Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT muss nach billigem Ermessen erfolgen. Sowohl die Tätigkeitsübertragung an sich als auch die fehlende Dauerhaftigkeit der Übertragung müssen der Billigkeit entsprechen.

 

Normenkette

BAT § 24; BGB § 315

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 07.09.2001; Aktenzeichen 12 Sa 155/01)

ArbG Aachen (Urteil vom 12.09.2000; Aktenzeichen 4 Ca 1452/00)

 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 7. September 2001 – 12 Sa 155/01 – aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 12. September 2000 – 4 Ca 1452/00 – wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger vom beklagten Land ab 1. März 2000 nach der VergGr. V b BAT zu vergüten und auf einem Dienstposten mit Tätigkeiten zu beschäftigen ist, die den VergGr. V c/V b BAT entsprechen.

Der am 13. April 1952 geborene Kläger ist seit dem 28. Januar 1980 bei dem beklagten Land in dessen Versorgungsamt A als Angestellter beschäftigt. Von Mai 1994 bis Mai 1996 nahm er mit gutem Erfolg an einer Fortbildungsmaßnahme für Angestellte mit der inhaltlichen Ausrichtung auf einen künftigen Einsatz in Tätigkeiten des mittleren Dienstes teil.

Mit Schreiben des Versorgungsamtes A vom 30. Mai 1996 wurde der Kläger ab dem 30. Mai 1996 der Abteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) SG (Sachbearbeitergruppe) 2 zugewiesen und „ihm zur Vertretung der Angestellten U Sa vorübergehend die Tätigkeit eines Sachbearbeiters m.D. übertragen”.

Mit weiterem Schreiben des Versorgungsamtes A vom 30. Mai 1996 wurde dem Kläger „von heute an, befristet bis zum 31. Dezember 1996, nach § 24 Abs. 2 BAT zur Vertretung der Angestellten U Sa die nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a – des Teils I der Anlage 1 a zum BAT bewertete Tätigkeit eines Sachbearbeiters SchwbG mittlerer Dienst” übertragen und ihm eine persönliche entsprechende Zulage nach Maßgabe des § 24 Abs. 3 BAT in Aussicht gestellt.

Diese Zulage, Unterschiedsbetrag zwischen der Vergütung nach VergGr. VI b und der Vergütung nach VergGr. V c, erhielt der Kläger ab August 1996 laut Schreiben des Versorgungsamtes A vom 30. August 1996.

Mit Schreiben des Versorgungsamtes A vom 12. November 1996 wurde dem Kläger mitgeteilt, „der entsprechende Vertretungsfall dauert auch über den 31. Dezember 1996 hinaus an. Damit verlängert sich die Ihnen nach § 24 Abs. 2 BAT vorübergehend übertragene Vertretungsfunktion bis zum 31. März 1997.”

Mit Verfügung vom 27. März 1997 übertrug das Versorgungsamt A dem Kläger „vom 01. April 1997 an bis zum 12. September 1997 nach § 24 Abs. 2 BAT zur Vertretung des für diesen Zeitraum vorübergehend in einem anderen Tätigkeitsbereich eingesetzten Regierungsamtsinspektors H G dessen Dienstposten eines Sachbearbeiters des mittleren Fachdienstes in der Abteilung 3.”

Laut Schreiben des Versorgungsamtes A vom 19. September 1997 endet die „Vertretungstätigkeit zur Vertretung des Regierungsamtsinspektors H G … am 30. September 1997, weil Herr G zu diesem Zeitpunkt wieder auf seinen Stammdienstposten zurückkehrt.” Zugleich wurde dem Kläger „vom 1. Oktober 1997 an vorübergehend nach § 24 Abs. 2 BAT erneut die Tätigkeit eines Sachbearbeiters des mittleren Dienstes in der Abteilung 3” übertragen, „und zwar zur Vertretung der Angestellten S, ebenfalls befristet bis zum 31. Dezember 1997.”

