Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsurlaub - Anrechnung auf Bewährungszeit
Leitsatz (redaktionell)
Die Zeit des Erziehungsurlaubs ist auf die 5jährige Bewährungszeit für den Fallgruppenbewährungsaufstieg aus Fallgruppe 1 der VergGr KR VIII in Fallgruppe 8 der Vergütungsgruppe KR IX der Anlage 1b zum BAT-Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst Abschnitt A - Krankenanstalten - nicht anzurechnen. Der auf den Fallgruppenbewährungsaufstieg des § 23b BAT im Ergebnis anwendbare § 23a Nr 4 BAT verstößt insoweit nicht gegen höherrangiges Recht (im Anschluß an das Urteil des Zehnten Senats vom 9. November 1994 - 10 AZR 3/94 - AP Nr 33 zu § 23a BAT).
Tatbestand
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen darüber, ob der fünfmonatige Erziehungsurlaub der Klägerin auf die fünfjährige Bewährungszeit anzurechnen ist mit der Folge, daß der Fallgruppenbewährungsaufstieg aus Fallgruppe 1 der VergGr. KR.VIII in die Fallgruppe 8 der VergGr. KR.IX der Vergütungsgruppen für Angestellte im Pflegedienst in Krankenhäusern deswegen statt erst ab 1. März 1994 bereits ab 1. Oktober 1993 erfolgt ist.
Die Klägerin ist seit Oktober 1988 im Landesbetrieb Krankenhäuser - Anstalt des öffentlichen Rechts - im Allgemeinen Krankenhaus O (AKO) als leitende OP-Schwester tätig. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des BAT. Die Klägerin erhält seit dem 1. März 1994 Vergütung nach VergGr. KR.IX aufgrund Bewährungsaufstiegs nach fünf Jahren.
Die Vergütungsgruppen lauten:
Vergütungsgruppe KR.VIII
1. Krankenschwestern, die dem Operationsdienst oder Anäs-
thesiedienst vorstehen und denen mindestens 20 Pflege-
personen durch ausdrückliche Anordnung ständig unter-
stellt sind.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 6)
...
Vergütungsgruppe KR.IX
...
8. Krankenschwestern der VergGr. KR.VIII Fallgruppen 1 bis
9
nach fünfjähriger Bewährung in der jeweili-
gen Fallgruppe.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 2)
Die Protokollerklärungen sind im vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung.
Am 3. Oktober 1991 war die Tochter der Klägerin geboren worden. In der Zeit vom 28. November 1991 bis zum 2. Mai 1992 - 22 Wochen - hatte die Klägerin Erziehungsurlaub genommen. Der Erziehungsurlaub wurde auf die Bewährungszeit nicht angerechnet.
Mit Schreiben vom 10. August 1993 und vom 9. November 1993 machte die Klägerin erfolglos den Fallgruppenbewährungsaufstieg per 1. Oktober 1993 geltend. Mit ihrer beim Arbeitsgericht am 8. April 1994 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Vergütung nach VergGr. KR.IX bereits ab 1. Oktober 1993 und verlangt für fünf Monate den Unterschiedsbetrag zwischen dieser Vergütungsgruppe und der VergGr. KR.VIII.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der BAT enthalte eine mittelbare Diskriminierung, weil der Ausnahmekatalog in § 23 a BAT Erziehungsurlaub nicht berücksichtige. Von der Benachteiligung seien mehr Frauen als Männer betroffen, so daß ein Verstoß gegen die Lohngleichheitsrichtlinie 75/117 EWG vorliege.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.475,35 DM
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden
Nettobetrag seit dem 1. April 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, zwar werde ganz überwiegend Erziehungsurlaub von Müttern und nicht von Vätern genommen. Gleichwohl enthalte § 23 a BAT, wenn überhaupt auf den Fallgruppenaufstieg anwendbar, keine Diskriminierung von Frauen. Da die Unterbrechung der Bewährungszeit durch Erziehungsurlaub als unschädlich angesehen werde, werde eine Benachteiligung vermieden. Mit der Gruppe der erkrankten Arbeitnehmer, für die eine Ausnahme von der Nichtanrechenbarkeit vorgesehen sei, sei die Klägerin nicht vergleichbar. Erziehungsurlaub entspreche eher dem Wehr- oder Ersatzdienst.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf die geltend gemachten Differenzbeträge nicht zu. Der Fallgruppenbewährungsaufstieg ist nicht vor dem 1. März 1994 eingetreten.
