Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Sonderzahlung. Langandauernde Arbeitsunfähigkeit
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. April 1996 – 10 Sa 1817/95 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer tariflichen Sonderzahlung.
Der Kläger ist seit Oktober 1985 bei der Gemeinschuldnerin als Maschinenführer beschäftigt. Diese ist ein Unternehmen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie. Sie wendet die Tarifverträge für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie und damit auch den Tarifvertrag über die stufenweise Einführung eines 13. Monatseinkommens (Sonderzahlung) für die Holzindustrie, die kunststoffverarbeitende Industrie und das Serienmöbelhandwerk im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland vom 10. Januar 1989 (im folgenden: TV-Sonderzahlung) für ihren Betrieb an.
Der Kläger ist seit dem 13. August 1993 fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Im Anschluß an die Lohnfortzahlung erhielt er von der AOK Krankengeld. Vom 6. bis 12. September 1994 unternahm er einen vergeblichen Arbeitsversuch und erhält seit dem 13. September 1994 wieder Krankengeld.
Der Kläger verlangt von der Gemeinschuldnerin für das Jahr 1994 eine anteilige Sonderzahlung nach dem TV-Sonderzahlung.
Dieser lautet – soweit vorliegend von Interesse:
“…
2. Arbeitnehmer, die am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen mindestens 4 Monate angehören, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen als Teil eines 13. Monatsverdienstes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
3. Die Sonderzahlung wird am 1. Dezember jeden Jahres fällig. Sie beträgt bei vollem Anspruch
65 %
ab 1992 70 %
eines durchschnittlichen Brutto-Monatsverdienstes bzw. einer monatlichen Ausbildungsvergütung.
4. Der durchschnittliche Brutto-Monatsverdienst wird aus dem Gesamtverdienst der Monate Januar bis September einschließlich (1. Januar bis 30. September) des laufenden Kalenderjahres berechnet.
5. Für die Berechnung des Gesamtverdienstes gelten folgende Grundsätze:
a) Zum Gesamtverdienst gehören Lohn oder Gehalt, Urlaubsentgelt, gesetzliche Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle sowie bei Kuren und Schonzeiten.
b) Nicht zum Gesamtverdienst gehören das zusätzliche Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers, Montagezuschläge, Auslösungen, Reisespesen, Trennungsentschädigungen, Verpflegungszuschüsse, erstattete Fahrtkosten, Mankogeld, gesetzliche und freiwillige Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kranken- und Mutterschaftsgeld, gesetzliche und freiwillige Zuschüsse des Arbeitgebers zur Kranken-, Renten- und befreienden Lebensversicherung, Gratifikationen, einmalige Zuwendungen, Werkzeuggeld, Anwesenheitsprämien, Erfindervergütungen, Abfindungen aufgrund des Rationalisierungsschutzabkommens, Ergebnis- und Umsatzbeteiligungen (keine Provisionen).
c) Dem Gesamtverdienst ist hinzuzurechnen Lohn- oder Gehaltsausfall für Fehlzeiten, die von dem Arbeitnehmer nicht zu vertreten sind; dazu gehören Kurzarbeit bis zu 15 Wochen und Ausfallzeiten, die durch Teilnahme an Schulungskursen nach den Bestimmungen des MTN sowie an Tarifverhandlungen entstanden sind. Bei Krankheit, die länger als 4 Monate dauert, wird Lohn- und Gehaltsausfall für dadurch bedingte weitere Fehlzeiten nicht mehr hinzugerechnet. Dies gilt nicht für durch unverschuldete Betriebsunfälle hervorgerufene Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie nicht für Arbeitnehmer, die länger als 10 Jahre dem Betrieb ununterbrochen angehören.”
Der Kläger meint, trotz seiner fortdauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit während des Berechnungszeitraumes 1. Januar bis 30. September 1994 habe er nach Ziff. 5c TV-Sonderzahlung Anspruch auf 4/12 einer vollen Sonderzahlung.
