Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Änderungskündigung nach betrieblicher Organisationsänderung. Betriebsbedingte Änderungskündigung nach Änderung der betrieblichen Organisation. Kündigung
Orientierungssatz
- Die Übertragung der Aufgaben von Außendienstmitarbeitern (sog. Field-Koordinatoren) in der klinischen Begleitforschung eines Pharmaunternehmens auf ein Drittunternehmen kann zum Wegfall ihrer Arbeitsplätze und zu einem dringenden betrieblichen Erfordernis für eine ordentliche Änderungskündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG führen.
- Ob die zur Änderungskündigung vom Arbeitgeber angeführten betriebliche Erfordernisse dringend sind, beurteilt sich anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
- Bietet ein Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen (hier: statt Außen- nunmehr eine Innendiensttätigkeit im weit vom Wohnort der Arbeitnehmerin entfernten Firmensitz) an, so ist ein solches Angebot nicht deshalb unbillig, weil der Arbeitnehmerin eine freie Mitarbeit im bisherigen Arbeitsgebiet und vom bisherigen Standort aus hätte angeboten werden können. § 2 Satz 1 KSchG stellt die Änderungskündigung in den Zusammenhang mit der Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses. Das mögliche Angebot einer freien Mitarbeit ist daher grundsätzlich kein “milderes Mittel” gegenüber dem Angebot einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen als Arbeitnehmer.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1-3, § 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. April 2000 – 12 Sa 112/99 – aufgehoben, soweit es auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 4. Dezember 1998 – 7 Ca 323/98 – abgeändert und festgestellt hat, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 1998 nicht zum 31. Oktober 1998 aufgelöst worden ist.
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 4. Dezember 1998 – 7 Ca 323/98 – wird insgesamt zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.
Die Beklagte, die Arzneimittel herstellt und vertreibt, unterhält in ihrer Zentrale in Neuß ua. eine Abteilung “Klinische Forschung” mit 35 Mitarbeitern. Diese betreuen die notwendigen klinischen Studien für die Zulassung von der Beklagten entwickelter Arzneimittel. Die klinische Erprobung von neuentwickelten medizinischen Präparaten erfolgt an freiwilligen Probanden in Forschungseinrichtungen, Universitätskliniken und großen Arztpraxen. Zur Koordination und Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung dieser Prüfungen setzte die Beklagte bis 1995 sechs sog. “Field-Koordinatoren/innen” ein, die als Außendienstmitarbeiter in den Großräumen Hamburg, Düsseldorf, Koblenz, Mannheim, München und Kassel die Einhaltung der Arzneimittelprüfungsrichtlinien in den Einrichtungen kontrollierten und sicherstellten.
Die Klägerin arbeitete seit dem 1. August 1988 für die Beklagte als “Field-Koordinatorin” für das Gebiet Kassel. In ihrem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 19. Juli 1988 ist unter dem Stichwort Tätigkeit weiter vereinbart:
“Die Tätigkeit ist nach den Anweisungen des jeweiligen Vorgesetzten (lt. Organigramm) zu erledigen. Die J. GMBH hat das Recht, den Mitarbeiter auch für andere Arbeiten und in anderen Abteilungen einzusetzen.”
Nach der Geburt ihres Sohnes (geb. 31. Juli 1993) und ihrer Tochter (geb. 7. Juli 1995) befand sich die Klägerin bis zum 7. Juli 1998 im Erziehungsurlaub.
Auf Grund gestiegener gesetzlicher und behördlicher Anforderungen an die klinischen Überprüfungen im Zusammenhang mit den Arzneimittelzulassungen ging die Beklagte seit 1995 dazu über, die klinischen Studien vor Ort durch Drittunternehmen (sog. CRO = Clinical Research Organisations) kontrollieren zu lassen. Sie schaffte ab 1995 die Position der “Field-Koordinatoren/innen” ab. Statt dessen setzte sie sog. “Research-Assistants” im Innendienst in Neuß ein, die unabhängig von den Regionalgebieten projektbezogen die CROs koordinieren und kontrollieren. Aus besonderen Anlässen besuchen die “Research-Assistants” auch selbst Kliniken und andere Einrichtungen, in denen von ihnen betreute Projekte abgewickelt werden. Eine der “Field-Koordinatorinnen” wechselte 1993 in eine Research-Assistant-Position. Die übrigen ehemaligen “Field-Koordinator/innen” sind zwischenzeitlich ausgeschieden. Eine frühere “Field-Koordinatorin” arbeitet als freie Mitarbeiterin weiter.