I. Die Zahlungsklage ist zulässig.
Der Streitgegenstand (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist hinreichend bestimmt. Die Klägerin begehrt 1.475,35 DM brutto als Gehaltsdifferenzen für die Monate Oktober 1993 bis Februar 1994 einschließlich entsprechend ihrem sich aus der Klageschrift ergebenden Rechenwerk. Das reicht aus.
II. Die Klage ist nicht begründet.
Die Zeit des Erziehungsurlaubs ist nicht auf die für den Anspruch auf Vergütung nach VergGr. KR.IX erforderliche fünfjährige Bewährungszeit anzurechnen mit der Folge, daß der Fallgruppenbewährungsaufstieg aus der Fallgruppe 1 der VergGr. KR. VIII in die Fallgruppe 8 der VergGr. KR.IX der Vergütungsgruppen für in Krankenhäusern beschäftigte Krankenschwestern nicht bereits am 1. Oktober 1993 eingetreten ist, sondern, wie von der Beklagten ermittelt, erst am 1. März 1994. Der geltend gemachte Anspruch auf Gehaltsdifferenzen für fünf Monate besteht daher nicht.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin werde durch die Nichtanrechnung des Erziehungsurlaubs wegen Nichtaufnahme in den Katalog des hier zumindest analog anwendbaren § 23 a BAT nicht mittelbar diskriminiert. Ein Verstoß gegen die Richtlinien 75/117 EWG und 76/207 EWG sei nicht zu erkennen.
2. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Zeit des Erziehungsurlaubs der Klägerin ist auf die für den Anspruch auf Vergütung gem. VergGr. KR.IX der Vergütungsgruppen für Krankenschwestern in Krankenhäusern der Anlage 1 b zum BAT erforderliche fünfjährige Bewährungszeit nicht anzurechnen.
a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der BAT in der für die Bereiche des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder geltenden Fassung oder in der für den Bereich der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände geltenden Fassung Anwendung findet.
Es ist von der Bund/Länderfassung des BAT auszugehen:
Rechtsvorgängerin der Beklagten war die Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Landesbetrieb Krankenhäuser. Die Klägerin war also in einem landeseigenen Betrieb beschäftigt. Außerdem haben die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Beklagte selbst außergerichtlich und gerichtlich anhand des § 23 a BAT argumentiert, der nur für die Bereiche des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder gilt.
b) Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Einleitungssatz des § 23 a BAT/BL herausgestellt, daß die Regelungen des § 23 a BAT/BL nur für Angestellte gelten, die ein Tätigkeitsmerkmal der Anlage 1 a zum BAT erfüllen, das das Hinweiszeichen "*" aufweist. Da die Tätigkeitsmerkmale für das Pflegepersonal in der Anlage 1 b zum BAT enthalten sind, ist § 23 a BAT unmittelbar nicht einschlägig.
c) Vielmehr handelt es sich bei dem Aufstieg aus Fallgruppe 1 der VergGr. KR. VIII in die Fallgruppe 8 der VergGr. KR.IX um einen Fallgruppenaufstieg in Form eines Bewährungsaufstiegs.
Für den Fallgruppenaufstieg ist § 23 b BAT einschlägig. Da § 23 b BAT durch den Verweis auf § 23 a Satz 2 Nr. 6 BAT nur die Frage der Berücksichtigung von bei Teilzeitbeschäftigung zurückgelegten Zeiten regelt, ist die Frage der Anrechnung von Erziehungsurlaub auf die Bewährungszeit offengeblieben.
Es könnte der Schluß gezogen werden, daß sich für den Regelungsbereich des § 23 b BAT Unterbrechungen wie Erziehungsurlaub anders als bei § 23 a BAT negativ auswirken, jedenfalls aber eine Anrechnung von Erziehungsurlaub auf die Bewährungszeit nicht stattfindet (vgl. LAG Saarland Urteil vom 26. August 1992 - 1 Sa 21/92 - ZTR 1992, 466 = Streit 1993, 60 ff.).
