Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen
Leitsatz (redaktionell)
§ 23 Abs 1 Satz 4 KSchG gilt nicht für Arbeitnehmer, die am 1. Mai 1985 noch nicht in einem nach den §§ 1 bis 14 KSchG geschützten Arbeitsverhältnis gestanden haben.
Orientierungssatz
1. Als Betrieb ist die organisatorische Einheit anzusehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.
2. Regelmäßig liegt ein einheitlicher Betrieb vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen oder immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefaßt geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Soll der Betrieb von mehreren Unternehmen geführt werden, so müssen sich die beteiligten Unternehmen zur gemeinsamen Führung des Betriebes rechtlich verbunden haben. Eine dahingehende Vereinbarung kann auch stillschweigend geschlossen werden und ihre Existenz sich aus den tatsächlichen Umständen ergeben.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 05.04.1989; Aktenzeichen 2 (13) Sa 1280/88) |
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 26.05.1988; Aktenzeichen 6 Ca 750/88) |
Tatbestand
Der im Jahre 1931 geborene Kläger war seit dem 1. Januar 1985 bei der beklagten GmbH als Verkaufsingenieur beschäftigt. In dem schriftlichen Anstellungsvertrag vom 30. Mai 1985 war u.a. vereinbart, daß auf das Vertragsverhältnis deutsches Arbeitsrecht anwendbar sein solle.
Der Kläger bezog ein monatliches Garantiegehalt von zuletzt 6.666,-- DM brutto sowie eine Erfolgsbeteiligung. Ihm war ferner Gesamtprokura mit einem Geschäftsführer erteilt worden.
Die Beklagte hat ihren Sitz in G. Sie war durch Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 1984 gegründet und am 13. Februar 1985 in das Handelsregister des Amtsgerichts G eingetragen worden. Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb von mechanischen und elektronischen Anlagen, Maschinen und Apparaten. Geschäftsführer waren ursprünglich die Herren W Ze und E W. An ihrer Stelle wurde der Betriebswirt G B zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt und am 26. Januar 1988 in das Handelsregister eingetragen.
Sämtliche Geschäftsanteile der Beklagten werden von der in Fribourg (Schweiz) ansässigen B Holding SA (künftig: Holding) gehalten. Die Holding hat kein eigenes Personal und befaßt sich nur mit ihren Beteiligungen an anderen Unternehmen. Sie wird von einem dreiköpfigen Verwaltungsrat geleitet, der aus M B sen. als Präsidenten und dessen Söhnen M B jun. und G B, dem Geschäftsführer der Beklagten, besteht. Die Verwaltungsratsmitglieder sind sämtlich schweizerische Staatsbürger.
Die Holding ist ferner Alleingesellschafterin der in Schmitten bei Fribourg ansässigen B AG (künftig: AG), die neben einer dreiköpfigen Geschäftsleitung ebenfalls einen aus drei Personen bestehenden Verwaltungsrat mit M B sen. als Präsidenten hat. Gegenstand dieses Unternehmens sind Entwicklung, Produktion und Verkauf von mechanisch-elektronischen Maschinen und Apparaten, die in der Bundesrepublik durch die Beklagte vertrieben werden. Die AG beschäftigt 40 bis 50 Arbeitnehmer, überwiegend Schweizer.
Bei der Beklagten waren neben dem Kläger eine Sekretärin, zwei Service-Techniker sowie seit dem 20. April 1985 eine Raumpflegerin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von fünf Stunden beschäftigt. Streitig zwischen den Parteien ist, ob auch Herr W Za Arbeitnehmer der Beklagten war. Herr Za ist Deutscher, wohnt in Charmey in der Schweiz und hat eine schweizerische Arbeitsbewilligung. Er hat mit der AG unter dem 8. Juni 1984 einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, nach dem er für bestimmte Arbeitsbereiche in den Abteilungen Administration, Vertrieb und Technik zuständig ist.
Mit Schreiben vom 25. Februar 1988, ihm zugegangen am 27. Februar 1988, kündigte die Beklagte dem Kläger fristgerecht zum 30. Juni 1988. Das Schreiben ist von M B sen. "i.A. B GmbH (Beklagte) und B Holding SA, CH-1700 Fribourg" unterzeichnet.
