verbessern, die nach einem bestimmten Stichtag in den Ruhestand treten (aaO, zu III 2 c der Gründe). Damit hat der Senat jedoch nicht gesagt, daß willkürlich herausgegriffene Daten als Stichtage herangezogen werden könnten. Jener Rechtsstreit betraf den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Neuregelung, die ohnehin nicht beliebig zurückwirken konnte, sondern irgendwann beginnen mußte. Bei der Bewertung hat der Senat an den Anfang seiner Überlegungen gestellt, daß für eine Stichtagsregelung maßgebend sei, welche Gründe der Auswahl des Stichtags zugrundelägen; seien diese sachfremd, so könne die zeitliche Abgrenzung keinen Bestand haben.
Der im vorliegenden Rechtsstreit umstrittene Stichtag hält einer Nachprüfung nach diesen Grundsätzen nicht stand. Die Richtlinien wählen mit dem 1. Mai 1953 einen 23 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt, der sich nur zum Nachteil der Altrentner auswirkt. Vom Zweck der Versorgungsleistung her, den Heizungsaufwand der Pensionäre zu decken, läßt sich für diesen Stichtag nichts ableiten. Er benachteiligt vielmehr gerade diejenigen Rentner, die ihre Kohledeputate am längsten bezogen haben und sich der veränderten Lage am schlechtesten anpassen können, also einen besonders schutzwürdigen Personenkreis mit besonders starken Besitzständen. Warum Einsparungen gerade auf Kosten dieser Gruppe vorgenommen werden, bleibt unverständlich, zumal die finanziellen Belastungen hier am schnellsten abgebaut werden, also am wenigsten zu Buche schlagen.
Die Beklagte macht weiter geltend, die Ablösungskosten seien bei den Altrentnern schwer kalkulierbar und mit einer sehr hohen Dunkelziffer belastet, die die Tarifpartner den Betrieben hätten ersparen wollen. Aber wenn vermieden werden sollte, daß auch solche Rentner mit Abgeltungsansprüchen hervortreten, die längst keinen Hausbrand mehr erhalten, so wäre der gewählte Stichtag ein untaugliches Unterscheidungsmerkmal. Es käme dann auf die tatsächliche Abwicklung des Kohledeputats an. Auf solchen Erwägungen beruht offenbar der zweite Stichtag, der Abgeltungen für die vor dem 31. Dezember 1969 umgestellten Heizungen ausschließt. Aber im Gegensatz dazu werden durch den Stichtag vom 1. Mai 1953 alle Altrentner ohne Rücksicht darauf benachteiligt, wie sie bisher ihr Kohledeputat verwendet haben und wie stark sie darauf angewiesen sind.
Dr. Dieterich Dr. Gehring Griebeling
Dr. Kiefer Gnade
Fundstellen
BAGE 44, 61-69 (LT1-2) |
BAGE, 61 |
DB 1984, 1251-1252 (LT1-2) |
BlStSozArbR 1984, 91-92 (T) |
AP § 242 BGB Gleichbehandlung (LT1-2), Nr 58 |