Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Normenkette
ZPO §§ 233, 294
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 03.05.1994; Aktenzeichen 8 Sa 1482/93) |
ArbG Hildesheim (Urteil vom 12.08.1993; Aktenzeichen 2 Ca 224/93) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. Mai 1994 – 8 Sa 1482/93 – wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.
Die Klägerin war zunächst vom 1. Juni 1991 bis zum 31. Mai 1992 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme befristet bei dem beklagten Land in einer Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie beschäftigt. Unter dem 29. Juni 1992 schlossen die Parteien einen für die Zeit vom 1. Juni 1992 bis längstens 31. März 1993 befristeten Arbeitsvertrag über die Beschäftigung der Klägerin als „Sozialarbeiterin im Zeitangestelltenverhältnis” beim Niedersächsischen Landeskrankenhaus/Niedersächsische Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es fehle ein sachlicher Grund für die Befristung als Zeitangestellte. Sie hat bestritten, zur Vertretung von zwei halbtagsbeschäftigten Erziehungsurlauberinnen beschäftigt worden zu sein. Zumindest habe das beklagte Land ihr eine Verlängerung des befristeten Vertrages bis 31. Juli 1993 anbieten müssen, nachdem die eine Erziehungsurlauberin ihren Erziehungsurlaub kurzfristig um drei Monate verlängert hatte.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Befristung in dem Arbeitsvertrag vom 29. Juni 1992 unwirksam ist und zwischen den Parteien über den 31. März 1993 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat behauptet, der sachliche Grund für die befristete Vollzeitbeschäftigung der Klägerin sei der Vertretungsbedarf für zwei sich im Erziehungsurlaub befindende Halbtagskräfte gewesen. Dies sei der Klägerin in dem Vorstellungsgespräch am 27. Mai 1992 auch erklärt worden. Eine nach dem 31. März 1993 mögliche Halbtagsbeschäftigung bis zur Rückkehr der Arbeitnehmerin S. aus dem Erziehungsurlaub habe sie aus finanziellen Gründen abgelehnt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist die Revision durch Senatsbeschluß vom 15. Februar 1995 (– 7 AZN 904/94 –) zugelassen worden. Der Beschluß wurde den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 6. März 1995 zugestellt. Mit gefaxtem Schriftsatz vom 7. April 1995 bat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin um Eingangsbestätigung für die Revisionsschrift vom 2. April 1995. Ihm wurde am 10. April 1995 telefonisch mitgeteilt, daß eine Revisionsschrift vom 2. April 1995 bei Gericht nicht eingegangen sei.
Mit einem am 12. April 1995 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 10. April 1995 legte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin Revision ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diesen Antrag begründete er unter Bezugnahme auf eine im Schriftsatz enthaltene anwaltliche Versicherung im wesentlichen wie folgt: Er habe am Sonntag, dem 2. April 1995, die Revisionsschrift persönlich gefertigt und an diesem Tage selbst in den Briefkasten der Hauptpost eingesteckt. Es sei davon auszugehen, daß ein Fehler der Post in der Zeit nach der Abgabe den Zugang vereitelt habe, so daß die Klägerin kein Verschulden an der Versäumung der Revisionsfrist treffe.
Eine Revisionsschrift vom 2. April 1995 ist beim Bundesarbeitsgericht auch danach nicht eingegangen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht binnen eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses des Senats eingelegt worden ist (§§ 72 a Abs. 5 Satz 7, § 74 Abs. 1 ArbGG, § 554 a ZPO) und die nachgeholte Revisionseinlegung mangels Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrages nicht als rechtzeitig angesehen werden kann.
Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet (§§ 233, 234, 236 ZPO). Aufgrund des von ihrem Prozeßbevollmächtigten vorgetragenen und anwaltlich versicherten Sachverhalts hält es der Senat nicht, wie es für eine Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO erforderlich wäre, für überwiegend wahrscheinlich, daß die Revisionsfrist ohne Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin versäumt wurde. Dessen Verschulden aber steht einem Verschulden der Klägerin gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO).
1. Dafür, daß der entsprechende Schriftsatz bei der Postbeförderung durch die Deutsche Post AG verlorengegangen sein könnte, wie der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mutmaßt, liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor. Zwar kommt es nach allgemeinen gerichtlichen Erfahrungen durchaus zu Verzögerungen im Briefdienst der Post. Der – vollständige – Verlust von Briefsendungen ist demgegenüber jedoch äußerst selten. Daß der Schriftsatz beim Bundesarbeitsgericht verlorengegangen ist, ist nicht behauptet worden.
