Entscheidungsstichwort (Thema)

Bergm. VersorgSohein und Knappschaftsversicherungszeiten

 

Leitsatz (amtlich)

  • Eine Versorgungsordnung kann vorsehen, daß Beschäftigungszeiten, die bei der Bundesknappschaft versichert sind, bei der Berechnung von Betriebsrenten nicht berücksichtigt werden sollen (Bestätigung des Urteils vom 8. November 1968 – 3 AZR 209/67 – AP Nr. 6 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW).
  • Eine derartige Regelung kann jedoch in Nordrhein-Westfalen nicht bewirken, daß Inhabern von Bergmannsversorgungsscheinen, die nach ihrer Abkehr vom Bergbau nicht mehr knappschaftsversichert sind, ihre unter Tage verbrachten Dienstzeiten verloren gehen (insoweit Aufgabe des Urteils vom 8. November 1968, aaO).
  • § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW verlangt, daß anrechnungspflichtige Untertagezeiten im nachbergbaulichen Arbeitsverhältnis so behandelt werden, als ob sie bereits in den Diensten des neuen Arbeitgebers verbracht worden wären.
 

Normenkette

BergmannsVersorgScheinG NRW § 9 Abs. 3; BGB § 242; GG Art. 3; ZPO § 256; BergPG §§ 1-2

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 13.10.1981; Aktenzeichen 6 Sa 869/81)

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 25.05.1981; Aktenzeichen 3 Ca 221/81)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Oktober 1981 – 6 Sa 869/81 – wird zurückgewiesen, soweit dem Feststellungsantrag des Klägers entsprochen wurde.
  • Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, und zwar auch hinsichtlich des in der Hauptsache erledigten Teils.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der im Jahre 1920 geborene, schwerbehinderte Kläger war vom 3. Juli 1952 bis zum 15. Januar 1960 im Bergbau beschäftigt. Bis zum 25. Juli 1959 arbeitete er unter Tage; danach war er teils arbeitsunfähig teils beurlaubt. Am 11. Juli 1960 wurde ihm der Bergmannsversorgungsschein erteilt. Vom 21. Januar 1970 bis zum 19. Januar 1981 stand er in den Diensten der Beklagten. Seit seinem Ausscheiden bei dieser erhält er Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Beklagte gewährt Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Leistungsordnung für M…-Unternehmen vom 1. Januar 1970 (LO M…). Ergänzend wird die Pensionsordnung der A… Aktiengesellschaft, D… – … vom 30. September 1959 (PO T…) herangezogen, falls sich nach der PO T… eine höhere Versorgungsrente ergibt. Versorgungsleistungen werden bei Eintritt eines Versorgungsfalles nach einer anrechnungsfähigen Dienstzeit von zehn Jahren gezahlt. Versorgungsfall ist das Erreichen der Altersgrenze. Die Rente errechnet sich aus dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen der letzten 24 Monate. Sie beträgt für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr bei Arbeitern 1/3 %. Wegen der anrechnungsfähigen Dienstzeit heißt es in § 4 Abs. 1 LO M…:

Anrechnungsfähig sind die Dienstjahre, während der das Belegschaftsmitglied zwischen der Vollendung des 20. und des 65. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zu einer der Gesellschaften, für die diese Leistungsordnung gilt, gestanden hat und nicht knappschaftlich versichert war.

Eine entsprechende Regelung enthält § 6 PO T…. Die Beklagte hat bei der Bemessung der Versorgungsleistungen die Zeiten, in denen der Kläger knappschaftlich versichert war, nicht berücksichtigt. Sie zahlt ihm ein Ruhegeld in Höhe von 70,-- DM brutto monatlich.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse nach § 9 Abs. 3 des Gesetzes über einen Bergmannsversorgungsschein in Nordrhein-Westfalen i.d.F. vom 14. April 1971 (GVBl. S. 125) mit der Änderung vom 3. Dezember 1974 (GVBl. S. 1504) auch die unter Tage verbrachten Dienstzeiten berücksichtigen. Zu den Untertagedienstzeiten zählten auch die Zeiten der Erkrankung sowie des Urlaubes. Die Beklagte müsse sieben Jahre und sechs Monate anrechnen, so daß sich ein Ruhegeldanspruch in Höhe von 117,66 DM ergebe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß bei der Bemessung seiner Betriebsrente eine unter Tage verbrachte Zeit im Sinne des Bergmannsversorgungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von sieben Jahren und sechs Monaten hinzuzurechnen ist.

