Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Erzieherin in Heimen und Horten

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung einer Erzieherin in Heimen und Horten mit der Lehrbefähigung für die Fächer Sport und Werkunterricht der unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule in der Tätigkeit einer Lehrerin in den unteren Klassen einer Grundschule.

 

Normenkette

BAT §§ 22, 23 Lehrer; BAT-O § 11

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 29.03.1995; Aktenzeichen 10 Sa 260/94)

ArbG Dresden (Urteil vom 20.12.1993; Aktenzeichen 8 Ca 654/93)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. März 1995 – 10 Sa 260/94 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 20. Dezember 1993 – 8 Ca 654/93 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin nahm von September 1972 bis zum Juni 1975 am Institut für Lehrerbildung „Edwin Hoernle” in Radebeul am Direktstudium der Erzieher teil und bestand am 30. Juni 1975 die staatliche Abschlußprüfung. Sie erwarb damit die Befähigung zur Arbeit als Erzieher in Heimen und Horten und die Lehrbefähigung für die Fächer Sport und Werkunterricht der unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule.

Seit dem 1. August 1975 arbeitete die Klägerin zunächst als Horterzieherin im Schuldienst. Seit dem 1. September 1981 ist sie ausschließlich als Lehrerin in unteren Klassen tätig, zuletzt an der Grundschule in F.

Beide Parteien sind aufgrund Organisationszugehörigkeit tarifgebunden. Im Änderungsvertrag vom 16. April 1992 zum Arbeitsvertrag vom 10. Dezember 1974 heißt es:

„§2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

§ 3

Für die Eingruppierung gilt der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung.

Danach ist der/die Angestellte in der Vergütungsgruppe IV b BAT-O eingruppiert.

…”

Das Oberschulamt Dresden teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 1992 mit, daß die Vergütung ab dem 1. Januar 1993 nach VergGr. V c BAT-O erfolgen werde.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe über den 31. Dezember 1992 hinaus ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O zu. Aufgrund ihrer erworbenen Lehrbefähigung sei sie einem Lehrer gleichzustellen. Die höhere Vergütung stehe ihr auch deshalb zu, weil ihr seit 1981 das höherwertige Amt einer Lehrerin übertragen worden sei.

Die Klägerin hat beantragt:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 1. Januar 1993 entsprechend der VergGr. IV b BAT-O zu vergüten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Auffassung vertreten, für die Eingruppierung seien die TdL-Richtlinien maßgebend. Dort seien die Vergütungen für Erzieher und Lehrer unterschiedlich geregelt. Die Klägerin weise keine Ausbildung in den Hauptfächern Deutsch und Mathematik auf und sei auch nicht in der Methodik des Deutschunterrichts ausgebildet worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts zur Klageabweisung. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O nicht zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung ausgeführt, die tariflichen Bestimmungen verwiesen hinsichtlich der Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte, zu denen die Klägerin gehöre, auf die beamtenrechtlichen Vorschriften der 2. BesÜV. Diese forderten für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 10, die der VergGr. IV b BAT-O entspreche, eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung und den Einsatz im Unterricht der Klassen 1 bis 4 an einer allgemeinbildenden Schule. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin. Ihre Ausbildung als Erzieherin sei als eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung i.S.d. 2. BesÜV anzusehen. Sie sei auch ausschließlich als Lehrerin in unteren Klassen tätig.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin erfüllt nicht die tariflichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O.

1. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung und auch arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Damit gelten für die Eingruppierung der Klägerin folgende Bestimmungen:

a) § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991

3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die

als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 1 I fallen,

beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …

b) Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 1 I BAT-O).

Nr. 1

Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –

Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen).

Protokollnotiz:

Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.

Nr. 3 a

Zu den §§ 23 bis 25 – Eingruppierung –

Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.

Soweit in der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung Ämter für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind, ist die Vergütung unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der Grundlage der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung arbeitsvertraglich zu regeln.

c) Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl. I S. 1345).

§ 7

Besoldungsordnungen

(1) Für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen gilt ergänzend Anlage 1 dieser Verordnung. …

Anlage 1

Besoldungsgruppe A 10

Lehrer 1) 2) 3)

– als Lehrer für untere Klassen im Unterricht der Klassen 1 bis 4 an einer allgemeinbildenden Schule –

1) Mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung.

2) Als Eingangsamt.

3) Soweit nicht in der Besoldungsgruppe A 11.

2. Die Klägerin ist Lehrkraft i.S.d. tariflichen Bestimmungen, da sie an einer allgemeinbildenden Schule des beklagten Landes Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebs vermittelt. Deshalb ist für ihre Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 die Anlage 1 a zum BAT-O nicht anzuwenden.

Die Eingruppierung erfolgt gem. § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vielmehr in die Vergütungsgruppe, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingruppiert wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Dabei verweisen die Tarifvertragsparteien in Nr. 3 a Unterabs. 1 SR 2 1 I BAT-O auf die Vorschriften der 2. BesÜV. Diese tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften ist nach der ständigen Rechtsprechung des Vierten Senats, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, zulässig (BAG Urteil vom 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; Urteile vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – und – 6 AZR 858/94 – beide zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

3. Nach den aufgrund der tariflichen Verweisung anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV steht der Klägerin ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe A 10 entspricht, nicht zu.