Nach dem Schreiben des Versorgungsamtes A vom 1. April 1998 „ändert sich der … übertragene Vertretungsfall … aus organisatorischen Gründen.” Der Kläger vertrete nicht mehr die beurlaubte Angestellte S, sondern den dienstunfähig erkrankten Regierungsamtsinspektor W H bis zu dessen Rückkehr oder gegebenenfalls bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand, befristet bis zunächst 31. Dezember 1998.

Mit Schreiben vom 18. November 1998 teilte das Versorgungsamt A dem Kläger folgendes mit:

„…

der Regierungsamtsinspektor W H, den Sie bisher nach § 24 Absatz 2 BAT vertreten haben, ist am 13. November 1998 in den Ruhestand versetzt worden. Damit entfällt von sofort an der Vertretungsfall.

Zugleich übertrage ich Ihnen hiermit, jederzeit widerruflich und zunächst befristet bis zum 31. Juli 1999, vertretungsweise nach § 24 Absatz 2 BAT den Dienstposten des dienstunfähig erkrankten Sachbearbeiter mittleren Dienst in der Abteilung 3 (SchwbG) Regierungsamtsinspektor H G.

…”

Dem schloss sich die Übertragung der den Merkmalen der VergGr. V c Fallgruppe 1 a zum BAT entsprechenden höherwertigen Tätigkeit eines Sachbearbeiters mittlerer Dienst in der Abteilung 3 „zur Vertretung der beurlaubten Angestellten S G … nach § 24 Abs. 2 BAT” an (Schreiben vom 28. Juni 1999).

Mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 teilte das Versorgungsamt A dem Kläger ua. mit:

„…

wegen organisatorischer Vorgaben im Personalbereich durch das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Sachbearbeiterdienstposten im mittleren Fachdienst in der Abteilung 3 auf Dauer reduziert. Hiervon ist auch der von Ihnen vertretungsweise wahrgenommene Dienstposten berührt, so dass ihre Vertretungstätigkeit nicht über den 29. Februar 2000 hinaus weitergeführt werden kann.

…”

Ab 1. März 2000 wird der Kläger wieder mit Tätigkeiten nach VergGr. VI b BAT beschäftigt und bezahlt. Der Kläger hält das beklagte Land für verpflichtet, ihm Vergütung nach VergGr. V b BAT zu zahlen. Er sei mehr als drei Jahre in der VergGr. V c (Fallgruppe 1 a) eingruppiert gewesen und deshalb in die VergGr. V b im Wege der Bewährung aufgestiegen (Fallgruppe 1 c). Ihm seien über den 29. Februar 2000 hinaus auf Dauer Tätigkeiten eines Sachbearbeiters des mittleren Dienstes nach VergGr. V c/V b zu übertragen. Beim Versorgungsamt A bestehe ständiger Vertretungsbedarf. Bei der von ihm verrichteten Tätigkeit habe es sich um eine Dauervertretung gehandelt. Wenn der Arbeitgeber dem Kläger in der Vergangenheit befristet eine Aufgabe eines Sachbearbeiters übertragen habe, wie hier in der letzten Zuweisung, so müsse diese identisch sein mit dem angeblichen Vertretungsfall und der ungefähren Dauer. Dies sei aber hier nicht der Fall gewesen. In der letzten befristeten Übertragung der Tätigkeit im Sachbearbeiterbereich heiße es in der schriftlichen Begründung, dass der Kläger die Aufgaben der wegen Erziehungsurlaubs abwesenden Frau G wahrnehmen solle. Tatsächlich sei der Kläger aber nicht, wie ausgewiesen, auf der Stelle der Frau G in SG (Sachbearbeitergruppe) 4 eingesetzt, sondern in SG (Sachbearbeitergruppe) 2 unter SB 5, wo nach Stand 10. Juli 2001 in eckiger Klammer der Name „K” stehe. Frau K sei seit 1991 nicht mehr im Versorgungsamt tätig gewesen. Somit habe es auch keine Identität der wahrgenommenen Vertretungsaufgaben mit der Begründung in der schriftlichen Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit gegeben. Der Einsatz des Klägers habe am 29. Februar 2000 geendet. Frau G habe ihre Arbeit am 1. April 2000 nach Beendigung ihres Erziehungsurlaubs wieder angetreten. Sie sei vorübergehend auf ihrem alten Arbeitsplatz eingesetzt worden und sei ab 15. November 2000 in einer anderen Abteilung, der Abteilung 4 „Erziehungsgeld” tätig.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab 1. März 2000 nach VergGr. V b BAT zu vergüten;
  2. das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger auf einem Dienstposten zu beschäftigen mit Tätigkeiten, die den VergGr. V c/V b BAT entsprechen,

