Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortbildungskosten
Normenkette
BGB § 670; ZPO § 278 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 05.02.1991; Aktenzeichen 4 Sa 1001/90) |
ArbG Köln (Urteil vom 13.08.1990; Aktenzeichen 13 Ca 2632/90) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. Februar 1991 – 4 Sa 1001/90 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Erstattung von Fortbildungskosten.
Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1982 als Krankenpfleger in der psychiatrischen Klinik der Beklagten tätig. Im Arbeitsvertrag ist auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der jeweils geltenden Fassung Bezug genommen. Darüber hinaus wird im Arbeitsvertrag auf die „Betriebssatzung” der Beklagten verwiesen; diese regelt in § 5 Abs. 2 folgendes:
„Mitarbeiter/innen der Klinik sind zur regelmäßigen Fortbildung verpflichtet. Die Klinikleitung hat dafür die notwendigen Voraussetzungen nach Maßgabe der wirtschaftlichen und organisatorischen Möglichkeiten zu schaffen.”
In der Vergangenheit hatte die Beklagte sich an den Fortbildungskosten der Mitarbeiter in der Weise beteiligt, daß sie Zuschüsse an das Pflegepersonal – zu dem der Kläger gehört – bis zu 2.000,– DM in voller Höhe gewährt hat. Die Beklagte hatte diese Mittel aus einem Etatposten „Sonstiges” entnommen.
Der Kläger besuchte mehrere Jahre eine Fortbildungsveranstaltung mit dem Titel „Gruppenpsychoanalyse”. Die Fortbildungskosten dafür trug in den ersten zwei Jahren überwiegend die Krankenkasse, und den Restbetrag hatte die Beklagte übernommen. In den Jahren 1987 und 1988 hatte die Beklagte die Fortbildungskosten des Klägers für diese Veranstaltung in voller Höhe übernommen, weil sie sich auf weniger als 2.000,– DM jährlich beliefen.
Im Jahre 1989 besuchte der Kläger erneut die gleiche Fortbildungsveranstaltung und hat dafür die Erstattung seiner Aufwendungen in Höhe von 1.612,– DM beansprucht. Die Beklagte lehnte eine Bezahlung dieses Betrages mit der Begründung ab, sie habe die im Etatposten „Sonstiges” zurückgelegten Mittel für unvorhergesehene Gerichts- und Anwaltskosten verwenden müssen.
Der Kläger hält die Beklagte für verpflichtet, ihm die Kosten für die Fortbildungsveranstaltung im Jahre 1989 zu ersetzen, denn er habe darauf vertraut, daß die Beklagte ihm diese Kosten ebenso erstatten würde wie in den Vorjahren.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.612,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. März 1990 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt, denn sie hält sich nach dem Wortlaut der Betriebssatzung nur „nach Maßgabe der wirtschaftlichen und organisatorischen Möglichkeiten” zur Zahlung für verpflichtet. Da der für die Fortbildungskosten vorgesehene Etat im Zeitpunkt, als der Kläger den Antrag stellte, erschöpft gewesen sei, könne er keine Erstattung verlangen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Beklagte will mit der Revision die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht entnimmt die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Fortbildungskosten aus der entsprechenden Anwendung des § 670 BGB. In diesem Zusammenhang sei es entscheidend, in wessen überwiegenden Interesse die Aus- und Fortbildung liege. Im Streitfall sei nach den Gesamtumständen davon auszugehen, daß sich der Kläger der Fortbildungsmaßnahme überwiegend im betrieblichen Interesse unterzogen habe. Das ergebe sich schon aus der Betriebssatzung. Danach seien die Mitarbeiter der Klinik zur regelmäßigen Fortbildung verpflichtet. Die Beklagte habe diese Regelung ebenso verstanden, denn sie habe in der Vergangenheit dem Kläger die Fortbildungskosten bis zur Höhe von 2.000,– DM jährlich in voller Höhe erstattet. Nachdem der Kläger diese Kosten bereits auf gewandt hatte, sei die Beklagte nicht mehr berechtigt gewesen, sich in Zukunft davon unter Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten zu lösen. Allenfalls für die Zukunft hätte sie unter Umständen klarstellen können, daß es im betrieblichen Interesse nicht mehr erforderlich sei, daß der Kläger die Fortbildungskurse besuche.
Darüber hinaus bestehe ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der Fortbildungskosten aus einer betrieblichen Übung. Nach dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit der Betriebssatzung sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die finanziellen Voraussetzungen für eine regelmäßige Fortbildung der Arbeitnehmer im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten zu schaffen. Diese vertragliche Verpflichtung habe sie dadurch erfüllt, daß sie zumindest seit 1984 stets nach dem gleichen, mit dem Betriebsrat verhandelten Verteilungsschlüssel eine Kostenerstattung vorgenommen habe.
II. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts greift die Revision mit formellen und materiellen Rügen an.
1. In formeller Hinsicht beanstandet die Revision, das Landesarbeitsgericht habe die Parteien auf die Anwendung des § 670 BGB nicht hingewiesen und diesen rechtlichen Gesichtspunkt mit den Parteien nicht erörtert. Damit habe das Berufungsgericht gegen § 278 Abs. 3 ZPO verstoßen. Das Gericht hätte den Parteien „Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen”. Damit habe es den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.
