Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. Erwerbsunfähigkeit. Arbeitsunfähigkeit
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 19.01.1988; Aktenzeichen 11 Sa 1502/87) |
ArbG Münster (Urteil vom 08.07.1987; Aktenzeichen 4 Ca 291/87) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. Januar 1988 – 11 Sa 1502/87 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten seit 1963 als Monteur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der metallverarbeitenden Handwerke im Lande Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 1978 (MTV) anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:
„§ 6
Grundsätze der Urlaubsgewährung
…
3. Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur zulässig, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche bestehen. …
…
6. Arbeitnehmer, die wegen Erhalt einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Betrieb ausscheiden und diesem mindestens 10 Jahre ohne Unterbrechung angehört haben, haben – unabhängig vom Termin ihres Ausscheidens – Anspruch auf vollen Jahresurlaub.
Bereits für das Ausscheidungsjahr gewährter Urlaub ist anzurechnen.
…
§ 7
Allgemeine Urlaubsbestimmungen
…
7. Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder daß Urlaub aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen werden konnte.
…”
Am 1. Februar 1986 erkrankte der Kläger. Seither ist er fortlaufend arbeitsunfähig krank. Im November 1986 schied der Kläger bei der Beklagten aus, nachdem ihm am 11. November 1986 rückwirkend zum 1. Juli 1986 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden war.
Der Kläger hat mit seiner am 24. Februar 1987 erhobenen Klage von der Beklagten Abgeltung des Urlaubs für 1986 in rechnerisch unstreitiger Höhe verlangt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.708,92 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Dezember 1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Urlaubsabgeltungsanspruch mehr zu.
I. Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß der Kläger mit seinem Ausscheiden im November 1986 einen Anspruch auf Abgeltung des vollen Jahresurlaubs 1986 erworben hat.
1. Nach § 6 Nr. 6 MTV haben Arbeitnehmer, die wegen Erhalts einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Betrieb ausscheiden und diesem mindestens 10 Jahre ohne Unterbrechung angehört haben, unabhängig vom Termin ihres Ausscheidens, Anspruch auf vollen Jahresurlaub. Der Kläger ist im November 1986 ausgeschieden, weil ihm eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden ist. Er hat seit 1963 ununterbrochen dem Betrieb der Beklagten angehört.
2. Nach der mit § 7 Abs. 4 BUrlG inhaltlich übereinstimmenden Regelung in § 6 Nr. 3 MTV tritt mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis an die Stelle des Anspruchs auf Urlaubsgewährung der Abgeltungsanspruch. Das Entstehen dieses Anspruchs setzt nicht voraus, daß der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsfähig ist (seit der Entscheidung des Senats vom 14. Mai 1986 – BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung – ständige Rechtsprechung).
II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß dieser Urlaubsabgeltungsanspruch am 31. März 1987 erloschen ist, weil der Kläger bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses in der Zeit zwischen dessen Beendigung (November 1986) und dem Ablauf des Übertragungszeitraums (31. März 1987) keine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können und damit der Anspruch auf Urlaubsabgeltung wegen der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht erfüllbar war.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht als Abfindungsanspruch entsteht, für den es auf weitere Merkmale nicht ankommt, sondern als Surrogat (Ersatz) für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht, der daher – abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – an die gleichen Voraussetzungen gebunden ist wie im übrigen vorher der Urlaubsanspruch (inzwischen ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. z.B. BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung; zuletzt Urteil des Senats vom 20. April 1989 – 8 AZR 621/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die tarifliche Abgeltungspflicht des Arbeitgebers nach § 6 Nr. 3 MTV knüpft wie § 7 Abs. 4 BUrlG an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Von nun an können Arbeitspflichten ungeachtet der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch Urlaubsgewährung nicht mehr suspendiert werden. Dennoch soll nach § 6 Nr. 3 MTV und § 7 Abs. 4 BUrlG der Arbeitnehmer so gestellt werden, als würde die Arbeitspflicht durch Urlaubserteilung suspendiert werden können. Zu diesem Zweck erhält der Arbeitnehmer trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Abgeltung das Arbeitsentgelt (hier Urlaubsvergütung nach § 9 MTV) weiter für eine fiktive Arbeitszeit, die der ihm als Urlaub zu gewährenden Freizeit entspricht. Der Abgeltungsanspruch besteht deshalb unter denselben Voraussetzungen wie der Urlaubsanspruch und endet, wenn er nicht erfüllt werden kann, spätestens drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist (§ 7 Nr. 7 MTV).
2. Die hiergegen gerichteten Bedenken der Revision greifen nicht durch. Die Auffassung des Klägers, der Abgeltungsanspruch nach § 6 MTV sei „weniger ein Urlaubsabgeltungsanspruch im eigentlichen Sinne als eine tarifliche Treueprämie, also eine Sonderzahlung” läßt sich aus dem Wortlaut dieser Tarifbestimmung nicht herleiten. § 6 Nr. 3 MTV spricht von der Abgeltung des Urlaubsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und entspricht somit inhaltlich § 7 Abs. 4 BUrlG. § 6 Nr. 6 MTV sieht eine Privilegierung des wegen Erhalts einer Rente nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit ausscheidenden Arbeitnehmers nur hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs vor. Die Tarifvorschrift enthält jedoch keine Abgeltungsregelung und begründet keinen Anspruch des ausscheidenden Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung. Auch aus Satz 2 des § 6 Nr. 6 MTV ist die Auffassung der Revision nicht zu begründen. Dieser Satz stellt lediglich klar, daß im Ausscheidungsjahr gewährter Urlaub anzurechnen ist und damit in § 6 Nr. 6 MTV kein zusätzlicher voller Urlaubsanspruch begründet werden soll.
3. Schließlich steht dem Verfall des Abgeltungsanspruchs am 31. März 1987 nicht entgegen, daß § 7 Nr. 7 MTV im fortbestehenden Arbeitsverhältnis den Urlaubsanspruch nicht erlöschen läßt, wenn er wegen Krankheit nicht genommen werden konnte.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann eine solche Wirkung nicht mehr eintreten. Der Abgeltungsanspruch erlischt daher nach § 7 Nr. 7 MTV mit Ablauf des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden 31. März (vgl. BAGE 50, 107 = AP Nr. 24 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu 3 der Gründe; Urteil des Senats vom 25. August 1987 – 8 AZR 331/85 – AP Nr. 37 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Dr. Wittek, Dr. Liebers, Brückmann
Fundstellen