Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenversorgung. AGB-Kontrolle
Leitsatz (amtlich)
1. Weicht der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen von der sich aus rechtlichen Vorgaben ergebenden Vertragstypik ab, unterliegt diese Abweichung einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
2. Sind Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, ist eine ergänzende Vertragsauslegung ausnahmsweise jedenfalls dann möglich, wenn ein Festhalten am Vertrag auch für den Verwender eine unzumutbare Härte darstellt.
Orientierungssatz
1. Weicht der Arbeitgeber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei der Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von den im Betriebsrentengesetz angelegten Formen der Risikoabsicherung ab, ist die Einschränkung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen uneingeschränkt auf ihre Angemessenheit zu kontrollieren. Die Höhe der zugesagten Versorgung ist nicht kontrollfähig.
2. Die Hinterbliebenenversorgung soll das mit dem Todesfall bestehende typische Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers absichern. Sie soll eine Kategorie von Personen, die in einem abgrenzbaren Näheverhältnis zum Versorgungsberechtigten steht, absichern. Sagt der Arbeitgeber für eine bestimmte Kategorie von Hinterbliebenen eine Versorgung zu, unterliegt die Einschränkung des danach erfassten Personenkreises der vollen Angemessenheitskontrolle.
3. Eine Regelung in einer Versorgungsordnung, nach der lediglich die Ehefrau die Hinterbliebenenversorgung erhalten soll, mit der die Ehe zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage besteht, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Damit stellt der Arbeitgeber während des bestehenden Arbeitsverhältnisses auf einen rein zufällig gewählten Zeitpunkt des Bestehens der Ehe ab. Dafür besteht kein berechtigtes Interesse.
4. Wurde die Versorgungszusage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes – also vor dem 1. Januar 2002 – erteilt, ist ausnahmsweise eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Eine auf den Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage abstellende Klausel ist dahingehend auszulegen, dass die Ehe bereits während des Arbeitsverhältnisses bestanden haben muss, damit eine Hinterbliebenenversorgung gewährt wird.
Normenkette
BGB § 306 Abs. 1, 3, § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1; EGBGB Art. 229 § 5 S. 2; BetrAVG § 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. April 2015 – 9 Sa 108/15 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung, der mit dem Kläger bei dessen Tod verheirateten Ehefrau eine Hinterbliebenenversorgung zu gewähren.
Der im April 1949 geborene Kläger war vom 1. Februar 1974 bis zum 31. Oktober 1986 bei der W GmbH (im Folgenden Arbeitgeberin) beschäftigt. Über deren Vermögen wurde am 31. Oktober 1986 das Konkursverfahren eröffnet. Die Arbeitgeberin erteilte dem Kläger eine „Versorgungszusage”. Diese bestimmt auszugsweise:
„Mit Datum vom 01.07.1983 tritt eine neue Versorgungszusage in Kraft, die nachstehend erläutert wird:
…
4. WITWENRENTE
Nach Ihrem Tode erhält Ihre jetzige Ehefrau eine lebenslängliche Witwenrente unter der Voraussetzung, daß die Ehe zwischenzeitlich nicht geschieden wird. Die Witwenrente beträgt 60,0 % der Ihnen im Zeitpunkt des Todes zustehenden Alters- bzw. Invalidenrente. Die Witwenrente erlischt bei Wiederverheiratung der Witwe.
…
7. ÜBERGANGSREGELUNG
Alle bisher gültigen Versorgungsrichtlinien werden durch diese Neufassung außer Kraft gesetzt.
Für die bis zum 30.06.1983 abgeleistete Dienstzeit wird eine Besitzstandsrente gewährt. …
Sollte die nach den neuen Richtlinien zu ermittelnde Betriebsrente niedriger sein als die mitgeteilt[e] Besitzstandsrente, so wird die Besitzstandsrente gezahlt.
…
11. DATENSCHUTZ
In Fragen der betrieblichen Altersversorgung wird die Firma von einem Sachverständigen (Gutachter) beraten und betreut. Der Gutachter speichert die zur Erfüllung seines Auftrages benötigten personenbezogenen Daten der Anwärter und Anspruchsberechtigten.”
Für die Arbeitgeberin erfolgte die Unterzeichnung dieser Zusage „im Juni 1983”. Der Kläger erklärte sich durch seine Unterschrift mit einer „Regelung im Sinne dieser Zusage” einverstanden und fügte den vorgedruckten Worten „Rensburg, den” handschriftlich das Datum „23.6.1983” hinzu.