So wird in der Tat vertreten, daß die Regelungen des § 23 a BAT mit Einfügung des § 23 b BAT für den Fallgruppenaufstieg keine Bedeutung mehr haben (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Mai 1997, § 23 b Rz 7, Stand November 1989, § 23 a Rz 10, Stand Februar 1993, § 23 a Rz 11; Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale, Vorbem. zu allen Vergütungsgruppen, Rz 9 a Abs. 1 S. 57, Stand Januar 1997). Daran ändere auch die Entscheidung des Senats vom 9. November 1983 (- 4 AZR 420/82 - AP Nr. 6 zu § 24 BAT) nichts, nach der die Regelungen des § 23 a BAT für den Fallgruppenbewährungsaufstieg Bedeutung haben, soweit sie allgemeine Rechtsgedanken enthalten. Diese Entscheidung sei vor der Einfügung der generellen Regelungen für den Fallgruppenaufstieg in § 23 b BAT ergangen.
Gleichwohl ist davon auszugehen, daß sich für den Regelungsbereich des § 23 b BAT die Unterbrechungen nicht negativ auswirken, die den Rahmen des § 23 a BAT nicht überschreiten. Denn die Frage von Unterbrechungen der Bewährungszeit für den Fallgruppenaufstieg ist einerseits nicht geregelt. Anderseits wird aber auch nicht verlangt, daß die Bewährungs- oder Tätigkeitszeit ununterbrochen sein muß (vgl. Ihlenfeld, Eingruppierungsrecht, Pflegepersonal 1996, Rz 135 S. 89). Auch die Praxis der Beklagten ist ersichtlich so: Sie hat der Sache nach § 23 a Nr. 4 Satz 2 2. Halbsatz Buchst. d angewandt und die Bewährungszeit durch den Erziehungsurlaub nur als unterbrochen angesehen, nicht aber als abgebrochen mit der Folge, daß die Bewährungszeit mit Ablauf des Erziehungsurlaubs, also am 3. Mai 1992 neu begonnen hätte.
Geht man also von der Möglichkeit des Rückgriffs auf § 23 a Nr. 4 BAT jedenfalls für den Fallgruppenbewährungsaufstieg aus (vgl. LAG Niedersachsen Urteil vom 25. Januar 1994 - 13 Sa 751/93 E - ZTR 1994, 378 Är.Sp.Ü), so ergibt sich daraus die Nichtanrechnung von Erziehungsurlaub auf die Bewährungszeit. Denn diese Bestimmung sieht lediglich die Unterbrechung der Bewährungszeit durch den Erziehungsurlaub als unschädlich an. Eine Anrechnung der Zeit des Erziehungsurlaubs auf die Bewährungszeit findet nicht statt. Das ergibt sich aus der abschließenden Aufzählung von Zeiten, die auf die Bewährungszeit anzurechnen sind, in § 23 a Nr. 4 Satz 3 BAT. Die Nichtanrechnung der Erziehungsurlaubszeiten auf die Bewährungszeit entspricht der Kommentarliteratur (vgl. z.B. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, § 23 a Rz 80; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, BAT, Stand Mai 1997, § 23 a Erl. 6 c S. 132.14; Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale, Stand Januar 1997, Anlage 1 b, Erl. 5 S. 374.637 f.).
d) § 23 a Nr. 4 BAT, der also auf den Fallgruppenbewährungsaufstieg des § 23 b BAT im Ergebnis anwendbar ist, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht aus, daß die tarifliche Regelung keine mittelbare Diskriminierung der den Erziehungsurlaub in Anspruch nehmenden Frauen enthält, die nach Art. 119 EWG-Vertrag unwirksam wäre.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts verbieten Art. 119 EWG-Vertrag und die Richtlinie 75/117 EWG auch eine mittelbare Diskriminierung im Entgeltbereich. Eine für Männer und Frauen in gleicher Weise geltende Rechtsnorm enthält dann eine gegen diese Bestimmung verstoßende mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, wenn sie erheblich mehr Angehörige des einen als des anderen Geschlechts nachteilig trifft und nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (Urteil des Zehnten Senats vom 24. November 1993 - 10 AZR 704/92 - AP Nr. 158 zu § 611 BGB Gratifikation; Urteil des Senats vom 23. Februar 1994 - 4 AZR 219/93 - BAGE 76, 44 = AP Nr. 51 zu Art. 119 EWG-Vertrag; Urteil des Zehnten Senats vom 9. November 1994 - 10 AZR 3/94 - AP Nr. 33 zu § 23 a BAT, zu
II 2 a der Gründe).