Mit seiner Klage vom 28. Dezember 1994 hat der Kläger von der Gemeinschuldnerin die Zahlung einer anteiligen Sonderzahlung für das Jahr 1994 in Höhe von 1.188,32 DM brutto nebst Zinsen gefordert.
Nachdem das Arbeitsgericht seine Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 26. April 1996 seine Berufung zurückgewiesen hatte, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. September 1996 die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision eingelegt. Am 2. Juni 1997 eröffnete das Amtsgericht Hanau über das Vermögen der Gemeinschuldnerin den Konkurs.
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 1998 hat der Kläger das gemäß § 240 ZPO unterbrochene Verfahren wiederaufgenommen, nachdem er die Klageforderung nebst Zinsen zur Konkurstabelle angemeldet und der Konkursverwalter am 17. April 1998 die Forderung bestritten hatte.
Der Kläger hat in der Revisionsinstanz zuletzt beantragt,
den Betrag in Höhe von 1.188,32 DM (anteiliges 13. Monatsgehalt für 1994) nebst 112,00 DM Zinsen zur Konkurstabelle festzustellen.
Der Konkursverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin hat Zurückweisung der Revision beantragt.
Er beruft sich darauf, der Kläger könne für das Jahr 1994 deshalb keine tarifliche Sonderzahlung verlangen, weil er während des gesamten Jahres wegen seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit keinen Arbeitsverdienst erzielt habe. Die Ausnahmevorschrift der Ziff. 5c TV-Sonderzahlung greife zu seinen Gunsten nicht ein, weil er zu Beginn des Jahres 1994 bereits länger als vier Monate krank gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Ihm steht für das Jahr 1994 kein Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung nach dem TV-Sonderzahlung zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Da der Kläger im Jahre 1994 keinen Arbeitsverdienst erzielt habe, stehe ihm nach Ziff. 4 TV-Sonderzahlung für dieses Jahr kein Anspruch auf eine Sonderzahlung zu. Zu seinen Gunsten greife nicht die Ausnahmeregelung in Ziff. 5c TV-Sonderzahlung ein. Bei Krankheiten bis zur Dauer von vier Monaten sei der Lohn- oder Gehaltsausfall dem Arbeitsverdienst hinzuzurechnen; dieser Vier-Monats-Zeitraum der Ziff. 5c Satz 2 TV-Sonderzahlung sei für den Kläger aber bereits am 13. Dezember 1993 abgelaufen gewesen. Der tariflichen Regelung sei nicht zu entnehmen, daß Arbeitnehmer, die länger als vier Monate arbeitsunfähig erkrankt seien, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung auf der Grundlage eines Arbeitsverdienstes von vier Monaten erhalten sollten.
Da der Kläger noch nicht länger als zehn Jahre dem Betrieb der Beklagten angehöre, greife zu seinen Gunsten auch nicht die Sonderregelung der Ziff. 5c Satz 3 TV-Sonderzahlung ein.
II. Der Senat folgt dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis und weitgehend in der Begründung.
Der Kläger hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Zeitraum Januar bis September 1994 keinen Arbeitsverdienst erzielt. Diese Feststellung ist für das Revisionsgericht bindend. Die Ausführungen des Klägers in seiner Revisionsbegründung vom 15. November 1996, daß er bis auf den Zeitraum seines Arbeitsversuches vom 6. bis 9. September 1994 im Jahre 1994 keinen Verdienst erzielt hatte, stellt keine Revisionsrüge dar, mit der er die gegenteilige Feststellung des Landesarbeitsgerichts angreift.
1. Grundsätzlich erfüllt der Kläger die für einen Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung für 1994 anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale der Ziff. 2 TV-Sonderzahlung. Er stand am 1. Dezember 1994 in einem Arbeitsverhältnis mit der Gemeinschuldnerin und hatte zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen mindestens vier Monate angehört.
2. a) Allein die Tatsache, daß er während des gesamten Jahres 1994 arbeitsunfähig erkrankt war und deshalb keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht hat, führt nicht zum Wegfall des Anspruches auf die Sonderzahlung.