Bei Erteilung der Versorgungszusage war der Kläger mit G B verheiratet. Die Ehe wurde zum 31. Dezember 2004 – nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin – geschieden. Am 8. April 2006 heiratete der Kläger M B. Seit dem 1. Mai 2014 zahlt der Beklagte dem Kläger eine Altersrente.
Nachdem der Beklagte sich geweigert hatte, M B als Versorgungsberechtigte für eine Witwenrente anzuerkennen, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, eine Auslegung der Versorgungszusage ergäbe, dass die zum Zeitpunkt seines Ablebens mit ihm in gültiger Ehe verheiratete Ehefrau berechtigt sei, Hinterbliebenenversorgung zu erhalten. Ein anderes Verständnis der Regelung verstieße gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters und sei zudem unangemessen iSd. Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls mit ihm in gültiger Ehe verheiratete Ehefrau eine Hinterbliebenenversorgung zu leisten.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Eine Versorgung sei nur der Ehefrau geschuldet, mit der der Kläger zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage verheiratet war. Eine derartige Regelung sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die zum Zeitpunkt seines Ablebens mit ihm verheiratete Ehefrau vom Beklagten eine Hinterbliebenenversorgung erhält.
I. Die Feststellungsklage ist zulässig.
1. Mit seiner Klage erstrebt der Kläger – ohne insoweit auf eine bestimmte Person abzustellen – die Feststellung, dass die Ehefrau, mit der er bei Eintritt des Nachversorgungsfalls – also bei seinem Ableben – verheiratet ist, Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung hat.
2. Mit dem so verstandenen Antrag begehrt der Kläger die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses, an dessen alsbaldiger Feststellung durch richterliche Entscheidung er ein rechtliches Interesse hat (§ 256 Abs. 1 ZPO).
a) Bei einer Hinterbliebenenversorgung als Teil des Versorgungsversprechens an den Arbeitnehmer handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter iSv. § 328 Abs. 1 BGB. Dieser berechtigt den Arbeitnehmer, die Leistungen auch selbst geltend zu machen (§ 335 BGB; vgl. BAG 15. Oktober 2013 – 3 AZR 294/11 – Rn. 14 mwN, BAGE 146, 200). Unerheblich ist, dass im Rahmen der Versorgungszusage des Klägers die Hinterbliebenenversorgung lediglich eine einzelne Verpflichtung darstellt. Eine Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken, sondern kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG 28. Juni 2011 – 3 AZR 448/09 – Rn. 18).
b) Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an alsbaldiger richterlicher Feststellung, denn der Beklagte stellt seine Leistungspflicht in Abrede. Das Feststellungsinteresse fehlt auch nicht deshalb, weil die persönlichen Verhältnisse des Klägers zum Zeitpunkt seines Ablebens noch nicht feststehen. Auch Rentner können durch ihr Spar- und Konsumverhalten bestehenden Versorgungslücken Rechnung tragen (BAG 11. Dezember 2007 – 3 AZR 249/06 – Rn. 18, BAGE 125, 133).
II. Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der bei Eintritt des Nachversorgungsfalls mit dem Kläger verheirateten Ehefrau eine Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Nach dem Konkurs der Arbeitgeberin ist der Beklagte zwar nach § 7 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrAVG für die Versorgungspflichten der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers eintrittspflichtig. Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung wies der damals 37-jährige Kläger, dessen Versorgungszusage vor dem 1. Januar 2001 erteilt wurde, eine mindestens 12-jährige Betriebszugehörigkeit auf und die Versorgungszusage bestand mindestens drei Jahre. Die geltend gemachte Verpflichtung des Beklagten folgt jedoch weder aus der Versorgungszusage noch aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
1. Mit der „jetzigen” Ehefrau iSv. Nr. 4 der Versorgungszusage ist diejenige Ehefrau gemeint, mit der der Kläger am 1. Juli 1983 verheiratet war. Dies ergibt die Auslegung der Versorgungszusage nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Maßstäben.
a) Die für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Maßstäbe sind zeitlich anwendbar und die Versorgungszusage enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen.