Insoweit macht die Klägerin geltend, daß die tarifliche Bestimmung des § 23 a Nr. 4 Satz 2 BAT, soweit sich aus ihr die Nichtanrechnung des Erziehungsurlaubs auf die Bewährungszeit ergebe, zu einer mittelbaren Frauendiskriminierung führe, da Erziehungsurlaub weit überwiegend von Frauen und nicht von Männern in Anspruch genommen werde.
Damit kann sie keinen Erfolg haben. Es ist schon zweifelhaft, ob eine mittelbare Diskriminierung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH von der Tatbestandsseite überhaupt vorliegt. Denn nicht die Nichtanrechnung des Erziehungsurlaubs an sich führt dazu, daß mehr Frauen als Männer von der Nichtanrechnung des Erziehungsurlaubs betroffen sind. Vielmehr ist der Nichtanrechnung von Erziehungsurlaub, die überwiegend Frauen trifft, ein Schritt vorgeschaltet, nämlich die Entscheidung der Eltern - Alleinerziehende außer Betracht gelassen -, wer von ihnen den Erziehungsurlaub nimmt. Die Entscheidungen der Eltern, die nach wie vor fast ausschließlich dazu führen, daß die Mutter des Kindes in den Erziehungsurlaub geht, sind letztlich für die Nichtanrechnung des Erziehungsurlaubs auf die Bewährungszeit überwiegend bei Frauen kausal, nicht aber die Tarifnorm als solche. Diese Entscheidungen mögen allerdings - noch - von herkömmlichen Auffassungen und von nach wie vor gegebenen tatsächlichen Umständen beeinflußt sein. Es wird zum Beispiel die Wahrnehmung der Familienfunktionen nach wie vor fast ausschließlich den Frauen zugewiesen mit der Folge, daß verheiratete Frauen im Gegensatz zu ihren Männern wesentlich häufiger den Erziehungsurlaub nehmen. Auch der meist höhere Verdienst und die Karriereplanung des "Ernährers der Familie" werden sich auf die Entscheidung der Eltern nicht unmaßgeblich auswirken. Ob tatsächlich eine privatautonome Entscheidung die mittelbare Diskriminierung ausschließt oder ob es wegen einer vorzunehmenden multifaktoriellen Betrachtungsweise lediglich darauf ankommt, daß im Ergebnis Frauen von der Nichtanrechnung des Erziehungsurlaubs stärker betroffen sind als Männer, ist vom EuGH bislang nicht entschieden. Eine abschließende Entscheidung des Senats oder eine Vorlage des Senats an den EuGH ist aber nicht erforderlich.
Die Differenzierung zwischen anrechenbaren Zeiten und nicht anrechenbaren Zeiten beruht nämlich auf objektiven Faktoren, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.
Nach § 23 a Nr. 4 Satz 3 Buchst. a - e BAT sind nur solche Zeiten auf die Bewährungszeit anzurechnen, in denen das Arbeitsverhältnis nicht ruht. Demgegenüber sind Zeiten, in denen die gegenseitigen Hauptpflichten im Arbeitsverhältnis suspendiert sind, die Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes und des Erziehungsurlaubs nicht anzurechnen.