Dieses Vorbringen der Beklagten reicht für eine auf die Verletzung des § 278 Abs. 3 ZPO gestützte Verfahrensrüge nicht aus. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Landesarbeitsgericht bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage auf den Gesichtspunkt des § 670 BGB hingewiesen hat oder nicht. Die Beklagte hätte, wenn sie eine Verletzung des § 278 Abs. 3 ZPO rügt, im einzelnen darlegen müssen, was sie dazu vorgetragen hätte, wenn ein solcher Hinweis durch das Berufungsgericht erfolgt wäre. In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden, ob die Beklagte lediglich Rechtsausführungen vorgebracht hätte oder ob sie auf einen entsprechenden rechtlichen Hinweis ihren Tatsachenvortrag ergänzt hätte. Geht es allein darum, rechtliche Argumente vorzubringen, so ist dazu in den Rechtsmittelinstanzen ohnehin Gelegenheit, so daß der Verstoß gegen § 278 Abs. 3 ZPO für die Begründetheit des Rechtsmittels ohne eigenständige Bedeutung ist. Das Urteil kann aber auf einem Verfahrensfehler beruhen, wenn die unterlegene Partei Tatsachen vorgetragen hätte, die nicht als verspätet zurückzuweisen gewesen wären und die sich auf die Entscheidung ausgewirkt hätten. Ebenso wie dies im Fall des § 139 ZPO anerkannt ist, muß daher die Partei, wenn sie die Verletzung des § 278 Abs. 3 ZPO rügt, auch angeben, was sie im Falle des Hinweises in dieser Richtung vorgetragen hätte (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 278 Rz 63). An einem solchen Vorbringen der Beklagten fehlt es.
2. In materiell-rechtlicher Hinsicht wendet sich die Beklagte gegen die Anwendung des § 670 BGB und die daraus abgeleitete Verpflichtung, dem Kläger die der Höhe nach unstreitigen Fortbildungskosten zu bezahlen.
Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht die Beklagte für verpflichtet gehalten, zumindest in entsprechender Anwendung des § 670 BGB die Fortbildungskosten zu ersetzen. Wenn ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seinen Dienstpflichten für den Arbeitgeber Aufwendungen macht, für deren Abgeltung die ihm gewährte Arbeitsvergütung nicht bestimmt und die er auch nach dem sonstigen Inhalt seines Arbeitsvertrages in ihren belasteten Auswirkungen nicht endgültig zu tragen verpflichtet ist, kann er vom Arbeitgeber in – zumindest entsprechender – Anwendung von § 670 BGB Ersatz der Aufwendungen fordern, soweit diese von ihm verlangt wurden oder erforderlich waren oder der Arbeitnehmer sie den Umständen nach für erforderlich halten durfte (vgl. BAG Urteil vom 1. Februar 1963 – 5 AZR 74/62 – AP Nr. 10 zu § 670 BGB). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn der Kläger hat in unstreitiger Höhe die mit der Klageforderung geltend gemachten Kosten für Fortbildungsveranstaltungen im Interesse der Beklagten aufgewandt. Der Kläger war nach der im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Regelung in der Betriebssatzung (§ 5 Abs. 2) zur Fortbildung verpflichtet. Zwar meint die Beklagte, diese Verpflichtung habe nur im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten bestanden, wie der Wortlaut der Betriebssatzung erkennen lasse. Dabei übersieht sie jedoch, daß sie dem Kläger schon in der Vergangenheit für den Besuch der gleichen Fortbildungsveranstaltungen Kostenersatz bis zu 2.000,– DM jährlich in voller Höhe gewährt hat. Dadurch hat sie die generelle Fortbildungsverpflichtung in der Betriebssatzung dahin konkretisiert, daß sie auch in Zukunft in diesem Umfang für Fortbildungskosten dieser Art aufkommen werde. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Beklagte den Kläger nicht vor Besuch dieser Veranstaltung darauf hingewiesen habe, daß sie nicht mehr erwarte, daß er an diesen Fortbildungsveranstaltungen teilnehme. Deswegen mußte er im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgehen, daß er diese Aufwendungen für erforderlich halten durfte.
Davon ist auch die Beklagte ausgegangen, denn sie hat anfangs entsprechende Mittel im Etatposten „Sonstiges” dafür zurückgestellt, die sie dann jedoch für unvorhergesehene Ausgaben in einem Rechtsstreit verwandt hat. Dadurch konnte sie sich jedoch nicht von der Verpflichtung zum Ersatz der Fortbildungskosten befreien, weil ihre Zahlungsverpflichtung unabhängig davon besteht, ob sie Zahlungsmittel dafür zurückgestellt hat oder über solche im Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung verfügt (vgl. § 279 BGB).
III. Da die Klageforderung sich bereits aus der Anwendung des § 670 BGB herleiten läßt, kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger darüber hinaus einen solchen Anspruch auch aus betrieblicher Übung hat. Aus der im Arbeitsvertrag vereinbarten Anwendung des BAT und damit der Sonderregelung Nr. 7 SR 2 a ließe sich der Anspruch des Klägers erst für den Zeitraum ab 1. August 1989 begründen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Olderog, Dr. Reinecke, Dr. Schlemmer, H. Hecker
Fundstellen