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem 1. Februar 1981 einen neuen Werksrentenbescheid unter Berücksichtigung des Urteilsausspruches zu Ziff. 1 zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, in allen Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie würden bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung Versicherungszeiten bei der Knappschaft nicht berücksichtigt. Dies habe seinen Grund darin, daß die Renten der Knappschaftsversicherung höher als die der übrigen gesetzlichen Rentenversicherungen seien. Sie beschäftige zur Zeit 26 Arbeitnehmer, die bei der Knappschaft versichert gewesen seien. Von diesen 26 Arbeitnehmern besäßen drei den Bergmannsversorgungsschein. Das Bundesarbeitsgericht habe in einer Entscheidung vom 8. November 1968 (– 3 AZR 209/67 – AP Nr. 6 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW) anerkannt, daß Bergmannszeiten nicht berücksichtigt werden müßten, wenn die Versorgungsordnung Knappschaftszeiten ausdrücklich ausnehme. In jedem Falle brauche sie nicht mehr als sieben Jahre anzurechnen; als Untertagedienstzeiten könnten die Zeiten der Erkrankung und des Urlaubs nicht mitgerechnet werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren Revision, mit der sie die Abweisung des Klageantrages zu 1 erstrebt. Wegen des Klageantrages zu 2 haben die Parteien die Hauptsache für erledigt erklärt und eine Kostenentscheidung beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Die Klage ist zulässig. Nach § 256 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt wird.

Im Rahmen des bestehenden Ruhestandsverhältnisses ist zwischen den Parteien allein streitig, ob und in welchem Umfang Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind. Die Feststellungsklage braucht sich nicht notwendigerweise auf das Rechtsverhältnis im ganzen zu erstrecken. Vielmehr kann sie auch einzelne Beziehungen oder Folgen eines Rechtsverhältnisses betreffen, wenn dadurch der Streit der Parteien insgesamt beigelegt wird (BAG Urteil vom 18. November 1968 – 3 AZR 255/67 – AP Nr. 134 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu I 2 der Gründe; Urteil vom 1. Juni 1970 – 3 AZR 166/69 – AP Nr. 143 aaO, zu I 2 der Gründe; Urteil vom 4. November 1965 – 2 AZR 65/65 – AP Nr. 1 zu § 19 BAT). An dieser Auffassung ist festzuhalten. Sie entspricht der Prozeßwirtschaftlichkeit und entlastet den Prozeß von streitunerheblichem Tatsachenvortrag.

Das Feststellungsinteresse ist gegeben, weil der Kläger nach der Klärung der umstrittenen Anrechnungsfrage entsprechende Ruhegeldforderungen stellen will. Der Kläger hätte zwar die Möglichkeit, auf Leistung zukünftig fällig werdender Ruhegeldleistungen zu klagen. Erfahrungsgemäß unterliegt aber das Rechenwerk bei Ruhegeldleistungen häufiger Veränderung, so daß durch eine Leistungsklage keine weitergehende Befriedung eintritt, als durch die Feststellungsklage erreichbar ist.

II. Die Beklagte muß die im Bergbau unter Tage verbrachte Dienstzeit berücksichtigen.

1. Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Versorgungswerk der Beklagten hat der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Er ist in den Ruhestand getreten und hat die zehnjährige Wartezeit unabhängig von der Anrechnung der Bergbauzeiten zurückgelegt. Die Parteien sind sich auch darüber einig, daß die Beklagte nach den Berechnungsgrundsätzen der LO M… und der PO T… die Versorgungsleistungen zutreffend berechnet hat, wenn von der Berücksichtigung der Vordienstzeiten einmal abgesehen wird.