Im Anschluß an seine Entscheidung vom 5. August 1992 (BAGE 71, 78 = AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation) hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß über die normierten Anspruchsvoraussetzungen hinaus einer tariflichen Regelung nicht der Rechtssatz entnommen werden kann, daß Voraussetzung für den Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung auf jeden Fall eine nicht ganz unerhebliche tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugszeitraum ist.
Im zu entscheidenden Rechtsstreit enthält der TV-Sonderzahlung keine Regelung, die generell eine tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugszeitraum als Voraussetzung für eine Sonderzahlung verlangt.
b) Allerdings kann eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit im Kalenderjahr, die zu einem Wegfall der Vergütungsansprüche geführt hat, im Ergebnis zur Folge haben, daß ein Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung für dieses Kalenderjahr nicht entsteht. Nach Ziff. 3 TV-Sonderzahlung beträgt die Sonderzahlung ab 1992 70 % eines durchschnittlichen Brutto-Monatsverdienstes. Dabei ist nach Ziff. 4 TV-Sonderzahlung dieser durchschnittliche Brutto-Monatsverdienst aus dem Gesamtverdienst der Monate Januar bis einschließlich September (1. Januar bis 30. September) des laufenden Kalenderjahres zu berechnen. Diese Berechnungsmethode führt dazu, daß ein Arbeitnehmer, der im Kalenderjahr keine Vergütung oder Lohnfortzahlung erhalten hat, einen durchschnittlichen Monatsverdienst von 0 DM erzielt hat und ihm demzufolge ein Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von 0 DM zusteht. Solche tariflichen Regelungen, durch die Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlungsansprüche für Sonderzahlungen anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend berücksichtigt werden, hat der Senat stets als zulässig angesehen (vgl. BAG Urteil vom 5. August 1992 – 10 AZR 171/91 – AP Nr. 144 zu § 611 BGB Gratifikation; Urteil vom 27. Juli 1994 – 10 AZR 314/93 – AP Nr. 164 zu § 611 BGB Gratifikation; Urteil vom 14. September 1994 – 10 AZR 216/93 – AP Nr. 166 zu § 611 BGB Gratifikation).
c) Aus den Bestimmungen der Ziff. 5a und 5c TV-Sonderzahlung läßt sich aber der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, daß krankheitsbedingte Fehlzeiten den Anspruch auf die Sonderzahlung nur unter bestimmten Voraussetzungen ausschließen oder mindern sollen. Nach Ziff. 5a TV-Sonderzahlung sind nämlich gesetzliche Lohn- und Gehaltsfortzahlungen im Krankheitsfalle dem Gesamtverdienst im Sinne der Ziff. 4 TV-Sonderzahlung hinzuzurechnen. Nach Ziff. 5c Satz 2 TV-Sonderzahlung verringert sich lediglich die Höhe der Sonderzahlung bei Arbeitnehmern, die infolge einer Krankheit länger als vier Monate arbeitsunfähig erkrankt waren. Auch diese Minderung tritt nach Ziff. 5c Satz 3 TV-Sonderzahlung nicht ein, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen unverschuldeten Betriebsunfall verursacht war oder wenn der Arbeitnehmer länger als zehn Jahre ununterbrochen dem Betrieb angehört hat. Für diese Arbeitnehmer führt somit nicht einmal eine über viermonatige Arbeitsunfähigkeit zu einer Kürzung des Anspruches auf die Sonderzahlung (vgl. BAG Urteil vom 9. August 1995 – 10 AZR 944/94 – n.v.). Damit haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich geregelt, wie sich Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auf die tarifliche Sonderzahlung auswirken sollen (vgl. BAG Urteil vom 24. März 1993 – 10 AZR 487/92 – AP Nr. 155 zu § 611 BGB Gratifikation).
