Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Entlassungsentschädigung. Druckindustrie. Revisionseinlegung durch eine Verbandsanwältin. Entfall des Anspruchs auf eine tarifliche Entlassungsentschädigung bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Tarifauslegung – Merkmale. Rechtsmissbrauch. Auslegung eines Prozessvergleichs. Ausgleichsquittung – überraschende Klausel. Verfahrensrüge. Übergehen eines Beweisantritts
Leitsatz (amtlich)
- Eine Entlassung beruht auch dann auf einer Rationalisierungsmaßnahme iSv. § 3 Ratio-TV, wenn der gekündigte Arbeitnehmer bei an sich bestehender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit die fachlichen Anforderungen der geänderten Arbeitstechniken nicht erfüllt.
- Ein Arbeitgeber, der “betriebsbedingt” kündigt, ohne tatsächliche Umstände oder rechtliche Hinweise dafür anzuführen, dass die Kündigung wegen einer Rationalisierungsmaßnahme erfolgt – die bei Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage einen Anspruch des gekündigten Arbeitnehmers auf eine tarifliche Entlassungsentschädigung begründet –, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf die Entschädigung einwendet, dieser sei erloschen, weil der Arbeitnehmer zuvor Kündigungsschutzklage erhoben hat.
- Eine allgemeine Ausgleichsklausel, nach welcher sämtliche Ansprüche “gleich nach welchem Rechtsgrund sie entstanden sein mögen, abgegolten und erledigt sind”, wird nicht Vertragsinhalt, wenn der Verwender sie in eine Erklärung mit falscher oder missverständlicher Überschrift ohne besonderen Hinweis oder drucktechnische Hervorhebung einfügt.
Orientierungssatz
- Eine unter Verwendung des Geschäftspapiers eines Verbandes von einer Rechtsanwältin eingelegte Revision ist zulässig, wenn die Revisionsschrift erkennen lässt, dass die Prozessbevollmächtigte die Revision nicht als Verbandsvertreterin, sondern in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin eingelegt hat.
- Der Anspruch auf die Entschädigung wegen Entlassung nach § 8 iVm. § 3 Ratio-TV setzt voraus, dass die Änderung von Arbeitstechniken mit technischer Entwicklung und mit Rationalisierung zu begründen ist.
- Der Anspruch auf die Entlassungsentschädigung nach § 8 iVm. § 3 Ratio-TV besteht auch dann, wenn die Entlassung darauf beruht, dass der Arbeitnehmer mit seiner Qualifikation die durch die Rationalisierungsmaßnahmen geschaffenen Arbeitsplätze nicht ausfüllen kann.
- Es bleibt unentschieden, ob eine tarifliche Bestimmung (hier § 8 Abs. 3 Satz 3 Ratio-TV) wirksam ist, nach der ein in demselben Tarifvertrag geregelter Anspruch auf eine Entlassungsentschädigung wegen einer Rationalisierungsmaßnahme im Falle der Erhebung der Kündigungsschutzklage erlischt.
- Auf diesen Erlöschenstatbestand darf sich ein Arbeitgeber nicht berufen, wenn er selbst in Abrede gestellt hat, die Kündigung beruhe auf einer Rationalisierungsmaßnahme iSd. Tarifvertrages, und das Vorliegen dieser Voraussetzung für den gekündigten Arbeitnehmer mangels entsprechender Kündigungsbegründung nicht erkennbar ist.
- Die Erklärung in einer Ausgleichsquittung, “dass sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit der Firma … und aus dessen Beendigung, gleich nach welchem Rechtsgrund sie entstanden sein mögen, abgegolten und erledigt sind”, ist als negatives Schuldanerkenntnis iSv. § 397 Abs. 2 BGB auszulegen.
- Auf ein solches ab dem 1. Januar 2002 abgeschlossenes Rechtsgeschäft ist das neue Recht der §§ 305 ff. BGB auch dann anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 2002 begründet worden ist.
