Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutz bei vertraglicher Verpflichtung eines Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung im Rahmen von Dienstverträgen mit ausländischen, konzernzugehörigen Unternehmen zu erbringen
Leitsatz (amtlich)
1. Verpflichtet sich ein Arbeitnehmer in einem dem deutschen Recht unterliegenden Vertrag, seine Arbeitsleistung im Rahmen eines ergänzenden Dienstvertrages mit einem ausländischen, konzernzugehörigen Unternehmen zu erbringen, und behält sich der Vertragspartner vor, dem Arbeitnehmer selbst Weisungen und dienstliche Anordnungen zu erteilen und jederzeit ein neues zum Konzern gehörendes Unternehmen für den weiteren Auslandseinsatz des Arbeitnehmers zu bestimmen, so ist der Vertragspartner selbst Arbeitgeber und bei der Kündigung dieses Vertrages hat er deutsches Kündigungsschutzrecht zu beachten.
2. Beruft sich in diesem Fall der Arbeitgeber darauf, für den Arbeitnehmer sei die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit bei dem konzernzugehörigen Unternehmen weggefallen, so hat er dies nach allgemeinen Grundsätzen im Bestreitensfall substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Auch für fehlende Einsatzmöglichkeiten bei anderen zum Konzern gehörenden Unternehmen, bei denen der Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß beschäftigt werden könnte, obliegt dem Arbeitgeber eine gesteigerte Darlegungslast.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; KSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Juli 1997 – 8 Sa 230/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der am 18. März 1947 geborene Kläger, der argentinischer Staatsangehöriger ist, wurde für die Beklagte, von der über 40.000 Arbeitnehmer beschäftigt werden, zunächst vom 1. Februar 1975 bis 15. Februar 1977 als Chemieingenieur in L tätig. Er lebt von seiner deutschen Ehefrau getrennt und ist vier Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Unter dem 6. Januar 1977 schlossen die Parteien einen Vertrag, der u.a. ihr „Dienstverhältnis” zum 15. Februar 1977 aufhob. Danach hatte der Kläger seine weiteren Dienste für die Beklagte in der Weise zu leisten, daß er ab 16. Februar 1977 einen Dienstvertrag mit der B Argentina S.A. (Buenos Aires) abschloß, der die Abrede zwischen ihm und der Beklagten vom 6. Januar 1977 ergänzen sollte. Unter dem Datum des 2. Februar 1979 trafen die Parteien eine weitere – im Wortlaut dem Vertrag vom 6. Januar 1977 angenäherte – Vereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:
„1. Herr D beendet sein Dienstverhältnis mit B Argentina S.A./Argentinien am 15.02.1979, um ab 16.02.1979 als Chemie-Ingenieur im Rahmen seines Lateinamerika-Vertrages bei der B Brasileira S.A./Brasilien tätig zu sein.
Herr D leistet seine Dienste gemäß dieser Vereinbarung in der Weise, daß er ab 16.02.1979 einen Dienstvertrag mit B Brasileira S.A., Sao Paulo abschließt, der die vorliegende Vereinbarung ergänzt.
Herr D verpflichtet sich, auf Wunsch der B sein Dienstverhältnis mit B Brasileira S.A. jederzeit zu beenden, um zu einer anderen Gesellschaft der B -Gruppe in Lateinamerika überzutreten. Ein Anspruch auf Beschäftigung in der B -Gruppe außerhalb Lateinamerikas ist jedoch ausgeschlossen.
2. Herr D verpflichtet sich,
- unter Verzicht auf jede Nebenbeschäftigung seine gesamte Arbeitskraft den Interessen der B zu widmen und die geschäftlichen Angelegenheiten seines Wirkungsbereiches nach besten Kräften zu erledigen, wie sie von der B oder der Geschäftsleitung der Gesellschaft der B -Gruppe, bei der Herr D tätig ist, bestimmt werden,
- die Belange der B aufs Beste wahrzunehmen und die dienstlichen Anordnungen der B und ihrer Beauftragten zu befolgen,
…
3. Herr D erhält von B Brasileira S.A. ein Gehalt von
Cr. $ 55.000,00/Monat × 13.
Etwaige künftige Änderungen der Bezüge werden Herrn D jeweils von B Brasileira S.A. im Einvernehmen mit B mitgeteilt werden.
Unabhängig hiervon erhält Herr D während seiner Tätigkeit bei B Brasileira S.A. einen Betrag von 15.600,00 DM p. a. brutto, entsprechend 1.300,00 DM monatlich
durch B .