Wie der Zehnte Senat bereits hinsichtlich der Einschränkung von Gratifikationsansprüchen bei Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub entschieden hat (Urteil vom 24. November 1993 - 10 AZR 704/92 - AP Nr. 158 zu § 611 BGB Gratifikation; Urteil vom 28. September 1994 - 10 AZR 697/93 - AP Nr. 165 zu § 611 BGB Gratifikation), sind Regelungen, die für die Begründung von Ansprüchen danach differenzieren, ob das Arbeitsverhältnis ruht oder nicht, rechtlich zulässig. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt objektiv eine Anspruchsminderung. Diese hat mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nichts zu tun, auch wenn überwiegend Frauen davon betroffen sind.
Die von der Revision genannte Entscheidung des Zehnten Senats vom 18. Oktober 1995 (- 10 AZR 213/95 - EEK III/143) steht nicht entgegen. Denn in jenem Fall hatten die Tarifvertragsparteien nicht im einzelnen bestimmt, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung sich anspruchsmindernd oder gar anspruchsausschließend auf die Sonderzahlung auswirken, insbesondere für den Erziehungsurlaub war nichts geregelt. Deswegen stand der Klägerin jenes Falles das Weihnachtsgeld zu; ein etwaiger Verstoß der tarifvertraglichen Regelung gegen höherrangiges Recht war in jenem Fall gar nicht relevant.
Für die 12jährige Bewährungszeit für eine Zulage nach Fußnote 1 zur VergGr. VII Fallgruppe 1 Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I (Angestellte im Schreibdienst) der Anlage 1 a zum BAT hat der Zehnte Senat in seinem Urteil vom 9. November 1994 (- 10 AZR 3/94 - AP Nr. 33 zu § 23 a BAT) entschieden, gleiches gelte hinsichtlich der Anrechnung von Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht, auf die Bewährungszeit. Er hat ausgeführt:
"Der Ablauf der Bewährungszeit ist eine Anspruchsvoraussetzung für die Zulage nach Fußnote 1. Sind die gegenseitigen Hauptpflichten im Arbeitsverhältnis, wie beim Wehr- oder Zivildienst oder beim Erziehungsurlaub, suspendiert und ruht das Arbeitsverhältnis damit, so ist es objektiv gerechtfertigt, diese Zeiten auch hinsichtlich der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Bewährungszeit nicht zu berücksichtigen."
Dem schließt sich der Vierte Senat für den Fallgruppenbewährungsaufstieg aus der Fallgruppe 1 der VergGr. KR. VIII in die Fallgruppe 8 der VergGr. KR.IX an. Für ihn gilt nichts anderes. Der Ablauf der Bewährungszeit ist eine Anspruchsvoraussetzung für den Bewährungsaufstieg und damit für die höhere Vergütung. Ist der Arbeitgeber von der Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts befreit, weil das Arbeitsverhältnis ruht, dann ist der Arbeitgeber vom Grundsatz her nicht gehalten, direkt oder indirekt zusätzliche Leistungen zu erbringen, im Falle des Bewährungsaufstiegs dadurch, daß Ruhenszeiten infolge Erziehungsurlaubs auf die Bewährungszeit angerechnet werden.
Nach § 23 a Nr. 4 Satz 3 Buchst. a - e BAT sind nur solche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung auf die Bewährungszeit anzurechnen, die die für die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses unschädliche Zeit von einem halben Jahr nicht übersteigen. Demgegenüber umfaßt sowohl der Wehr- oder Zivildienst als auch der Erziehungsurlaub weit längere Zeiträume. Dieser Umstand rechtfertigt eine unterschiedliche Berücksichtigung bei der Normierung der Voraussetzungen für den Ablauf der Bewährungszeit.
Daß im Falle der Klägerin der Erziehungsurlaub nur fünf Monate betragen hat, ändert daran nichts. Es kann nicht darauf ankommen, wie lange das Arbeitsverhältnis geruht hat.
Die tarifliche Bestimmung enthält auch insoweit keine mittelbare Frauendiskriminierung, als Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit bis zu 26 Wochen auf die Bewährungszeit anzurechnen sind, eine Anrechnung des Erziehungsurlaubs aber selbst in diesem Umfange nicht vorgesehen ist.
