Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeit. Pauschalvergütung von Kraftfahrern des Berliner Senats
Orientierungssatz
Zu der in § 2 Abs. 1 TV-Kraftfahrer geregelten Dauer der durchschnittlichen Inanspruchnahme der Kraftfahrer gehören nicht die Pausenzeiten.
Normenkette
Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) § 14 Abs. 1, 5; ArbZG §§ 3, 7 Abs. 2a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Mai 2007 – 3 Sa 1331/06 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob in der Arbeitszeit des Klägers vergütungspflichtige Pausen enthalten sind.
Der Kläger ist seit dem 15. Januar 1979 beim beklagten Land als Kraftfahrer beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 30. Januar 1979 findet der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen sowie den an ihre Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Daneben sind die für den Bereich des Arbeitgebers in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge, sofern sie das Arbeitsverhältnis nach ihrem Geltungsbereich erfassen können, in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden. Zu diesen Tarifverträgen gehört der Tarifvertrag über die Arbeitszeit und über die Pauschallöhne von Kraftfahrern vom 26. Februar 1979 in der Fassung vom 15. Dezember 1994 (TV-Kraftfahrer).
In dem TV-Kraftfahrer ist bestimmt:
“…
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für vom Geltungsbereich des BMT-G erfaßte Kraftfahrer des Landes Berlin sowie der Freien und der Technischen Universität Berlin, die
a) beim Fuhrpark Berlin als Fahrer von Personen- und Lastkraftwagen
…
regelmäßig mit einer längeren als der in § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt werden.
…
§ 2 Gruppeneinteilung
(1) Die in § 1 Abs. 1 bezeichneten Kraftfahrer werden unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Dauer ihrer durchschnittlichen Inanspruchnahme den folgenden Gruppen zugeordnet:
…
Gruppe 6: ständige persönliche Kraftfahrer der Staatssekretäre, des Präsidenten des Obersten Rückerstattungsgerichts, der Kammergerichtspräsidenten, des Oberfinanzpräsidenten und des Generalintendanten der Deutschen Oper Berlin mit einer regelmäßigen Inanspruchnahme bis 62 ½ Stunden wöchentlich
…
(2) Innerhalb der sich aus Absatz 1 ergebenden durchschnittlichen wöchentlichen Inanspruchnahme wird die dem § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G entsprechende tägliche Arbeitszeit verlängert. Einzelheiten werden im Rahmen der Dienstzuteilung geregelt.
…
§ 3 Monatspauschale
(1) Für die in § 2 Abs. 1 festgelegte Inanspruchnahme erhalten die Kraftfahrer gemäß § 25 Abs. 5 BMT-G folgende Monatspauschallöhne:
…
(5) Sofern sich in Ausnahmefällen eine über § 2 Abs. 1 hinausgehende Inanspruchnahme als erforderlich erweist, ist die wöchentliche Mehrleistung nach Abzug einer unbezahlten Pause von einer Stunde wöchentlich nach § 17 Abs. 4 gegebenenfalls in Verbindung mit § 25 Abs. 3 BMT-G zu behandeln mit der Maßgabe, dass als Zeitzuschlag lediglich der Zuschlag nach § 22 Abs. 1 Buchst. e BMT-G gewährt wird.
…”
In dem vom TV-Kraftfahrer in Bezug genommenen BMT-G heißt es:
“…
§ 14 Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38 ½ Stunden wöchentlich.
…
(5) Arbeitspausen werden, ausgenommen bei Wechselschichten, in die regelmäßige Arbeitszeit nicht eingerechnet.
…”
In dem Tarifvertrag zur Anwendung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin) vom 31. Juli 2003 in der Fassung vom 25. August 2004 ist bestimmt:
“…
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeitnehmer mit Ausnahme der von SR 2 l I BAT/BAT-O erfassten Lehrkräfte und für die in der Berufsbildung stehenden Personen (…) des Landes Berlin.