…
8. Dieser Vertrag unterliegt deutschem Recht. Ausschließlicher Gerichtsstand ist L /Rhein.”
Die Beklagte ist Aktionärin der B Brasileira S.A. Seit 16. Februar 1979 arbeitete der Kläger – wie zuvor schon für die B Argentina S.A. – als Projektingenieur für die B Brasileira S.A., mit der er am 1. Oktober 1979 einen schriftlichen Arbeitsvertrag schloß. Er wurde mit Planung, Abwicklung, Montage, Kostenrechnung und Kostenkontrolle von Chemieanlageprojekten betraut. Zuletzt leitete er seit Juli 1991 in S die Planungsgruppe A eines Projekts mit der Nr. GB0001, das den Aufbau einer Harzfabrik betraf. Dort wurden u.a. ein Herr C und eine Frau R beschäftigt; zumindest das Arbeitsverhältnis letzterer ist unstreitig nicht gekündigt. Frau R – geboren am 5. Juni 1954, Mutter zweier Kinder – wurde am 2. Oktober 1978 von der B Brasileira S.A. eingestellt.
Mit Schreiben vom 20. Juni 1994 – dem Kläger in Deutschland zugegangen am 2. Juli 1994 – kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. Dezember 1994. Bereits unter dem 31. Mai 1994 hatte die B Brasileira S.A. ihr Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gekündigt.
Während er die Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 1994 bereits mit der Klageschrift vom 13. Juli 1994 – beim Arbeitsgericht eingegangen am 15. Juli 1994 – angegriffen hat, hat er sich gegen die Kündigung der B Brasileira S.A. vom 31. Mai 1994 zunächst nicht gewandt, sondern sie erst mit Schriftsatz vom 27. Juni 1996 vor der brasilianischen Arbeitsgerichtsbarkeit angegriffen. Innerhalb des vorliegenden Rechtsstreits hat er erstmals mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1996 – beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 24. Dezember 1996 – gegenüber der Beklagten die Feststellung der Unwirksamkeit der von der B Brasileira S.A. erklärten Kündigung vom 31. Mai 1994 beantragt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nicht nur zwischen ihm und der B Brasileira S.A. bestehe ein Arbeitsverhältnis, sondern aufgrund der Verträge vom 6. Januar 1977 und 2. Februar 1979 auch zwischen ihm und der Beklagten. Der Hinweis auf die Beendigung des Dienstverhältnisses der Parteien in diesen Vereinbarungen stehe lediglich im Zusammenhang mit der weiteren Regelung, daß dem Kläger kein Anspruch auf weitere Beschäftigung bei der Beklagten und ihren Tochterunternehmen außerhalb Lateinamerikas zustehen solle. Die wesentlichen Pflichten eines Arbeitsverhältnisses seien in den beiden Verträgen vom 6. Januar 1977 und 2. Februar 1979 festgelegt worden. Der schriftliche Arbeitsvertrag mit der B Brasileira S.A. sei – wie in den Vereinbarungen mit der Muttergesellschaft ausdrücklich festgehalten – nur als Ergänzung gedacht gewesen. Dem hätten ausschließlich formale Gründe zugrunde gelegen, da nach brasilianischem Recht eine schriftliche Arbeitsvereinbarung notwendig gewesen sei.
Die Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 1994 sei sozialwidrig. Der Vortrag der Beklagten lasse ein dringendes betriebliches Erfordernis nicht erkennen, zumal er widersprüchlich sei. Zunächst habe sie behauptet, daß das Projekt, an dem der Kläger zuletzt gearbeitet habe, abgeschlossen gewesen sei und neue Investitionen und Anlagen an diesem Standort in absehbarer Zeit nicht mehr geplant gewesen seien. Erst nachdem der Kläger auf den organisatorischen Zusammenschluß der B Brasileira S.A. mit der Fa. G do Brasil – ebenfalls einem Tochterunternehmen der Beklagten – hingewiesen habe, habe die Beklagte eingeräumt, daß dieser bereits im Jahre 1991 stattgefunden habe, was zu personellen Maßnahmen im Jahre 1993 geführt habe, von denen der Kläger aber nicht betroffen gewesen sei. Die Projektgruppe, innerhalb derer der Kläger die Planungsgruppe A für die B Brasileira S.A. geleitet habe, habe nach der Fusion die Harzfabrik in S aufgebaut, diese Aufgabe sei noch nicht abgeschlossen. Die Planungsgruppe A werde nunmehr von der Ingenieurin R geleitet, wie sich aus einem offiziellen Organigramm der Beklagten ergebe. Investitionsprojekte, die nach ihrem Umfang und Rahmen den in der Vergangenheit vom Kläger bearbeiteten entsprächen, würden nach wie vor und auch künftig in Brasilien und Lateinamerika durchgeführt. Es handle sich um etwa 100 Projekte. Nicht nachzuvollziehen sei, wenn die Beklagte behaupte, die Kündigung des Klägers sei erforderlich geworden, weil durch die Fusion und Umorganisation die vierte Führungsebene, zu der der Kläger gehört habe, gestrichen worden sei. Dem stehe insbesondere entgegen, daß Herr C nicht entlassen worden sei, sondern die Projektgruppe D leite.