3. Da der Kläger im Jahre 1994 noch keine zehn Jahre Betriebszugehörigkeit aufweisen konnte und auch nicht infolge eines Betriebsunfalles arbeitsunfähig erkrankt war, greifen die Ausnahmebestimmungen der Ziff. 5c Satz 3 TV-Sonderzahlung zu seinen Gunsten nicht ein. Demnach ist für den Kläger Ziff. 5c Satz 2 TV-Sonderzahlung einschlägig. Dort ist geregelt, daß bei einer Krankheit, die länger als vier Monate dauert, Lohn- und Gehaltsausfall für dadurch bedingte weitere Fehlzeiten dem Gesamtverdienst, der für die Berechnung der Sonderzahlung zugrunde zu legen ist, nicht mehr hinzugerechnet wird.
a) Streitig ist zwischen den Parteien, ob bei einer über vier Monate dauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit die Vier-Monats-Frist nur einmal zu berücksichtigen ist oder ob in jedem Kalenderjahr der Lohn- oder Gehaltsausfall während einer viermonatigen Arbeitsunfähigkeit dem Gesamtverdienst, aus dem sich die jährliche Sonderzahlung errechnet, hinzuzurechnen ist.
Da der Wortlaut des Satzes 2 der Ziff. 5c TV-Sonderzahlung insoweit nicht völlig eindeutig ist, muß der Wille der Tarifvertragsparteien mittels Auslegung ermittelt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teiles eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen berücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhanges der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhanges als den stets und in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfalle noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auch auf weitere Kriterien, wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden, wobei es für die Gerichte eine Bindung an eine bestimmte Reihenfolge bei der Heranziehung dieser weiteren Auslegungsmittel nicht gibt (BAG Urteil vom 12. November 1997 – 10 AZR 206/97 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Deutsche Bahn, m.w.N.).
b) Bei Zugrundelegung dieser Auslegungsregeln ist Ziff. 5c Satz 2 TV-Sonderzahlung so zu verstehen, daß bei einer viermonatigen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, verbunden mit dem Wegfall der Entgeltfortzahlungsansprüche, zugunsten des betroffenen Arbeitnehmers dieser Vier-Monats-Zeitraum nur einmal berücksichtigt werden soll.
aa) Dafür spricht zunächst der Wortlaut der einschlägigen Tarifbestimmungen.
Ziff. 5 TV-Sonderzahlung regelt, welche Grundsätze für die “Berechnung des Gesamtverdienstes gelten”. Damit kann sich die Ziff. 5 TV-Sonderzahlung nur auf die Berechnung des “Gesamtverdienstes” im Sinne der Ziff. 4 TV-Sonderzahlung beziehen. Das ist der “Gesamtverdienst” des Arbeitnehmers in den Monaten Januar bis einschließlich September des laufenden Kalenderjahres. Aus diesem errechnet sich der monatliche Brutto-Monatsverdienst des Arbeitnehmers. Dieser wiederum wird der Berechnung der Sonderzahlung zugrunde gelegt.
Nach diesen Tarifbestimmungen ist demzufolge für jedes Kalenderjahr der Gesamtverdienst des Arbeitnehmers zu bestimmen, um anhand dessen die Höhe der Sonderzahlung zu berechnen. Wenn nun Ziff. 5c Satz 2 TV-Sonderzahlung festlegt, daß “bei Krankheit, die länger als 4 Monate dauert, Lohn- und Gehaltsausfall für dadurch bedingte weitere Fehlzeiten nicht mehr hinzugerechnet wird”, so spricht diese Formulierung dafür, daß immer dann, wenn ein Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr bereits länger als vier Monate arbeitsunfähig krank war, die Hinzurechnung des Lohn- und Gehaltsausfalles unterbleibt.
Für die vom Kläger vertretene Auslegung, daß der Vier-Monats-Zeitraum der Ziff. 5c Satz 2 TV-Sonderzahlung in jedem Kalenderjahr erneut zu laufen beginnt, sind dem Wortlaut der Tarifnormen keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen.
bb) Auch eine am Tarifsinne ausgerichtete Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis.
