Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. Erwerbsunfähigkeit. Arbeitsunfähigkeit
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. August 1988 – 11 Sa 136/88 – aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 18. Dezember 1987 – 5 Ca 1690/87 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der schwerbehinderte Kläger war seit 1968 bei der Beklagten als Former beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980, zuletzt i.d.F. vom 4. Juli 1984, (MTV) anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:
„§ 9
Grundsätze der Urlaubsgewährung
…
3. Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur zulässig, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Ausbildungsverhältnisses noch Urlaubsansprüche bestehen.
§ 10
Allgemeine Urlaubsbestimmungen
…
8. Der Urlaubsanspruch erlischt 3 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder daß Urlaub aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen werden konnte.”
Der Kläger war seit dem 27. Oktober 1985 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 27. April 1987 arbeitsunfähig krank. Seit 1. Juni 1986 erhält er Berufsunfähigkeitsrente.
Der Kläger hat mit seiner am 22. Juli 1987 erhobenen Klage von der Beklagten Abgeltung der Urlaubsansprüche für die Jahre 1986 und 1987 in rechnerisch unstreitiger Höhe verlangt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.203,04 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit aus dem sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Urlaubsabgeltungsanspruch mehr zu. Daher ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und das Urteil des Arbeitsgerichts wiederherzustellen.
I. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 27. April 1987 ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für die Jahre 1986 und 1987 in Höhe von 9.203,04 DM entstanden ist. Der Urlaubsanspruch 1986 ist nach § 10 Nr. 8 MTV nicht am 31. März 1987 verfallen, sondern besteht mit dem Urlaubsanspruch 1987 fort, weil der Urlaub bis zu diesem Zeitpunkt wegen der Krankheit des Klägers nicht genommen werden konnte.
II. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers aber am 31. März 1988 erloschen, weil er bis dahin nicht erfüllbar war.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht als Abfindungsanspruch entsteht, für den es auf weitere Merkmale nicht ankommt, sondern als Surrogat (Ersatz) für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht, der daher – abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – an die gleichen Voraussetzungen gebunden ist wie im übrigen vorher der Urlaubsanspruch (inzwischen ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. z.B. BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung; zuletzt Urteil des Senats vom 20. April 1989 – 8 AZR 621/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Daher steht der aufgrund des Abgeltungsanspruchs zu zahlende Geldbetrag einem Arbeitnehmer nur dann zu, wenn er bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer seines Urlaubsanspruchs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können. Daran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist. Dann ist auch der Urlaubsabgeltungsanspruch ebenso wie der Urlaubsanspruch während des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllbar. Auch der Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn er nicht vorher erfüllt wird, spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums.
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Abgeltungsanspruch ab 28. April 1987 erfüllbar gewesen sei. Seit diesem Zeitpunkt habe der Kläger bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zwar nicht mehr für seine bisherige, wohl aber für eine andere Tätigkeit im Betrieb zur Verfügung gestanden. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, daß sie weder zu einer anderweitigen Beschäftigung des Klägers in der Lage, noch dazu verpflichtet gewesen sei, ihn entsprechend seiner gesundheitlichen Verfassung zu beschäftigen. Angesichts des Vortrags des Klägers, er sei seit dem 28. April 1987 nicht mehr arbeitsunfähig, sondern lediglich berufsunfähig gewesen, treffe die Beklagte im vollen Umfang die Darlegungs- und Beweislast.
3. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Arbeitsfähigkeit als Voraussetzung für die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers nicht überein (vgl. BAGE 56, 340, zu 4 b der Gründe; zuletzt Urteil des Senats vom 20. April 1989 – 8 AZR 621/87 –, zu II der Gründe, auch zur Veröffentlichung vorgesehen).
Zwar schließen die Erwerbsunfähigkeit und auch die Berufsunfähigkeit eines Arbeitnehmers nicht regelmäßig die Erfüllbarkeit seines Urlaubsabgeltungsanspruchs aus (vgl. BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Arbeitnehmer muß jedoch Tatsachen vortragen, aus denen sich ergibt, daß er vor Ablauf des Übertragungszeitraums in der Lage und bereit gewesen wäre, unter der Voraussetzung, daß das Arbeitsverhältnis noch bestanden hätte, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
Dieser Darlegungspflicht ist der Kläger nicht nachgekommen. Die bloße Behauptung, arbeitsfähig zu sein, genügt nicht. Da der Kläger als Former berufsunfähig war, hätte er darlegen müssen, welche Tätigkeit er nach seinem Ausscheiden hätte ausüben können, die von der Beklagten als vertragsgemäß hätte angenommen werden müssen (Urteil des Senats vom 20. April 1989, a.a.O.). Es ist daher davon auszugehen, daß der Kläger nach seinem Ausscheiden bis zum 31. März 1988 nicht in der Lage gewesen wäre, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Der Abgeltungsanspruch des Klägers ist somit am 31. März 1988 erloschen (§ 10 Nr. 8 MTV).
4. Die Rüge des Klägers nach § 139 ZPO geht fehl. Bereits das Arbeitsgericht hatte durch einen Aufklärungsbeschluß vom 8. September 1987 festzustellen versucht, wie der Kläger sich für das Jahr 1987 bis zum Übertragungszeitraum 31. März 1988 eine Tätigkeit bei der Beklagten vorstelle. Hierauf hat der Kläger vorgetragen, er sei nicht in der Lage, für die Zeit nach seinem Ausscheiden vom 27. April 1987 einen von ihm ausfüllbaren Arbeitsplatz im Betrieb der Beklagten zu benennen.
5. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß der Urlaubsanspruch nach § 10 Nr. 8 MTV wegen seiner fortdauernden Erkrankung erhalten geblieben sei. Diese Tarifbestimmung verhindert im fortbestehenden Arbeitsverhältnis zwar das Erlöschen des Urlaubsanspruchs, wenn der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden konnte. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann aber eine solche Wirkung nicht mehr eintreten. Der Abgeltungsanspruch erlischt nach § 10 Nr. 8 MTV mit Ablauf des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden 31. März (vgl. BAGE 50, 107 = AP Nr. 24 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu 3 der Gründe; Urteil des Senats vom 25. August 1987 – 8 AZR 331/85 – AP Nr. 37 zu § 7 BurlG Abgeltung).
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Dr. Wittek, Dr. Liebers, Brückmann
Fundstellen