Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamtenförmige Versorgung: Höhe der Abschläge wegen vorgezogenen Bezuges nach Altersteilzeit. Betriebliche Altersversorgung: Beamtenförmige Versorgung. Höhe der Abschläge wegen vorgezogenen Bezuges nach Altersteilzeit
Orientierungssatz
- Die beamtenrechtliche Kappungsgrenze des § 14 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz BeamtVG gilt nur für die dort aufgezählten Fälle der beamtenrechtlich möglichen Versetzung in den Ruhestand.
- Nach bayerischem Beamtenrecht wird bei Altersteilzeit die Ruhestandsgrenze nicht abgesenkt. Daher kann § 14 Abs. 3 BeamtVG auch keine entsprechende Anwendung auf den Fall eines Versorgungsberechtigten finden, der nach Altersteilzeit ab Vollendung des 60. Lebensjahres gemäß § 237 Abs. 1 Nr. 3b SGB VI gesetzliche Altersrente beziehen kann und deswegen nach § 6 BetrAVG auch betriebsrentenberechtigt ist.
- Eine einseitig vom Arbeitgeber vorgenommene Kürzung um 0,2 % pro Monat des vorgezogenen Bezuges widerspricht jedenfalls dann nicht den Grundsätzen des Betriebsrentengesetzes, wenn sich bei entsprechender Anwendung des § 2 BetrAVG ein höherer Abschlag ergeben hätte.
Normenkette
BeamtVG § 1 Abs. 1, § 14 Abs. 3, § 85 Abs. 5; BBG § 42 Abs. 4; SGB VI § 237 Abs. 1; BRRG § 26 Abs. 4; Bayerisches Beamtengesetz Art. 80d; BetrAVG §§ 6, 2
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte bei der Berechnung des betrieblichen Ruhegehaltes eine dem Beamtenrecht zu entnehmende Kappungsgrenze iHv. 10,8 % beachten muss.
Der am 1. Oktober 1941 geborene Kläger war seit dem 1. März 1970 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern beschäftigt. Seit dem 1. Oktober 1971 gilt für ihn folgende vertragliche Versorgungszusage:
“Bezüglich der Altersversorgung gelten die Bestimmungen über die betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Angestellten des TÜV Bayern (siehe Beilage), die einen wesentlichen Teil des Dienstvertrages darstellen.
…
Das Arbeitsverhältnis endet automatisch mit Erreichen des 65. Lebensjahres.”
Im maßgeblichen “Versorgungsstatut/Bestimmungen über die betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Angestellten des Technischen Überwachungs-Vereins Bayern e.V.” (Versorgungsstatut) heißt es ua.:
Ҥ 5 Grundsatz
1. Die betrieblichen Versorgungsbezüge werden so bemessen, daß sie unter der nachstehend geregelten Anrechnung sonstiger Versorgungsbezüge mit diesen zusammen mindestens den Betrag ergeben, den der Versorgungsberechtigte erhalten würde, wenn er eine seiner Laufbahn beim TÜV Bayern entsprechende Beamtenlaufbahn im bayerischen Staatsdienst mit den gleichen Dienstbezügen durchlaufen und hierbei die gleiche ruhegehaltsfähige Dienstzeit zurückgelegt hätte, die er beim TÜV Bayern erreicht hat.
…
ANHANG
1. § 5 Ziffer 1 des Versorgungsstatuts des TÜV Bayern hat die rechtliche Bedeutung einer Mindestgarantie, wonach dem TÜV-Versorgungsberechtigten Mindestversorgungsbezüge in der Höhe gewährt werden müssen, die er zu beanspruchen hätte, wenn er eine seiner Laufbahn beim TÜV Bayern entsprechende Beamtenlaufbahn im bayerischen Staatsdienst bei gleicher ruhegehaltsfähiger Dienstzeit zurückgelegt hätte, wie er sie beim TÜV Bayern erreicht hat. …”
Auf der Grundlage der gesetzlichen und tariflichen Altersteilzeitbestimmungen schlossen die Parteien am 22. September 1999 einen Altersteilzeitvertrag für die Zeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2001. In diesem Vertrag heißt es:
“10 Altersversorgung
10.1 Bezugsgröße für die betriebliche Altersversorgung ist das ruhegehaltsfähige Arbeitsentgelt am Ende der Dienstzeit, als ob Altersteilzeit nicht in Anspruch genommen worden wäre.
Für die betriebliche Altersversorgung werden Zeiten des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses zu 100 Prozent angerechnet.”
