Größere Filialen brauchen eigenen Arbeitsschutzausschuss
Aktueller Fall
Bei einer Kontrolle in der Ulmer Filiale einer großen Bau- und Gartenmarktkette stellte die Arbeitsschutzbehörde fest, dass ein Arbeitsschutzausschuss fehlte. Daraufhin verpflichtete die Behörde die Kette, in der Filiale mit ca. 100 Beschäftigten einen solchen Ausschuss einzurichten. Die Bau- und Gartenmarktkette argumentierte, dass der Arbeitsschutz in ihrem Unternehmen zentral organisiert sei und weigerte sich, vor Ort einen weiteren Arbeitsschutzausschuss einzurichten.
Argumentation der Kette und gerichtliche Auseinandersetzung
Die Kette verwies auf ihre bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung, nach der zwei zentrale Arbeitsschutzausschüsse für die Zentrale und die Filialen gebildet wurden. Sowohl das Verwaltungsgericht (VG) als auch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) wiesen die Argumentation der Kette zurück. Die Kette legte daraufhin Revision ein und machte geltend, das VG habe den Betriebsbegriff des § 11 ASiG falsch ausgelegt.
Entscheidung des BVerwG
Das BVerwG bestätigte die vorangegangenen Urteile und die behördliche Anordnung. Das Gericht stellte klar, dass der Begriff "Betrieb" im Sinne des ASiG eine organisatorische Einheit bezeichnet, in der der Arbeitgeber mit den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt. Dazu gehören auch qualifizierte Betriebsteile, bei denen die materiellen und immateriellen Betriebsmittel sowie die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden.
Bedeutung für Unternehmen mit zentralisiertem Arbeitsschutz
Unternehmen mit zentral organisiertem Arbeitsschutz müssen dennoch Arbeitsschutzausschüsse auf Betriebsebene einrichten. Das Ziel der örtlich angepassten Fortentwicklung von Arbeitsschutzvorschriften erfordert die Mitwirkung von Arbeitsschutzausschüssen vor Ort. Eine zentrale Organisation des Arbeitsschutzes kann die gesetzlichen Anforderungen an die Bildung von Arbeitsschutzausschüssen auf Betriebsebene nicht ersetzen.
Anhörung des Betriebsrats
Die Kette argumentierte auch, dass die Anhörung des Betriebsrats gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 ASiG nicht ordnungsgemäß erfolgt sei und die behördliche Anordnung daher aufzuheben sei. Das BVerwG stellte klar, dass die Anhörungsvorschrift kein absolutes Verfahrensrecht regelt und ein Verstoß gegen diese Vorschrift die Entscheidung nicht beeinflusst hätte.
Schlussfolgerungen für die Praxis
Das Urteil des BVerwG (1. Februar 2024 - 8 C 4.23) verdeutlicht, dass Filialunternehmen unabhängig von einer zentralen Organisation des Arbeitsschutzes verpflichtet sind, in Filialen mit mehr als 20 Beschäftigten eigene Arbeitsschutzausschüsse zu bilden. Dies ist notwendig, um den gesetzlichen Anforderungen und dem Ziel der Aktivierung örtlichen Sachverstandes im Arbeitsschutz gerecht zu werden. Die zentrale Gesamtbetriebsvereinbarung reicht hierfür nicht aus und hat keinen Vorrang vor den gesetzlichen Bestimmungen des ASiG.
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