Mit der Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und ihre Sozialwidrigkeit geltend gemacht. Er hält das KSchG aus folgenden Gründen für anwendbar:
Die Betriebe der Beklagten und der AG bildeten einen gemeinsamen Betrieb, so daß die Arbeitnehmer der AG bei der Bestimmung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG mitzuzählen seien und die nach dieser Vorschrift erforderliche Mindestgröße erreicht werde. Ausschließliche Aufgabe der Holding sei es, die beiden 100 %ig beherrschten Unternehmen der Beklagten und der AG zu kontrollieren und zu verwalten bzw. zu koordinieren. Hierzu gehörten auch Eingriffe in die Geschäftsabläufe. Die Beklagte habe die von der AG hergestellten und ausschließlich von dieser bezogenen Waren auf dem deutschen Markt zu vertreiben. Rechnungen und Lieferscheine hätten abschriftlich an die AG übersandt werden müssen. Er habe ferner wöchentlich einen vollständigen Bericht über die geschäftlichen Aktivitäten der abgelaufene Woche, insbesondere über Auftragseingänge, Rechnungserstellungen und Zahlungseingänge erstatten müssen. Ihm seien für die AG zahlreiche Weisungen über Verwaltungsaufgaben erteilt worden, so für Buchhaltung und Rechnungswesen mit Schreiben des kaufmännischen Geschäftsführers W vom 18. Juli 1985. Die Beklagte habe nur Ware nach Preisliste geliefert. Spezielle Software habe die AG hergestellt, geliefert und durch schweizerisches Personal installiert. Die Beklagte habe mit ihren zwei Monteuren nicht die gesamten Montagearbeiten durchführen können. Das notwendige zusätzliche Personal habe überwiegend die AG gestellt.
Es handele sich um ein Familienunternehmen, dessen Oberleitung M B sen. innehabe. Seine Söhne übernähmen je nach den Erfordernissen Geschäftsführungen in den Tochterunternehmen. Die früheren Geschäftsführer der Beklagten seien zugleich auch Vizedirektoren und Gesamtprokuristen der AG. Herr M B sen. nehme unmittelbaren Einfluß auf die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse der in den Tochterunternehmen Beschäftigten. So habe er in von ihm unterzeichneten Schreiben der AG seine Unzufriedenheit mit seiner, des Klägers, Tätigkeit zum Ausdruck gebracht, eine Neufestlegung seines Aufgabenbereichs sowie die Ausarbeitung eines Pflichtenhefts über die neue Lage angekündigt. Schließlich habe er auch das Kündigungsschreiben für die Beklagte und die Holding unterzeichnet.
Herr Za sei formell Angestellter der AG. Er sei jedoch ausschließlich mit dem Vertrieb im süddeutschen Raum beschäftigt und wickele sämtliche von ihm hereingeholten Aufträge über die Beklagte ab. Er müsse deshalb sachlich der Beklagten als Arbeitnehmer zugeordnet werden.
Gründe, die die Kündigung sozial rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die mit Schreiben der Beklagten
vom 25. Februar zum 30. Juni 1988 ausgesprochene
Kündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis
unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, das Kündigungsschutzgesetz finde auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Anwendung. In ihrem Betrieb in G würden nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt. Herr Za sei Angestellter der AG. Er sei nicht für Deutschland zuständig, sondern besuche nur gelegentlich Kunden in Süddeutschland. Mit der Auftragsabwicklung habe er nichts zu tun.
Sie bilde auch mit der AG keinen gemeinsamen Betrieb. Das sei schon aus Rechtsgründen nicht möglich, weil der Betrieb der AG im Ausland gelegen sei. Aber auch die Voraussetzungen für einen gemeinsamen Betrieb nach deutschem Recht lägen nicht vor. Die Holding übe keine leitende oder kontrollierende Tätigkeit bei den "Arbeitsgesellschaften" in der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland aus. Sie sei nach dem sog. Holding-Privileg des schweizerischen Obligationenrechts eine rein passive Gesellschaft, die selbst nicht tätig sei und nur Beteiligungen an anderen Gesellschaften halte. Hierfür sei unerheblich, daß der Verwaltungsratsvorsitzende auf Geschehnisse in den einzelnen Arbeitsgesellschaften Einfluß nehme.
Auch bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes wäre die Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe durch sein Verhalten das Verhältnis zu den Kunden getrübt, jahrelang keine Schlußabrechnungen erstellt, Rechnungen doppelt gebucht, dadurch zu viele Provisionen bezogen und ihr erhebliche finanzielle Einbußen eingebracht.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat die Kündigung für wirksam angesehen, weil das KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finde. Die Beklagte beschäftige in ihrem Betrieb in G nicht mehr als fünf nach § 23 Abs. 1 KSchG bei der Feststellung der Beschäftigtenzahl zu berücksichtigende Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer der AG seien nicht hinzuzurechnen. Zwar könnten mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb bilden, jedoch nur mit im Geltungsbereich des Grundgesetzes gelegenen Betrieben, weil das Kündigungsschutzgesetz nicht für im Ausland gelegene Betriebe gelte. Es könne deshalb offen bleiben, ob der Kläger das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes nach deutschem Recht schlüssig dargelegt habe. Eine Vereinbarung, daß das KSchG unabhängig von seinem räumlichen Geltungsbereich Anwendung finden solle, sei von den Parteien nicht getroffen worden.