Der Kläger hat weiter behauptet, er könne nicht nur unverändert in Brasilien beschäftigt werden, sondern darüber hinaus als Projekt-, Betriebs- und Verfahrensingenieur in ganz Lateinamerika eingesetzt werden. Namentlich bei dem Tochterunternehmen der Beklagten in Mexiko seien im Jahre 1994 neue Arbeitsstellen für den Fachbereich Ingenieurwesen, hauptsächlich auf dem Gebiet der Wartung, geschaffen worden. Die Beklagte beabsichtige, in Mexiko während der nächsten fünf Jahre ca. 500 Millionen DM zu investieren. Bei den hiermit zusammenhängenden Aufgaben fielen Ingenieurarbeiten in großem Umfang an, die er wahrnehmen könne. Auch in Argentinien und Kolumbien habe er eingesetzt werden können. Schließlich hat der Kläger die Ansicht vertreten, er genieße höheren sozialen Schutz als seine Kollegen R und C, deren Aufgaben er wahrnehmen könne.
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Interesse – beantragt:
- Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.06.1994 nicht aufgelöst wurde.
- Es wird festgestellt, daß die Kündigung der B Brasileira S.A. vom 31.05.1994 unwirksam ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen, die zwischen den Prozeßparteien vereinbart sind, als Projektingenieur bei ihrem Tochterunternehmen B S.A. Brasilien in Brasilien weiterzubeschäftigen. Fürsorglich: bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Meinung vertreten, zwischen ihr und dem Kläger bestehe seit dem 16. Februar 1977 kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses sei durch den Vertrag vom 6. Januar 1977 aufgehoben worden. Seit dem 16. Februar 1979 gebe es nurmehr einen Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der B Brasileira S.A., wie sich auch daraus ersehen lasse, daß eine Rückkehr des Klägers zur Muttergesellschaft in Deutschland durch die Vereinbarungen vom 6. Januar 1977 und 2. Februar 1979 ausgeschlossen worden sei. Ein sog. einheitliches Arbeitsverhältnis mit dem Kläger einerseits sowie der Beklagten und der B Brasileira S.A. andererseits sei nicht gegeben, weil es an dem notwendigen Einheitlichkeitswillen fehle. Durch die Vereinbarung vom 2. Februar 1979 sei klargestellt, daß der Kläger der Beklagten keinerlei Arbeitsleistung geschuldet und sein Entgelt weit überwiegend von der B Brasileira S.A. erhalten habe. Während die Beklagte nur ungefähr 20 % der gesamten Bezüge des Klägers getragen habe, sei die B Brasileira S.A. mit 80 % seines Gehalts belastet gewesen. Aus der Vereinbarung vom 2. Februar 1979 zwischen den Parteien folge allenfalls, daß die Beklagte im Falle einer betriebsbedingten Kündigung durch die B Brasileira S.A. verpflichtet gewesen sei, für den Kläger ein Arbeitsverhältnis mit einer anderen Gesellschaft der B -Gruppe in Lateinamerika zu vermitteln. Mithin sei allein die B Brasileira S.A. Arbeitgeberin des Klägers, für das Arbeitsverhältnis zwischen diesen Vertragspartnern gelte brasilianisches Recht.
Gehe man trotz dieser Umstände von einem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis aus, sei dasselbe rechtswirksam beendet worden. Die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Das Projekt, an dem der Kläger zuletzt für die B Brasileira S.A. gearbeitet habe, sei abgeschlossen. Die dazugehörige Projektgruppe sei aufgelöst und alle ihr angehörenden 29 Mitarbeiter entlassen worden. Bei der Fusion zwischen der B Brasileira S.A. und der G do Brasil sei ein Personalüberhang entstanden. Durch den Zusammenschluß und die Umorganisation sei die vierte Führungsebene entfallen, und die auf dieser Ebene beschäftigten Arbeitnehmer seien entlassen worden. Wenn der Kläger unter Hinweis auf ein Organigramm behaupte, die Ingenieurin R leite nunmehr seine frühere Planungsgruppe A, so sei dies unzutreffend. Zum einen stelle es kein offizielles Organigramm der B Brasileira S.A. dar, sondern ein internes Abteilungspapier. Zum anderen wechsle die Zusammensetzung und Aufgabenstellung der Planungsgruppen je nach Auftragslage.
Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Brasilien bestehe nicht. Der Umfang der Projekte, die derzeit in Brasilien abgewickelt würden, sei mit den früheren Projekten nicht vergleichbar. Während das Investitionsvolumen in der Vergangenheit bei 100 Millionen DM jährlich gelegen habe, betrage es gegenwärtig lediglich 40 bis 50 Millionen DM. Die Beklagte habe sich daher aufgrund des Vertrags vom 2. Februar 1979 bemüht, dem Kläger ein Arbeitsverhältnis mit einer anderen Gesellschaft der B -Gruppe in Lateinamerika zu vermitteln, was erfolglos geblieben sei. Der Länderbereichsleiter Lateinamerika Süd der Beklagten, Herr W, habe für einen Projektingenieur in den Ländern, die seinem Bereich angehörten – Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay – keinen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen können. Gleiches habe der Länderbereichsleiter Lateinamerika Nord, Herr G, für seinen Bereich (Mexiko, Mittelamerika, Kolumbien, Equador, Peru, Venezuela, El Salvador, Guatemala und Costa Rica) mitgeteilt. In den in El Salvador, Guatemala und Costa Rica gelegenen Betrieben gebe es ohnehin keine Arbeitsplätze für Chemieingenieure, weil es sich bei ihnen im Schwerpunkt um Vertriebsgesellschaften ohne größere Produktionsanlagen handle. Die in Mexiko für den Aufbau in El Tamira benötigten Leistungen von Projekt-, Betriebs- und Verfahrensingenieuren würden durch aus Deutschland entsandte Ingenieure der Beklagten erbracht. Freie Arbeitsplätze habe es dort im Mai 1994 nicht gegeben.
Der seitens des Klägers benannte Herr C sei zum einen bei der B Brasileira S.A. ausgeschieden, zum anderen in seiner Funktion als Supervisor mit dem Kläger nicht vergleichbar gewesen. Auch die Ingenieurin R könne mit dem Kläger nicht verglichen werden. Sie übe keine Führungsfunktion aus und trage keine Personalverantwortung. Sie erhalte eine sehr viel geringere Vergütung und sei aufgrund ihrer Sozialdaten jedenfalls schutzbedürftiger als der Kläger.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Feststellungsantrag zu 1 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu den zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsbedingungen als Projektingenieur bei der B Brasileira S.A. weiterzubeschäftigen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten durch Teilurteil insoweit abgeändert, als es die Beklagte unter Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrags im übrigen verurteilt hat, den Kläger zu den Bedingungen der Vereinbarung vom 2. Februar 1979 als Projektingenieur zu beschäftigen. Unter Einbeziehung der in der Berufungsinstanz vorgenommenen Klageerweiterung hat es festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung der B Brasileira S.A. vom 31. Mai 1994 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 1994 aufgelöst worden ist.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte nach wie vor die gänzliche Abweisung der Feststellungs- und Weiterbeschäftigungsanträge.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsverhältnis, welches durch die Kündigung der Beklagten vom 2. Juli 1994 auch unter Berücksichtigung der Kündigung der B Brasileira S.A. vom 31. Mai 1994 nicht aufgelöst wurde (§ 1 KSchG).
I. Das Landesarbeitsgericht hat – z. T. durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils – angenommen, der Kläger habe sowohl zu der Beklagten als auch zur B Brasileira S.A. in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Die beiden Arbeitsverträge begründeten ein einheitliches Arbeitsverhältnis des Klägers mit zwei Arbeitgebern. Der Kläger habe daher durch seine Arbeit für die B Brasileira S.A. zugleich seine Arbeitspflicht gegenüber der Beklagten erfüllt. Wegen der Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses habe die Kündigung der B Brasileira S.A. die Vertragsbeziehungen zwischen dem Kläger und ihr nicht zu lösen vermocht. Hierfür sei zusätzlich die Kündigung der zweiten Arbeitgeberin – der Beklagten – erforderlich gewesen. Die beiden Kündigungen bildeten Teilakte einer einheitlichen Erklärung, die nicht durch ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sei.
Der von der Beklagten behauptete Personalüberhang sei zu pauschal dargetan, als daß der Schluß gezogen werden könne, der Arbeitsplatz des Klägers sei entfallen. Gleiches gelte für das Vorbringen, die vierte Führungsebene, der der Kläger angehört habe, sei weggefallen. Daß die Beklagte nicht verpflichtet sei, den Kläger als alleinige Arbeitgeberin zu beschäftigen, habe ihr nicht das Recht verliehen, das Arbeitsverhältnis nur deshalb betriebsbedingt zu kündigen, weil die B Brasileira S.A. gekündigt habe.
