Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Arbeiterkündigungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 222 EGBGB.
Normenkette
BGB § 622 Abs. 2; KündFG vom 7. Oktober 1993 Art. 1; KündFG vom 7. Oktober 1993 Art. 2; EGBGB Art. 222
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 15.05.1985; Aktenzeichen 4 Sa 32/85) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 31.01.1985; Aktenzeichen 10 Ca 293/84) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 15. Mai 1985 – 4 Sa 32/85 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31. Januar 1985 – 10 Ca 293/84 – abgeändert.
3. Es wird festgestellt, daß die Kündigung vom 25. Juni 1984 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien erst zum 31. Dezember 1984 aufgelöst hat.
4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der im Dezember 1937 geborene Kläger war seit August 1967 bei der R GmbH (Gemeinschuldnerin) als Vulkanisier-Arbeiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 25. Juni 1984 hat die Gemeinschuldnerin dem Kläger eine fristgemäße Kündigung zum 31. August 1984 ausgesprochen.
Der Kläger hat mit seiner am 16. Juli 1984 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage zunächst auf Feststellung geklagt, daß die Kündigung vom 25. Juni 1984 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst habe und das Arbeitsverhältnis fortbestehe. Nachdem am 15. Oktober 1984 über das Vermögen der Gemeinschuldnerin Konkurs eröffnet worden war, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 1. November 1984 als Konkursverwalter das Verfahren aufgenommen.
In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger seinen Antrag auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist, dahin geändert, daß er die Feststellung beantragt,
daß die Kündigung der Beklagten vom 25. Juni 1984 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht vor dem 31. Dezember 1984 aufgelöst hat.
Er hat vorgetragen, § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 wegen des ungleichen Beginns der Anrechnung der Beschäftigungsdauer bei Arbeitern und Angestellten als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt worden. Die insoweit verfassungswidrige Norm des § 622 BGB könne nicht mehr angewandt werden, da keine unerträgliche Rechtslücke vorliege. Ihm müsse vielmehr die Chance erhalten bleiben, an einer späteren verfassungskonformen Neuregelung des Gesetzgebers teilzuhaben, weswegen das Verfahren in erster Linie auszusetzen sei. Zumindest seien die Vorschriften über das Gesetz über die Fristen der Kündigung von Angestellten analog anzuwenden, so daß eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Zuge kommen müsse.
Der Beklagte hat mit seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, aus Gründen der Rechtssicherheit sei die verfassungswidrige Norm des § 622 Abs. 2 BGB zunächst weiterhin anzuwenden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Hilfsweise hat er bislang beantragt, den Rechtsstreit bis zur gesetzlichen Neuregelung des § 622 BGB auszusetzen.
Auf die Revision ist zunächst wegen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zu § 622 BGB kein Termin anberaumt worden. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden des Zweiten Senates vom 3. Mai 1993, daß zur Zeit wegen der noch nicht erfolgten Neuregelung des § 622 BGB noch keine Terminierung sinnvoll sei, hat nunmehr der Beklagte nach Inkrafttreten der Neuregelung um Terminierung gebeten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Die fristgemäße Kündigung der Gemeinschuldnerin hat das Arbeitsverhältnis nicht gemäß § 622 Abs. 2 BGB a. F. zum 31. August 1984, sondern erst zum 31. Dezember 1984 aufgelöst.
I. Aufgrund der mit Wirkung vom 15. Oktober 1993 in Kraft getretenen Neufassung des § 622 BGB konnte dem Kläger nach 15-jährigem Bestand das Arbeitsverhältnisses nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden, § 622 Abs. 2 BGB n. F.
Durch Art. 2 des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten – Kündigungsfristengesetz vom 7. Oktober 1993 (BGBl I, S. 1668 – KündFG –) – ist die Übergangsvorschrift des Art. 222 EGBGB eingefügt worden, wonach bei einer vor dem 15. Oktober 1993 zugegangenen Kündigung die Neuregelung gilt, wenn am 15. Oktober 1993 ein Rechtsstreit anhängig ist, bei dem die Entscheidung über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängt von der Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 1. Halbsatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Art. 2 Nr. 4 des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969 (BGBl I, S. 1106).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben: Das KündFG vom 7. Oktober 1993 ist hinsichtlich der Bestimmung der Frist für die Kündigung vom 25. Juni 1984 anzuwenden, weil darüber noch ein – im Einvernehmen mit den Parteien faktisch ausgesetzter – Rechtsstreit anhängig ist, bei dem die Entscheidung über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von § 622 Abs. 2 BGB i.d.F. vom 14. August 1969 abhängt.
II. Der am 22. Dezember 1937 geborene Kläger war bei Antritt des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten (August 1967) bereits älter als 25 Jahre. Er hatte ferner beim Zugang der Kündigung am 25. Juni 1984 eine Betriebszugehörigkeit von mehr als 15 Jahren zurückgelegt. Danach ist gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB n. F. die Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats zugrunde zu legen. Diese rückwirkende Regelung ist auch unter verfassungsmäßigen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wie der Senat bereits im Urteil vom 21. März 1991 – 2 AZR 323/84 (A) – (BAGE 67, 342, 350 = AP Nr. 29 zu § 622 BGB, zu III 2 a der Gründe) entschieden hat. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.
Unterschriften
Bitter, Bröhl zugleich für den verstorbenen Vorsitzenden Richter Hillebrecht, Schulze, Dr. Bensinger
Fundstellen