2. Nach den maßgebenden Versorgungsordnungen sind bei der Ruhegeldberechnung diejenigen Beschäftigungszeiten von der Berücksichtigung ausgeschlossen, in denen eine knappschaftliche Versicherung bestand. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn man von dem Sonderschutz für Inhaber von Bergmannsversorgungsscheinen absieht. Insoweit ist an der Entscheidung des Senats vom 8. November 1968 festzuhalten (– 3 AZR 209/67 – AP Nr. 6 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW).

Ob ein Arbeitgeber Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gewährt, steht in seinem Belieben. Deshalb kann er auch den Empfängerkreis und die Berechnungsvorschriften – gegebenenfalls unter Mitbestimmung des Betriebsrates – bestimmen, soweit er den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt. Dieser ist nicht verletzt, wenn in der Knappschaft zurückgelegte Dienstzeiten unberücksichtigt bleiben. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Differenzierung zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Eine sachfremde Differenzierung liegt nicht vor, soweit die bei der Knappschaft versicherten Beschäftigungszeiten aus der Betriebsrentenberechnung ausgenommen werden. Die umstrittenen Bestimmungen der LO M… – … und der PO T… streben eine bedarfsorientierte Berechnung der Ruhegelder an. Der Vorteil der im Vergleich zu sonstigen Sozialversicherungsrenten höheren Knappschaftsrente wird durch eine geringere Betriebsrente ausgeglichen. Im Wirtschaftsbereich der Montan-Industrie, zu der die Beklagte im Konzernverbund gehört, sollen alle Arbeitnehmer entsprechend den von ihnen erzielten Verdiensten möglichst gleiche Versorgungsbezüge erhalten. Der in der Knappschaftsversicherung erzielte und weitgehend auch vom Arbeitgeber finanzierte Versorgungsvorsprung während der Bergbauzeit wird im Rahmen der Betriebsrente berücksichtigt. Solche bedarfsorientierte Betriebsrentenberechnungen sind zulässig und vor allem in der Form von Gesamtversorgungssystemen verbreitet. Die Anknüpfung an die Versicherungspflicht während der Dienstzeit kann zumindest in Unternehmen, die ehemals Schachtanlagen und andere Betriebe umfaßt haben, nicht beanstandet werden.

3. Der Kläger hatte jedoch als Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheines Anspruch darauf, daß die im Bergbau unter Tage verbrachten Dienstzeiten von der Beklagten berücksichtigt wurden.

a) Nach § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW sind im neuen Beschäftigungsbetrieb bei der Bemessung des Urlaubs, des Tariflohnes und sonstiger Leistungen oder Zuwendungen die im Bergbau unter Tage verbrachten Beschäftigungszeiten den Inhabern eines Bergmannsversorgungsscheines als gleichwertige Berufsjahre oder als gleichwertige Zeiten der Betriebszugehörigkeit anzurechnen.

b) Anrechnungspflichtig war die Beklagte. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichtes war sie der erste Arbeitgeber, bei dem der Kläger außerhalb des Bergbaus tätig war und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erwarten konnte.