    hilfsweise,

    festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger ab 1. März 2000 nach VergGr. V c BAT zu vergüten.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die vertretenen Beschäftigten hätten dem Fachdienst mittlerer Dienst seiner Abteilung angehört und seien von ihm vertreten worden. Frau G habe sich bis zum 25. März 2000 in Erziehungsurlaub befunden und habe ihren Dienst in Vollzeit wieder aufgenommen. Das ergebe sich aus der „Dienstpostenbesetzungsliste Stand: 01.12.1999 Abteilung 3 Gruppe 2”, in der der Kläger als „Vertretung für G” aufgeführt sei. Unter Hinweis auf die „Amtsanordnung Nr. 22/2001” vom 26. Juni 2001 des Versorgungsamtes A, nach der die Regierungsobersekretärin Regina K mit Ablauf des 30. Juni 2001 ihre Beurlaubung nach § 85 a LBG beendet und mit 28,53 Stunden/wöchentlich ab 1. Juli 2001 als Sachbearbeiterin im mittleren Fachdienst in der Abteilung 3 eingesetzt und der Gruppe 3 zugewiesen wird, hält das beklagte Land den Vortrag des Klägers betreffend Frau K für unrichtig.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger ab 1. März 2000 nach VergGr. V b BAT zu vergüten und ihn auf einem Dienstposten zu beschäftigen mit Tätigkeiten, die den VergGr. V c/V b BAT entsprechen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision des beklagten Landes zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

I. Soweit der Kläger Feststellung begehrt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger ab 1. März 2000 nach VergGr. V b BAT zu vergüten, handelt es sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen die keine prozessrechtlichen Bedenken nach § 256 ZPO bestehen.

Das weitere Feststellungsbegehren, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger auf einem Dienstposten zu beschäftigen mit Tätigkeiten, die den VergGr. V c/V b BAT entsprechen, ist unzulässig. Insoweit hätte ein Leistungsurteil ergehen müssen. Ein solches hatte der Kläger auch beantragt. Es ist aber nicht ergangen. Eine Anschlussrevision hat der Kläger nicht eingelegt.

II. Die Eingruppierungsfeststellungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. V b BAT ab 1. März 2000. Er ist nicht im Wege der Bewährung aus der VergGr. V c in die VergGr. V b BAT aufgestiegen. Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Der Kläger erfüllt kein Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V c BAT.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft vertraglicher Vereinbarung der BAT/BL nebst dessen Anlage 1 a in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung.

2. Der Klage kann daher nur stattgegeben werden, wenn in der Gesamtarbeitszeit des Klägers zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die im streitigen Anspruchszeitraum die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V b BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei kommt es auf die von dem Kläger nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit an (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT).

Die dem Kläger übertragene Sachbearbeitertätigkeit entspricht den Anforderungen der VergGr. V c Fallgruppe 1 a des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT. Diese Bewertung ist zwischen den Parteien ebenso wenig umstritten wie die Bewährung des Klägers in dieser Tätigkeit, die nach dreijähriger Dauer zur Vergütung nach VergGr. V b BAT (Fallgruppe 1 c) führt. Diese Bewertung war entsprechend den Grundsätzen zur Überprüfung einer Eingruppierung bei korrigierender Rückgruppierung (vgl. BAG 16. Februar 2000 – 4 AZR 62/99BAGE 93, 340, 356 f.) zugrunde zu legen.