aa) Die Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Arbeitsverhältnisse ist gesetzlich erst seit dem 1. Januar 2002 vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt trat das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) in Kraft (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes). Damit wurde das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Verträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts erstreckt (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB; früher Bereichsausnahme nach § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz). Nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB findet dieses Recht auf vorher begründete Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch das Rechtsverhältnis eines mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber gehört, spätestens ab dem 1. Januar 2003 Anwendung. Obwohl die Versorgungszusage dem Kläger im Jahr 1983 und damit vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes erteilt wurde, unterfallen deren Regelungen dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
bb) Die Versorgungszusage enthält auch Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern gestellt hat. Wie sich aus den Formulierungen in der Versorgungszusage ergibt, ist sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. So handelt es sich nach Nr. 7 der Versorgungszusage um eine „Neufassung” der Versorgungsrichtlinien und um „neue” Richtlinien; nach Nr. 11 der Versorgungszusage speichert der Gutachter die personenbezogenen Daten „der” Anwärter und Anspruchsberechtigten. Vom Arbeitnehmer war lediglich das Datum einzusetzen und eine Unterschrift zu leisten. Dementsprechend sind die Parteien und das Landesarbeitsgericht zu Recht von der Anwendbarkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen.
b) Die Versorgungszusage erfasst nur die Ehefrau, mit der der Kläger am 1. Juli 1983 verheiratet war.
aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist zwar zunächst der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis ist jedoch auch der von den Vertragsparteien verfolgte typische und von redlichen Geschäftspartnern angestrebte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 18. September 2012 – 3 AZR 415/10 – Rn. 24, BAGE 143, 90). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt auch dem Senat als Revisionsgericht (vgl. nur BAG 21. April 2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 22).
bb) Danach erfasst die Formulierung „jetzige” Ehefrau nur diejenige Ehefrau, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Versorgungszusage im bestehenden Arbeitsverhältnis, hier also am 1. Juli 1983, mit dem Arbeitnehmer verheiratet war.
(1) Unter „jetzig” wird nach allgemeiner Sprachbedeutung „(vom Sprecher aus gesehen) zum augenblicklichen, gegenwärtigen Zeitpunkt existierend, bestehend o.Ä.” verstanden (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: „jetzig”). Der Begriff meint „augenblicklich, heute, derzeitig, gegenwärtig” (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort: „jetzig”). Synonyme sind „aktuell, augenblicklich, derzeitig, gegenwärtig, heutig, laufend, momentan, nun, zur Stunde, zurzeit” (Duden Das Synonymwörterbuch 5. Aufl. Stichwort: „jetzig”). Der Begriff knüpft damit an einen zeitnahen, aktuellen Zeitpunkt an; nicht jedoch an einen in ferner Zukunft liegenden. In diesem Sinne ist aktuell, was zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Versorgungszusage am 1. Juli 1983 im Arbeitsverhältnis gilt.
(2) Für dieses Verständnis spricht auch die Einschränkung des Versorgungsversprechens, wonach die Ehe vor dem Ableben des Versorgungsberechtigten nicht geschieden sein darf. Diese Formulierung hätte keine Bedeutung, wenn auf den Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers abzustellen wäre.
(3) Nachdem in der Versorgungsordnung eine abstrakte Formulierung gewählt wurde, kommt es auch nicht darauf an, dass der Name der zu diesem Zeitpunkt mit dem Kläger verheirateten Ehefrau nicht ausdrücklich genannt ist.
cc) Etwas anderes folgt auch nicht aus der Unklarheitenregel in § 305c Abs. 2 BGB. Ihre Anwendung kommt erst in Betracht, wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt (BAG 8. Dezember 2015 – 3 AZR 433/14 – Rn. 23). Derartige Zweifel bestehen nicht.
2. Die Einschränkung der Versorgungszusage, nach der nur die „jetzige”, also die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Zusage im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger verheiratete Ehefrau, bei seinem Ableben eine Hinterbliebenenversorgung erhält, benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
a) Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB zeitlich auf die Versorgungszusage anwendbar.
b) Die in der Versorgungszusage vorgenommene Begrenzung ist auf ihre Angemessenheit im Sinne dieser Vorschrift zu überprüfen. Dem steht § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht entgegen.
aa) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gilt § 307 Abs. 1 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Rechtsvorschriften in diesem Sinne sind dabei nicht nur Gesetzesvorschriften im materiellen Sinn. Darüber hinaus sind ua. auch Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrollfähig, die die sich aus der Natur des Vertrages ergebenden wesentlichen Rechte und Pflichten zum Nachteil des Vertragspartners einschränken. Dazu gehören auch die aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten. In vollem Umfang kontrollfähig sind Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen modifizieren, einschränken oder aushöhlen (BGH 10. Dezember 2013 – X ZR 24/13 – Rn. 16 mwN). Abweichungen von der sich aus rechtlichen Vorgaben ergebenden Vertragstypik unterliegen einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle.
