Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückabwicklung von Ansprüchen aus vorzeitig beendeter Altersteilzeit in der Insolvenz
Orientierungssatz
Wird ein Altersteilzeitverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers vorzeitig einvernehmlich beendet und rückabgewickelt, so sind restliche Vergütungsansprüche für die in der Zeit vor Insolvenzeröffnung geleistete Arbeit bloße Insolvenzforderungen.
Normenkette
InsO §§ 38, 55, 108 Abs. 2, §§ 113, 123
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die rechtliche Qualifizierung von Entgeltansprüchen aus der Rückabwicklung eines Altersteilzeitvertrages in der Insolvenz.
Der Kläger war bei der V… GmbH, der jetzigen Insolvenzschuldnerin, als Arbeitnehmer beschäftigt. Mit dieser schloss er für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2006 einen Altersteilzeitvertrag, wonach er im Rahmen des sogenannten Blockmodells eine Arbeitsphase vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2003 durchlaufen und sich anschließend vom 1. Juli 2003 bis zum 30. Juni 2006 in die Freistellungsphase begeben sollte.
Am 1. Oktober 2002 wurde über das Vermögen der V… GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser vereinbarte am selben Tag mit dem Betriebsrat einen Sozialplan, der ua. folgenden Inhalt hat:
“2. Altersteilzeit
Alle Altersteilzeitler, die sich zum Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens in der Freistellungsphase befinden, können unter Beihaltung ihrer bisherigen Ansprüche und Entgeltzahlungen ihr individuelles Altersteilzeitverhältnis in der Transfergesellschaft zu Ende führen.
Alle Altersteilzeitler, die sich zum Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens in der Arbeitsphase befinden, werden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekündigt. Es erfolgt eine Rückabwicklung nach den gesetzlichen Bestimmungen. Alle Ansprüche aus der Rückabwicklung werden durch die Personalabteilung ermittelt und den betroffenen Arbeitnehmern ausgehändigt.
Für diesen Arbeitnehmerkreis gilt auch die Möglichkeit des Eintritts in die Transfergesellschaft soweit nach dem zu kündigenden Altersteilzeitvertrag weitergehende Ansprüche zustehen, werden diese von den Arbeitnehmern vorbehalten. Ein Eintritt in die Transfergesellschaft nimmt den betroffenen Arbeitnehmern nicht die Möglichkeit ihre behaupteten weitergehenden Ansprüche ggfs. gerichtlich überprüfen zu lassen.”
Ebenfalls am 1. Oktober 2002 schlossen der Kläger einerseits, der Beklagte und die B… Transfergesellschaft mbH in O… andererseits einen dreiseitigen Vertrag, der unter anderem der Umsetzung des Interessenausgleichs/Sozialplans vom selben Tag dienen sollte. In dem Vertrag vereinbarten die vertragsschließenden Parteien unter anderem:
“§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der V…
In Kenntnis der in der Vorbemerkung genannten Vereinbarung wird das zwischen der V… und Herrn H… bestehende Arbeitsverhältnis aus dringenden betriebsbedingten Gründen zum 15.10.2002 beendet.
Mit Abschluss dieses Vertrages sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit der V… und anlässlich dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.
Mit Zustimmung zu diesem Vertrag nimmt V… diesen Verzicht an.
Diese Erledigung gilt nicht für die Lohn- bzw. Gehaltsansprüche, Resturlaub bzw. Freizeitguthaben bis zum Austrittstermin, den etwaigen Anspruch aus unverfallbarer Versorgungsanwartschaft sowie die Ansprüche auf ein Arbeitszeugnis und die Arbeitspapiere.
§ 2 Vertragsbeginn und Laufzeit des Anstellungsvertrages mit der B…
Ab dem 16.10.2002 tritt Herr H… bis zum 15.10.2003 in ein Anstellungsverhältnis mit der B… ein.
Das Anstellungsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer vorherigen Kündigung bedarf.”