Ab Vollendung seines 60. Lebensjahres am 1. Oktober 2001 erhält der Kläger von der BfA eine gesetzliche Altersrente nach Altersteilzeit sowie von der Beklagten eine betriebliche Altersrente auf der Grundlage des Versorgungsstatuts. Für jeden der 60 Monate der vorgezogenen Inanspruchnahme des Altersruhegehaltes kürzte die Beklagte dabei das Ruhegehalt um 0,2 %, insgesamt also um 12 %.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte dürfe wegen des vorgezogenen Rentenbezuges das Altersruhegehalt höchstens um 10,8 % kürzen. Diese Kappungsgrenze glaubt der Kläger § 14 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz BeamtVG entnehmen zu können.
Er hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.513,74 Euro brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 322,41 Euro zum jeweils Ersten des Monats vom 1. Oktober 2001 jeweils bis zum 1. Dezember 2002 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 967,23 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 322,41 Euro zum jeweils Ersten des Monats vom 1. Januar 2003 bis 1. März 2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zwar könne der zwischen den Parteien nicht ausdrücklich vereinbarte monatliche Abschlag iHv. 0,2 % § 14 iVm. § 85 BeamtVG entnommen werden. Jedoch sei die Anwendung der beamtenrechtlich erwähnten Kappungsgrenze iHv. 10,8 % sinnwidrig.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers war erfolgreich. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann nicht verlangen, dass der Abschlag wegen des vorgezogenen Bezuges seines Ruhegehaltes auf 10,8 % begrenzt wird. Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz BeamtVG findet keine Anwendung.
I. Nach § 5 Ziff. 1 Versorgungsstatut sind dem Kläger betriebliche Versorgungsbezüge in der Höhe zugesagt worden, wie er sie als Beamter im bayerischen Staatsdienst mit gleichen Dienstbezügen und gleicher ruhegehaltsfähiger Dienstzeit erworben hätte. Die Versorgung der bayerischen Staatsbeamten wird durch das Beamtenversorgungsgesetz geregelt, das auch für die Versorgung der Landesbeamten maßgeblich ist (§ 1 Abs. 1 BeamtVG).
II. § 14 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG findet jedoch auf den vorgezogenen Bezug des Altersruhegehaltes durch den Kläger keine Anwendung.
1. § 14 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz BeamtVG sieht eine Verminderung des Ruhegehaltes um 3,6 % für jedes Jahr vor, um das der Beamte vor bestimmten Stichtagen in den Ruhestand versetzt wird. Nach dem 2. Halbsatz der gleichen Vorschrift darf die Minderung des Ruhegehaltes 10,8 % nicht übersteigen. Nach der Übergangsbestimmung des § 85 Abs. 5 BeamtVG beträgt bei einem Beamtenverhältnis, das bereits am 31. Dezember 1991 bestanden hat und bei dem der Beamte während des Jahres 2001 in den Ruhestand versetzt wird, die Minderung für jedes Jahr höchstens 2,4 %.
2. Der vorgezogene Bezug von Altersruhegeld nach Altersteilzeit fällt nicht unter § 14 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG.
a) § 14 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz BeamtVG sieht eine Ruhegehaltsverminderung in den folgenden drei Fällen vor:
– Der Beamte hat das 60. Lebensjahr vollendet, ist schwerbehindert und wird vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, in den Ruhestand versetzt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz Nr. 1 BeamtVG). Da Schwerbehinderte nach Vollendung des 63. Lebensjahres ohne Abschläge vom Ruhegehalt auf Antrag in Pension gehen können, sind in diesem Fall die Abschläge auf 3 × 3,6 %, also insgesamt auf 10,8 % limitiert.
– Der Beamte wird nach Vollendung des 63. Lebensjahres auf seinen Antrag in den Ruhestand versetzt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz Nr. 2 BeamtVG). In diesen Fällen beträgt der maximale Abschlag ohnehin nur (2 × 3,6 % =) 7,2 %.
– Der Beamte wird wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz Nr. 3 BeamtVG). Hat er das 63. Lebensjahr vollendet, braucht er in einem solchen Fall keine Abschläge hinzunehmen. Erfolgt die Versetzung in den Ruhestand aus diesem Grund vor dem 63. Lebensjahr, so sind wieder jährliche Abschläge hinzunehmen, die nach § 14 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz BeamtVG auf 10,8 % beschränkt sind. Nur in diesem Fall greift die mit Gesetz vom 19. Dezember 2000 eingefügte und ab 1. Januar 2001 gültige Kappungsgrenze. Andernfalls müssten bei einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, die länger als drei Jahre vor der Vollendung des 63. Lebensjahres liegt, weitere jährliche Abschläge hingenommen werden.