Werden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, sind damit Regelungen, die von den im Betriebsrentengesetz angelegten Formen der Risikoabdeckung abweichen, uneingeschränkt kontrollfähig. Keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegt dagegen die Höhe der zugesagten Versorgung, da es insofern an rechtlichen Vorgaben fehlt (vgl. BAG 30. November 2010 – 3 AZR 798/08 – Rn. 23, BAGE 136, 222).
bb) Kennzeichnend für eine Hinterbliebenenversorgung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ist die Absicherung eines für den Todesfall bestehenden typisierten Versorgungsinteresses des Arbeitnehmers. Maßgebend für dieses Versorgungsinteresse ist, in welchem Näheverhältnis der Arbeitnehmer zu den abzusichernden Personen steht (vgl. BAG 18. November 2008 – 3 AZR 277/07 – Rn. 34; 8. Dezember 2015 – 3 AZR 141/14 – Rn. 32). Für die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ist damit vertragstypisch, dass sie eine bestimmte Kategorie von Personen, die in einem abgrenzbaren Näheverhältnis zum Versorgungsberechtigten steht, absichert. Sagt der Arbeitgeber für eine bestimmte Kategorie von Hinterbliebenen eine Hinterbliebenenversorgung zu, entspricht es der im Gesetz angelegten Vertragstypik, dass diejenigen Personen abgesichert werden, die in einem der Kategorie entsprechenden Näheverhältnis zum Arbeitnehmer stehen. Schränkt der Arbeitgeber den danach erfassten Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in einer Versorgungszusage weiter ein, unterliegt diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
cc) Eine derartige Einschränkung ist vorliegend gegeben. Die Arbeitgeberin hat die Zusage lediglich auf die „jetzige” und damit zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Zusage im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger verheiratete Ehefrau beschränkt. Damit weicht sie von der die Hinterbliebenenversorgung für nicht geschiedene Ehefrauen kennzeichnenden Vertragstypik ab.
c) Diese Einschränkung benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.
aa) Unangemessen ist jede Benachteiligung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Bei einer danach erforderlichen wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung der rechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragsparteien ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (vgl. BAG 13. Dezember 2011 – 3 AZR 791/09 – Rn. 22).
bb) Danach liegt in der in Nr. 4 der Versorgungszusage enthaltenen Begrenzung auf die „jetzige” Ehefrau eine unangemessene Benachteiligung.
(1) Der Arbeitnehmer hat ein rechtlich geschütztes Interesse, dass das sich aus dem Näheverhältnis zu der Ehefrau, mit der er bei seinem Ableben verheiratet ist, ergebende typisierte Versorgungsinteresse entsprechend der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung für nicht geschiedene Ehefrauen abgesichert ist.
(2) Die Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf die bei Wirksamwerden der Versorgungszusage mit dem Arbeitnehmer verheiratete Ehefrau, die nicht durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen ist, ist nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt.
Zwar hat der Arbeitgeber grundsätzlich ein berechtigtes Interesse, sein mit der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung einhergehendes finanzielles Risiko zu begrenzen. Die in der Versorgungszusage enthaltene Einschränkung orientiert sich allerdings nicht an irgendwelchen Risikoerwägungen. Sie knüpft vielmehr an bloße Zufälligkeiten an. Grundlage der Versorgungszusage ist das Arbeitsverhältnis. Betriebliche Altersversorgung ist auch Entgelt der berechtigten Arbeitnehmer, das diese als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhalten (BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 69, BAGE 152, 164). Während des laufenden Arbeitsverhältnisses ist der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Versorgungszusage deshalb ohne jede sachliche Bedeutung. Ob und mit wem der Arbeitnehmer bei Wirksamwerden der Versorgungszusage verheiratet ist, hängt von der persönlichen Lebensführung und den persönlichen Lebensumständen des Arbeitnehmers ab; im Fall einer Wiederheirat nach dem Tod der durch die Versorgungszusage abgesicherten Ehefrau auch von Schicksalsschlägen. Vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Versorgungszusage hängt auch nicht ab, wie hoch der Altersunterschied zwischen den Eheleuten und damit das Risiko einer längeren Zahlung der Witwenrente nach dem Ableben des Versorgungsberechtigten ist.