Zwar kann auch während der Zeit einer Arbeitsunfähigkeit kein für die Bewährung bedeutsames Erfahrungswissen erworben werden; die Arbeitsunfähigkeit führt aber nicht zur Suspendierung der gegenseitigen arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten. Vielmehr kann dem Angestellten je nach Dienstzeit selbst bei einer Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 26 Wochen ein Vergütungsanspruch zustehen (§ 37 Abs. 2 BAT). Da die Tarifvertragsparteien bei der Bemessung der Bewährungszeit im Hinblick auf das erworbene Erfahrungswissen notwendigerweise pauschalieren müssen, liegt es im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums, solche Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit, für die noch ein Anspruch auf Vergütung bestehen kann, auf die Bewährungszeit anzurechnen und demgegenüber Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses in vollem Umfange von der Anrechnung auszunehmen. Auch insoweit knüpfen sie an objektive Faktoren an, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (Urteil des Zehnten Senats vom 9. November 1994 - 10 AZR 3/94 - aaO, zu II 2 a der Gründe).
Die Revision meint, das Ruhen des Arbeitsverhältnisses könne kaum als rechtfertigender Grund für eine Diskriminierung der Klägerin herangezogen werden, weil die Ausnahmetatbestände des § 23 a BAT seit vielen Jahren unverändert seien und bereits bestanden hätten, bevor der Erziehungsurlaub beginnend mit dem 1. Januar 1986 mit dem Bundeserziehungsgeldgesetz geregelt worden sei. Es bestünden somit auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien die nach Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumte Befugnis, Regelungsnormen zu schaffen, verantwortlich wahrgenommen hätten. Der Erziehungsurlaub als Diskriminierungstatbestand werde von der Beklagten schlichtweg geleugnet. Bereits daraus sei ersichtlich, daß die Tarifvertragsparteien sich kaum über diese Problematik Gedanken gemacht haben könnten.
Daß dem nicht so ist, zeigt die Tarifgeschichte. Aufgrund der mit Wirkung vom 1. Januar 1986 erfolgten Änderung des § 23 a Nr. 4 Satz 2 BAT durch den 55. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 9. Januar 1987 wurde auch beim Erziehungsurlaub der Fristablauf gehemmt. Für nach dem 31. Dezember 1985 geborene Kinder bestand Anspruch auf Erziehungsurlaub bis zum Ablauf des zehnten Lebensmonats des Kindes. Für nach dem 31. Dezember 1987 geborene Kinder konnte Erziehungsurlaub bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats des Kindes gewährt werden. Durch den 59. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 12. November 1987 ist die Höchstgrenze entsprechend angewandt worden. Durch den insoweit mit Wirkung vom 1. Juli 1989 in Kraft getretenen 63. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 23. Oktober 1989 ist durch entsprechende Neufassung des § 23 a Satz 2 Nr. 4 Buchst. d BAT der Verlängerung des Erziehungsurlaubs bis zum vollendeten 15. Lebensmonats eines nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kindes und bis zum vollendeten 18. Lebensmonats eines nach dem 30. Juni 1990 geborenen Kindes Rechnung getragen worden. Außerdem wurde die ab 1. Juli 1989 eingeführte Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 3 BErzGG berücksichtigt. Danach bestand für ein angenommenes Kind und für ein Kind, das mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen worden ist, Anspruch auf Erziehungsurlaub von der Inobhutnahme an für die jeweils geltende Bezugsdauer, längstens bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres, wenn das Kind nach dem 30. Juni 1989 geboren war. Für nach dem 31. Dezember 1991 geborene Kinder sind die Vorschriften über den Erziehungsurlaub weiter verbessert worden. Nach der Neufassung der Nr. 4 Satz 2 Buchst. b durch den 66. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 24. April 1991 sind für die Zeit ab 1. April 1991 Unterbrechungen der Bewährungszeit unschädlich wegen Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz und sonstiger Beurlaubung zur Kinderbetreuung bis zu insgesamt fünf Jahren. Der Gesamtzeitraum kann sich aus mehreren - auch zeitlich getrennten - Beurlaubungen zusammensetzen. Die Tarifvertragsparteien haben sich also mit dem Erziehungsurlaub befaßt. Durch den 71. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 12. Juni 1995 wurde § 23 a Satz 2 Nr. 4 Satz 3 BAT geändert, in einem Zeitpunkt, in dem die Frage der Anrechnung des Erziehungsurlaubs auf die Bewährungszeit bereits wiederholt angesprochen worden war (vgl. z.B. Mauer, NZA 1991, 501, 503; LAG Saarland Urteil vom 26. August 1992 - 1 Sa 21/92 - ZTR 1992, 466 = Streit 1993, 60 ff.). Das dürfte den Tarifvertragsparteien nicht verborgen geblieben sein.