…
§ 2 Generelle Übernahmebestimmungen
…
(2) Auf die Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnisse der von § 1 erfassten Arbeiter und arbeiterrentenversicherungspflichtigen Auszubildenden finden die zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und der ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e. V. – Bundesvorstand – oder der IG Bauen Agrar Umwelt – Bundesvorstand –, gegebenenfalls zusammen mit weiteren Tarifvertragsparteien auf der Arbeitgeberseite vereinbarten, für Arbeiter und arbeiterrentenversicherungspflichtige Auszubildende geltenden Tarifverträge in der am 1. Januar 2003 geltenden Fassung unter Berücksichtigung der sich durch die Tarifverträge vom 31. Januar 2003 (z. B. 51. Ergänzungstarifvertrag zum BMT-G, 12. Ergänzungstarifvertrag zum BMT-G-O) ergebenden Änderungen Anwendung, soweit sie von dem jeweiligen Geltungsbereich erfasst werden. …
…
§ 3 Maßgaben zur Arbeitszeit
…
C. Arbeiter (außer Arbeiter bei den Berliner Forsten)
(1) Die besondere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne des § 14 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O beträgt ausschließlich der Pausen für Arbeiter der Lohngruppen 1 – 6a 92 v. H. … der nach der vorstehend genannten manteltarifvertraglichen Vorschrift maßgebenden Arbeitszeit.
…
(2) …
Für Kraftfahrer, die vom Tarifvertrag über die Arbeitszeit und über die Pauschallöhne von Kraftfahrern oder vom Tarifvertrag über die Arbeitszeit und über die Pauschallöhne für Polizeikraftfahrer – jeweils auch in der im Bereich des BMT-G-O geltenden Fassung – erfasst werden, beträgt die zu erbringende regelmäßige Inanspruchnahme die in § 2 des Tarifvertrages über die Arbeitszeit und über die Pauschallöhne von Kraftfahrern bzw. des Tarifvertrages über die Arbeitszeit und über die Pauschallöhne für Polizeikraftfahrer festgelegte Zeit der wöchentlichen Inanspruchnahme.
…”
Mit Wirkung vom 1. Juni 2004 wurde der Kläger der Gruppe 6 des TV-Kraftfahrer mit einer Inanspruchnahme von bis zu 62,5 Stunden wöchentlich zugeordnet. Für seine Tätigkeit erhält der Kläger die sich aus dem TV-Kraftfahrer iVm. den Maßgaben des Anwendungs-TV Land Berlin ergebende Pauschalvergütung. Bis Oktober 2004 bezahlte das beklagte Land die innerhalb der regelmäßigen Inanspruchnahme von wöchentlich 62,5 Stunden liegenden Ruhepausen. Darüber hinaus anfallende Mehrarbeit vergütete das beklagte Land nach Maßgabe des § 3 Abs. 5 Kraftfahrer-TV unter Abzug von wöchentlich einer Stunde unbezahlter Pause.
Seit der Versetzung des Klägers zum Landesverwaltungsamt im November 2004 werden ihm bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden 30 Minuten und bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als neun Stunden 45 Minuten als unbezahlte Pause von der Zeit der Inanspruchnahme abgezogen. Das hat zur Folge, dass vergütungspflichtige Mehrarbeit erst anfällt, wenn die wöchentliche Inanspruchnahme von 62,5 Stunden zuzüglich der Pausen überschritten wird.
Der Kläger hat mit seiner am 17. Oktober 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage geltend gemacht, die Pausen gehörten zur Inanspruchnahme von 62,5 Stunden. Er könne zwar im Rahmen der regelmäßigen Inanspruchnahme im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang Pausen machen. Die Pausenzeiten seien aber zu vergüten, weil der TV-Kraftfahrer die Arbeitszeitregelungen des BMT-G vollständig ersetze. Der Begriff der Inanspruchnahme sei von dem der Arbeitszeit zu unterscheiden und beinhalte auch Pausenzeiten.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die von ihm zu erbringende regelmäßige wöchentliche Inanspruchnahmezeit einschließlich Ruhepausen über den 1. November 2004 hinaus 62,5 Stunden beträgt und von dem beklagten Land vollständig zu vergüten ist.
Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags geltend gemacht, zur Inanspruchnahme gehörten nicht die Pausen. § 14 Abs. 5 BMT-G werde durch den TV-Kraftfahrer nicht verdrängt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Gegenstand der erhobenen Feststellungsklage ist ein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Eine Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang der Leistungspflicht beschränken (Senat 27. Oktober 2005 – 6 AZR 123/05 – BAGE 116, 160, 163 f. mwN).
2. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die von ihm zu erbringende regelmäßige wöchentliche Inanspruchnahmezeit einschließlich der Pausen über den 1. November 2004 hinaus 62,5 Stunden beträgt und von dem beklagten Land vollständig zu vergüten ist, bezieht sich hinreichend bestimmt auf den Umfang der Leistungspflicht des beklagten Landes und ist damit zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage. Nachdem zwischen den Parteien streitig ist, ob das beklagte Land auch verpflichtet ist, die in der Inanspruchnahmezeit liegenden Pausen zu vergüten, besteht auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Die vom Kläger beantragte Feststellung ist des Weiteren geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden Streit über die Berücksichtigung von Pausen bei der Inanspruchnahmezeit insgesamt beizulegen und das Rechtsverhältnis der Parteien insoweit abschließend zu klären. Der Kläger ist daher nicht auf eine Leistungsklage zu verweisen (vgl. Senat 5. Juni 2003 – 6 AZR 277/02 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2).
3. Der zum 1. Dezember 2007 in Kraft getretene “Tarifvertrag zur Ergänzung des Tarifvertrages über die Arbeitszeit und über die Pauschallöhne von Kraftfahrern gemäß § 7 Abs. 2a Arbeitszeitgesetz” ändert an der Zulässigkeit der Feststellungsklage nichts. Dieser Tarifvertrag trägt der durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) erfolgten Neuregelung des § 7 Abs. 2a ArbZG Rechnung. Er soll eine Grundlage für die von § 3 ArbZG abweichende Arbeitszeit der Kraftfahrer sein. Zur Frage der Vergütung von Pausenzeiten während der Inanspruchnahme enthält dieser Tarifvertrag keine Regelungen.
II. Die Klage ist nicht begründet. Die Pausenzeiten gehören nicht zu der in § 2 Abs. 1 TV-Kraftfahrer geregelten Dauer der durchschnittlichen Inanspruchnahme der Kraftfahrer.
1. Der in § 2 Abs. 1 TV-Kraftfahrer verwendete Begriff “Inanspruchnahme” ist kein arbeitszeitrechtlicher Terminus. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter Inanspruchnahme “das Gebrauchmachen oder das Nutzen von etwas” zu verstehen (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Band 5 “Inanspruchnahme”). Bezogen auf ein Arbeitsverhältnis bedeutet das, dass der Arbeitgeber in der Inanspruchnahmezeit die Arbeitskraft des Arbeitnehmers nutzt und von ihr Gebrauch macht. Dies geschieht, indem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach § 106 GewO Arbeit zuweist und der Arbeitnehmer Arbeitsleistungen erbringt. Während der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen (§ 4 ArbZG) erbringt der Arbeitnehmer jedoch keine Arbeitsleistungen, denn unter einer Ruhepause ist die Unterbrechung der Arbeitszeit für eine bestimmte Dauer zu verstehen. Während der Ruhepausen muss der Arbeitnehmer weder Arbeit leisten noch sich dafür bereithalten (BAG 22. Juli 2003 – 1 ABR 28/02 – BAGE 107, 78, 89 mwN). Der Kläger wird daher in den Pausenzeiten, die er nach eigenem Bekunden auch im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang in Anspruch nehmen kann, nicht zu Arbeitsleistungen herangezogen. Während der Pausen liegt damit nach allgemeinem Sprachverständnis keine Inanspruchnahme iSv. § 2 Abs. 1 TV-Kraftfahrer vor.
2. Der Begriff der “Inanspruchnahme” in § 2 TV-Kraftfahrer trägt den arbeitszeitrechtlichen Besonderheiten der von diesem Tarifvertrag erfassten Arbeitsverhältnisse Rechnung.
a) Wie die Parteien übereinstimmend vorgetragen haben, fallen während der Tätigkeit des Klägers häufig Zeiten der Arbeitsbereitschaft sowie Bereitschaftsdienstzeiten an. Diese sind von der voll vergüteten “Normalarbeitszeit” abzugrenzen. Arbeitsbereitschaft wird in Zeiten wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung geleistet. Die Arbeitsbereitschaft stellt gegenüber der Vollarbeit eine mindere Leistung dar, die den Arbeitnehmer erheblich weniger als die Vollarbeit beansprucht und damit einen Entspannungszustand ermöglicht. Die Arbeitsbereitschaft ist allerdings auch von der Pause zu unterscheiden, in der sich der Arbeitnehmer nicht in wacher Achtsamkeit zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme bereitzuhalten braucht (BAG 12. Februar 1986 – 7 AZR 358/84 – BAGE 51, 131, 137 f. mwN). Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer, ohne dass von ihm wache Aufmerksamkeit gefordert wird, für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen kann (BAG 28. Januar 2004 – 5 AZR 530/02 – BAGE 109, 254, 260 mwN). Grundsätzlich ist Bereitschaftsdienst danach keine volle Arbeitsleistung, sondern eine Aufenthaltsbeschränkung, die mit der Verpflichtung verbunden ist, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden. Damit unterscheidet sich dieser Dienst seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die vom Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt. Dieser qualitative Unterschied rechtfertigt es, für den Bereitschaftsdienst eine andere Vergütung vorzusehen als für die Vollarbeit (Senat 25. April 2007 – 6 AZR 799/06 – Rn. 21, AP BAT § 15 Nr. 53 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 4).