Sinn und Zweck der Regelung der Ziff. 5a und 5c TV-Sonderzahlung ist es, daß Arbeitnehmer, die wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben, dadurch bei der Berechnung der Höhe der ihnen grundsätzlich nach Ziff. 2 TV-Sonderzahlung zustehenden Sonderzahlung nicht benachteiligt werden. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, daß Ziff. 5a TV-Sonderzahlung bestimmt, daß zum Gesamtverdienst der Monate Januar bis einschließlich September, welcher nach Ziff. 4 TV-Sonderzahlung für die Berechnung der Höhe der Sonderzahlung maßgebend ist, die gesetzlichen Lohn- und Gehaltsfortzahlungen im Krankheitsfall hinzugerechnet werden. Damit wirken sich Krankheitszeiten, während denen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, – unabhängig von ihrer Dauer – nicht auf die Höhe der tariflichen Sonderzahlung aus.
Nach Ziff. 5c Satz 1 TV-Sonderzahlung sollen sich darüber hinaus grundsätzlich auch Fehlzeiten eines Arbeitnehmers, die dieser nicht zu vertreten hat und die zu einem Lohn- oder Gehaltsausfall führen, nicht anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auswirken. Auch dieser Vergütungsausfall, zu dem auch krankheitsbedingter Lohn- und Gehaltsausfall nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes zählt, ist nämlich dem nach Ziff. 4 TV-Sonderzahlung für die Berechnung der Höhe der Sonderzahlung maßgebenden Gesamtverdienst hinzuzurechnen.
Diese weitgehende Anrechnungsregelung erfährt aber durch Ziff. 5c Satz 2 TV-Sonderzahlung eine Einschränkung. Danach soll – abgesehen von den Fällen der Ziff. 5c Satz 3 TV-Sonderzahlung (über zehnjährige Betriebszugehörigkeit oder Betriebsunfall) – bei Krankheit, die länger als vier Monate dauert, der durch diese Krankheit weiter bedingte Lohn- oder Gehaltsausfall nicht mehr dem Gesamtverdienst hinzugerechnet werden.
Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die sehr weitgehende Regelung der Ziff. 5a und 5c Satz 1 TV-Sonderzahlung einzuschränken. Diese führt nämlich dazu, daß sich die gesamte Zeit, in der ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, nicht anspruchsmindernd für seine tarifliche Sonderzahlung auswirkt, gleichgültig, ob und für welchen Zeitraum er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat.
Diese Einschränkung haben die Tarifvertragsparteien durch die Formulierung dokumentiert: “Bei Krankheit, die länger als 4 Monate dauert, wird Lohn- und Gehaltsausfall für dadurch bedingte weitere Fehlzeiten nicht mehr hinzugerechnet.”
Dies ist so zu verstehen, daß nach einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit von vier Monaten die Anrechnungsvorschrift der Ziff. 5c Satz 1 TV-Sonderzahlung bezüglich krankheitsbedingten Lohn- und Gehaltsausfalles für die Zukunft aufgehoben wird. Diese Aufhebung der Anrechnungsregelung soll solange gelten, wie der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit keine Ansprüche auf Entgeltfortzahlung hat. Mangels Anhaltspunkten im Wortlaut und Gesamtzusammenhang des TV-Sonderzahlung kann nicht auf den Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen werden, daß die Aufhebung der in Ziff. 5c Satz 1 TV-Sonderzahlung enthaltenen Anrechnungsregelung nur für das laufende Kalenderjahr gelten und in jedem folgenden Kalenderjahr die Aufhebung wieder “aufgehoben” werden soll, was nur zur Folge hätte, daß in jedem neuen Kalenderjahr zumindest für die ersten vier Monate krankheitsbedingter Lohn- oder Gehaltsausfall nach Ziff. 5c Satz 1 TV-Sonderzahlung wieder dem Gesamtverdienst hinzugerechnet werden müßte.
c) Demnach soll nach Ziff. 5c TV-Sonderzahlung jeder Arbeitnehmer einmal den Vorteil haben, daß seine Sonderzahlung nicht deshalb gekürzt wird, weil er bis zur Dauer von vier Monaten infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war und dafür im Regelfall bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung. § 3 Abs. 1 EFZG, und anschließend keine Entgeltfortzahlung mehr, sondern nur noch Krankengeld erhalten hat.
d) Diese Auslegung der Ziff. 5c TV-Sonderzahlung kann allerdings im Einzelfall zu Zufallsergebnissen führen.