- Eine Vertragsklausel mit dem Inhalt der Ziff. 6 wird nicht Vertragsinhalt, wenn der Verwender sie in eine Erklärung mit falscher oder missverständlicher Überschrift ohne besonderen Hinweis oder drucktechnische Hervorhebung einfügt.
- Tatsachenfeststellungen iSv. § 559 ZPO können auch in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils enthalten sein.
- Die Zulässigkeit der Verfahrensrüge der Nichterhebung eines Beweises erfordert, das übersehene Beweismittel, das dazu gehörende Beweisthema, den genauen Ort des Beweisantritts sowie das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme zu benennen.
Normenkette
Ratio-TV §§ 3, 8; MTV § 15; ArbGG § 11 Abs. 2; BGB §§ 133, 157, 242, 305c, 397; ZPO §§ 314, 320, 559
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer der Höhe nach unstreitigen tariflichen Entlassungsentschädigung.
Der am 15. Dezember 1956 geborene Kläger war bei der Beklagten zunächst vom 6. März 1989 bis zum 31. Januar 2001 und auf Grund Arbeitsvertrages vom 9. April 2001 unter Anrechnung der früheren Betriebszugehörigkeit seit dem 17. April 2001 zu einem Stundenlohn von zuletzt 28,66 DM als Offsetmontierer und Druckformhersteller beschäftigt. Gemäß Ziff. 7 des Arbeitsvertrages vom 9. April 2001 fanden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie und damit auch der für denselben Geltungsbereich abgeschlossene Tarifvertrag zur Abwendung sozialer Härten bei Rationalisierungsmaßnahmen (Rationalisierungsschutzvertrag) vom 6. Juli 1984 (nachfolgend: Ratio-TV) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
Der Ratio-TV, der nach seinem § 10 Abs. 1 Satz 1 Bestandteil des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 6. Februar 1997 (im Folgenden: MTV) ist, enthält ua. folgende Regelungen:
Ҥ 3 Begriffsbestimmung
Maßnahmen im Sinne dieses Abkommens sind Änderungen von Arbeitstechniken, Arbeits- und Produktionsabläufen, auch durch organisatorische Maßnahmen, die mit technischer Entwicklung und Rationalisierung zu begründen sind, sofern sie zur Freisetzung, Lohnminderung oder Umsetzung, verbunden mit Lohnminderung, führen.
…
§ 8 Entschädigung
Als Entschädigung für die Aufgabe des sozialen Besitzstandes bei Entlassungen infolge von Maßnahmen im Sinne des § 3 erhalten Arbeitnehmer:
nach vollendetem |
vollendete Jahre der Betriebszugehörigkeit |
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10 |
15 |
20 |
25 |
40. Lebensjahr |
5 |
6 |
7 |
8 |
50. Lebensjahr |
6 |
7 |
8 |
9 |
55. Lebensjahr |
7 |
8 |
9 |
10 |
58. Lebensjahr |
8 |
9 |
10 |
12 |
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Monatslöhne |
Für die Feststellung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit gelten die Bestimmungen in § 6. Berechnungsgrundlage ist der vereinbarte Lohn [vgl. § 8 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages].
Die Entschädigung wird mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Die Entschädigung gilt als Abfindung im Sinne der §§ 9 und 10 des Kündigungsschutzgesetzes. Der Anspruch entfällt, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt.”
In dem MTV ist bestimmt:
“§ 15 Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Ansprüche
1. Ansprüche aus dem Manteltarifvertrag und den Lohntarifverträgen sind wie folgt geltend zu machen:
a) …
b) Sonstige tarifliche Geldansprüche innerhalb von 8 Wochen nach dem Zeitpunkt, an dem sie hätten erfüllt werden müssen.
2. Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter Ziff. 1 festgesetzten Fristen ist ausgeschlossen.
3. Ist ein tariflicher Anspruch rechtzeitig geltend gemacht und lehnt der andere Teil seine Erfüllung ab, muss der Anspruch innerhalb von 12 Wochen seit der ausdrücklichen Ablehnung rechtshängig gemacht werden. Eine spätere Klageerhebung ist ausgeschlossen.”