3. Das Landesarbeitsgericht hat – zusammengefasst – angenommen, die Tätigkeit als Sachbearbeiter des mittleren Dienstes sei dem Kläger nicht nur vorübergehend übertragen gewesen, sondern auf Dauer (vgl. § 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT), weil beim Versorgungsamt A, insbesondere in der Abteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) ein Dauerbedarf bestehe. Der Kläger sei auf dieser oder jener Stelle beschäftigt worden. Wieso der Kläger für einzelne Arbeitnehmer beschäftigt worden sei, sei nicht erkennbar. Es sei nicht ersichtlich, wo die genannten Arbeitnehmer gearbeitet hätten und inwieweit der Kläger gerade zu deren unmittelbarer oder mittelbarer Vertretung eingesetzt worden sei. Das hält der Revision nicht stand.

a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, das beklagte Land habe dem Kläger ab 30. Mai 1996 die Tätigkeit eines Sachbearbeiters des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) ausdrücklich nicht auf Dauer, sondern jeweils nur vorübergehend übertragen.

b) Bei seiner rechtlichen Prüfung, ob es rechtens war, diese höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen, ist das Landesarbeitsgericht – auch – von dem damaligen Stand der Rechtsprechung des Senats ausgegangen. Danach galt eine vorübergehend übertragene Tätigkeit als auf Dauer übertragen, wenn die Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT rechtsmissbräuchlich verwendet worden sei. Rechtsmissbrauch lag nach dieser Rechtsprechung vor, wenn die vorübergehende Übertragung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei (5. Juli 1967 – 4 AZR 162/66 – und 11. Oktober 1967 – 4 AZR 448/66 – AP TVG § 1 Tarifverträge: BAVAV Nrn. 10, 11; 25. Oktober 1967 – 4 AZR 12/67 – AP BAT § 24 Nr. 1; 5. September 1973 – 4 AZR 549/72 – AP BAT § 24 Nr. 2). Fehle es an einer sachlichen Rechtfertigung, sei der Angestellte von Beginn der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit an so zu behandeln, als sei ihm diese auf Dauer zugewiesen (10. Februar 1988 – 4 AZR 585/87 – AP BAT § 24 Nr. 15 mwN; 16. Januar 1991 – 4 AZR 301/90BAGE 67, 59; 26. März 1997 – 4 AZR 604/95 – ZTR 1997, 413). Es bestehe aber hinsichtlich der tatsächlichen Rechtfertigung ein verhältnismäßig großer Beurteilungsspielraum sowohl des Arbeitgebers als auch der Tatsacheninstanz (15. Februar 1984 – 4 AZR 595/82 – AP BAT § 24 Nr. 8).

c) Diese Rechtsprechung zur Rechtsmissbrauchskontrolle bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für einen vorübergehenden Zeitraum hat der Senat nach nochmaliger Prüfung in mehreren Entscheidungen vom 17. April 2002 aufgegeben. Vielmehr muss der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung, ob er kraft seines Direktionsrechts die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nur vorübergehend vornimmt, entsprechend § 315 BGB billiges Ermessen walten lassen. Der Senat hat diese Rechtsprechungsänderung und die Grundsätze für die Ermessensprüfung bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT in der Entscheidung in der Sache – 4 AZR 174/01 – (AP BAT § 24 Nr. 23, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) ausführlich begründet. Darauf nimmt er Bezug.

Danach ist bei der „vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit” nach § 24 BAT zu unterscheiden zwischen einer „vorübergehenden” Übertragung nach § 24 Abs. 1 BAT und der „vertretungsweisen” Übertragung der Tätigkeit nach § 24 Abs. 2 BAT. Letztere bildet einen speziell geregelten Sonderfall der vorübergehenden (interimistischen) Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit.