Darüber hinaus sei die Beklagte ihrer Darlegungslast hinsichtlich einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen lateinamerikanischen Tochterunternehmen nicht in hinreichendem Maße nachgekommen. Wenngleich der Kündigungsschutz grundsätzlich nicht konzernbezogen sei, sei der Kläger hier für den lateinamerikanischen Teil des Konzernbereichs der Beklagten eingestellt worden. Ihr habe mithin oblegen, zunächst seine Unterbringung in einem anderen Konzernbetrieb Lateinamerikas zu versuchen.
Bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits überwiege das Weiterbeschäftigungsinteresse des Klägers, dem keine vorrangigen schützenswerten Belange der Beklagten entgegenstünden. Allerdings könne der Kläger seine Weiterbeschäftigung weder ausschließlich bei der B Brasileira S.A. noch außerhalb Lateinamerikas verlangen, er könne vielmehr in ganz Lateinamerika eingesetzt werden.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
1. Auf den Vertrag der Parteien vom 2. Februar 1979 findet das deutsche Arbeitsrecht Anwendung. Dies folgt aus der unter Ziff. 8 Satz 1 der Vereinbarung getroffenen zulässigen Rechtswahl. Der Vertrag genießt die privatautonome Freiheit der Rechtswahl, obgleich er vor dem 1. September 1986 geschlossen wurde und Art. 27 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 EGBGB n. F. auf ihn deshalb wegen Art. 220 Abs. 1 EGBGB noch keine Anwendung finden (BAG Urteil vom 30. April 1987 – 2 AZR 192/86 – BAGE 55, 236 = AP Nr. 15 zu § 12 SchwbG; Junker, SAE 1989, 328, 329; Reiserer, NZA 1994, 673, 674).
2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, daß das Berufungsgericht nicht nur den Vertrag zwischen dem Kläger und der B Brasileira S.A. vom 1. Oktober 1979, sondern auch die mit der Beklagten getroffene Vereinbarung vom 2. Februar 1979 als Arbeitsvertrag qualifiziert hat.
a) Obwohl der Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten vom 6. Januar 1977 in weiten Teilen wortgleich abgefaßt war, handelt es sich bei der Vereinbarung vom 2. Februar 1979 um keinen typischen, sondern um einen nichttypischen, einzelfallbezogenen Vertrag. Die inhaltliche Ähnlichkeit beider Abreden resultiert aus den individuellen Besonderheiten der Vertragsbeziehungen der Parteien, die der Konzernmutter den flexiblen Einsatz des Klägers bei deren Töchtern in Lateinamerika erlauben sollten. Daß ähnliche Vertragsmuster auch gegenüber anderen Vertragspartnern der Beklagten verwendet worden wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Auslegung von nichttypischen Verträgen ist grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte und revisionsrechtlich nur begrenzt daraufhin überprüfbar, ob bei der Interpretation des Vertrags die Rechtsvorschriften der §§ 133 und 157 BGB richtig angewandt wurden, ob dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen und der Tatsachenstoff vollständig verwertet wurde (ständige Rechtsprechung, zuletzt Senatsurteile vom 17. September 1998 – 2 AZR 725/97 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen und vom 11. März 1998 – 2 AZR 287/97 – EzA § 37 GmbHG Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 73 Rz 16, m.w.N.).
b) Diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab hält das angegriffene Teilurteil stand. Indem das Berufungsgericht ausgeführt hat, mit der Arbeit bei der brasilianischen Tochtergesellschaft habe der Kläger nicht nur seine Arbeitsverpflichtung dieser gegenüber, sondern zugleich seine Arbeitspflicht gegenüber der Beklagten erfüllt, obwohl er der B Brasileira S.A. seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen gehabt habe, hat das Landesarbeitsgericht den Tatsachenstoff insoweit vollständig berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Revision setzt die Arbeitsverpflichtung als Hauptleistungspflicht nicht zwingend voraus, daß der Arbeitsverpflichtete seine Dienstleistung gerade dem Berechtigten schulde, also die versprochenen Dienste im Rahmen der Betriebe des Berechtigten zu leisten habe. Ein Rechtssatz des Inhalts, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft stets zumindest auch bei dem in Anspruch genommenen Vertragspartner einsetzen müsse, existiert nicht. Es kommt bei vertraglichen Drittbeziehungen und mit ihnen einhergehenden „geteilten Arbeitgeberfunktionen” (zu diesen Begriffen Konzen, ZfA 1982, 259, 264 ff., insbesondere 279 bis 284) auf den im Einzelfall erkennbaren Parteiwillen an. Ohne auf normierte Drittbeziehungen wie etwa die echte Leiharbeit gemäß dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zurückgreifen zu müssen, sind gerade auch bei Arbeitsverhältnissen in einem Konzerngefüge Gestaltungen denkbar, in denen einem der beiden dem Arbeitnehmer gegenüberstehenden Vertragspartner dessen Arbeitsleistung nicht unmittelbar zukommt. Obwohl im zu entscheidenden Sachverhalt keine Feststellungen darüber getroffen sind, wie das Innenverhältnis der Beklagten und der B Brasileira S.A. ausgestaltet ist, steht dies der Annahme eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten nicht entgegen. Daß es sich bei beiden Gesellschaften um konzernverbundene Unternehmen i.S.v. §§ 311 ff. AktG handelt, wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Ob herrschende und abhängige Unternehmen i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG oder aber rechtlich selbständige Unternehmen i.S.d. § 18 Abs. 2 AktG anzunehmen sind, ist für die Beurteilung der Frage der Arbeitgeberstellung der Beklagten nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht bei seiner Auslegung berücksichtigt, daß der Kläger eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht nur gegenüber der B Brasileira S.A., sondern (schon) gegenüber der Beklagten eingegangen ist, und daß dies gerade auch aus Ziff. 1 Abs. 2 des Vertrages deutlich wird, wonach er „seine Dienste gemäß dieser Vereinbarung in der Weise” zu leisten hat, „daß er ab 16.02.1979 einen Dienstvertrag mit B Brasileira S.A., Sao Paulo, abschließt, der die vorliegende Vereinbarung ergänzt” (Hervorhebung durch den Senat). Hinzu kommt, daß der Beklagten in Ziff. 2 a) a.E. und 2 b) der Vereinbarung vom 2. Februar 1979 gleichgeordnet neben der B Brasileira S.A. das Direktionsrecht eingeräumt wurde, d.h. die Beklagte sollte ebenso wie die B Brasileira S.A. die Arbeitsleistung des Klägers und damit seine Hauptleistungspflicht inhaltlich bestimmen dürfen. Die Direktionsbefugnis ist für den Arbeitgeberbegriff von entscheidender Bedeutung, weil das Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer aus gedacht wird. Arbeitgeber ist, wer zumindest einen Arbeitnehmer beschäftigt. Arbeitnehmer wiederum ist, wer persönlich abhängig ist, wobei die persönliche Abhängigkeit anhand verschiedener arbeitsorganisatorischer – nicht wirtschaftlicher – Indizien wie der örtlichen, zeitlichen und inhaltlichen Weisungsgebundenheit sowie der Eingliederung in den Betrieb festgestellt wird (Konzen, aaO, S. 289), die nicht notwendig kumulativ erfüllt sein müssen. Daß es für die Arbeitgeberstellung auf die Eingliederung in den Betrieb nicht ausschließlich ankommt, wurde bereits ausgeführt. Hier nutzte die Beklagte innerhalb ihrer unternehmerischen Planung die Arbeitskraft des Klägers, um ihn bei ihrer brasilianischen Tochter einsetzen zu können, wobei ihr vertraglich Einzelweisungsbefugnis eingeräumt wurde. Daß das Landesarbeitsgericht die unter Ziff. 2 c) bis e) der Vereinbarung vom 2. Februar 1979 bezeichneten Nebenpflichten, die sämtlich gegenüber der Beklagten selbst begründet wurden, zugunsten der Arbeitgeberstellung gewertet hat, läßt gleichfalls keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen. Aus Ziff. 2 a) a.E. läßt sich insbesondere entnehmen, daß der Vertrag zwischen der Muttergesellschaft und den Töchtern zu differenzieren versteht. Gleiches gilt für die Berücksichtigung der ursprünglichen Festsetzung der Grundvergütung durch die Beklagte, die Erforderlichkeit ihres Einvernehmens bei Entgeltveränderungen (Ziff. 3 Satz 1 bis Satz 3 des Vertrags vom 2. Februar 1979) und die Pflicht der Beklagten, teilweise Vergütung und Aufwendungsersatz zu leisten.
Unter diesen Umständen erscheint die Annahme der Revision, es handele sich um einen Vertrag sui generis, der die Beklagte lediglich im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten zur Verschaffung eines Arbeitsvertrages mit lateinamerikanischen Konzerntöchtern verpflichte und frei von Bindungen des Kündigungsschutzgesetzes kündbar sei, eher fernliegend. Jedenfalls würde der Senat, wenn er sich die Ansicht der Revision zu eigen machen würde, die Vertragsauslegung an sich ziehen, ohne daß revisionsrechtlich beachtliche Auslegungsfehler dafür den Weg frei machen würden.