Mit Schreiben vom 30. November 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 31. März 2002, ohne darin die Betriebsbedingtheit der Kündigung zu erläutern. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Kündigungsschutzklage (Arbeitsgericht Heilbronn – 3 Ca 553/01 –). In diesem Rechtsstreit begründete die Beklagte die Kündigung im Wesentlichen damit, dass sie in der von ihr ohne eigentliche Druckvorstufe betriebenen Offset-Druckerei die bisherige reine Filmmontage ersetzt habe, indem sie eine CreoScitex-Anlage erworben und mittels dieser im Juni 2001 die CtF-Technologie (Computer to Film) eingeführt habe. Hierdurch habe sich das Arbeitsvolumen im Bereich der Montage und Druckformherstellung (Plattenkopie) um etwa zwei Drittel reduziert, so dass dort zwei von drei Arbeitsplätzen entfallen seien. Die CtF-Anlage werde von ihrem Geschäftsführer selbst bedient. Der im Bereich der Vorstufe neu geschaffene Arbeitsplatz “digitaler Satz” (DTP) stelle Anforderungen, denen die Qualifikation des Klägers nicht genüge, so dass sie diesem und einem weiteren Arbeitnehmer habe kündigen müssen. Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2001 wies sie andere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorsorglich zurück. Dieser Rechtsstreit endete durch gerichtlichen Vergleich vom 22. Januar 2002, der ua. folgenden Inhalt hat:
“1. Die Parteien stellen außer Streit, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter fristgerechter Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 30.04.2002 enden wird.
2. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger eine Sozialabfindung i.S.d. §§ 9, 10 KSchG i.V.m. § 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 4.601,63 € brutto = netto, die mit der Abrechnung für den Monat April 2002 zur Auszahlung kommt.”
Mit Schreiben vom 25. Februar 2002 forderte der Kläger die Beklagte auf, an ihn mit Ablauf des Arbeitsverhältnisses 6.902,44 Euro als Differenz zwischen dem Entschädigungsanspruch nach dem Ratio-TV und der im Prozessvergleich vereinbarten Abfindung zu zahlen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 5. März 2002, beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am 6. März 2002 eingegangen, die Zahlung des geforderten Betrages unter Hinweis auf § 8 Abs. 3 Satz 3 Ratio-TV ab. Die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung erhielt der Kläger mit seinem Lohn für April 2002.
Nachdem der Kläger von der Beklagten telefonisch zur Abholung seiner Arbeitspapiere aufgefordert worden war, unterzeichnete er am 14. Mai 2002 in deren Betrieb eine ihm von einer Mitarbeiterin der Beklagten vorgelegte und auf den 2. Mai 2002 datierte Erklärung mit folgendem Wortlaut und Textaufbau:
“Rückgabe Ihrer Unterlagen
Sehr geehrter Herr …
beiliegend händigen wir Ihnen nachfolgende Unterlagen aus:
– Meldung zur Sozialversicherung (Abmeldung)
– Lohnabrechnung 04/02
– Lohnsteuerkarte 2002
Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit der Firma …
und aus dessen Beendigung, gleich nach welchem Rechtsgrund sie entstanden sein mögen, abgegolten und erledigt sind.
Gleichzeitig bestätigen Sie den vollständigen Erhalt der o.g. Dokumente.”
Der Kläger focht unter dem 21. Mai 2002 schriftlich diese Erklärung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten an.