Dem tritt der Senat im Ergebnis und teilweise auch in der Begründung bei.
II. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts über den allgemeinen Kündigungsschutz nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden. Dem Betrieb der Beklagten gehörten jedoch im Zeitpunkt der Kündigung regelmäßig nicht mehr als fünf anrechnungsfähige Arbeitnehmer an.
Die Beklagte beschäftigte unstreitig vier Arbeitnehmer, nämlich den Kläger, eine Sekretärin und zwei Service-Techniker. Die Raumpflegerin hat das Berufungsgericht zu Recht nicht hinzugezählt. Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 nur Arbeitnehmer zu berücksichtigen, deren regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich zehn Stunden oder monatlich 45 Stunden übersteigt. Hierunter fällt die unstreitig nur mit fünf Wochenstunden beschäftigte Raumpflegerin nicht.
Diese durch Art. 3 Nr. 2 b BeschFG 1985 eingefügte Vorschrift ist auch auf das am 1. Januar 1985 begründete Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwenden. Nach § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG berührt Satz 3 nicht die Rechtsstellung der Arbeitnehmer, die am 1. Mai 1985 gegenüber ihrem Arbeitgeber Rechte aus Satz 2 in Verbindung mit dem Ersten Abschnitt dieses Gesetzes herleiten konnten. Diese Besitzstandsklausel bezieht sich jedoch nur auf den persönlichen Geltungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes. Sie erfaßt nur Arbeitnehmer, die bereits am 1. Mai 1985 in einem nach Maßgabe der §§ 1 bis 14 KSchG geschützten Arbeitsverhältnis standen. Sie gilt somit nicht für Arbeitnehmer, die, wie der Kläger, an diesem Stichtag noch nicht die sechsmonatige Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt hatten (KR-Becker, 3. Aufl., § 23 KSchG Rz 20 b; Frey in Neues Arbeitsrecht, Stand Mai 1987, Teil C Rz 7; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., Nachtrag zu § 23 KSchG Rz 4; Rohlfing/Rewolle/Bader, KSchG, Stand Januar 1988, § 23 Erl. 2, Seite 188).
Das Berufungsgericht konnte somit zu Recht offenlassen, ob der Angestellte Za als Angehöriger des Betriebes der Beklagten zu betrachten ist. Auch wenn er einzubeziehen wäre, wären im Betrieb der Beklagten ohne Berücksichtigung der Raumpflegerin nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt.
III. Das KSchG ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb anwendbar, weil die Beklagte und die AG einen gemeinsamen Betrieb bilden und deshalb die in beiden Unternehmen Beschäftigten bei der Ermittlung der nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG maßgebenden Arbeitnehmerzahl zusammenzurechnen sind. Denn der Kläger hat, wie bereits das Arbeitsgericht in seiner Hilfsbegründung zutreffend angenommen hat, das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs dieser beiden Unternehmen nach deutschem Recht nicht schlüssig dargelegt. Es kann deshalb offen bleiben, ob mehrere Unternehmen nur mit im Inland gelegenen Betrieben einen gemeinsamen Betrieb bilden können.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb bilden. Dies gilt für das Betriebsverfassungsrecht (vgl. zuletzt BAGE 59, 319 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, m.w.N.) wie für das Kündigungsschutzgesetz (§ 1 KSchG: Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 452/84 - AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969; § 15 KSchG: BAGE 55, 117 = AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969; § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG: BAGE 45, 259 = AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969). Für den Geltungsbereich der betriebsverfassungsrechtlichen wie der kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften ist hierbei von dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff auszugehen (vgl. zuletzt BAGE 55, 117, 126 ff. = AP, aaO, zu B II 2 a und b der Gründe).