3. Ob vorliegend ein „einheitliches Arbeitsverhältnis” i.S. des Urteils des Siebten Senats des BAG vom 27. März 1981 (– 7 AZR 523/78 – BAGE 37, 1 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitgebergruppe) anzunehmen ist, kann dahinstehen.
a) Auch wenn dies abzulehnen wäre (vgl. Schwerdtner, ZIP 1982, 900; Schulin, SAE 1983, 294; Wiedemann, Anm. zu AP, aaO), wären ungeachtet des § 23 Abs. 1 KSchG und der fehlenden Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten die Grundgedanken des § 1 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien entsprechend anzuwenden, weil diese wirksam die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart haben (vgl. oben zu 1; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., Einl. Rz 80 f.; Pohl, NZA 1998, 735, 738) und dem Kläger ein Anspruch auf Beschäftigung innerhalb der B -Gruppe in Lateinamerika zustehen sollte (Ziff. 1 Abs. 3 des Vertrags vom 2. Februar 1979). Soweit der Senat im Urteil vom 9. Oktober 1997 (– 2 AZR 64/97 – AP Nr. 16 zu § 23 KSchG 1969) erkannt hat, die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG müßten im Inland erfüllt werden, ging es um die normative Geltung bei einem im Inland beschäftigten Arbeitnehmer; die Entscheidung betraf nicht den Fall der ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung der Anwendbarkeit deutschen Rechts für einen im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer. Die ausdrückliche Einräumung eines (partiell) konzernweiten Beschäftigungsanspruchs würde keinen Sinn machen, wenn er nicht durch einen entsprechenden allgemeinen Kündigungsschutz gesichert wäre, sondern auch ohne besonderen Kündigungsgrund durch Kündigung zum Wegfall gebracht werden könnte. In Verbindung mit Ziff. 8 des Vertrages ergibt sich deshalb aus der genannten Vertragsbestimmung, daß die Beklagte sich ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung der Beschäftigung des Klägers innerhalb der B -Gruppe in Lateinamerika nur aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) oder aus solchen Gründen entledigen können sollte, wie sie § 1 KSchG vorsieht (vgl. auch Senatsurteil vom 27. November 1991 – 2 AZR 255/91 – AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Konzern, zu B III 1 der Gründe).
Nach dem Arbeitsvertrag vom 2. Februar 1979 war die Beklagte also vorbehaltlich einer wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, eine Beschäftigung des Klägers bei der B Brasileira S.A. oder einer anderen Gesellschaft der B -Gruppe in Lateinamerika zu gewährleisten. Wenn kein „einheitliches Arbeitsverhältnis” anzunehmen ist, bestand diese Verpflichtung unabhängig vom rechtlichen Schicksal des Arbeitsverhältnisses des Klägers zur B Brasileira S.A., welches nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, d.h. selbst dann, wenn die Kündigung der B Brasileira S.A. vom 31. Mai 1994 nach brasilianischem Recht wirksam war oder wenn deren Wirksamkeit – was allerdings kaum in Betracht kommen dürfte (vgl. Pohl, aaO) – wegen der im Vertrag vom 2. Februar 1979 vereinbarten Rechtswahl ebenfalls nach deutschem Recht zu beurteilen wäre und gem. § 7 KSchG fingiert würde. Die entsprechende Anwendung von § 1 KSchG bedeutet, daß die Beklagte substantiiert hätte darlegen müssen, daß sie keine Möglichkeiten mehr hatte, den Kläger bei der B Brasileira S. A. weiter einzusetzen, sei es, weil dem Kläger dort aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse keine Arbeit mehr zugewiesen werden konnte, sei es, weil die Beklagte die B Brasileira S.A. trotz tatsächlicher Beschäftigungsmöglichkeiten nicht zur Zurücknahme der Kündigung vom 31. Mai 1994 bzw. zur Neueinstellung des Klägers zu bewegen vermochte.
Zu letzterem hat die Beklagte nicht dargelegt, daß sich an ihrer bei Abschluß des Vertrages vom 2. Februar 1979 offenbar vorhandenen, letztlich auch von der Beklagten eingeräumten Einflußmöglichkeit irgend etwas geändert gehabt hätte, wobei es keine Rolle spielt, ob die Möglichkeit der Einflußnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen (z.B. aufgrund eines Beherrschungsvertrages) oder eher nur faktisch bestand (vgl. auch Senatsurteil vom 27. November 1991 – 2 AZR 255/91 – AP, aaO, zu B III 1 a. E.).