Mit seiner am 27. Mai 2002 beim Arbeitgericht eingegangenen und am 29. Mai 2002 der Beklagten zugestellten Klage hat der Kläger geltend gemacht, bei der betriebsbedingten Kündigung vom 30. November 2001 habe es sich um eine Entlassung in Folge einer Rationalisierungsmaßnahme iSd. § 3 Ratio-TV gehandelt. Die von ihm am 14. Mai 2002 abgegebene Verzichtserklärung sei auf Grund seiner Anfechtung nichtig. Er hat insoweit behauptet, er sei bei Abgabe der Erklärung arglistig getäuscht worden, da ihm die Mitarbeiterin der Beklagten gesagt habe, er solle unterschreiben, dass er seine Arbeitspapiere ordnungsgemäß erhalten habe. Da er davon ausgegangen sei, er habe lediglich den Empfang der Arbeitspapiere quittiert, liege zugleich ein Erklärungsirrtum vor. Im Übrigen vertritt er die Ansicht, der in § 8 Abs. 3 Satz 3 Ratio-TV vorgesehene Anspruchsausschluss sei nach § 138 BGB nichtig.
Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.902,44 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Nettobetrag seit dem 6. März 2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, der Anspruch nach § 3 Ratio-TV sei schon nicht entstanden. Zwar sei die Ersetzung der konventionellen Montage durch die digitale Montage eine technische Entwicklung, die im Bereich der Montage zum Wegfall von zwei Arbeitsplätzen geführt habe. Hierauf habe die Kündigung des Klägers aber nicht ausschließlich beruht, wie dies § 3 Ratio-TV erfordere. Vielmehr beruhe die Kündigung darauf, dass der Kläger die neue Technik nicht beherrscht habe und auch nicht bereit gewesen sei, sich die notwendigen Fähigkeiten anzueignen. Der Anspruch sei zudem im Falle seiner Entstehung jedenfalls wieder entfallen. Dies ergebe sich wegen der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage schon aus § 8 Abs. 3 Satz 3 Ratio-TV, der keinen rechtlichen Bedenken unterliege. Im Übrigen sei der Anspruch auch nach § 15 Ziff. 3 MTV erloschen, da die zwölfwöchige Geltendmachungsfrist bereits mit der vorsorglichen Ablehnung aller anderen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis im Schreiben vom 17. Dezember 2001 begonnen habe. Zumindest aber sei der Anspruch auf Grund der vom Kläger unterzeichneten Ausgleichsquittung entfallen. Bei dieser habe es sich nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung gehandelt. Zwar sei die Klausel vorformuliert gewesen, sie sei aber nur für den Fall des Klägers und nicht für eine weitere Verwendung bestimmt gewesen. Selbst wenn man von dem Vorliegen einer allgemeinen Geschäftsbedingung ausgehe, so bestünden gegen die Wirksamkeit keine Bedenken. Die Ausgleichsquittung sei weder überraschend noch enthalte sie eine unangemessene Benachteiligung des Klägers. Der Kläger habe die Ausgleichsquittung auch nicht wirksam anfechten können, da sie – die Beklagte – ihn nicht über deren Inhalt getäuscht habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen in Höhe von 6.535,12 Euro brutto nebst Zinsen ab 1. Mai 2002 stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte mit einem auf dem Geschäftspapier des Verbandes Druck und Medien Bayern e.V. geschriebenen Schriftsatz Revision eingelegt. Die Revisionsschrift lautet im Anschluss an die Nennung der Beklagten:
“Vertr. dch. RAin F…, vdmb Verband Druck und Medien Bayern e.V., Rollnerstraße 14, 90408 Nürnberg
…
lege ich namens und mit beiliegender Vollmacht der Beklagten…
Revision
ein.
…
Die Prozessbevollmächtigte
RAin F”
Die der Revisionsschrift beigefügte Vollmacht ist ebenfalls auf dem Geschäftspapier des Verbandes Druck und Medien Bayern e.V. geschrieben. Die Bevollmächtigung lautet auf
“Frau RAin F…, Verband Druck und Medien Bayern e.V., 90408 Nürnberg, Rollnerstraße 14”.
Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
I. Die Revision ist zulässig. Die Beklagte war bei der Einlegung der Revision ordnungsgemäß vertreten.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG müssen sich die Parteien vor dem Bundesarbeitsgericht durch Rechtsanwälte als Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Zur Vertretung ist jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt berechtigt. Die vormalige Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist als Rechtsanwältin zugelassen. Als solche hat sie die Beklagte auch bei der Einlegung der Revision vertreten. Zwar ist die Revision unter dem Briefkopf “Verband Druck und Medien Bayern” eingereicht worden. Auch ist die ehemalige Prozessbevollmächtigte im Rubrum als “RAin F…, vdmb Verband Druck und Medien Bayern e.V.” bezeichnet. Gleichwohl hat die vormalige Prozessbevollmächtigte die Revision nicht als Vertreterin des Verbandes eingelegt, sondern in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin. Die Revisionsschrift ist unterzeichnet mit “Die Prozessbevollmächtigte RAin F”. Außerdem heißt es in der Revisionsschrift: ”… in Sachen … lege ich namens und mit beiliegender Vollmacht der Beklagten gegen … Revision ein”. Daraus ergibt sich, dass die Prozessbevollmächtigte in ihrer Funktion als Rechtsanwältin die Verantwortung für die Prozesshandlungen übernommen und nicht lediglich für den Verband Druck und Medien Bayern gehandelt hat (vgl. BAG 21. März 2002 – 6 AZR 144/01 – EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 88, zu A der Gründe; 21. November 1985 – 2 AZR 21/85 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 12 = EzA KSchG § 1 Nr. 42, zu I 2 der Gründe; 23. Juni 1988 – 8 AZR 740/85 –, zu A der Gründe; 19. März 1996 – 2 AZB 36/95 – BAGE 82, 239, 242; 27. September 2001 – 6 AZR 462/00 – EzA ArbGG 1979 § 11 Nr. 15, zu I der Gründe). Der Wille, als Prozessvertreterin selbst die Verantwortung für die Revisionseinlegung zu übernehmen, wird zudem beim Vergleich der Revisionsschrift mit den Schriftsätzen in den Vorinstanzen deutlich. Darin hat die vormalige Prozessbevollmächtigte durch die Verwendung der 1. Person Plural (zB ”… zeigen wir an, dass wir die Beklagte vertreten”) immer deutlich gemacht, dass sie nicht in eigenem Namen, sondern für den Verband handele. Des Weiteren hat sie die Schriftsätze in den Vorinstanzen – mit einer Ausnahme, bei der sie aber ebenfalls zum Ausdruck gebracht hat, für den Verband zu handeln –, auch nicht mit dem Zusatz “RAin” versehen.
II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten als – restliche – Entschädigung für die Aufgabe des sozialen Besitzstands die Zahlung von 6.535,12 Euro brutto verlangen.
1. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Entschädigung nach § 8 Abs. 1 Ratio-TV ist entstanden. Danach erhalten Arbeitnehmer bei Entlassungen infolge von Maßnahmen im Sinne von § 3 Ratio-TV eine Entschädigung.
a) Der Begriff der Maßnahme des § 3 Ratio-TV erfordert Änderungen von Arbeitstechniken, Arbeits- und Produktionsabläufen. Da die Tarifvertragsparteien die Begriffe Arbeitstechniken und Arbeits- und Produktionsabläufe mittels Komma getrennt haben, handelt es sich insoweit um eine alternative Aufzählung, so dass es genügt, wenn eines der Tatbestandsmerkmale gegeben ist (Senat 9. März 1994 – 4 AZR 270/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Graphisches Gewerbe Nr. 4 = EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 25, zu II 2a der Gründe). Die Beklagte hat in der von ihr betriebenen Offset-Druckerei mittels Installierung einer CtF-Anlage die bisherige manuelle Montage durch digitale Montage ersetzt. Sie hat damit die Arbeitstechnik geändert.