Anzurechnen sind die im Bergbau unter Tage abgeleisteten Dienstzeiten. Hierzu gehört für den Kläger die Zeit vom 3. Juli 1952 bis zum 15. Januar 1960; in dieser Zeit hat der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichtes tatsächlich als Bergmann gearbeitet. Hierzu zählen aber auch die Zeiten der Erkrankung und des Erholungsurlaubes vom 26. Juli 1959 bis zum 15. Januar 1960. Nach § 1 Abs. 2 BergmannsVersorgScheinG NRW werden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit im Anschluß an Untertagearbeit zumindest bis zu sechs Monaten der Untertagetätigkeit hinzugerechnet. Für die Dauer des Erholungsurlaubs kann nach dem Sinn der gesetzlichen Zurechnung nichts anderes gelten.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz über die Bergmannsprämie i. d. F. vom 12. Mai 1969 (– BergPG – BGBl I 434). Nach § 1 BergPG erhalten Arbeitnehmer des Bergbaus, die unter Tage beschäftigt werden, für jede Schicht unter Tage eine Prämie von 10,-- DM (§ 2 BergPG) zu Lasten der Staatskasse. Für Krankheits- und Urlaubszeiten besteht ein solcher Prämienanspruch nicht (§ 1 Abs. 1, § 4 BergPG). Das erklärt sich aus dessen Zweck. Die Prämie soll die besonderen Leistungen anerkennen, die der Arbeiter unter Tage im Interesse der ganzen Volkswirtschaft erbringt (BT-Drucks. 2351 Begr. S. 4), der Abwanderung von Bergleuten aus dem Bergbau in andere, leichtere Berufe vorbeugen, die Fluktuation in den Bergbaubetrieben eindämmen und schließlich die steuerlichen Lasten des Bergmannes erleichtern (Stellungnahme der Bundesregierung zu Abänderungsvorschlägen des Bundesrats, Anl. 3 zu BT-Drucks. 2351 S. 81 zu Nr. 1; zu allem vgl. Boldt, Das Recht des Bergmanns, 3. Aufl., S. 386). Dagegen geht es bei der Zurechnung von Urlaubs- und Krankheitszeiten als Untertagedienstzeit um die einheitliche Bewertung zusammengehöriger Beschäftigungszeiten.

c) Für die Art der Anrechnung schreibt das Gesetz vor, daß die unter Tage verbrachten Beschäftigungszeiten den Inhabern eines Bergmannsversorgungsscheines im neuen Beschäftigungsbetrieb als “gleichwertige” Zeiten der Betriebszugehörigkeit zugute kommen müssen. Gleichwertigkeit setzt eine Bezugsgröße voraus, an der die arbeitsrechtliche Auswirkung der Vordienstzeit zu messen ist. Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 8. November 1968, aaO, davon ausgegangen, daß die Gleichwertigkeit zu einer Beschäftigung unter Tage gewahrt bleiben müsse. Dementsprechend wurde der frühere Arbeitsplatz im Bergbau als Vergleichsmaßstab angesehen. Hieran kann der Senat nicht festhalten.

Nach dem erkennbaren Willen des Gesetzes müssen die Dienstzeiten unter Tage den Berufs- und Betriebszugehörigkeitszeiten außerhalb des Bergbaus gleichwertig sein. Der Arbeitnehmer soll so behandelt werden, als hätte er die Berufs- und Betriebszugehörigkeit, die tatsächlich im Bergbau verbracht wurde, in Wahrheit bei seinem neuen Arbeitgeber zurückgelegt (K.H. Schmidt, Gesetz über den Bergmannsversorgungsschein, 1956, § 9 Rz 12). Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut des Gesetzes. Wenn die Untertagedienstzeit im neuen Beschäftigungsbetrieb als gleichwertige Berufsjahre gezählt werden sollen, kann dabei nur der neue Beruf gemeint sein, weil der Beruf des Bergmannes ja gerade aufgegeben werden mußte. Was für die Berufsjahre gilt, kann bei den Jahren der Betriebszugehörigkeit nicht anders gemeint sein. Diese Auslegung entspricht aber auch dem Zweck des § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW, einen Anreiz für gesundheitsgeschädigte Bergleute zu schaffen, außerhalb des Bergbaus tätig zu werden (Begründung des Regierungsentwurfs zum ÄndG vom 9. Juni 1954 – LT-Drucks. Nr. 1127). Der Kläger weist zutreffend darauf hin, daß auch die Rechtsprechung der anderen Senate des Bundesarbeitsgerichts auf dieser Auslegung beruht (BAG Urteil vom 8. August 1979 – 5 AZR 590/77 – AP Nr. 17 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW, zu II 1 der Gründe mit zust. Anm. von Boldt; Urteil vom 5. Dezember 1979 – 4 AZR 10/78 – AP Nr. 18 aaO, Bl. 2).