Was die vorhandene Arbeit angeht, so hat bereits das Arbeitsgericht mit eingehender Begründung ausgeführt, die Beklagte habe dringende betriebliche Erfordernisse nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Das Landesarbeitsgericht ist dem gefolgt (III. Abs. 2 der Entscheidungsgründe), denn auch in der Berufungsinstanz hat die Beklagte insoweit nicht entscheidend nachgebessert. Revisionsrechtlich sind die Ausführungen des Arbeitsgerichts, die sich das Landesarbeitsgericht zu eigen gemacht hat, nicht zu beanstanden, und die Revision hat insoweit auch keine über die Negierung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hinausgehenden Rügen erhoben. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, sich mittels ihres von ihr selbst eingeräumten Einflusses auf die B Brasileira S.A. die notwendigen Informationen für einen substantiierten Sachvortrag zu verschaffen und diese in das Verfahren einzuführen.
b) Wäre dagegen von einem „einheitlichen Arbeitsverhältnis” im Sinne der Rechtsprechung des Siebten Senats des BAG vom 27. März 1991 (aaO) auszugehen, würde nichts anderes gelten. Die Kündigungsvoraussetzungen müßten grundsätzlich im Verhältnis zu jedem der Beteiligten gegeben sein. Auch hier hätte die Beklagte substantiiert dringende betriebliche Erfordernisse darzulegen gehabt, die der Weiterbeschäftigung des Klägers in dem brasilianischen Betrieb entgegenstanden. Daran fehlt es. Auf die Fiktion des § 7 KSchG könnte sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil das einheitliche Arbeitsverhältnis nur von beiden auf Arbeitgeberseite beteiligten Unternehmen gekündigt werden könnte. Die Kündigung der B Brasileira S.A. vom 31. Mai 1994 wäre bestenfalls als Teilakt einer einheitlichen Kündigungserklärung zu werten. Dann aber liefe die Klagefrist des § 4 KSchG erst ab Zugang der Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 1994. Hierauf bezogen hätte der Kläger die Klagefrist eingehalten.
4. Kann demnach schon nicht davon ausgegangen werden, dem weiteren Einsatz des Klägers im bisherigen Beschäftigungsbetrieb in Brasilien hätten dringende betriebliche Erfordernisse entgegengestanden, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Kündigung durch Einsatz des Klägers in einem anderen Betrieb der B -Gruppe in Lateinamerika vermieden werden konnte. Insoweit ist dem angefochtenen Urteil grundsätzlich darin beizupflichten, daß bei einem Konzernbezug des Kündigungsschutzes wie im vorliegenden Fall an die Darlegungslast des Arbeitnehmers geringere und an die des Arbeitgebers strengere Anforderungen zu stellen sind. Der Arbeitnehmer wäre in der Regel überfordert, wenn er konkrete freie Arbeitsplätze in einem der ausländischen Konzernunternehmen benennen müßte. Insbesondere mit seinen Ausführungen zu Einsatzmöglichkeiten in Mexiko dürfte der Kläger seiner Darlegungslast genügt haben. Dem und der Frage, ob die Beklagte ihrerseits insoweit ausreichend substantiiert vorgetragen hat, brauchte der Senat jedoch aus den oben zu 1. bis 3. genannten Gründen nicht nachzugehen.
5. Der die Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 1994 betreffende Kündigungsschutzantrag beinhaltet zugleich, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zuvor schon durch andere Auflösungstatbestände aufgelöst wurde (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 909/94 – BAGE 81, 111 = AP Nr. 48 zu § 519 ZPO, m.w.N.). Der die Kündigung vom 31. Mai 1994 betreffende Antrag dient deshalb nur der Klarstellung, wie der Kläger im Schriftsatz vom 23. Dezember 1996 eindeutig zum Ausdruck gebracht hat. Diese Klarstellung ist wegen des im Arbeitsvertrag vom 2. Februar 1979 insbesondere in Ziff. 1 Abs. 2 hergestellten Bezugs zu dem vereinbarungsgemäß mit der B Brasileira S. A. abgeschlossenen Vertrag sachgerecht und, auch was die im Tenor des angefochtenen Urteils gewählte Form anbetrifft, nicht zu beanstanden. Die auf vorläufige Weiterbeschäftigung gerichteten Anträge des Klägers sind mit der abschließenden Entscheidung des Senats über den Kündigungsschutzantrag erledigt.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Engel, Beckerle
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.01.1999 durch Anderl, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 353 |
BB 1999, 2513 |
BB 1999, 748 |
DB 1999, 806 |
DStR 1999, 1918 |
NJW 1999, 3143 |
ARST 1999, 260 |
EWiR 1999, 415 |
FA 1999, 205 |
NZA 1999, 539 |
SAE 1999, 267 |
ZIP 1999, 852 |
AP, 0 |
AuA 2000, 134 |
IPRax 2000, 540 |