In die Besoldungsgruppe A 10 können Lehrer im Unterricht an allgemeinbildenden Schulen nur eingruppiert werden, wenn sie über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung verfügen.

Über eine solche verfügt die Klägerin nicht, da sie ihr Fachschulstudium am Institut für Lehrerbildung in Radebeul als Erzieherin abgeschlossen hat und nur über die Lehrbefähigung in den Fächern Sport und Werkunterricht verfügt. Sie ist deshalb nicht als „Lehrer” i.S.d. 2. BesÜV anzusehen.

Erzieher in Heimen und Horten mit der Lehrbefähigung für die Unterstufe der allgemeinbildenden Schulen unterschieden sich nach ihrer Bezeichnung, den Ausbildungsinhalten und -zielen sowie ihren Aufgaben von den Lehrern für untere Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule in der ehemaligen DDR. Dies hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 26. April 1995 (– 4 AZR 97/95 – AP Nr. 7 zu § 11 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausbildungsgänge für Lehrer, Erzieher und Pionierleiter im einzelnen ausgeführt. Dem hat sich der erkennende Senat in mehreren Entscheidungen angeschlossen, auf die er verweist (vgl. Urteile vom 8. August 1996 – 6 AZR 1035/94 – zur Veröffentlichung bestimmt, vom 26. September 1996 – 6 AZR 333/95 – zur Veröffentlichung bestimmt, – 6 AZR 173/95 – nicht veröffentlicht und – 6 AZR 232/95 – nicht veröffentlicht). Der vorliegende Fall gibt zur Überprüfung dieser Rechtsprechung keinen Anlaß.

III. Die Klägerin hat auch keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O zu. Ein solcher ergibt sich weder aus der Vereinbarung im Arbeitsvertrag noch aus den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen TdL-Richtlinien.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) folgt aus der Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag mit einer Lehrkraft, die nach § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O und Nr. 3 a SR 2 1 I BAT-O einzugruppieren ist, grundsätzlich kein von den entsprechenden Eingruppierungsbestimmungen unabhängiger vertraglicher Vergütungsanspruch. Dies beruht darauf, daß der öffentliche Arbeitgeber mit der in § 22 Abs. 3 BAT-O vorgeschriebenen Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag regelmäßig nur zum Ausdruck bringen will, welche Vergütungsgruppe er nach den maßgebenden Bestimmungen für zutreffend hält. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann der Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag deshalb nicht entnommen werden, der Arbeitgeber wolle eine von den Eingruppierungsbestimmungen unabhängige Vergütungsvereinbarung treffen.

Dies gilt auch für Lehrkräfte, bei denen sich die Eingruppierung nach den beamtenrechtlichen Vorschriften der 2. BesÜV richtet oder die Vergütung arbeitsvertraglich auf der Grundlage der Lehrerrichtlinien zu regeln ist, sofern die Anwendung der 2. BesÜV mangels eines der Ausbildung der Lehrkraft entsprechenden Amtes ausscheidet (BAG Urteil vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

Erweist sich die im Arbeitsvertrag angegebene Vergütungsgruppe bei Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften der 2.

BesÜV oder der Lehrerrichtlinien als unzutreffend, kann der Arbeitgeber einseitig eine Rückgruppierung vornehmen. Dies folgt für die Änderung von Eingruppierungen bis zum 31. Dezember 1992 auch aus dem Rechtsgedanken der Übergangsvorschrift zu § 22 BAT-O (BAG Urteil vom 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

2. Bei Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O.

Die Parteien haben in § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages auf die TdL-Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung Bezug genommen. In § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages heißt es ausdrücklich, daß danach der Angestellte in der VergGr. IV b eingruppiert ist. Die TdL-Richtlinien hatten in der Fassung der Ersten Änderung vom 23. Januar 1992, soweit hier von Interesse, folgenden Wortlaut:

E. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis

Vergütungsgruppe V c

  1. Angestellte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, Kindergärtnerin, Hortnerin, Kinderdiakon oder mit erfolgreich abgeschlossener entsprechender Ausbildung in der Tätigkeit von Lehrern in den Klassen 1 bis 43) an einer allgemeinbildenden Schule

    Vergütungsgruppe IV b

  2. Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen, die Unterricht in den Klassen 1 bis 43) an einer allgemeinbildenden Schule erteilen

Fußnote 3:

Hierunter fallen auch Lehrer, die bei entsprechender organisatorischer Zusammenfassung der Klassen 1 bis 6 in diesen Klassen Unterricht erteilen.

Die Eingruppierung im Arbeitsvertrag in VergGr. IV b BAT-O entsprach damit nicht den im Arbeitsvertrag als für die Eingruppierung allein maßgebend bezeichneten TdL-Richtlinien, die in Fallgruppe 2 eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung als Lehrer fordern, über die die Klägerin nicht verfügt. Diese Eingruppierung konnte deshalb vom Beklagten einseitig korrigiert werden, weil nach den TdL-Richtlinien nur die Vergütung nach VergGr. V c BAT-O in Frage kam.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1102138

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