Die Klägerin verweist darauf, der fünfjährige Bewährungsaufstieg werde durch zahlreiche Ausnahmen, je nach individueller Anspruchsvoraussetzung, verkürzt. Wie zum Beispiel bei Betriebsratsmitgliedern sei es denkbar, daß eine originäre Bewährungszeit überhaupt nicht zurückgelegt werde, gleichwohl aber Anspruch auf eine Höhergruppierung bestehe. Die Bewährung im täglichen Arbeitsalltag trete immer weiter zurück. Es seien zahlreiche unschädliche Unterbrechungen geregelt, die bei Bewährungszeit berücksichtigt würden.
Dabei übersieht die Klägerin, daß das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitgliedes nicht ruht. Das gilt auch für die von der Klägerin in ihrer Revisionsschrift in Bezug genommenen Beispiele aus der Klageschrift (Seite 5 ff.), wie insbesondere Urlaubsansprüche (Sonderurlaub). Es handelt sich dabei lediglich um Unterbrechungs-/Hemmungstatbestände, die dazu führen, daß die Bewährungszeit nicht abgebrochen, sondern lediglich unterbrochen wird, nicht aber um Zeiten, die auf die Bewährungszeit angerechnet werden. Aber gerade das verlangt die Klägerin für den Erziehungsurlaub.
Aus den gleichen Gründen scheidet auch ein Verstoß der tariflichen Bestimmung gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG aus. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs mit der Folge der Nichtanrechnung dieser Zeit bei den anspruchsbegründenden Voraussetzungen hinsichtlich der Bewährungszeit ist von solchem Gewicht, daß eine generelle Gleichstellung mit Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse wie in den Fällen des § 23 a Nr. 4 Satz 3 Buchst. a - e nicht ruhen, nicht mit Erfolg verlangt werden kann. Das hat der Zehnte Senat in seinem Urteil vom 9. November 1994 (- 10 AZR 3/94 - aaO, zu II 3 der Gründe) ausgeführt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Nichts anderes gilt für § 23 b BAT oder für die Fallgruppe 8 der VergGr. KR.IX in der obengenannten Auslegung. Aus den gleichen Gründen liegt auch insoweit ein Verstoß gegen höherrangiges Recht nicht vor.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Schaub Bott Friedrich
Dr. Sponer Schwitzer
Fundstellen
BB 1998, 168 |
BB 1998, 168 (Leitsatz 1) |
DB 1997, 1472 (Kurzwiedergabe) |
EBE/BAG Beilage 1998, Ls 18/98 |
ARST 1997, 192-193 (Kurzwiedergabe) |
FA 1997, 30-31 (Kurzwiedergabe) |
FA 1998, 84 |
FA 1998, 84 (Leitsatz 1, Kurzwiedergabe) |
NZA 1998, 267 |
NZA 1998, 267-270 (Leitsatz 1 und Gründe) |
RdA 1998, 123 (Leitsatz 1) |
ZTR 1998, 84-85 (Leitsatz 1 und Gründe) |
AP § 23a BAT (Leitsatz 1), Nr 40 |
AP § 23b BAT (Leitsatz 1 und Gründe), Nr 3 |
AP, 0 |
AP, (Leitsatz 1) |
AP, (Leitsatz 1) |
AR-Blattei, ES 680 Nr 26 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ArbuR 1997, 36 (Leitsatz 1) |
EuroAS 1998, Nr 1-2, 17 (Kurzwiedergabe) |
EzA-SD 1997, Nr 13, 5-6 (Kurzwiedergabe) |
EzA, (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzBAT § 23b BAT, Nr 9 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ZfPR 1998, 92-93 (Leitsatz) |
PflR 1998, 11 |
PflR 1998, 138 |