Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Zeit des Grundwehrdienstes
Orientierungssatz
Art 3 § 2 des 3. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes bezieht sich nur auf den in § 8 Abs 3 neu eingefügten Satz 2, durch den die Anrechnung der Fachausbildung und des Wehrdienstes eines Soldaten auf Zeit auch die Unverfallbarkeitsfristen einer betrieblichen oder überbetrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung begrenzt wird. Der Gesetzgeber wollte damit die Auswirkungen einer Anrechnung von Zeiten einer Fachausbildung auf eine betriebliche oder überbetriebliche Altersversorgung insbesondere nach Inkrafttreten des BetrAVG und der damit verbundenen finanziellen Belastungen einschränken.
Normenkette
ArbPlSchG § 12 Abs. 1; ArbPlSchGÄndG Art. 3 § 2; ArbPlSchGÄndG 3 Art. 3 § 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anrechnung der Zeit des Grundwehrdienstes und des zivilen Ersatzdienstes auf die tariflich maßgebende Dienstzeit des Klägers.
Der Kläger ist seit dem 29. September 1977 als Flugingenieur bei der Beklagten tätig. Das Arbeitsverhältnis unterliegt tarifrechtlichen Regelungen.
Der Kläger hat vom 1. Oktober 1971 bis zum 21. August 1972 Grundwehrdienst und vom 2. Oktober 1972 bis zum 10. März 1973 zivilen Ersatzdienst geleistet. Er hat vom 1. September 1972 bis zum 6. Mai 1976 an der Fachhochschule K Nachrichtentechnik im Fachbereich Elektrotechnik studiert und mit einer Prüfung erfolgreich abgeschlossen.
Die Parteien streiten darüber, ob das Studium vor Beginn seines Arbeitsverhältnisses einer Anrechnung der Zeit des Grundwehr- und zivilen Ersatzdienstes von 16 Monaten auf die Betriebszugehörigkeit entgegensteht.
Vor seiner Einstellung als Flugingenieur wurde der Kläger hierfür ab 1. August 1976 in einem Lehrgang von zwölf Monaten und in einem anschließenden Lehrgang zum Erwerb der Musterberechtigung für den Flugzeugtyp B 727 ausgebildet. Nach erfolgreichem Abschluß der vorgenannten Sonderausbildungen hat die Beklagte den Kläger am 29. September 1977 als 2. Flugingenieur auf der B 727 eingestellt und beschäftigt ihn seit dem 1. Juli 1978 als 1. Flugingenieur im ungekündigten Arbeitsverhältnis.
Der Kläger ist der Auffassung, sein sogenanntes technisches Eintrittsdatum beginne nicht erst am 1. August 1976 mit seiner Flugingenieurgrundausbildung bei der Beklagten, sondern schon mit dem 1. April 1975, weil ihm der Grundwehr- und zivile Ersatzdienst von rd. 16 Monaten nach § 12 Abs. 1 des Arbeitsplatzschutzgesetzes in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Nr. 1 des Zivildienstgesetzes anzurechnen sei. Zwar sei eine solche Anrechnung bis zum 30. Dezember 1977 nicht möglich gewesen, aber mit dem zum 31. Dezember 1977 in Kraft getretenen 3. Gesetz zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes sei sein berufsförderndes Fachhochschulstudium zwischen der Beendigung des Wehrdienstes und der Einstellung bei der Beklagten für die Anrechnung der Zeit des Grundwehr- und Ersatzdienstes unschädlich. Zwar habe sein Arbeitsverhältnis als 2. Flugingenieur am 29. September 1977 vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung begonnen, dennoch werde es hiervon noch erfaßt, weil er die für die Anrechnung maßgebliche Wartezeit von sechs Monaten erst nach dem 31. Dezember 1977 erfüllt habe und er außerdem erst ab dem 1. Juli 1978 als 1. Flugingenieur beschäftigt werde.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den
Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1981
bis zum 31. Dezember 1983 jeweils als
Grundgehalt DM 8.891,50, als Flugzulage
I DM 2.068,50 und als Flugzulage II
DM 3.748,50 nebst 4 % Zinsen aus jedem
der Posten für die Zeit vom 1. Juli
1982 an zu zahlen,
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
ist, die tarifliche Vergütung
des Klägers als 1. Flugingenieur
bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses
als 1. Flugingenieur oder bis
zur Erreichung der Endstufe der Vergütungstabelle
für 1. Flugingenieure
nach den jeweils maßgeblichen Vergütungstarifverträgen
unter Zugrundelegung
des technischen Eintrittsdatums
1. März 1977 zu zahlen, erstmals für
den Monat Januar 1984 in der Stufe 8
und am 1. November 1984 in die Stufe 9
übergehend,
3. festzustellen, daß die Beklagte dem
Kläger in allen manteltarifvertraglichen
wie allen auf Betriebsübung beruhenden
Zusammenhängen, in denen die
Dauer der Betriebszugehörigkeit maßgeblich
ist, das technische Eintrittsdatum
1. April 1975 zuzuschreiben verpflichtet
ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu ausgeführt, die gesetzliche Neuregelung sei erst nach der Einstellung des Klägers erfolgt und gelte nicht rückwirkend zu seinen Gunsten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung hiergegen zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß nach der bis zum Inkrafttreten des 3. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes (BGBl. 1977 Teil I S. 3110 ff.) bestehenden Rechtslage gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 2 bis 4 ArbPlSchG in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Nr. 1 des Zivildienstgesetzes Zeiten des Grundwehrdienstes bzw. des zivilen Ersatzdienstes nach Ablauf von sechs Monaten auf die Betriebszugehörigkeit nur dann angerechnet werden konnten, wenn der entlassene Wehrpflichtige im Anschluß an den Grundwehrdienst bzw. zivilen Ersatzdienst als Arbeitnehmer eingestellt wurde. Daraus folgt andererseits, daß ein Studium nach dem Grundwehr- bzw. zivilen Ersatzdienst und vor der Einstellung des Arbeitnehmers einer Anrechnung der Zeiten des Grundwehrdienstes bzw. zivilen Ersatzdienstes entgegengestanden hat.