Am 13. Mai 1998 führten die Parteien ein Gespräch über den weiteren Einsatz der Klägerin nach ihrem beendeten Erziehungsurlaub. Die Beklagte bot der Klägerin an, entweder am Sitz der Zentrale in Neuß im Innendienst zu arbeiten oder eine freiberufliche Tätigkeit im Außendienst mit vergleichbaren Aufgaben wie bisher aufzunehmen. Im Nachgang zu diesem Vorgespräch schlug die Beklagte der Klägerin auch eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1998 oder die Prüfung einer freiberuflichen Tätigkeit “innerhalb eines Projekts” vor. Die Klägerin lehnte einen Wechsel in eine Tätigkeit als “Research-Assistant” ebenso wie eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1998 ab. Auf Grund ihrer familiären Situation bestand sie auf einer “vergleichbaren Tätigkeit” im Raum Kassel. Mit Anwaltsschreiben vom 20. Juli 1998 erklärte sie sich zu einer Einarbeitung “auf der alten Stelle” bereit, um dann “freiberuflich, allerdings mit einer gewissen Absicherung” weiter beschäftigt zu werden.
Mit Schreiben vom 20. Juli 1998 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Oktober 1998 und bot ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Neuß als wissenschaftliche Assistentin in der klinischen Forschung zu gleichen Bedingungen an. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung nicht zu.
Die Klägerin nahm das Angebot nicht – auch nicht unter Vorbehalt – an.
Mit ihrer Klage hat sie die Ansicht vertreten, ihre Tätigkeit sei nicht weggefallen und es lägen deshalb keine betriebsbedingten Gründe für die Änderungskündigung vor. Nach wie vor würden die Ärzte und die Kliniken durch “CROs” oder teilweise durch angestellte Mitarbeiter besucht. Die Forschungseinrichtungen würden nur formal von den Innendienstmitarbeitern betreut. Die “Research-Assistants” seien bis auf einen Tag, an dem sie sich in Neuß aufhielten, wie früher vor Ort tätig. Die Stellenanzeige vom 25. September 1999 zeige, daß die Beklagte nach wie vor “Field-Based-Monitore” einsetze. Es bestehe deshalb weiterhin die Möglichkeit, sie ihrem Arbeitsvertrag entsprechend im Rahmen der klinischen Forschung mit Einsatz von Kassel aus zu beschäftigen. Dies gelte um so mehr, als vieles über das Internet geregelt werden könne. Wie auch den anderen “Field-Koordinatoren” hätte die Beklagte ihr zumindest eine freiberufliche Tätigkeit mit einem vergleichbaren Arbeitsinhalt anbieten müssen. Die Kündigung sei ferner nach § 612a BGB unwirksam. Sie sei letztendlich ausgesprochen worden, weil sie sich im Erziehungsurlaub befunden habe. Wäre sie nicht im Erziehungsurlaub gewesen, wäre mit ihr wie mit den anderen früheren “Field-Koordninatoren/innen” eine Einigung getroffen worden.
Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse – zuletzt beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juli 1998 nicht zum 31. Oktober 1998 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags darauf verwiesen, die ursprünglich von der Klägerin von Kassel aus wahrgenommene Außendiensttätigkeit zur Betreuung der klinischen Erprobungen sei weggefallen. Auf Grund des Einsatzes von Drittunternehmen und der Tätigkeit der “Research-Assistants” werde die klinische Begleitforschung nunmehr anders koordiniert und kontrolliert. Nach der Rückkehr der Klägerin aus ihrem Erziehungsurlaub habe ihr nur eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als “Research-Assistant” in Neuß angeboten werden können. Ein Angebot zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit als freie Mitarbeiterin komme nicht in Betracht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat – soweit für die Revision noch von Interesse – festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juli 1998 nicht zum 31. Oktober 1998 aufgelöst worden ist. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, mit der sie die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung begehrt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Sie führt im Umfang des Revisionsangriffs zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die von der Klägerin nicht unter Vorbehalt angenommene Änderungskündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Oktober 1998 aufgelöst.
- Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen angenommen, die Änderungskündigung sei rechtsunwirksam, weil die Beklagte weder dringende betriebliche Erfordernisse zur erforderlichen Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin dargelegt habe, noch der Klägerin die ihr unterbreitete Vertragsänderung zumutbar gewesen sei. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, daß das unternehmerische Organisationskonzept mit der Auslagerung der Aufgaben der “Field-Koordinatoren” auf Drittunternehmen nicht ohne Kündigung der Klägerin umsetzbar gewesen sei. Die von der Klägerin früher ausgeführten Tätigkeiten würden nunmehr von angestellten Mitarbeitern, freien Mitarbeitern – wie Frau Dr. T. – und den sog. CROs erledigt. Das Angebot einer Weiterbeschäftigung der Klägerin als “Research-Assistant” in Neuß sei unbillig und für sie nicht annehmbar gewesen. Die Beklagte habe auch die von der Klägerin angeregte Prüfung unterlassen, ihr eine Tätigkeit mit CRO-Inhalt als freie Mitarbeiterin zu existentiellen Bedingungen zu übertragen.
Dem folgt der Senat nicht.
Die ordentliche Änderungskündigung der Klägerin ist aus dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 2 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs lagen dringende betriebliche Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin zu ihren bisherigen Arbeitsbedingungen als “Field-Koordinatorin” für das Gebiet Kassel entgegenstanden. Dabei hat sich die Beklagte darauf beschränkt, der Klägerin nur solche Vertragsänderungen vorzuschlagen, die sie billigerweise hinnehmen mußte.
- Für eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG müssen hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigung die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 KSchG vorliegen. Dabei ist auch bei einer Ablehnung des Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer – wie hier – nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf das Änderungsangebot und seine soziale Rechtfertigung abzustellen (st. Rspr. Senat 19. Mai 1993 – 2 AZR 584/92 – BAGE 73, 151; 17. Juni 1998 – 2 AZR 336/97 – BAGE 89, 149). Bei der Frage der sozialen Rechtfertigung iSd. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil die Rechtsbegriffe selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen der §§ 2, 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. Senat, beispielsweise 17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99 – und – 2 AZR 522/98 – BAGE 92, 71 und 92, 61). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.
Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlaß zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzunehmen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muß (Senat 12. November 1998 – 2 AZR 91/98 – BAGE 90, 182; 11. Juli 1999 – 2 AZR 826/98 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 53 = EzA KSchG § 2 Nr. 35; 27. September 2001 – 2 AZR 246/00 – EzA SD 2002, Nr. 7).
Eine Änderungskündigung ist ua. durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb überhaupt oder unter Zugrundelegung des Vertragsinhalts zu den bisherigen Arbeitsbedingungen entfällt (Senat 18. September 1997 – 2 AZR 657/96 – EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 97).
Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber die gerichtlich nur auf Willkür hin zu überprüfende unternehmerische Organisationsentscheidung getroffen hat, eine Abteilung stillzulegen, bestimmte Arbeiten an ein anderes Unternehmen zur selbständigen Erledigung zu vergeben und/oder an einem bestimmten Standort zu konzentrieren (vgl. Senat 30. April 1987 – 2 AZR 184/86 – BAGE 55, 262, 269 f.; 26. September 1996 – 2 AZR 200/96 – BAGE 84, 209; 27. September 2001 – 2 AZR 246/00 – aaO.). Nach der gegenwärtigen Wirtschafts- und Sozialordnung trägt der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko für die zweckmäßige Einrichtung und Gestaltung des Betriebes. Der Arbeitgeber ist auf Grund seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich bis an die Grenze der Willkür berechtigt, seine betrieblichen Aktivitäten einzuschränken und bestimmte bisher in seinem Betrieb verrichtete Arbeiten an Dritte fremd zu vergeben. Hierzu gehört zweifellos genauso das Recht, sein Unternehmen aufzugeben bzw. selbst darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben und welche unternehmerische Ziele es verfolgen soll (Senat 12. November 1998 aaO), wie die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden sollen (BAG 27. September 2001 – 2 AZR 246/00 – aaO). Dementsprechend kann ihn das gesetzliche Kündigungsschutzrecht nicht dazu verpflichten, betriebliche Organisationsstrukturen und -abläufe oder Standorte beizubehalten und geplante Organisationsänderungen nicht durchzuführen. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, dem Arbeitgeber eine bessere betriebliche oder unternehmerische Organisationsstruktur vorzuschreiben (BAG 6. Mai 1996 – 2 AZR 438/95 – BAGE 83, 127; 19. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – BAGE 92, 61).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Änderungskündigung gegeben.