b) Weiterhin setzt § 3 Ratio-TV voraus, dass die Änderung von Arbeitstechniken mit technischer Entwicklung und im Sinne eines zweiten selbständigen Erfordernisses auch mit Rationalisierung zu begründen ist. Dies folgt aus dem Wortlaut des Tarifvertrages durch die Verwendung des Wortes “und” (Senat 9. März 1994 – 4 AZR 270/93 – aaO, zu II 2b der Gründe; ebenso zum gleich lautenden Tarifvertrag in der Fassung vom 2. Oktober 1969: Senat 12. März 1975 – 4 AZR 248/74 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Graphisches Gewerbe Nr. 3 = EzA TVG § 4 Graphisches Gewerbe Nr. 1). Die Änderung der Arbeitstechnik ist zum einen mit technischer Entwicklung zu begründen. Die Beklagte hat mit Einführung der CtF-Technologie der technischen Entwicklung im Bereich der Druckindustrie Rechnung getragen. Die Änderung der Arbeitstechnik ist zum anderen auch mit Rationalisierung zu begründen. Unter “Rationalisierung” im Sinne von § 3 Ratio-TV sind alle Maßnahmen zur Steigerung des wirtschaftlichen Erfolgs unter Einschluss von Änderungen im Fertigungs- und Verteilungsprozess zu verstehen, die zur Einsparung menschlicher Arbeitskraft führen (Senat 12. März 1975 – 4 AZR 248/74 – aaO). Durch die Einführung der CtF-Technologie wurde das Arbeitsvolumen im Bereich der Montage und Druckformherstellung (Plattenkopie) um etwa zwei Drittel reduziert; es kam also zu einer entsprechend wirtschaftlicheren Produktion unter Einsparung menschlicher Arbeitskraft.
c) Die Entlassung des Klägers trat auch gem. § 8 Ratio-TV “infolge” dieser Maßnahmen ein. Der Beklagten kann nicht darin beigepflichtet werden, diese Voraussetzung sei deshalb nicht erfüllt, weil die Kündigung darauf beruhe, dass der Kläger die digitale Montage nicht beherrscht habe und auch nicht bereit gewesen sei, sich die dafür notwendigen Fähigkeiten anzueignen.
aa) Selbst wenn man den Einwand der Beklagten grundsätzlich für rechtserheblich hielte, so fehlt es diesbezüglich an substantiiertem Vortrag. Da von drei Arbeitsplätzen zwei weggefallen sind, hätte die Beklagte zumindest darlegen müssen, warum gerade der Kläger, hätte er über die notwendigen Fähigkeiten für die digitale Montage verfügt, weiterbeschäftigt worden wäre. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, die anderen für die Kündigung in Betracht kommenden Arbeitnehmer einschließlich ihrer Sozialdaten im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG zu benennen.
bb) Der Einwand der Beklagten wäre aber auch bei einer entsprechenden Substantiierung nicht rechtserheblich. Denn darauf, dass der Kläger die neue Technik nicht beherrschte und auch nicht bereit war, sich die notwendigen Fähigkeiten anzueignen, kommt es nach § 3 Ratio-TV nicht an. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrages.
(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages, über die hier zwischen den Parteien Streit besteht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. zB Senat 26. November 2003 – 4 ABR 54/02 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 186 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 128, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2b aa der Gründe; 16. Oktober 2002 – 4 AZR 429/01 – BAGE 103, 131, zu B II 1 der Gründe; 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364, zu B II 1a aa der Gründe; 23. September 1992 – 4 AZR 66/92 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 8 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 3, zu I 2a der Gründe mwN).
(2) Schon nach dem Wortlaut ist unerheblich, dass sich der Kläger die notwendigen Fähigkeiten für die digitale Montage nicht angeeignet hat. Durch das Wort “infolge” in § 8 Ratio-TV ist gefordert, dass die Maßnahme im Sinne des § 3 Ratio-TV für die Entlassung kausal sein muss. Dies ist hier der Fall. Ohne die Maßnahme nach § 3 Ratio-TV hätte der Kläger seinen Arbeitsplatz nicht verloren. Die Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs, bei welchem trotz einer Maßnahme iSv. § 3 Ratio-TV eine Entlassung hätte vermieden werden können, sieht die tarifliche Anspruchsnorm des § 8 Ratio-TV nicht vor.
