Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungszeit. Überleitungsvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Berücksichtigung der früheren Tätigkeit im Überleitungsvertrag verpflichtet nicht zur Anrechnung als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O. Es kommt auch in diesem Fall auf die tariflichen Voraussetzungen an (Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats aus dem Urteil vom 18. April 1996 – 6 AZR 623/95 – AP Nr. 12 zu § 19 BAT-O). Beschäftigungszeit einer Laborleiterin, die aufgrund eines Arbeitsvertrages mit einem Volkseigenen Gut Aufgaben für die Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) wahrnahm, und deren Tätigkeit für die HUB in einem Überleitungsvertrag anerkannt wurde.

 

Normenkette

BAT-O § 19; AGB-DDR §§ 51, 53

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 28.11.1995; Aktenzeichen 12 Sa 107/95)

ArbG Berlin (Urteil vom 27.07.1995; Aktenzeichen 92 Ca 10610/95)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. November 1995 – 12 Sa 107/95 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. Juli 1995 – 92 Ca 10610/95 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über anrechnungsfähige Beschäftigungszeiten der Klägerin nach § 19 BAT-O.

Die Klägerin schloß mit Wirkung zum 1. August 1972 einen Arbeitsvertrag mit dem Volkseigenen Gut Tierzucht H. (VEG H.), aufgrund dessen ihr die Tätigkeit als Leiterin des biochemischen Labors der Humboldt-Universität zu Berlin, Außenstelle L., übertragen wurde. Die übrigen Beschäftigten der Außenstelle, wie Tierpfleger und Heizer sowie der Leiter der Außenstelle, standen in einem Arbeitsverhältnis zur Humboldt-Universität zu Berlin (HUB). Die Klägerin nahm an den regelmäßigen betriebsärztlichen Untersuchungen der HUB teil und war Mitglied der Gewerkschaftsgruppe am Institut für Milchforschung und Tierproduktion der HUB.

Die Klägerin nahm während ihrer Tätigkeit in der Außenstelle Aufgaben der HUB bzw. solche Aufgaben wahr, die dem VEG Hertefeld als Nachauftragsnehmer von der HUB übertragen wurden. Unter dem 26. Oktober 1981 wurde der Klägerin von der Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin der HUB bescheinigt, daß sie als wissenschaftlich-technische Mitarbeiterin im Bereich Tierzüchtung und Haustiergenetik tätig war.

Mit Wirkung zum 1. Oktober 1984 schlössen die Klägerin, das VEG H. und die HUB einen Delegierungsvertrag, aufgrund dessen die Klägerin ihre Tätigkeit als Laborleiterin in der Außenstelle L. weiterhin ausübte.

Am 12. April 1990 vereinbarten die Klägerin, das VEG H. und die HUB einen Überleitungsvertrag nach §§ 51, 53 AGB-DDR, durch den der Arbeitsvertrag mit dem VEG H. zum 31. März 1990 aufgelöst und ein Arbeitsverhältnis zur HUB begründet wurde. Maschinenschriftlich ist in dem Überleitungsvertrag vermerkt:

„Anerkennung der ununterbrochenen Tätigkeit für die HUB seit dem 1.8.1972”.

Nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 wurde die Humboldt-Universität zu Berlin als nachgeordnete Einrichtung des Ministeriums für Fach- und Hochschulwesen der DDR auf die Beklagte, die jetzige Humboldt-Universität zu Berlin als Körperschaft des öffentlichen Rechts, überführt. Auf das Arbeitsverhältnis findet seit dem 1. Juli 1991 der BAT-O Anwendung.

Mit Schreiben vom 24. September 1994 teilte die Beklagte der Klägerin mit, als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O könne nur die Zeit ab 1. April 1990 berücksichtigt werden.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Tätigkeit als Laborleiterin in der Außenstelle L. sei seit dem 1. August 1972 als Beschäftigungszeit anzurechnen. Das Arbeitsverhältnis mit dem VEG H. sei nur aus formalen Gründen begründet worden, da der HUB keine Planstelle zur Verfügung gestanden habe. Sie habe stets Aufgaben der HUB wahrgenommen. Dies sei auch im Überleitungsvertrag ausdrücklich anerkannt worden. Spätestens mit dem Abschluß des Delegierungsvertrages zum 1. Oktober 1984 habe auch ein Arbeitsverhältnis zur HUB bestanden.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß ihre Beschäftigungszeit vom 1. August 1972 bis zum 31. März 1990 in der Außenstelle der Humboldt-Universität in Lehnitz auf die Beschäftigungszeit gem. § 19 BAT-O anzurechnen ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die tariflichen Voraussetzungen für die Anrechnung der Zeit der Tätigkeit der Klägerin aufgrund des mit dem VEG H. abgeschlossenen Arbeitsvertrages als Beschäftigungszeit lägen nicht vor. Ein Arbeitsverhältnis mit der HUB sei auch nicht durch den Delegierungsvertrag ab 1. Oktober 1984, sondern erst durch den Überleitungsvertrag ab 1. April 1990 begründet worden.