- Unstreitig hat die Beklagte im Jahr 1995 die Kontrolle und Koordination bei der Durchführung ihrer klinischen Begleitforschung umstrukturiert. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte ab 1995 die “Field-Koordinatoren” abgeschafft und statt dessen deren Aufgaben vor allem auf spezialisierte Drittunternehmen, CROs, übertragen sowie sog. “Research-Assistants” im Innendienst und zu deren Kontrolle und Koordination eingesetzt. Die Arbeitsplätze der “Field-Koordinatoren” bestanden danach zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 20. Juli 1998 nicht mehr, solche Mitarbeiter werden von der Beklagten in der klinischen Begleitforschung nicht mehr eingesetzt.
Soweit die Klägerin darauf verweist, daß es nach wie vor noch Tätigkeiten gebe, die früher von ihr wahrgenommen worden seien, besteht hierzu kein Widerspruch. Die von der Beklagten entwickelten Arzneien werden zwar nach wie vor klinisch getestet. Diese klinischen Testreihen werden aber nunmehr von den sog. CROs betreut. Allein deshalb ist ein wesentlicher Teil des Arbeitsvolumens der “Fiel-Koordinatoren” endgültig weggefallen und auf Fremdunternehmen verlagert worden. Die weiteren Aufgaben ihrer früheren Tätigkeit, die Koordination der klinischen Begleitforschung, wird nach Abschaffung der “Field-Koordinatoren” von den “Research-Assistants” ausgeführt. Damit sind zwar diese Aufgaben an sich noch vorhanden. Sie werden jedoch nunmehr anders als bisher betrieblich organisiert. Das hat zum Verlust der Arbeitsplätze der “Field-Koordinatoren” geführt.
Soweit die Klägerin in ihrem letzten Schriftsatz in der Tatsacheninstanz auf eine Stellenanzeige vom 25. September 1999 verweist, ist dies insoweit unbeachtlich, als jedenfalls zum Kündigungszeitpunkt am 20. Juli 1998 unstreitig kein Arbeitsplatz als “Field-Koordinator” mehr bei der Beklagten zu besetzen war.
- Die Klägerin hat auch keine Umstände dargelegt, nach denen die Organisationsentscheidung der Beklagten offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich war. Hierzu fehlt jeder substantiierte Vortrag. Da für eine tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung grundsätzlich die Vermutung spricht, daß sie aus sachlichen Gründen erfolgt, der Rechtsmißbrauch also die Ausnahme ist, hat im Kündigungsschutzprozeß der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und im Streitfall ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, daß die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. beispielsweise Senat 9. Mai 1996 – 2 AZR 438/95 – BAGE 83, 127).
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Klägerin sind die betrieblichen Erfordernisse, die die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin rechtfertigen, auch “dringend”.
Ob die zur Kündigung vom Arbeitgeber angeführten betrieblichen Erfordernisse dringend sind, beurteilt sich anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Senat 18. Januar 1990 – 2 AZR 183/89 – BAGE 64, 24; 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61). Die vorliegende Änderungskündigung ist an sich geeignet, die unternehmerische Organisationsentscheidung und betriebliche Umstrukturierung zu realisieren. Sie ist zur Umsetzung der neuen Organisationsstruktur in der klinischen Begleitforschung erforderlich. Die Betreuung der klinischen Begleitforschung erfolgt nunmehr, dh. seit 1995, zentral von Neuß aus durch “Research-Assistants”. Vor allem die Aktivitäten der CROs werden projektbezogen koordiniert. Entgegen dem pauschalen Hinweis der Klägerin war es deshalb der Beklagten nicht möglich, durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet dieses Ziel zu erreichen. Andere Mittel, die für die Klägerin zwar weniger belastend sind, die aber die als Vorgabe hinzunehmende unternehmerische Organisationsentscheidung nicht verändern, sind nicht ersichtlich. Vor allem läßt sich der Beklagten nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie hätte die Betreuung der klinischen Begleitforschung so organisieren können, daß die Klägerin ihre weitere Tätigkeit von Kassel aus hätte ausüben können. Diese Argumentation würde auf eine unzulässige Zweckmäßigkeitsüberprüfung der von der Beklagten getroffenen Organisationsentscheidung hinauslaufen. Auch würde – abgesehen von möglichen höheren Kosten für die Beklagte (beispielsweise Reisekosten) – ein Verbleiben der Klägerin am bisherigen Standort Kassel die Umsetzung der bisher eingeführten neuen Organisationsstruktur mit einer Zentrierung der “Research-Assistants” am Standort der Zentrale in Neuß verändern. Deshalb scheiden die von der Klägerin angedeuteten Alternativen zur weiteren Tätigkeit als “Field-Koordinatorin” am bisherigen Standort aus.