(3) Der Wille der Tarifvertragsparteien, den Anspruch nach § 8 Ratio-TV dann nicht zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer seine Qualifikation nicht an die technische Entwicklung anpasst und deshalb seinen Arbeitsplatz verliert, lässt sich auch nicht aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang entnehmen. Sowohl § 2 als auch § 3 Ratio-TV nehmen nicht nur auf die Rationalisierung, sondern zusätzlich auf die technische Entwicklung Bezug. Diese ist aber gerade häufig auch mit einer Entwertung der Qualifikation von Arbeitnehmern verbunden. Als Folgen einer Maßnahme im Sinne dieses Abkommens nennt § 3 Ratio-TV nicht nur den Arbeitsplatzverlust, sondern auch die Lohnminderung oder die Umsetzung verbunden mit Lohnminderung (vgl. auch die Regelung der Änderungskündigung in § 7 Ratio-TV infolge von Maßnahmen des § 3 Ratio-TV), also Folgen, die typischerweise mit einer Entwertung der Qualifikation verbunden sind. Wenn aber der Ratio-TV den Zweck verfolgt, auch die wirtschaftlichen Nachteile einer Entwertung der Qualifikation zu regeln, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, der Arbeitsplatzverlust des Klägers beruhe (auch) darauf, dass er seine Qualifikation nicht der technischen Entwicklung angepasst hat.
d) Gegen die Höhe der vom Landesarbeitsgericht zutreffend errechneten Entschädigung wendet sich die Revision nicht.
2. Der Anspruch ist nicht nach § 8 Abs. 3 Satz 3 Ratio-TV infolge der Erhebung der Kündigungsschutzklage durch den Kläger erloschen. Denn die Beklagte kann sich wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) nicht auf diesen Erlöschensgrund berufen.
a) In der vorgenannten Tarifnorm haben die Tarifvertragsparteien bestimmt, dass der Anspruch – scil.: auf die Entschädigung wegen einer rationalisierungsbedingten Entlassung – entfällt, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt. Dieser Erlöschenstatbestand ist vorliegend erfüllt.
b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, einer solchen tariflichen Regelung sei “die Wirksamkeit zu versagen”, da sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) verstoße.
c) Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsauffassung zutreffend ist. Der Fall erfordert keine Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage, ob in einem Tarifvertrag wirksam bestimmt werden kann, dass der Anspruch auf die tarifliche Entlassungsentschädigung erlischt, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt (vgl. zu einer solchen Bestimmung in einem Sozialplan: BAG 20. Dezember 1983 – 1 AZR 442/82 – BAGE 44, 364; sowie die neue gesetzliche Abfindungsregelung des § 1a KSchG). Auch wenn zugunsten der Beklagten, die sich in ihrer Rechtsverteidigung gegenüber dem Klageanspruch ua. auf den Erlöschenstatbestand des § 8 Abs. 3 Satz 3 Ratio-TV beruft, die Wirksamkeit dieser Tarifnorm unterstellt wird, führt das Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht zum Erlöschen des Entschädigungsanspruchs. Denn die Beklagte kann sich wegen Rechtsmissbrauchs auf diesen Erlöschenstatbestand deshalb nicht berufen, weil für den Kläger weder aus der Kündigungserklärung der Beklagten noch aus den Begleitumständen der Kündigung mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar war, dass seine Entlassung Folge einer Rationalisierungsmaßnahme iSv. § 3 Ratio-TV war.
aa) Rechtsmissbrauch kann unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) vorliegen. Wer durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat, darf den anderen Teil in seinem Vertrauen nicht enttäuschen. Es würde gegen Treu und Glauben verstoßen und das Vertrauen im Rechtsverkehr untergraben, wenn es erlaubt wäre, sich nach seinem Belieben mit seinen früheren Erklärungen und seinem früheren Verhalten derart in Widerspruch zu setzen. Insbesondere ist das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist (BAG 11. Dezember 1996 – 5 AZR 855/95 – BAGE 85, 11, zu 1 der Gründe mwN).