Danach ist als Betrieb die organisatorische Einheit anzusehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. In erster Linie kommt es dabei auf die Einheit der Organisation, weniger auf die Einheitlichkeit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung an. Regelmäßig liegt ein einheitlicher Betrieb vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen oder immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefaßt geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Soll der Betrieb von mehreren Unternehmen geführt werden, so müssen sich die beteiligten Unternehmen zur gemeinsamen Führung des Betriebes rechtlich verbunden haben. Eine dahingehende Vereinbarung kann auch stillschweigend geschlossen werden und ihre Existenz sich aus den tatsächlichen Umständen ergeben. Ergeben die Umstände des Einzelfalles, daß der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, so deutet dies regelmäßig darauf hin, daß eine Führungsvereinbarung vorliegt. Das trifft nicht schon dann zu, wenn die Unternehmen z.B. auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen lediglich unternehmerisch zusammenarbeiten. Vielmehr muß die Vereinbarung auf eine einheitliche Leitung für die Aufgaben gerichtet sein, die vollzogen werden müssen, um die in der organisatorischen Einheit zu verfolgenden arbeitstechnischen Zwecke erfüllen zu können (BAGE 59, 319, 324, 325 = AP, aaO, zu 2 und 3 der Gründe, m.w.N.).
2. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines von mehreren Unternehmen geführten gemeinsamen Betriebes im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG trägt der Arbeitnehmer (BAGE 45, 259, 268 = AP, aaO, zu I 2 a bb der Gründe). Da er jedoch in der Regel keine oder nur ungenaue Kenntnisse von dem Inhalt der zwischen den beteiligten Unternehmen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen hat, dürfen insoweit keine strengen Anforderungen an seine Darlegungslast gestellt werden. Es reicht in der Regel aus, wenn er die äußeren Umstände schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, daß sich mehrere Unternehmen rechtlich über die Führung eines gemeinsamen Betriebes geeinigt haben und dementsprechend arbeitstechnische Zwecke innerhalb einer organisatorischen Einheit unter einem einheitlichen Leitungsapparat fortgesetzt verfolgen. Zu diesen Umständen gehören z.B. die gemeinsame Nutzung der technischen und immateriellen Betriebsmittel, die gemeinsame räumliche Unterbringung, die personelle, technische und organisatorische Verknüpfung der Arbeitsabläufe, das Vorhandensein einer unternehmensübergreifenden Leitungsstruktur zur Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke, insbesondere zur Wahrnehmung der sich aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers ergebenden Weisungsbefugnisse. Hat der Arbeitnehmer schlüssig derartige Umstände vorgetragen, so hat der Arbeitgeber hierauf gemäß § 138 Abs. 2 ZPO im einzelnen zu erklären, welche rechtserheblichen Umstände (z.B. vertragliche Vereinbarungen) gegen die Annahme eines einheitlichen Betriebes sprechen.
3. Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, daß der Sachvortrag des Klägers zum Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes nicht schlüssig ist.
a) Zu den für eine einheitliche Betriebsorganisation sprechenden äußeren Umständen gehört die gemeinsame räumliche Unterbringung. Im vorliegenden Fall sind jedoch die Betriebsstätten der AG und der Beklagten räumlich weit voneinander entfernt und dazu noch in Staaten mit verschiedener Rechtsordnung gelegen. Die räumliche Trennung der Betriebsstätten allein schließt zwar das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes nicht aus. Es müssen dann aber an die Darlegung der übrigen für eine unternehmensübergreifende Leitungsstruktur zur Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke sprechenden Umstände erhöhte Anforderungen gestellt werden. Daran fehlt es vorliegend.
b) Soweit der Kläger darauf verweist, daß die Beklagte die von der AG hergestellten und ausschließlich von dieser bezogenen Produkte auf dem deutschen Markt zu vertreiben habe, ist dies kein für einen gemeinsamen Betrieb sprechender Umstand. Es hängt vielmehr von der Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Produktionsgesellschaft, Vertriebsgesellschaft und der Muttergesellschaft dieser beiden Unternehmen, hier der Holding, ab, ob die rechtlich selbständige Vertriebsgesellschaft mit der Produktionsgesellschaft eine organisatorische Einheit im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechungsgrundsätze bildet.
c) Der Kläger hat auch keine ausreichenden Umstände vorgetragen, die dafür sprechen, daß die AG und die Beklagte die wesentlichen materiellen und immateriellen Betriebsmittel gemeinsam nutzen und die Arbeitsabläufe in beiden Unternehmen personell, technisch und organisatorisch miteinander verknüpft sind. Eine gemeinsame Nutzung materieller Betriebsmittel scheidet bereits wegen der räumlichen Entfernung der Betriebsstätten weitgehend aus. Wenn der Kläger wöchentlich der AG über geschäftliche Aktivitäten der abgelaufenen Woche, insbesondere über Auftragseingänge, Rechnungsstellungen und Zahlungseingänge Bericht erstatten und von Rechnungen und Lieferscheinen Kopien übersenden mußte, so folgt daraus nur, daß die AG als Produktionsgesellschaft über Umfang und Bedingungen der an ihre Vertriebsgesellschaft zu erbringenden Lieferungen (mechanische und elektronische Anlagen, Maschinen und Apparate, darunter Glatteis-Frühwarnsysteme) und die Erfüllung der von den Abnehmern eingegangenen Zahlungsverpflichtungen laufend unterrichtet werden wollte. Diese für die geschäftlichen Dispositionen der AG als Lieferantin wesentliche Informationspflicht des Klägers deutet aber noch nicht auf die organisatorische Verknüpfung von Arbeitsabläufen in beiden Unternehmen hin.