2. Fehlt es aber an einem Anhaltspunkt für den Verlust der Postsendung, mit der die Revision eingelegt werden sollte, sowohl im Bereich der Deutschen Post AG als auch beim Bundesarbeitsgericht, dann wäre es Sache der Klägerin gewesen, substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, daß der Revisionsschriftsatz im Bürobetrieb der Klägervertreter ordnungsgemäß erstellt und zur Post gegeben worden ist (vgl. für einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Verlustes eines Schriftsatzes auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist BAG Beschluß vom 21. Dezember 1987 – 4 AZR 540/87 –, n.v.). Beim Abhandenkommen von Schriftstücken, die zur Vornahme der Prozeßhandlung notwendig sind, ist zwar nicht die Art des Verlustes darzulegen und aufzuklären. Der Antragsteller muß aber glaubhaft machen, daß der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in dem Bereich eingetreten ist, für den er verantwortlich ist (vgl. BGHZ 23, 291, 293; BGH Beschluß vom 19. November 1991 – VI ZB 40/91 – VersR 1992, 899).
3. Zudem fehlt es an einer substantiierten Darlegung und Glaubhaftmachung der für die Verschuldensfrage entscheidenden Umstände. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin legt in seinem Schriftsatz vom 10. April 1995 unter Bezugnahme auf eine eigene anwaltliche Versicherung in ganz allgemeiner Weise in wenigen Zeilen dar, „er habe den Schriftsatz am Sonntag, dem 2. April 1995 selbst gefertigt und an diesem Tage in den Briefkasten der Hauptpost eingeworfen”. Weder aus diesem noch aus dem ergänzenden Schriftsatz vom 5. September 1995 ist erkennbar, daß der Verlust nicht mit großer Wahrscheinlichkeit im Verantwortungsbereich des Prozeßbevollmächtigten eingetreten ist. So ist insbesondere nicht glaubhaft gemacht worden, ob der angebliche Revisionsschriftsatz vom Prozeßbevollmächtigten selbst unterschrieben, für den Versand mit der richtigen Anschrift versehen und ordnungsgemäß frankiert wurde. Etwaige Mängel, die sich daraus ergeben, sind verschuldet. Der Prozeßbevollmächtigte hat auch nicht dargelegt, daß und wann er eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle vorgenommen hat und um welche Zeit die Briefsendung in welchen Briefkasten welcher Hauptpost zur Versendung eingeworfen wurde. Dieser Darlegung bedarf es insbesondere auch deshalb, weil der Klägerbevollmächtigte den Schriftsatz vom 2. April 1995 nicht nur diktiert, sondern am Sonntag auch offensichtlich technisch selbst erstellt haben will, ohne näher darzulegen, aus welchem Grund dafür noch an diesem Tage eine Notwendigkeit bestanden haben soll, statt bis zum darauffolgenden Montag abzuwarten, an dem das Büropersonal wieder anwesend war. Da sich ein Rechtsanwalt zur büromäßigen Abwicklung und Umsetzung seiner geistigen Tätigkeit typischerweise Büropersonals bedient, hätte der Prozeßbevollmächtigte darlegen müssen, warum ein solcher Einsatz hier nicht am Montag stattfinden konnte, zumal er nach seinen eigenen Darlegungen selbst davon ausgegangen ist, daß die Frist erst vier Werktage später, also zwei Werktage nach der von ihm selbst angenommenen Postlaufzeit, ablief. Auch die weiteren Umstände begründen Zweifel. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Prozeßbevollmächtigte einen Tag nach Ablauf der Revisionsfrist am 7. April 1995, an einem Freitag, um 16.57 Uhr eine Eingangsbestätigung für seinen Revisionsschriftsatz vom 2. April 1995 erbat, andererseits aber eine Antrage vor Ablauf der Revisionsfrist für entbehrlich gehalten hat.
4. Schließlich hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den Senat auch nicht in die Lage versetzt zu prüfen, ob es sich bei dem Schriftstück, das am 2. April 1995 zur Post gegeben worden sein soll, überhaupt um eine ordnungsgemäße Revisionsschrift handelte. Bei der angeblichen Revisionsschrift, die dem Schriftsatz vom 7. April 1995 beilag, handelt es sich lediglich um einen Briefkopf der klägerischen Prozeßbevollmächtigten, unter dem die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts, das Datum und die Angabe eines Diktatzeichens eingefügt wurden. Jeglicher Text sowie eine Unterschrift fehlen. Angesichts der sonstigen oben dargestellten Besonderheiten des vorliegenden Falles kann es der Senat demnach auch nicht für wahrscheinlich halten, daß eine den gesetzlichen Formerfordernissen entsprechende Revisionsschrift zur Post gegeben wurde.
II. Da der Senat die Revision zugelassen hatte, wird darauf hingewiesen, daß die Revision ohnehin unbegründet gewesen wäre. Der Sachgrund der Befristung lag, wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, vor. Die von der Klägerin aufgezeigte Divergenz bei der Anwendung der Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT, die zur Zulassung der Revision durch den Senat geführt hatte, ist nicht entscheidungserheblich, denn der zutreffende Befristungsgrund der Vertretung kann aufgrund des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Vertragsinhalts der richtigen Befristungsform zugeordnet werden (vgl. BAG Urteil vom 25. November 1992 – 7 AZR 191/92 – AP Nr. 150 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Steckhan, Schmidt, Düwell, G. Kleinke, Seiler
Fundstellen