Die Anerkennung der Tätigkeit der Klägerin beim VEG H. seit dem 1. August 1972 im Überleitungsvertrag vom 12. April 1990 habe nur Bedeutung für Ansprüche gehabt, die nach den damaligen arbeitsrechtlichen Vorschriften von der Betriebszugehörigkeit abhingen, wie z.B. für Treueprämien und Prämien für Dienstjubiläen. Eine Berücksichtigung dieser Erklärung im Hinblick auf die tarifliche Regelung der Beschäftigungszeit in den Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O komme schon deshalb nicht in Betracht, weil diese tariflichen Bestimmungen erst zum 1. Juli 1991 in Kraft getreten seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Abweisung der Klage. Die Zeit der Tätigkeit der Klägerin vor dem 1. April 1990 ist nicht als Beschäftigungszeit bei der Beklagten nach § 19 BAT-O anzurechnen.

I. Die tariflichen Voraussetzungen, die Zeit der Tätigkeit der Klägerin vom 1. August 1972 bis 31. März 1990 als Beschäftigungszeit bei der Beklagten anzurechnen, liegen nicht vor.

1. Die die Beschäftigungszeit regelnden Bestimmungen des § 19 BAT-O sowie die Übergangsvorschriften dazu haben, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

㤠19

Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.

(2) Übernimmt ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem Arbeitgeber, der von diesem Tarifvertrag erfaßt wird oder diesen oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, so werden die bei der Dienststelle bis zur Übernahme zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Absatzes 1 als Beschäftigungszeit angerechnet.

Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991:

1. Als Übernahme im Sinne des Absatzes 2 gilt auch die Überführung von Einrichtungen nach Artikel 13 des Einigungsvertrages.

2. Ist infolge des Beitritts der DDR der frühere Arbeitgeber weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Artikel 13 des Einigungsvertrages erfolgt ist, gelten als Beschäftigungszeit nach Maßgabe des Absatzes 1

b) für Angestellte der Länder

Zeiten der Tätigkeit bei zentralen oder örtlichen Staatsorganen und ihren nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, soweit das Land deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat,

…”

2. Eine Anrechnung der Zeit der Tätigkeit der Klägerin beim VEG H. nach § 19 Abs. 1 BAT-O scheidet aus.

Nach dieser Bestimmung muß die Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber zurückgelegt worden sein. Das setzt voraus, daß das Arbeitsverhältnis mit derselben Person im Rechtssinne bestanden hat (BAG Urteil vom 20. Februar 1997 – 6 AZR 713/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Daran fehlt es hier. Eine rechtliche Identität zwischen dem VEG H. und der Beklagten ist nicht gegeben.

3. Die Anrechnung der Zeit, in der ein Arbeitsvertrag mit dem VEG H. bestand, ergibt sich auch nicht aus § 19 Abs. 2 BAT-O i.V.m. der Übergangsvorschrift Nr. 1.

a) Die Humboldt-Universität zu Berlin als nachgeordnete Einrichtung des Ministeriums für Fach- und Hochschulwesen der DDR ist auf die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts überführt worden. Nach der Übergangsvorschrift Nr. 1 gilt eine Überführung als Übernahme i.S.v. § 19 Abs. 2 BAT-O. Deshalb sind die Zeiten als Beschäftigungszeit anzurechnen, die bis zur Überführung in einer Dienststelle des überführten Arbeitgebers nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 BAT-O zurückgelegt worden sind. Dies sind die in einem Arbeitsverhältnis beim überführten Arbeitgeber zurückgelegten Zeiten, auch wenn sie unterbrochen worden sind.