Die Beklagte hat sich mit dem Ausspruch der Änderungskündigung darauf beschränkt, der Klägerin nur solche Änderungen ihres Arbeitsverhältnisses vorzuschlagen, die diese billigerweise hinnehmen muß. Neben dem konkret unterbreiteten Änderungsangebot gab es keine anderen, der beruflichen Qualifikation der Klägerin entsprechenden zumutbaren Arbeitsbedingungen, welche die Beklagte der Klägerin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses statt dessen hätte anbieten müssen.
Soweit das Landesarbeitsgericht das Angebot der Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin als “Research-Assistant” in Neuß als unbillig ansieht, weil als milderes Mittel die Übertragung einer freien Mitarbeit zu “existentiellen” Bedingungen mit dem Inhalt der CRO-Tätigkeit möglich und rechtlich zu fordern gewesen sei, hat es den Prüfungsmaßstab von § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG verkannt. Die Beklagte war kündigungsschutzrechtlich nicht verpflichtet, der Klägerin ein solches Angebot zu unterbreiten.
Das Angebot einer “freien Mitarbeit” scheidet als “milderes Mittel” jedenfalls gegenüber der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen aus. § 2 Satz 1 KSchG stellt die Änderungskündigung in den Zusammenhang mit der modifizierten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Das Gesetz verlangt mithin ein Angebot iSv. § 145 BGB zur Fortsetzung des – modifizierten – Arbeitsverhältnisses (von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 2 Rn. 4). § 2 KSchG dient vor allem dem Vertragsinhaltsschutz (von Hoyningen-Huene/Linck aaO § 2 Rn. 2 mwN). Die gesetzliche Regelung will einen Schutz vor einseitigen Veränderungen des Arbeitsverhältnisses schaffen, während § 1 KSchG den Bestand des Arbeitsverhältnisses an sich schützt. Deshalb kann die hier noch verbleibende Möglichkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit geänderten Arbeitsbedingungen als “Research-Assistant” gegenüber einem – von der Klägerin geforderten – Angebot einer freien Mitarbeit nicht unverhältnismäßig sein. Dies gilt umso mehr, als mit der Begründung eines freien Mitarbeiterverhältnisses auch die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes beendet würde.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Kündigung auch nicht gemäß § 134 Abs. 1 BGB iVm. § 612a BGB nichtig.
Nach § 612a BGB (Maßregelungsverbot) darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
Eine Benachteiligung im Sinne dieser Norm kann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung wegen einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers ausspricht und diese für die Kündigung nicht nur in irgendeiner Weise ursächlich und nicht nur deren äußerer Anlaß war, sondern den tragenden Beweggrund darstellt, dh. das wesentliche Motiv gewesen ist (BAG 2. April 1987 – 2 AZR 227/86 – BAGE 55, 190). Der Kläger trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast (BAG 2. April 1987 – 2 AZR 227/86 – aaO).
- Ein Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot hat die Klägerin nicht dargetan. Sie hat keine Tatsachen schlüssig dargelegt, aus denen erkennbar wird, daß die nach ihrem am 7. Juli 1998 beendeten Erziehungsurlaub am 20. Juli 1998 erklärte Kündigung wegen einer zulässigen Rechtsausübung, nämlich der Inanspruchnahme ihres Erziehungsurlaubs, ausgesprochen worden ist.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, J. Walter, Fischer
Fundstellen
DB 2002, 2276 |
ARST 2003, 80 |
NZA 2002, 1416 |
EzA-SD 2002, 12 |
EzA |
NJOZ 2003, 1646 |
SPA 2003, 6 |