Der Kläger geht ebenfalls von dieser Rechtslage aus. Er ist jedoch der Ansicht, daß die Neufassung des § 12 Abs. 1 Satz 2 durch das 3. Gesetz zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes vom 23. Dezember 1977 sich zu seinen Gunsten auf sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgewirkt hat.
Dieser Auffassung des Klägers ist das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt, weil § 12 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsplatzschutzgesetzes in der Fassung des 3. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes vom 23. Dezember 1977 erst am 31. Dezember 1977 und damit nach Einstellung des Klägers bei der Beklagten in Kraft getreten ist.
II. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG ist die Zeit des Grundwehrdienstes auf ein künftiges Arbeitsverhältnis auch dann anzurechnen, wenn im Anschluß hieran "eine für den künftigen Beruf als Arbeitnehmer förderliche, über die allgemeinbildende Schulbildung hinausgehende Ausbildung ohne unzulässige Überschreitung der Regelzeit durchlaufen" worden ist und der Wehrpflichtige "im Anschluß daran als Arbeitnehmer eingestellt" worden ist. Zwar erfüllt der Kläger diese gesetzlichen Voraussetzungen, denn er hat sogar noch vor Beendigung seines zivilen Ersatzdienstes an einer Fachhochschule mit dem Studium der Nachrichtentechnik begonnen und diese für seinen künftigen Beruf förderliche Ausbildung zeitgerecht und erfolgreich abgeschlossen. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Die Klage ist aber deswegen nicht begründet, weil der Kläger bereits am 29. September 1977 (daher knapp drei Monate vor Inkrafttreten dieser gesetzlichen Neuregelung) bei der Beklagten eingestellt worden ist. Der Kläger meint, er könne die gesetzliche Neuregelung in Anspruch nehmen, weil er die Wartezeit von sechs Monaten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG) erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erfüllt hat. Deswegen gilt es aber für ihn nicht rückwirkend.
Die Wartezeit des § 12 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG war schon vor der Neuregelung Bestandteil des Gesetzes. Nach der alten Gesetzesfassung wurde die Zeit des Grundwehrdienstes einem Wehrpflichtigen nach einer Wartezeit von sechs Monaten auf das künftige Arbeitsverhältnis im unmittelbaren Anschluß an den Wehrdienst angerechnet. Der Gesetzgeber hat an dieser Wartezeit nichts geändert, sondern nur den Anrechnungstatbestand erweitert: Nämlich die Anrechnung auch für den Fall bestimmt, daß der Wehrpflichtige im Anschluß an den Grundwehrdienst ein berufsförderndes Studium erfolgreich in der Regelstudienzeit abschließt und erst danach ein Arbeitsverhältnis begonnen hat. Diese Anspruchsvoraussetzungen sind von der Wartezeit selbst zu unterscheiden. Die Wartezeit setzt nämlich voraus, daß die Anspruchsvoraussetzungen bereits erfüllt sind; sie können aber erst nach Inkrafttreten des Gesetzes erfüllt werden und nicht vorher.
Dem Gesetzgeber war die Problematik bekannt, wie sich schon aus der Neufassung des Gesetzestextes ergibt. Dennoch hat er keine Notwendigkeit gesehen, das Gesetz rückwirkend in Kraft zu setzen.
Der Kläger will aus Art. 3 § 2 des 3. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes herleiten, daß der Gesetzgeber die erweiterte Anrechnungsmöglichkeit nur für Soldaten auf Zeit eingeschränkt habe, denn insoweit habe er bestimmt, daß die bisherige gesetzliche Regelung für Arbeitsverhältnisse fortbestehe, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen worden seien. Demgegenüber fehle es aber an dieser zeitlichen Einschränkung für den durch dieses Gesetz ebenfalls begünstigten anderen Personenkreis und damit für den Kläger.
Hierbei übersieht er aber, daß Art. 3 § 2 des 3. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes sich nur auf den in § 8 Abs. 3 neu eingefügten Satz 2 bezieht, durch den die Anrechnung der Fachausbildung und des Wehrdienstes eines Soldaten auf Zeit auf die Unverfallbarkeitsfristen einer betrieblichen oder überbetrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung begrenzt wurde. Der Gesetzgeber wollte damit die Auswirkung einer Anrechnung von Zeiten einer Fachausbildung auf eine betriebliche oder überbetriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung insbesondere nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung und der damit verbundenen finanziellen Belastung einschränken (vgl. BT-Drucks. 8/855 zu Art. 3 § 1 Nr. 2 Buchst. a). Aus dieser Sonderregelung, die für einen ganz anderen Sachverhalt die bestehende günstigere Rechtslage aufrechterhält, wenn das Arbeitsverhältnis bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestand, kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Dr. Florack Nitsche
Fundstellen