Der Gesichtspunkt, dass bei einer früheren Eheschließung der Ehegatte den Arbeitnehmer bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen länger unterstützt hat, begründet ebenfalls kein berechtigtes Interesse für die Einschränkung. Dieses Interesse stellt auf ausschließlich private Gesichtspunkte ab, die eine dem Interesse des Arbeitgebers dienende Regelung nicht rechtfertigen können (vgl. im Zusammenhang mit der Benachteiligung wegen des Alters BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 73 ff., BAGE 152, 164).
Die Klausel versagt dem Arbeitnehmer bei einer späteren Heirat letztlich den Schutz der Versorgungszusage, obwohl das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt, auch noch nach ihrem Wirksamwerden weiter besteht.
3. Der Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB hat zwar zur Folge, dass die Einschränkung der in Nr. 4 der Versorgungszusage versprochenen Hinterbliebenenversorgung auf die „jetzige” Ehefrau unwirksam ist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Ehefrau des Klägers, mit der er bei seinem Ableben verheiratet sein wird, eine Hinterbliebenenversorgung zu gewähren ist. Die durch die Streichung des Wortes „jetzige” entstandene Lücke in der Versorgungszusage ist durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Danach besteht ein Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung nur, wenn die Ehe bereits im Laufe des Arbeitsverhältnisses bestand.
a) Eine ergänzende Vertragsauslegung ist im vorliegenden Fall geboten.
aa) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB) und sein Inhalt richtet sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Eine geltungserhaltende Reduktion von Klauseln auf den zulässigen Inhalt durch die Gerichte findet grundsätzlich nicht statt (BAG 24. August 2016 – 5 AZR 703/15 – Rn. 25). Eine Klausel bleibt nur dann teilweise aufrechterhalten, wenn sie mehrere Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abgrenzbar ist. Verbleibt nach der Streichung der unwirksamen Teilregelung und des unwirksamen Klauselteils eine verständliche Regelung, bleibt diese bestehen – sog. blue-pencil-Test (vgl. BAG 21. April 2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 43 mwN). Eine ergänzende Vertragsauslegung ist jedoch ausnahmsweise jedenfalls dann möglich, wenn ein Festhalten am Vertrag auch für den Verwender eine unzumutbare Härte iSv. § 306 Abs. 3 BGB darstellt (vgl. zuletzt BAG 10. Mai 2016 – 9 AZR 434/15 – Rn. 37 f.).
bb) Eine solche unzumutbare Härte läge hier vor, würde in Nr. 4 der Versorgungszusage lediglich das Wort „jetzige” vor „Ehefrau” gestrichen.
Der Arbeitgeber wäre dann gänzlich unbeschränkt allen Risiken ausgesetzt, die bei einer späteren Eheschließung entstehen. Von der Hinterbliebenenversorgung wären auch solche Ehen erfasst, bei denen der Altersunterschied besonders groß ist, oder die erst lange Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder dem Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer geschlossen wurden.
Die Belastung des Arbeitgebers mit einem solchen Risiko ist vorliegend deshalb unzumutbar, weil zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage im Juni 1983, also vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002, das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Arbeitsverhältnisse noch nicht anwendbar und daher rechtlich keine Angemessenheitskontrolle vorgesehen war. Die Rechtslage war zum damaligen Zeitpunkt unklar. Das Bundesarbeitsgericht hatte zwar beiläufig angemerkt, eine Versorgungszusage, die die zweite Ehefrau von der Hinterbliebenenversorgung ausschließe, stelle „eine zum mindesten bedenklich erscheinende Einflussnahme” auf den höchstpersönlichen Entschluss des Arbeitnehmers dar, nach dem Tod der ersten Ehefrau eine neue Ehe einzugehen (vgl. BAG 4. August 1955 – 2 AZR 212/54 – zu II der Gründe, BAGE 2, 101). Unmittelbare Rechtsfolgen hat es daraus jedoch nicht gezogen. Die Arbeitgeberin hat daher keine offensichtlich unwirksame Klausel vereinbart, was einer ergänzenden Vertragsauslegung entgegenstünde (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BAG 13. Dezember 2011 – 3 AZR 791/09 – Rn. 37).