Die Klägerin hat seit dem 1. April 1990 in einem Arbeitsverhältnis zur überführten Einrichtung, nämlich zur HUB, gestanden. Deshalb ist ihr diese Zeit auch als Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 2 BAT-O i.V.m. Nr. 1 der Übergangsvorschriften angerechnet worden.

b) In der Zeit vom 1. August 1972 bis 31. März 1990 bestand kein Arbeitsverhältnis zur HUB als überführtem Arbeitgeber, so daß eine Anrechnung als Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 2 BAT-O i.V.m. Nr. 1 der Übergangsvorschriften nicht erfolgen kann.

aa) In der Zeit vom 1. August 1972 bis 30. September 1984 stand die Klägerin allein zum VEG H. in einem Arbeitsverhältnis.

Dieses war zum 1. August 1972 durch schriftlichen Arbeitsvertrag begründet worden. Zwar war Inhalt des Arbeitsvertrages nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts eine Tätigkeit der Klägerin für die HUB als Leiterin des biochemischen Labors der Außenstelle L. bzw. die Erledigung solcher Aufgaben, die dem VEG H. als Nachauftragsnehmer von der HUB übertragen wurden. Auch war die Klägerin dem Leiter der Außenstelle unterstellt und bestanden im Hinblick auf die betriebsärztlichen Untersuchungen und ihre Mitgliedschaft in einer Gewerkschaftsgruppe der HUB organisatorische Verbindungen zur HUB. Auch wurde ihr eine Tätigkeit für diese unter dem 26. Oktober 1981 ausdrücklich bescheinigt. Diese Umstände begründeten jedoch kein Arbeitsverhältnis zur HUB, sondern ließen das bestehende Arbeitsverhältnis zum VEG H. unberührt.

Dies folgt schon daraus, daß das Arbeitsverhältnis zum VEG H. nur nach §§ 31 ff. des Gesetzbuches der Arbeit (GBA) durch Aufhebungsvertrag oder Kündigung hätte beendet werden und ein Arbeitsverhältnis mit der HUB nach § 20 GBA nur schriftlich hätte begründet werden können. Gleiches gilt nach §§ 51, 54 u. 56 AGB-DDR und § 42 AGB-DDR. Eine solche Vertragsgestaltung ist jedoch in der Zeit bis zum 31. September 1984 nicht vorgenommen worden.

bb) Auch für die Zeit vom 1. Oktober 1984 bis zum 31. März 1990, als ein Delegierungsvertrag zwischen dem VEG H., der HUB und der Klägerin bestand, ist kein Arbeitsverhältnis der Klägerin zur HUB begründet worden.

Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 50 AGB-DDR blieben während der Delegierung die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsrechtsverhältnis mit dem delegierenden Betrieb, hier also dem VEG H., bestehen (Ziff. 9 des Delegierungsvertrages). Die im Rahmen dieses Arbeitsrechtsverhältnisses von der Klägerin als Laborleiterin zu erledigende Aufgabe bestand allerdings aufgrund eines Dienstleistungsvertrages zwischen dem VEG H und der HUB in der Unterstützung von Forschungsarbeiten der HUB (Ziff. 1 des Delegierungsvertrages). Gleichwohl bestand nur ein Arbeitsverhältnis zum VEG H., das auch für die Gehaltszahlungen verantwortlich war (Ziff. 6 des Delegierungsvertrages).

Ein Arbeitsverhältnis der Klägerin zur HUB wurde erst durch den Überleitungsvertrag nach §§ 51, 53 AGB-DDR ab 1. April 1990 begründet.

c) Eine Anrechnung der Zeit der Tätigkeit der Klägerin beim VEG H. als Beschäftigungszeit nach Nr. 2 der Übergangsvorschriften kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte keine Aufgaben des VEG H. übernommen hat.

II. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin auch nicht deshalb die Anrechnung der Zeit vom 1. August 1972 bis zum 31. März 1990 als Beschäftigungszeit verlangen, weil der Überleitungsvertrag vom 12. April 1990 den auf Anerkennung gerichteten maschinenschriftlichen Vermerk enthält.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Erheblichkeit dieses Vermerks unter dem Gesichtspunkt der Nr. 1 der Überleitungsvorschriften zu § 19 BAT-O geprüft und angenommen, die Zeit der Tätigkeit der Klägerin bei der Außenstelle L. seit dem 1. August 1972 sei als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O anzurechnen, weil die ehemalige Humboldt-Universität zu Berlin die beim VEG H. zurückgelegte Zeit als Tätigkeits- bzw. Beschäftigungszeit im Überleitungsvertrag vertraglich anerkannt habe und die Humboldt-Universität zu Berlin auf die Beklagte überführt worden sei. Die vertragliche Anerkennung der früheren Beschäftigungszeit im Überleitungsvertrag vom 12. April 1990 sei genereller Natur gewesen und habe nicht nur Bedeutung für die damals geltenden Bestimmungen des Rahmenkollektivvertrages und des AGB-DDR gehabt, sondern sei auch relevant für zukünftige Gesetzes- bzw. Tarifbestimmungen gewesen, deren Rechtsfolgen von der Dauer der Beschäftigung abhingen. In der Anrechnungsvorschrift komme zum Ausdruck, daß der Arbeitnehmer für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses so behandelt werden soll, als sei er in der vertraglich anerkannten Zeit bei dem neuen Arbeitgeber tätig gewesen. Da die ehemalige Humboldt-Universität zu Berlin auf die Beklagte überführt worden sei, sei diese nach Nr. 1 der Übergangsvorschriften i.V.m. § 19 Abs. 2 BAT-O auch verpflichtet, die vertraglich anerkannte Beschäftigungszeit als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O anzurechnen.

2. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht zugestimmt werden. Die Anerkennung der ununterbrochenen Tätigkeit der Klägerin für die Humboldt-Universität zu Berlin seit dem 1. August 1972 im Überleitungsvertrag vom 12. April 1990 rechtfertigt nicht, diese Zeit als Beschäftigungszeit bei der Beklagten i.S.v. § 19 BAT-O anzurechnen.

a) Diese „Anerkennung” hat für die Anwendung des § 19 BAT-O keine Bedeutung.

Das Landesarbeitsgericht hat die im Überleitungsvertrag in einem maschinenschriftlich hinzugefügten Zusatz aufgenommene „Anerkennung der ununterbrochenen Tätigkeit für die HUB seit 1.8.1972” dahingehend ausgelegt, daß damit entsprechend einem allgemein anerkannten Grundsatz des bundesdeutschen Arbeitsrechts generell – auch im Hinblick auf zukünftige gesetzliche und tarifliche Bestimmungen – der Arbeitnehmer so zu behandeln sei, als sei er in der vertraglich anerkannten Zeit tatsächlich beim Arbeitgeber, auf den das Arbeitsverhältnis übergeleitet worden sei, tätig gewesen.

b) Diese Auslegung hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

Zwar handelt es sich bei dem maschinenschriftlichen Zusatz im formularmäßigen Überleitungsvertrag um eine sog. nichttypische Erklärung, deren Auslegung vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind (ständige Rechtsprechung BAG Urteil vom 18. September 1985 – 4 AZR 170/84 – AP Nr. 16 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; Urteil vom 18. April 1996 – 6 AZR 623/95 – AP Nr. 12 zu § 19 BAT-O). Auch im Hinblick auf diesen eingeschränkten Überprüfungsmaßstab ist die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht jedoch revisionsrechtlich zu beanstanden, da wesentliche Umstände nicht berücksichtigt worden sind.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 18. April 1996 – 6 AZR 623/95 – AP Nr. 12 zu § 19 BAT-O) ist der Umfang der mit einer Anerkennung einer Betriebszugehörigkeit bei dem früheren Arbeitgeber durch den Arbeitgeber, auf den ein Arbeitsverhältnis nach §§ 51, 53 AGB-DDR übergeleitet wurde, nach der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Überleitungsvertrages geltenden Rechtslage zu bestimmen. Die Betriebszugehörigkeit hatte danach Bedeutung für Zuwendungen bei Arbeitsjubiläen, der Zahlung von Zuschlägen zur Jahresprämie und der Gewährung von Treueprämien aufgrund von Rahmen- oder Betriebskollektivverträgen (vgl. BAG Urteil vom 16. März 1994 – 10 AZR 606/93 – AP Nr. 75 zu § 112 BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 1. April 1993 – 4 AZR 73/93 (A) – AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bewachungsgewerbe; Dobberahn/Erasmy, NZA 1994, 107, 108). Ein weitergehender rechtsgeschäftlicher Verpflichtungswille konnte deshalb einer Vereinbarung über die Betriebszugehörigkeit in einem Überleitungsvertrag, der zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, zu dem die tarifliche Regelung über die Anrechnung von Beschäftigungszeiten nach § 19 BAT-O noch gar nicht absehbar war, nicht entnommen werden.

bb) Im Überleitungsvertrag vom 12. April 1990 hat die HUB, auf die das Arbeitsverhältnis der Klägerin vom VEG H. übergeleitet wurde, zwar nicht die beim VEG H, von der Klägerin zurückgelegte Zeit als Betriebszugehörigkeit anerkannt, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die Klägerin „für die HUB” tätig gewesen sei. Selbst wenn zugunsten der Klägerin diese Erklärung jedoch als Anerkennung der Betriebszugehörigkeit gewertet wird, ergeben sich daraus keine Wirkungen für die Anrechnung als Beschäftigungszeit nach der erst zum 1. Juli 1991 in Kraft getretenen tariflichen Regelung in § 19 BAT-O.