Gleiches gilt für die die Buchhaltung und das Rechnungswesen betreffenden Weisungen in dem Schreiben des damaligen kaufmännischen Geschäftsführers W vom 18. Juli 1985. Sie betreffen die von der Beklagten in diesem Bereich im einzelnen, u.a. auch vom Kläger ("Visieren" der Buchhaltungs- und Spesenbelege sowie der zur Zahlung kommenden Lieferantenrechnungen) auszuführenden Arbeiten. Soweit die AG bzw. eine als "Treuhandbüro" bezeichnete Stelle durch Übersendung von Belegkopien über bestimmte Vorgänge zu unterrichten waren, bedeutet dies noch keine gemeinsame Buch- und Rechnungsführung der Beklagten und der AG.
d) Der Kläger hat schließlich auch nicht schlüssig das Bestehen einer unternehmensübergreifenden einheitlichen Leitungsstruktur zur Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke der beiden Gesellschaften dargelegt. Die teilweise Personenidentität auf der Verwaltungsrats-, Geschäftsführer- und Prokuristenebene der Unternehmensgruppe allein spricht noch nicht für eine Vereinbarung über die gemeinsame Führung der Betriebe der AG und der Beklagten. Auf eine kompetente Führungsvereinbarung kann regelmäßig erst dann geschlossen werden, wenn die Umstände des Einzelfalles ergeben, daß der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird (vgl. BAGE 59, 319, 325 = AP, aaO, zu 3 der Gründe). Der Kläger hat jedoch insoweit konkret nur vorgetragen, daß der Verwaltungsratspräsident der Holding und der AG, M B sen., im Januar und Februar 1988 in drei von ihm unterzeichneten Schreiben seine, des Klägers, Arbeitsleistung beanstandet, gleichzeitig mit der Stellung von G B zum Alleingeschäftsführer der Beklagten Ende Januar 1988 eine Neufestlegung seines Aufgabenbereiches sowie die Ausarbeitung eines Pflichtenheftes für die neue Lage angekündigt und schließlich auch das Kündigungsschreiben im Auftrag der Beklagten und der Holding unterzeichnet habe. Danach hat der Verwaltungsratspräsident der Mutter- und Tochtergesellschaft der Beklagten jedoch nur auf das Arbeitsverhältnis des Klägers unmittelbar Einfluß genommen, und zwar zu einem Zeitpunkt, als aus seiner Sicht einschneidende Maßnahmen ihm gegenüber ergriffen werden mußten. Wie die Beklagte zu Recht betont, war der Kläger als Ingenieur der für die Akquisition sowie die ordnungsgemäße Ausarbeitung der Aufträge zuständige und damit für den geschäftlichen Erfolg der Beklagten und mittelbar auch der AG entscheidende Fachmann. Wenn sich deshalb der Verwaltungsratspräsident der AG und der Muttergesellschaft beider Unternehmen persönlich einschaltete, als schwerwiegende Personalentscheidungen gegenüber dem eine solche Schlüsselstellung bekleidenden Kläger ergriffen werden mußten, die die Interessen der gesamten Unternehmensgruppe berührten, spricht dieses Vorgehen nicht bereits für eine generelle Ausübung der wesentlichen Arbeitgeberfunktionen im gesamten personellen und sozialen Bereich der Beklagten durch die Konzernspitze oder die Geschäftsführung der AG.
Hillebrecht Triebfürst Bitter
Schulze Dr. Bensinger
Fundstellen
BB 1990, 2192 |
BB 1990, 2192-2193 (LT1) |
DB 1991, 500-501 (LT1) |
BetrVG, (1) (LT1) |
EWiR 1991, 189-190 (L) |
NZA 1990, 977-979 (LT1) |
RdA 1990, 312 |
RzK I 4c, 10 (LT1, ST1) |
ZIP 1990, 1363 |
ZIP 1990, 1363-1366 (LT1) |
AP § 23 KSchG 1969 (LT1), Nr 9 |
EzA § 23 KSchG, Nr 9 (LT1) |
IPRspr. 1990, 59 |