b) Mit der Verwendung des Begriffs “Inanspruchnahme” verfolgt der Tarifvertrag erkennbar das Ziel, die verschiedenen Formen der Arbeitsleistung zusammenzufassen. Insoweit ist der TV-Kraftfahrer entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts keinesfalls ungenau gefasst. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr einen Oberbegriff gewählt, der zwar arbeitszeitrechtlich noch keine Definition erfahren hat, der aber die verschiedenen Formen der Arbeitsleistung eines Kraftfahrers hinreichend bestimmt erfasst. Da bei der Tätigkeit eines Kraftfahrers häufig Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienstzeiten anfallen und diese Zeiten anders vergütet werden können als Vollarbeit, enthält der TV-Kraftfahrer den übergreifenden Begriff der Inanspruchnahme zur Bestimmung der vergütungspflichtigen Dauer der Tätigkeit eines Kraftfahrers für das beklagte Land. Zugleich verdeutlicht die Begrifflichkeit des TV-Kraftfahrer, dass Pausenzeiten nicht zu vergüten sind, weil der Arbeitnehmer nach allgemeinem Sprachverständnis während der Pausenzeiten keine Dienstleistungen für den Arbeitgeber erbringt. Entgegen der Auffassung der Revision entspricht dies auch dem allgemeinen arbeitszeitrechtlichen Verständnis, wonach Ruhepausen iSv. § 4 ArbZG unbezahlt bleiben (Baeck/Deutsch ArbZG 2. Aufl. § 4 Rn. 26).
3. Der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt das Ergebnis der Wortlautauslegung.
a) Nach § 2 Abs. 2 TV-Kraftfahrer wird innerhalb der sich aus Abs. 1 ergebenden durchschnittlichen wöchentlichen Inanspruchnahme die dem § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G entsprechende tägliche Arbeitszeit verlängert. Die Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G verdeutlicht, dass von der Inanspruchnahme Pausen nicht erfasst sind, denn nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G beträgt die regelmäßige Arbeitszeit “ausschließlich der Pausen” durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich. Wenn sich durch die Inanspruchnahme die Arbeitszeit iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G verlängert, zu dieser aber Pausen nicht gehören, spricht dies dafür, dass nur Arbeitszeiten, Zeiten der Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienstzeiten, nicht aber auch Pausen zur Inanspruchnahme zählen. Die Revision übersieht insoweit, dass bereits in § 14 Abs. 1 BMT-G, der von § 2 Abs. 2 TV-Kraftfahrer ausdrücklich in Bezug genommen wird, klargestellt ist, dass Pausen nicht zur Arbeitszeit gehören. § 14 Abs. 5 BMT-G, der bestimmt, dass Arbeitspausen, ausgenommen bei Wechselschichten, in die regelmäßige Arbeitszeit nicht eingerechnet werden, hat insoweit lediglich klarstellende Bedeutung.
b) Aus § 3 Abs. 5 TV-Kraftfahrer ergibt sich kein anderes Auslegungsergebnis.
