Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtlicher Status von Fernsehansagern
Normenkette
BGB § 611; HGB § 84 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 561, 286
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 16.05.1988; Aktenzeichen 6 Sa 1300/87) |
ArbG Köln (Urteil vom 15.10.1987; Aktenzeichen 6 Ca 4306/87) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 16. Mai 1988 – 6 Sa 1300/87 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger ist als kaufmännischer Angestellter in einem Vollzeitarbeitsverhältnis bei einem Industrieunternehmen tätig. Er wurde seit 1974 oder seit 1978 von dem Beklagten als Fernsehansager mit durchschnittlich vier Einsätzen im Monat beschäftigt. Dabei wurde jeder Einsatz pauschal vergütet. Die Abrechnung erfolgte auf einem als „Mitwirkendenvertrag (Beschäftigungsvertrag)” bezeichneten Formular. Einige dieser Formulare hat der Kläger unterzeichnet, am 29. November 1982 hat er sich weiter durch seine Unterschrift mit den „Allgemeinen Bedingungen des WDR für Beschäftigungsverträge mit auf Produktionsdauer Mitwirkenden” einverstanden erklärt. Der Einsatz des Klägers erfolgte an den Wochentagen vornehmlich in den Abend- und Nachtstunden, an den Wochenenden und Feiertagen in den Morgen- oder Nachmittagsstunden. Dabei wurde der Kläger im Rahmen von Dienstplänen beschäftigt, die der Beklagte im voraus aufstellte und die er dem Kläger jeweils übersandte. Der Kläger erzielte bei dem Beklagten eine monatliche Durchschnittsvergütung von etwa 1.000,– DM.
Darüber hinaus ist der Kläger für die Deutsche Welle als Sprecher tätig. Seine Tätigkeit bei diesem Sender besteht aus etwa vier bis sechs Einsätzen im Monat. Ein Einsatz umfaßt durchschnittlich sechs Stunden. Die Einsatzzeiten für den Kläger liegen an Arbeitstagen in den Abend- und Nachtstunden und an Wochenenden und Feiertagen in den Morgen- oder Nachmittagsstunden. Ein Arbeitsvertrag ist zwischen dem Kläger und dem Sender nicht abgeschlossen.
Am 26. Mai 1987 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Zusammenarbeit mit ihm werde beendet. Hierin sieht der Kläger die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses und erstrebt mit seiner Klage die Feststellung, daß sein Arbeitsverhältnis nicht beendet ist. Der Kläger hat geltend gemacht, er sei Arbeitnehmer des Beklagten. Für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen der Parteien komme es auf deren tatsächliche Ausgestaltung an. Von persönlichen Gründen wie Krankheit oder Urlaub abgesehen, habe er, der Kläger, die von dem Beklagten vorgeschlagenen Termine stets wahrgenommen. Im übrigen müsse der Arbeitgeber bei einem Teilzeitbeschäftigten die wöchentliche Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers so einteilen, daß dieser in der Lage sei, daneben weitere Teilzeitbeschäftigungen wahrzunehmen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 26. Mai 1987 nicht beendet wurde;
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger sofort wieder im bisherigen Umfang zu beschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, bei der Erstellung der Dienstpläne sei auf die übrige Tätigkeit des Klägers Rücksicht genommen worden. Im übrigen hätten die Dienstpläne lediglich Terminvorschläge dargestellt, so daß es dem Kläger – wie jedem anderen Mitarbeiter des Beklagten – freigestanden habe mitzuteilen, ob er den vorgeschlagenen Termin wahrnehmen könne oder nicht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger weiterhin die Feststellung erstrebt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 26. Mai 1987 hinaus unverändert fortbesteht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zwischen den Parteien hat kein Arbeitsverhältnis bestanden. Vielmehr war der Kläger für den Beklagten in einem jeweils auf Zeit abgeschlossenen privatrechtlichen Dienstverhältnis als freier Mitarbeiter tätig. Dieses Dienstverhältnis konnte der Beklagte beenden, ohne eine dem Kündigungsschutzgesetz unterfallende Beendigungserklärung aussprechen zu müssen.
I.1. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welcher der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils steht. Arbeitnehmer ist, wer seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation wird insbesondere dadurch deutlich, daß ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Häufig tritt auch eine fachliche Weisungsgebundenheit hinzu (vgl. BAGE 41, 247, 253 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe, m.w.N.).
2. Über die danach vorzunehmende Einordnung des Rechtsverhältnisses (Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag) entscheidet der Geschäftsinhalt, nicht dagegen eine von den Parteien gewählte Bezeichnung, die dem Geschäftsinhalt in Wahrheit nicht entspricht, und auch nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge (z.B. Dienstvertrag ohne Kündigungsschutz). Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser folgt aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus der praktischen Durchführung des Vertrages. Widersprechen Vereinbarung und tatsächliche Durchführung des Vertrages einander, ist die letztere maßgebend (vgl. BAGE 41, 247, 258 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe, m.w.N.).