Um eine Vertretung iSv. § 24 Abs. 2 BAT handelt es sich nur dann, wenn der eigentliche Arbeitsplatzinhaber vorübergehend die ihm dauernd übertragene Tätigkeit nicht wahrnimmt (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand Januar 2003 § 24 Rn. 53). Die Billigkeit einer vertretungsweisen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 Abs. 2 BAT folgt schon aus dem Übertragungsgrund: Denn nach Rückkehr des vertretenen Arbeitnehmers auf seinen Arbeitsplatz besteht kein Bedürfnis für die Beschäftigung des Vertreters auf diesem Arbeitsplatz. Die vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für die Zeit der Verhinderung des Vertretenen entspricht daher regelmäßig billigem Ermessen (Senat 17. April 2002 – 4 AZR 174/01 – aaO).

d) Nach diesen Grundsätzen entsprechen die Übertragungsanordnungen des beklagten Landes im Ergebnis billigem Ermessen iSv. § 315 BGB.

aa) Die Übertragungsanordnungen des beklagten Landes vom 30. Mai 1996, vom 12. November 1996, vom 27. März 1997, vom 19. September 1997, vom 1. April 1998, vom 18. November 1998 entsprechen hinsichtlich ihrer zeitlichen Begrenzung billigem Ermessen iSv. § 315 BGB. Die genannten Anordnungen hatten sämtlich die „vertretungsweise” Übertragung der höherwertigen Tätigkeit eines Sachbearbeiters mittlerer Dienst nach VergGr. V c Fallgruppe 1 a BAT zum Inhalt. Dies ergibt sich aus dem vom Landesarbeitsgericht für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO aF) festgestellten unstreitigen Sachverhalt, den das Landesarbeitsgericht insbesondere auch den von den Parteien vorgelegten Urkunden entnimmt.

Der von dem Landesarbeitsgericht aus dieser Sachverhaltsgrundlage gezogenen Schlussfolgerung, das beklagte Land habe einen bestehenden Dauerbedarf dadurch zu decken versucht, dass Arbeitnehmer je nach Verfügbarkeit auf dieser oder jener Stelle beschäftigt worden seien, weil nicht einmal ansatzweise erkennbar sei, wieso der Kläger tatsächlich für die Mitarbeiter/-innen Sa, G, S, H beschäftigt worden sei und es nicht ersichtlich sei, wo diese gearbeitet hätten und inwieweit der Kläger gerade zu deren unmittelbarer oder mittelbarer Vertretung eingesetzt worden sei, folgt der Senat nicht.

Diese Auffassung verkennt den Umfang der Darlegungslast des beklagten Landes, das die Billigkeit seiner Anordnungen (§ 315 BGB) darzulegen und zu beweisen hat.

Aus den Vertretungsanordnungen des beklagten Landes, die der Kläger selbst vorgelegt hat, folgt jeweils, welche Bediensteten – zum Teil unter Angabe der Gründe – vom Kläger für welchen Zeitraum zu vertreten waren. Diese Unterlagen, auf die sich beide Parteien bezogen haben, enthalten damit den ausreichend präzisen Sachvortrag, zumal der Kläger selbst davon ausgeht, er habe neun Vertretungsfälle zu übernehmen gehabt (Berufungsbegründung vom 2. April 2001 Bl. 4).

Der Kläger hat hinsichtlich der eingangs genannten Übertragungsanordnungen nicht in Abrede gestellt, Aufgaben der in den Vertretungsanordnungen des beklagten Landes genannten Bediensteten ausgeübt zu haben, sondern vielmehr lediglich als Ergebnis einer Gesamtwürdigung des Sachverhaltes den Standpunkt eingenommen, dass bei dem beklagten Land „der ständige Vertretungsbedarf im Sachbearbeiterbereich bestand … und besteht …”.

Diese Einlassung enthält kein substantiiertes Bestreiten der sich aus den Übertragungsanordnungen des beklagten Landes ergebenden Tatsachen, sondern eine Wertung des Klägers, die mangels substantiierter Darlegung, welche Tatsachen im Vortrag des beklagten Landes zur Vertretungstätigkeit des Klägers von ihm bestritten werden sollen, nicht auf ihre Richtigkeit überprüfbar ist. Es oblag dem Kläger vielmehr, näher darzulegen, inwiefern der sich aus den Übertragungsanordnungen ergebende Sachverhalt unzutreffend sein soll, also z.B. etwa, dass die darin genannten Mitarbeiter nicht beim Versorgungsamt A beschäftigt, diese während der angegebenen Vertretungszeiten nicht ausgefallen gewesen oder nicht mit den der dem Kläger „vertretungsweise” übertragenen Tätigkeiten betraut gewesen seien.