aa) Soweit nach dieser Tarifbestimmung die wöchentliche Mehrleistung nach Abzug einer unbezahlten Pause von einer Stunde wöchentlich zu vergüten ist, kann hieraus entgegen der Auffassung der Revision nicht der Schluss gezogen werden, dass alle übrigen Pausenzeiten während der durchschnittlichen wöchentlichen Inanspruchnahme vergütet werden müssen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass in diesem Falle die regelmäßige Arbeitszeit des Kraftfahrers besser bezahlt würde, als die Mehrarbeit nach § 3 Abs. 5 TV-Kraftfahrer. Würden bei der Inanspruchnahmezeit nach § 2 Abs. 1 TV-Kraftfahrer die gesetzlichen Ruhepausen vergütet, wären die einzelnen Stunden der Inanspruchnahme höher bezahlt als die darüber hinaus geleisteten Mehrarbeitsstunden, weil hiervon gem. § 3 Abs. 5 TV-Kraftfahrer pauschal eine Stunde als unbezahlte Pause in Abzug zu bringen ist. Der vom beklagten Land bei Mehrarbeit gem. § 3 Abs. 5 TV-Kraftfahrer iVm. § 22 Abs. 1 Buchst. e BMT-G zu zahlende Überstundenzuschlag wäre dann von einem gegenüber der Inanspruchnahmezeit geringeren Stundenlohn aus zu berechnen. Für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten während der Mehrarbeit eine niedrigere Grundvergütung vorgesehen als während der Inanspruchnahmezeit, gibt es im Tarifvertrag jedoch keine Anhaltspunkte.
bb) Der Einwand des Klägers, die Einrechnung der Pausenzeiten in die regelmäßige Inanspruchnahmezeit führe nicht zu einer Schlechterstellung, sondern zur Besserstellung der Kraftfahrer, weil sie für die Inanspruchnahme ohne Einrechnung der Pausen länger anwesend sein müssten, um ihre tarifliche Inanspruchnahmezeit (beim Kläger 62,5 Stunden/Woche) zu erreichen, als bei der Berechnung der Inanspruchnahmezeit einschließlich der Pausen, ist an sich zutreffend. Er ändert aber nichts daran, dass die vom Kläger vertretene Tarifauslegung zu einer niedrigeren Grundvergütung der Mehrarbeitszeit gegenüber der Inanspruchnahmezeit führt und nicht angenommen werden kann, dass dies von den Tarifvertragsparteien gewollt war.
4. Das sich aus Wortlaut und tariflichem Gesamtzusammenhang ergebende Auslegungsergebnis wird durch den im Tarifwerk zum Ausdruck kommenden Zweck der Tarifregelung bestätigt. Durch die Zusammenfassung der bei Kraftfahrern anfallenden Arbeitszeitformen Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in dem Begriff “Inanspruchnahme” soll eine einheitliche, pauschale Vergütung der Kraftfahrer erreicht werden, ohne dass die einzelnen Anteile gesondert erfasst und berechnet werden müssen. In diesem Zusammenhang weist die Revision zutreffend darauf hin, dass die Pauschalvergütung der Kraftfahrer auf der Grundlage des TV-Kraftfahrer gegenüber der Vergütung eines nicht unter diesen Tarifvertrag fallenden Arbeiters einen Abschlag enthält. Nur erklärt sich dieser Vergütungsabschlag entgegen der Auffassung des Klägers nicht daraus, dass Pausenzeiten zur Inanspruchnahme des Kraftfahrers gehören, sondern aus dem unstreitig hohen Anteil von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdiensten.
5. An diesem Auslegungsergebnis ändert die bis ins Jahr 2004 geübte langjährige abweichende Praxis des beklagten Landes nichts. Nachdem die Auslegung des Tarifvertrags nach objektiven Gesichtspunkten zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis führt, kann eine davon abweichende Tarifanwendung keine andere Auslegung begründen. Die von dem beklagten Land in der Vergangenheit vorgenommene Tarifauslegung war fehlerhaft. Wenn das beklagte Land nunmehr zu einer zutreffenden Tarifanwendung übergeht, ist das schon aus Gründen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht zu beanstanden.
6. Soweit der Kläger geltend macht, eine europarechtskonforme Auslegung gebiete, die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als nötig über das zulässige Maß von 48 Stunden die Woche hinaus auszudehnen, weshalb in die Inanspruchnahmezeit von 62,5 Stunden auch Pausenzeiten einzurechnen seien, übersieht er, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, dass die von ihm bekämpfte Auslegung des TV-Kraftfahrer gerade nicht zu einer Ausdehnung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Kraftfahrer führt. Aus der Ablehnung der Pausenzeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit folgt nicht eine Erhöhung der Arbeitszeit, sondern lediglich die Beibehaltung des Grundsatzes, wonach die Pausenzeit nicht zur Arbeitszeit gehört.
III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Fischermeier, Linck, Spelge, B. Schipp, Sieberts
Fundstellen
Haufe-Index 2035821 |
NZA 2008, 1320 |
PersV 2009, 27 |