b) Die durch die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Klausel entstehende planwidrige Unvollständigkeit der Versorgungszusage ist deshalb im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Sie ergibt, dass eine Hinterbliebenenversorgung nur geschuldet sein soll, wenn die Ehe bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses bestand.
aa) Ist eine vertragliche Regelung planwidrig unvollständig, tritt an die Stelle der lückenhaften Vertragsbestimmung diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn diesen die Lückenhaftigkeit des Vertrages bekannt gewesen wäre. Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen und ihr Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich sind danach die Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht” werden. Geht es – wie hier – um vielfach verwendete Vertragsbedingungen, hat die ergänzende Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am selben Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise und nicht nur den konkret beteiligten Parteien ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines immer wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Lassen sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für einen typischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten der Lückenschließung in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus (vgl. BAG 23. April 2013 – 3 AZR 512/11 – Rn. 34 f.). Die ergänzende Vertragsauslegung kann – ebenso wie die Auslegung der Versorgungszusage insgesamt – auch durch das Revisionsgericht vorgenommen werden.
bb) Danach ist eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend vorzunehmen, dass eine Hinterbliebenenversorgung nur an diejenige Ehefrau gezahlt werden soll, deren Ehe mit dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses bestand. Nur eine solche Regelung trägt den typischerweise vorhandenen Interessen der Beteiligten ausreichend Rechnung. Mit der von ihr verwendeten Klausel wollte die Arbeitgeberin – für die Arbeitnehmer erkennbar – das von ihr zu tragende Risiko der Hinterbliebenenversorgung begrenzen. Sie bediente sich dabei eines Kriteriums, das einen Bezug zum Arbeitsverhältnis insofern herstellte, als die in die Hinterbliebenenversorgung einbezogene Fallgruppe immer Ehefrauen erfasste, mit denen die Ehe bereits während des Arbeitsverhältnisses bestand. Dieser in der konkreten Regelung zum Ausdruck kommende Gedanke ist bei der ergänzenden Vertragsauslegung heranzuziehen. Die Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf Fälle, in denen die Ehe bereits während des Arbeitsverhältnisses bestand, ist die konsequente Ersetzung der unwirksamen Klausel.
c) Auf der Grundlage der so ergänzend ausgelegten Versorgungszusage ist der Beklagte als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung nicht verpflichtet, die vom Kläger begehrte Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Die während des Arbeitsverhältnisses bestehende Ehe des Klägers mit G B wurde nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses geschieden. Damit gibt es keine Ehe des Klägers mehr, die die Voraussetzungen der ergänzend ausgelegten Versorgungszusage erfüllen könnte.
4. Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wegen unerlaubter Benachteiligung wegen des Alters zu. Eine Versorgungsregelung, die – wie die hier durch ergänzende Vertragsauslegung gefundene – eine Hinterbliebenenversorgung davon abhängig macht, dass die Ehe, an die die Versorgung anknüpft, bereits während des Arbeitsverhältnisses bestand, verstößt nicht gegen das Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters (§§ 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 7 Abs. 1 AGG; vgl. dazu BAG 15. Oktober 2013 – 3 AZR 653/11 – Rn. 32 ff.).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Zwanziger, Spinner, Wemheuer, C. Reiter, Silke Nötzel
Fundstellen
Haufe-Index 10685196 |
BAGE 2017, 154 |
BB 2017, 1077 |
BB 2017, 499 |
DB 2017, 14 |
DB 2017, 6 |
DStR 2017, 12 |
NJW 2017, 10 |
NJW 2017, 1628 |
FamRZ 2017, 1051 |
BetrAV 2017, 194 |
BetrAV 2017, 367 |
FA 2017, 186 |
FA 2017, 216 |
JR 2018, 667 |
JR 2019, 356 |
NZA 2017, 6 |
NZA 2017, 723 |
NZG 2017, 5 |
ZIP 2017, 1136 |
AP 2017 |
AuA 2017, 207 |
AuA 2017, 731 |
EzA-SD 2017, 13 |
EzA-SD 2017, 5 |
EzA 2017 |
MDR 2017, 1059 |
MDR 2017, 12 |
NZA-RR 2017, 6 |
NZA-RR 2019, 575 |
ZMV 2017, 110 |
AUR 2017, 182 |
ArbRB 2017, 177 |
ArbRB 2017, 65 |
ArbR 2017, 140 |
StX 2017, 191 |
SPA 2017, 47 |