bb) Auch die Übertragungsanordnung vom 28. Juni 1999, mit der dem Kläger „vom 01. August 1999 an bis zum 29. Februar 2000 zur Vertretung der beurlaubten Angestellten S G … die … Tätigkeit eines Sachbearbeiters mittlerer Dienst in der Abteilung 3” übertragen wurde, entspricht billigem Ermessen iSd. § 315 BGB. Es handelt sich um eine Vertretung iSv. § 24 Abs. 2 BAT. Die eigentliche Arbeitsplatzinhaberin nahm vorübergehend die ihr dauernd übertragene Tätigkeit nicht wahr.

Nun hat der Kläger insoweit vorgetragen, tatsächlich sei er nicht auf der Stelle der Frau G eingesetzt gewesen, sondern auf der Stelle „K”. Frau K sei seit 1991 nicht mehr im Versorgungsamt tätig gewesen. Somit habe es keine Identität der wahrgenommenen Vertretungsaufgaben mit der Begründung in der Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit gegeben. Der Einsatz des Klägers habe ab 29. Februar 2000 geendet. Frau G habe ihre Arbeit am 1. April 2000 nach Beendigung ihres Erziehungsurlaubs wieder angetreten. Sie sei vorübergehend auf ihrem alten Arbeitsplatz eingesetzt worden und sei ab 15. November 2000 in einer anderen Abteilung, nämlich in der Abteilung 4 (Erziehungsgeld) tätig.

Dieser Vortrag ist aus zweierlei Gründen unbeachtlich: Zum einen hat das beklagte Land mit der „Amtsanordnung Nr. 22/2001” belegt, dass die Regierungsobersekretärin R K mit Ablauf des 30. Juni 2001 ihre Beurlaubung nach § 85 a LBG beendet und mit 28,53 Stunden/wöchentlich ab 1. Juli 2001 als Sachbearbeiterin im mittleren Fachdienst in der Abteilung 3 eingesetzt und der Gruppe 3 zugewiesen wird, woraus erhellt, dass Frau K zwar möglicherweise seit 1991 nicht mehr tatsächlich im Versorgungsamt A tätig gewesen sein mag, der Vortrag des Klägers aber insoweit als unschlüssig erscheint, weil der Kläger auch dann iSv. § 24 Abs. 2 BAT vertreten hat oder aber eine vorübergehend auszuübende Tätigkeit iSv. § 24 Abs. 1 vorgelegen hat, weil diese Stelle vorübergehend nicht tatsächlich besetzt war, mit anderen Worten der Kläger auf dieser Stelle geführt wurde und aus deren Mitteln vergütet worden ist.

Zum anderen hat das beklagte Land die „Dienstpostenbesetzungsliste Stand 01.12.1999” betreffend die Abteilung 3 Gruppe 2 vorgelegt, nach der der Kläger als „Vertretung für G”, die sich in „ErzUrl” befindet, geführt wird. Damit ist belegt, dass der Kläger tatsächlich Frau G iSv. § 24 Abs. 2 BAT vertreten hat. Daran ändert nichts, dass das Ende der Vertretung durch den Kläger nicht mit dem Ende des Erziehungsurlaubs der Frau G zeitlich zusammenfällt. Das beklagte Land ist nicht gehalten, eine Vertretung für den gesamten Zeitraum anzuordnen, in dem der eigentliche Arbeitsplatzinhaber vorübergehend die ihm dauernd übertragene Tätigkeit nicht wahrnimmt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das beklagte Land die Vertretung einen Monat vor Rückkehr der Frau G enden lässt.

III. Ist der Eingruppierungsantrag wegen fehlender Übertragung auf Dauer von Tätigkeiten der Wertigkeit der VergGr. V c/V b sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch hinsichtlich des Hilfsantrags unbegründet, ist der eventual kumulierte Beschäftigungsantrag nicht angefallen oder – falls er nicht als eventual kumuliert gestellt anzusehen ist – unbegründet.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Schliemann, Wolter, Friedrich, Kiefer, Seifner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1480143

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