Keiner dieser Fälle liegt beim Kläger vor. Da der Kläger aus einem im Beamtenrecht nicht vorgesehenen Grund Altersbezüge erhält, kann er die Anwendung der Kappungsgrenze des § 14 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz BeamtVG nicht beanspruchen.
b) Auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann der Kläger nicht die Anwendung von § 14 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz BeamtVG verlangen. Ihm ist zwar eine der Höhe nach an der Versorgung eines bayerischen Beamten ausgerichtete betriebliche Altersversorgung zugesagt worden, jedoch hat der Fall des nach Altersteilzeit mit Lebensalter 60 gem. § 237 Abs. 1 Nr. 3b SGB VI rentenberechtigten Klägers im bayerischen Beamtenrecht keine Entsprechung.
Nach § 44a iVm. § 26 Abs. 4 BRRG ist die Teilzeitbeschäftigung von Beamten durch Gesetz zu regeln. Für bayerische Beamte eröffnet seit dem 1. August 1999 Art. 80d des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) die Möglichkeit der Altersteilzeit. Danach hätte der Kläger frühestens ab dem 1. Oktober 2000 mit Vollendung seines 59. Lebensjahres Altersteilzeit beantragen können, die dann mindestens bis zur “Antragsaltersgrenze” mit Vollendung des 63. Lebensjahres, also bis zum 1. Oktober 2004 gedauert hätte. Der Zeitpunkt für den Ruhestandsbeginn wäre jedoch unverändert geblieben (Art. 80d Abs. 1 Satz 1 BayBG). Als bayerischer Beamter hätte der Kläger also nicht die Möglichkeit gehabt im Zusammenhang mit Altersteilzeit, ab dem 1. Oktober 2001 Ruhestandsbezüge zu erhalten.
III. Klarstellend sei hinzugefügt, dass aus den gleichen Gründen auch der von der Beklagten vorgenommene Abschlag von insgesamt 12 % nicht unmittelbar aus § 14 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz iVm. § 85 Abs. 5 BeamtVG hergeleitet werden kann. Es kann dahinstehen, ob die Parteien einen monatlichen Abschlag von 0,2 % vereinbart haben. Denn auch eine von der Beklagten einseitig aus dem Beamtenrecht übernommene Kürzung um 0,2 % pro Monat widerspricht nicht den Grundsätzen des Betriebsrentengesetzes.
1. Das Versorgungsstatut enthält keine Berechnungsregel für den Fall, dass bei vorgezogenem Bezug der gesetzlichen Altersrente wegen § 6 BetrAVG auch die Betriebsrente zu einem früheren Zeitpunkt zu gewähren ist. Insbesondere enthält das Versorgungsstatut keine Bestimmung zu einem versicherungsmathematischen Abschlag.
2. Im Fall des vorgezogenen Bezuges von Altersruhegeld durch einen vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer hat der Senat entschieden, dass die mit der längeren und sichereren Altersleistung verbundenen Nachteile für den Arbeitgeber durch einen versicherungsmathematischen Abschlag oder, wenn ein solcher in der Versorgungszusage nicht vorgesehen ist, im Wege eines sogenannten “unechten versicherungsmathematischen Abschlags” ausgeglichen werden können (24. Juli 2001 – 3 AZR 567/00 – BAGE 98, 212). Ist, wie hier der Kläger, der Arbeitnehmer bis zum Beginn des vorgezogenen Altersruhegeldes betriebstreu, so müssen die von der Versorgungsordnung vorgesehenen Kürzungen für das vorgezogene Ruhegeld billigem Ermessen entsprechen. Unterlässt der Arbeitgeber eine solche Ausgestaltung der Versorgungsordnung, so kann er das betriebliche Ruhegeld nur “nach dem Maßstab des § 2 BetrAVG kürzen” (BAG 11. September 1980 – 3 AZR 185/80 – AP BetrAVG § 6 Nr. 3; 1. Juni 1978 – 3 AZR 216/77 – BAGE 30, 333). Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung ist jedenfalls für den Kläger günstiger. Vom 1. März 1970 (Beginn des Arbeitsverhältnisses) bis zum 30. September/1. Oktober 2006 (Vollendung des 65. Lebensjahres) hätte der Kläger eine Betriebszugehörigkeit von 439 Monaten erreichen können, infolge Ausscheidens zum 1. Oktober 2001 verkürzte sich seine Betriebszugehörigkeit um fünf Jahre oder 60 Monate. Der sich hieraus ergebende Kürzungsfaktor von 379/439 hätte einen Abzug von 13,67 %, also mehr als 12 %, ergeben.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Breinlinger, Rödder, Heuser
Fundstellen
DB 2005, 1176 |
ZTR 2005, 444 |
AP, 0 |
EzA |
NZA-RR 2005, 616 |
NJOZ 2005, 4160 |