Wenn aber der neue Arbeitsplatz als Bezugsgröße dient, kann dem Kläger seine knappschaftliche Rentenversicherungspflicht am alten Arbeitsplatz nicht entgegengehalten werden. Nur dann, wenn auch sein neuer Arbeitsplatz von der knappschaftlichen Rentenversicherungspflicht erfaßt wäre, könnte die Ausnahmeregelung der umstrittenen Versorgungsordnung zu seinem Nachteil eingreifen.

4. Die Revision macht geltend, die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, daß sich die Rechtsprechung zu Anrechnungsbestimmungen in Versorgungsordnungen nicht ändere, wenn diese in Anlehnung an die Entscheidung vom 8. November 1968, aaO, formuliert seien. Ein besonderer Vertrauenstatbestand sei durch das Zusammenwirken von Rechtsprechung und Gesetzgebung erwachsen. Der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen habe die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Bergmannsversorgungsscheingesetz sorgfältig verfolgt und das Gesetz geändert, wenn er diese nicht gebilligt habe. § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW habe er jedoch bei dessen Neufassung im Jahre 1971 unverändert gelassen. Dieser Gedankengang überzeugt nicht.

Der Beklagten ist zuzugeben, daß Kontinuität und Stetigkeit der Rechtsprechung ein Gebot der Rechtssicherheit sind. Vor allem bei der Gestaltung langfristiger Regelungen, wie sie Versorgungsordnungen darstellen, ist die Praxis darauf angewiesen, die Rechtsprechung in ihren Grundzügen voraussehen zu können. Aber dieses Ziel ist aus vielen Gründen nur sehr begrenzt erreichbar. Die Rechtsordnung ist ebenso einem Wandel unterworfen, wie die ihr zugrundeliegenden Normen und Wertungen. Sie kann sich nicht ausschließlich dem Ziel der Rechtssicherheit verpflichten, sondern muß ihre Entscheidungen in jedem Einzelfalle neu begründen, sich kritischen Einwendungen stellen und sich mit ihnen offen auseinandersetzen. Nur mit dieser wesentlichen Einschränkung ist das Vertrauen auf eine unveränderte Rechtsprechung schutzwürdig.

Im Falle des § 9 Abs. 3 BergmannsVersorgScheinG NRW kann von einer abgeschlossenen und gefestigten Rechtsprechung noch nicht gesprochen werden. Viele Fragen sind streitig geblieben und auch vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen worden. Zu Versorgungsordnungen, die knappschaftliche Versicherungszeiten generell als Grundlage betrieblicher Versorgungsleistungen ausschließen, hat der Senat nur einmal, und zwar in dem mehrfach zitierten Urteil vom 8. November 1968, aaO, Stellung genommen. Die Entscheidung war von Anfang an umstritten (kritisch Natzel in Anm. zu AP Nr. 6 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW; zustimmend Westhaus in SAE 1969, 199). Die Landesarbeitsgerichte in Nordrhein-Westfalen haben der Auslegung des Senats die Gefolgschaft verweigert (LAG Hamm Urteil vom 2. Oktober 1979 – 6 Sa 690/79 – EzA § 242 BGB Ruhegeld Nr. 79 = BetrAV 1980, 209; Urteil vom 13. Oktober 1981 – 6 Sa 869/81 – BB 1983, 2010 = VersR 1982, 256, Urteil vom 14. September 1982 – 6 Sa 593/82 – EzA § 1 BetrAVG Nr. 17; LAG Düsseldorf Urteil vom 2. November 1982 – 11 Sa 1488/82 –). Bei dieser Sachlage war im Interesse der Rechtseinheit eine Überprüfung der Rechtsprechung geboten und auch für die Praxis nicht völlig unvorhersehbar.

5. Die Beklagte hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da durch den Klageantrag zu 2) besondere Kosten nicht erwachsen sind.

 

Unterschriften

Dr. Dieterich, Schaub, Griebeling, Gnade, Dr. Menzel

 

Fundstellen

Haufe-Index 1745547

BAGE, 18

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