Unter dem 18. Dezember 2002 übersandte der Beklagte dem Kläger eine “Auflistung der Entgeltansprüche aus der Rückabwicklung der Altersteilzeit”, bezifferte den Gesamtanspruch auf 36.498,58 Euro und bat um entsprechende Eintragung in die Insolvenztabelle.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es handle sich um eine Masseverbindlichkeit iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, weil der Sozialplan nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen worden sei und damit den Anspruch des Klägers begründet habe. Der Anspruch auf Auszahlung des Wertguthabens sei erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beendigung des Altersteilzeitvertrages entstanden und wie eine Abfindung zu behandeln.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 36.498,58 Euro netto zu bezahlen, und zwar zuzüglich Jahreszinsen hieraus seit dem 16. Oktober 2002 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Anspruch des Klägers sei eine bloße Insolvenzforderung iSd. § 38 InsO. Die während der Arbeitsphase erarbeiteten Entgelte des Klägers seien bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und nur gestundet. Dadurch, dass der Sozialplan eine Umgestaltung des Altersteilzeitverhältnisses in ein Abwicklungsverhältnis vorsehe, seien keine Sozialplanansprüche iSv. § 123 InsO begründet worden. Der Sozialplan enthalte hinsichtlich des Wertguthabens keine eigenständige, konstitutive Regelung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat hinsichtlich des unstreitigen Wertguthabens Masseverbindlichkeiten iSv. §§ 55, 123 InsO verneint und eine bloße Insolvenzforderung iSv. § 38 InsO angenommen. Der Kläger sei in der Arbeitsphase im Blockmodell der Altersteilzeit bis zum 1. Oktober 2002 mit seiner vollen Arbeitsleistung in Vorlage getreten. Auch soweit der Arbeitgeber die Vergütung dafür erst später auszuzahlen gehabt hätte, sei diese bereits in vollem Umfang verdient gewesen. Insoweit sei ein Wertguthaben iSv. § 7 Abs. 1a SGB IV entstanden, welches gem. § 7d SGB IV gegen Insolvenz zu schützen gewesen wäre. Dieses Guthaben sei unabhängig von der hinausgeschobenen Fälligkeit dem Zeitraum zuzuordnen, in dem es erarbeitet worden sei, dh. hier der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Damit scheide § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO für eine Einordnung als Masseverbindlichkeit ebenso aus wie § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Auch aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO könne eine solche Einordnung nicht abgeleitet werden, weil die streitige Verbindlichkeit nicht durch Handlungen des Beklagten begründet worden sei. Der Anspruch auf Rückzahlung des Wertguthabens sei keine Abfindung für den Verlust des sozialen Besitzstandes, sondern sei ein Anspruch auf Arbeitsentgelt für bereits erbrachte Arbeitsleistungen. § 123 InsO vermöge ebenfalls kein anderes Ergebnis zu begründen, denn der Sozialplan schaffe insoweit schon nach seinem Wortlaut keine eigenständigen Ansprüche, sondern fordere nur die Abwicklung bereits entstandener Ansprüche “nach den gesetzlichen Bestimmungen”. Für die Einordnung als bloße Insolvenzforderung spreche schließlich auch § 113 InsO.
II. Dem folgt der Senat sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung.
1. Das angefochtene Urteil steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitgerichts, wonach Ansprüche aus einem Arbeits- bzw. Altersteilzeitverhältnis gem. § 108 Abs. 2 InsO Insolvenzforderungen werden, wenn es sich um solche “für” die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens handelt. Die Abgrenzung erfolgt danach, wann die Arbeitsleistung, die den Ansprüchen zugrunde liegt, erbracht wurde. Dagegen kommt es nicht darauf an, wann der Arbeitnehmer die Zahlungen verlangen kann (BAG 24. September 2003 – 10 AZR 640/02 – AP InsO § 47 Nr. 1 = EzA InsO § 47 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 18. November 2003 – 9 AZR 95/03 – AP InsO § 113 Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 19, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 19. Oktober 2004 – 9 AZR 645/03 – und – 9 AZR 647/03 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
2. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, dass der Sozialplan keine eigenständigen Ansprüche iSv. § 123 InsO generiert, sondern lediglich für die Abwicklung bereits entstandener Ansprüche auf die gesetzlichen Bestimmungen verwiesen hat. Dies greift der Kläger mit seiner Revision auch nicht mehr an.
3. In der Rückrechnung für Oktober 2002 ist kein Gehaltsanspruch mehr ausgewiesen. Dass und gegebenenfalls in welcher Höhe der Kläger für die Zeit vom 1. bis 15. Oktober 2002 Ansprüche geltend macht, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen. Der Klage war deshalb auch nicht teilweise stattzugeben.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Laux, Jungermann, Burger
Fundstellen
Haufe-Index 1341826 |
DB 2005, 1227 |
NWB 2005, 2256 |
NZA 2005, 1375 |
StuB 2005, 692 |
ZAP 2005, 705 |
ZTR 2005, 657 |
DZWir 2005, 428 |
AUR 2005, 461 |
NJOZ 2005, 4965 |