Dies beruht darauf, daß die Tarifvertragsparteien mit § 19 BAT-O und den Übergangsvorschriften eine Regelung über die Anrechnung als Beschäftigungszeit getroffen haben, die es – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – ausschließt, die Anerkennung von Betriebszugehörigkeitszeiten in Überleitungsverträgen nach dem AGB-DDR generell der Anrechnung von Beschäftigungszeiten nach § 19 BAT-O gleichzusetzen.

Eine Anrechnung von Beschäftigungszeiten bei ehemaligen Arbeitgebern in der DDR ist nach § 19 BAT-O und den Übergangsvorschriften nur in eingeschränktem Umfang nach näherer tariflicher Maßgabe möglich.

Die Tarifvertragsparteien gehen nämlich nicht von einer generellen Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten aus, sondern beschränken diese in § 19 Abs. 2 BAT-O bei der Übernahme von Dienststellen, der für die Zeit vor Inkrafttreten des BAT-O am 1. Januar 1991 die Überführung von Einrichtungen gleichsteht (Nr. 1 der Übergangsvorschriften), ausdrücklich auf die in der übernommenen Dienststelle des früheren Arbeitgebers zurückgelegten Zeiten. Eine entsprechende Regelung gilt für die Beschäftigungszeiten bei Einrichtungen, die nicht überführt worden sind. Nach der Übergangsvorschrift Nr. 2 Buchst. a bis c sind Zeiten bei nicht überführten Einrichtungen nur anzurechnen, soweit der Arbeitgeber deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat und der Arbeitnehmer im übernommenen Bereich tätig war (vgl. BAG Urteil vom 20. Februar 1997 – 6 AZR 713/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

Im übrigen haben die Tarifvertragsparteien in Nr. 4 der Übergangsvorschriften Zeiten bestimmter Tätigkeiten von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit grundsätzlich ausgenommen. Diese Ausschlußtatbestände lassen erkennen, daß es auf die vertragliche Anerkennung der Betriebszugehörigkeit bei einem früheren Arbeitgeber für die Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen des § 19 BAT-O nicht ankommen kann.

Die generelle Anrechnung vertraglich anerkannter Betriebszugehörigkeits Zeiten auf die Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O könnte außerdem dazu führen, daß auch Zeiten in die Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O einzubeziehen wären, die außerhalb des öffentlichen Dienstes in der ehemaligen DDR zurückgelegt wurden. Dies stünde mit dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung nicht in Einklang, die eine Anrechnung entsprechend der in den alten Bundesländern bestehenden Regelung herbeiführen soll, die sich nur auf Tätigkeiten im Bereich des öffentlichen Dienstes bezieht (vgl. BAG Urteil vom 14. Dezember 1995 – 6 AZR 380/94 – AP Nr. 2 zu § 19 BAT-O, zu II 4 c der Gründe).

Die tarifliche Regelung in § 19 BAT-O und den Übergangsvorschriften läßt damit entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht den Schluß zu, bei der Überführung von Einrichtungen oder der Übernahme von Dienststellen seien alle Beschäftigungszeiten anzurechnen, die der überführte Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeber, dessen Dienststelle übernommen worden ist, vertraglich anerkannt hat. Eine Anrechnung als Beschäftigungszeit kann nur erfolgen, wenn die tariflichen Voraussetzungen dafür gegeben sind.

III. Der in dem Überleitungsvertrag enthaltene maschinenschriftliche Vermerk ist auch nicht als die einzelvertragliche Zusage einer übertariflichen Anrechnung anzusehen. Dafür bestehen im Hinblick auf den vor Inkrafttreten des § 19 BAT-O liegenden Erklärungszeitpunkt keine Anhaltspunkte, und dies hat die Klägerin selbst nicht behauptet. Sie hat sich nur darauf berufen, daß die durch den Vermerk bewirkte Gestaltung des Überleitungsvertrags zur Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen führe, was jedoch, wie dargelegt, im Tarifvertrag keine Stütze findet.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Augat, Bruse

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1087097

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