3. Das Landesarbeitsgericht hat sich bei der rechtlichen Bewertung des von ihm festgestellten Sachverhalts an diese Grundsätze gehalten. Soweit das Landesarbeitsgericht tatsächliche Feststellungen getroffen hat, ist der Senat daran gebunden, weil die Revision diese nicht mit Verfahrensrügen nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO angegriffen hat (§ 561 Abs. 2 ZPO). Das vom Landesarbeitsgericht gefundene Subsumtionsergebnis ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II.1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine persönliche Abhängigkeit des Klägers von dem beklagten Sender habe nicht bestanden, weil die Weisungsgebundenheit des Klägers sich nicht auf die Zeit, zu der er seine Dienste zu erbringen hatte, erstreckt habe. Wenn ein Mitarbeiter bereits durch ein hauptberufliches Arbeitsverhältnis zeitlich gebunden sei und weiter etwa vier bis sechs Einsätze monatlich zu jeweils sechs Stunden bei einem weiteren Sender wahrnehme, könne dieser Umstand für die Frage nicht ohne Bedeutung bleiben, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien bei der praktischen Durchführung ihrer Vertragsbeziehungen ausgegangen seien. Dabei hat das Landesarbeitsgericht dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, daß der Kläger in nicht unerheblichem Umfang mit weiteren Sprecheraufgaben belastet sei, die er ebenfalls außerhalb der Hauptarbeitszeit wahrnehme und die er mit den ihm vom Beklagten vorgeschlagenen Terminen in zeitlichen Einklang bringen müsse. Dieser besondere Umstand lege es nahe, in der Einplanung des Klägers nur unverbindliche Vorschläge zu sehen, über deren Änderung der Kläger verhandeln oder die er auch ablehnen könne. Angesichts der weiteren Aufgaben, die der Kläger zusätzlich zu seiner Tätigkeit bei dem Beklagten neben seiner hauptberuflichen Arbeit als kaufmännischer Angestellter noch bei der Deutschen Welle übernommen habe, hätten die Planungen des Beklagten im Hinblick auf die Sprechertätigkeit des Klägers unter dem ständigen Vorbehalt gestanden, daß der Kläger zeitlich entsprechend disponieren könne. Dann aber habe eine Weisungsgebundenheit des Klägers in zeitlicher Hinsicht nicht vorgelegen. An dieser Beurteilung ändere sich auch dadurch nichts, daß es dem Kläger nach seiner Behauptung gelungen sei, die ihm von dem Beklagten vorgeschlagenen Termine bis auf wenige Ausnahmen wie Krankheit oder Urlaub wahrzunehmen.
In dieser, auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruhenden Würdigung (§ 286 ZPO) ist aus revisionsrechtlicher Sicht ein Subsumtionsfehler nicht erkennbar.
2. Bei der Frage, in welchem Maße der Mitarbeiter persönlich abhängig ist, muß vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit berücksichtigt werden; denn es gibt keine abstrakten, für alle Arbeitnehmer geltenden Kriterien (vgl. BAGE 30, 163, 169 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 2 der Gründe). Die Tätigkeit eines Fernsehansagers kann im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wie auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden (so zutreffend: LAG Düsseldorf Urteil vom 9. November 1976 – 8 Sa 223/76 – EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 11). Wenn auch die Einteilung nach einem von dem Arbeitgeber erstellten Dienstplan ein Indiz dafür sein kann, daß der Fernsehansager seine Aufgaben im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfüllt (vgl. LAG Düsseldorf, a.a.O.), so ist der Streitfall durch besondere Umstände gekennzeichnet, nämlich durch ein Vollzeitarbeitsverhältnis des Klägers und durch eine weitere Tätigkeit für einen anderen Sender. Angesichts dieser besonderen Umstände stand der vom Beklagten für die Sprechertätigkeit des Klägers aufgestellte Dienstplan unter dem stillschweigenden ständigen Vorbehalt, daß der Kläger zeitlich entsprechend disponieren könne. Diese Schlußfolgerung des Landesarbeitsgerichts ist möglich, sie verstößt weder gegen die Denkgesetze noch gegen die Grundsätze der Lebenserfahrung. Wenn das Landesarbeitsgericht daraus weiter die rechtliche Schlußfolgerung gezogen hat, der Kläger sei nicht in gleichem Maße zeitlich gebunden und damit persönlich abhängig wie in einem Arbeitsverhältnis, so ist dies aus Revisionsgründen nicht zu beanstanden.
Eine persönliche Abhängigkeit folgt auch nicht bereits daraus, daß der Mitarbeiter seine Tätigkeit nur in den Räumen des Vertragspartners erbringen kann. Das hat der Senat bereits in früheren Entscheidungen klargestellt (vgl. BAG Urteil vom 9. Mai 1984 – 5 AZR 195/82 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, unter 3 c der Gründe, m.w.N.). Auch die genaue Abgrenzung des Vertragsgegenstandes ist kein ausschließliches Merkmal für das Arbeitsverhältnis, sondern ebenfalls im freien Mitarbeiterverhältnis möglich (vgl. BAGE 39, 329, 335 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 3 der Gründe).
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Krems, Arntzen
Fundstellen