So ist es für den Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung infolge der Erkrankung ganz oder teilweise im Berechnungszeitraum (1. Januar bis 30. September) des Kalenderjahres oder aber ganz oder teilweise nach dem 1. Oktober des Kalenderjahres nicht erbringt.
Soweit er nämlich während des Zeitraumes 1. Januar bis 30. September arbeitsunfähig krank ist, können die tariflichen Bestimmungen zu einer Minderung seines Sonderzahlungsanspruches führen, weil ein möglicherweise eintretender Lohn- oder Gehaltsausfall wegen der Krankheit nur bis zur Dauer von vier Monaten dem Gesamtverdienst für den Zeitraum 1. Januar bis 30. September hinzugerechnet wird. Soweit die Erkrankung nach dem 30. September des Kalenderjahres liegt, kann sich ein krankheitsbedingter Lohnausfall auf die Berechnung der Höhe der Sonderzahlung nach Ziff. 4 des TV-Sonderzahlung für das laufende Kalenderjahr jedoch nicht auswirken.
Diese Ungleichbehandlung beruht darauf, daß der TV-Sonderzahlung für die Berechnung der Sonderzahlung nur auf den Zeitraum 1. Januar bis 30. September des laufenden Kalenderjahres abstellt.
Damit haben die Tarifvertragsparteien aus Praktikabilitätsgründen als Bemessungszeitraum nicht das gesamte Kalenderjahr, sondern nur einen begrenzten Zeitraum herangezogen. Solche Berechnungsmethoden sind nicht unüblich und werden auch vom Gesetzgeber bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes, § 11 Abs. 1 BUrlG, vorgeschrieben.
Ob diese tarifliche Regelung ausgewogen und sinnvoll ist, haben die Gerichte für Arbeitssachen nicht zu überprüfen (BAG Urteil vom 6. November 1996 – 10 AZR 214/96 – n.v. und vom 12. November 1997 – 10 AZR 772/96 – AP Nr. 15 zu § 33 BAT).
e) Allerdings hätte auch eine Auslegung der Ziff. 5c TV-Sonderzahlung im Sinne des Klägers nicht die Beseitigung der oben dargelegten Zufallsergebnisse zur Folge. Würde man nämlich zugunsten der Arbeitnehmer den Vier-Monats-Zeitraum für jedes Kalenderjahr neu zur Anwendung bringen, so würde dies ebenfalls dazu führen, daß die Höhe der Sonderzahlungen vom Zeitpunkt des Eintritts der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit abhängt. So erhielte ein Arbeitnehmer, der ab dem 1. Januar fortdauernd erkrankt, im laufenden und in den folgenden Kalenderjahren jeweils anteilig eine Sonderzahlung, berechnet aus einem Gesamtverdienst für vier Monate. Ein Arbeitnehmer, der aber ab dem 1. Juni fortlaufend erkrankt, erhielte im laufenden Kalenderjahr eine volle Sonderzahlung und in den folgenden Jahren eine anteilige, berechnet aus einem Gesamtverdienst für vier Monate.
4. Demnach war der Vier-Monats-Zeitraum der Ziff. 5c Satz 2 TV-Sonderzahlung für den Kläger mit dem 12. Dezember 1993 abgelaufen. Da er im gesamten Jahr 1994 keinen Arbeitsverdienst erzielt hatte, betrug nach der Berechnungsvorschrift der Ziff. 4 TV-Sonderzahlung sein durchschnittlicher Monatsverdienst im Jahre 1994 “O DM”. Demnach steht ihm für das Jahr 1994 auch kein Anspruch auf eine Sonderzahlung zu.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Böck, Köhnen, Kay Ohl
Fundstellen