bb) Die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs im Sinne widersprüchlichen Verhaltens liegen vor. Die Beklagte hat nach der für den Senat bindenden, weil von der Revision nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen (§ 559 Abs. 2 ZPO) Tatsachenfeststellung des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 30. November 2001 das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 31. März 2002 gekündigt, ohne darin die Betriebsbedingtheit der Kündigung zu erläutern. Das Kündigungsschreiben enthielt also nicht die Darlegung des Sachverhalts – der technischen Änderung und Rationalisierung im Bereich der Montage und Druckformenherstellung –, die es dem Kläger ermöglicht hätte zu erkennen, ihm könne ein Anspruch auf eine Entschädigung wegen Entlassung nach dem Ratio-TV zustehen, dessen er bei Erhebung der Kündigungsschutzklage verlustig gehen werde. Nach den Gesamtumständen des Falles ist auch auszuschließen, dass das Kündigungsschreiben einen Hinweis auf den Ratio-TV enthielt, geschweige denn die Information, der Kläger habe nach diesem einen tariflichen Anspruch auf eine Entschädigung wegen Entlassung nur, wenn er keine Kündigungsschutzklage erhebe. Denn die Beklagte hat während des gesamten Rechtsstreits “bestritten, dass es sich bei der ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung der Beklagten vom 30.11.2001 um eine Maßnahme i.S. des Ratio-TV handelt”. Damit hat die Beklagte durch ihr Verhalten eine Sachlage geschaffen, bei der der Kläger das Bestehen des Anspruchs auf die tarifliche Entschädigung nach § 8 Abs. 3 Satz 3 Ratio-TV und damit den Verlust dieses Anspruchs bei der Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht erkennen konnte. Er musste vielmehr bei dieser Tatsachenlage davon ausgehen, die Erhebung der Kündigungsschutzklage bringe ihm – vom Kostenrisiko abgesehen – keinerlei Nachteile. Dieses durch das Verhalten der Beklagten begründete Vertrauen des Klägers verdient Schutz. Ihr nunmehriges Verhalten, dem Kläger entgegenzuhalten, er habe durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage den Verlust des Anspruchs auf die Entschädigung bewirkt, widerspricht ihrem Verhalten vor der Klageerhebung und ist damit – bei unterstellter Wirksamkeit der Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 3 Ratio-TV – unzulässig.
3. Der Anspruch des Klägers nach § 8 Ratio-TV ist auch nicht auf Grund des Vergleichs vom 22. Januar 2002 erloschen. Das Landesarbeitsgericht hat eine Auslegung des Vergleichs nicht vorgenommen. Da der Sachverhalt insoweit feststeht und nach dem Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz weiterer Sachvortrag zu für die Vergleichsauslegung bedeutsamen Umständen nicht zu erwarten ist, kann der Senat selbst die Auslegung des Vergleichs nach §§ 133, 157 BGB vornehmen. Diese ergibt, dass die Vereinbarung der Abfindung iHv. 4.601,63 Euro nicht den Verzicht auf den Anspruch aus § 8 Ratio-TV enthält.
a) Der Wortlaut des Vergleichs trifft keine Regelung bezüglich des Anspruchs nach § 8 Ratio-TV. Zwar wurde die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt. Daraus lässt sich aber ohne weitere Anhaltspunkte nicht entnehmen, die im Vergleich vereinbarte Zahlung solle die einzige Kompensation für den Verlust des Arbeitsplatzes sein und beinhalte damit zugleich einen Verzicht des Klägers auf andere durch den Arbeitsplatzverlust begründete Ansprüche. Ein Verzicht eines Arbeitnehmers als Gläubiger auf Rechte ist nach der Lebenserfahrung im Allgemeinen nicht zu erwarten (BAG 28. Juli 2004 – 10 AZR 661/03 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177 = EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 3 der Gründe). Insoweit bedarf es weiterer Anhaltspunkte für einen Verzichtswillen des Arbeitnehmers. Solche enthält der Wortlaut des Vergleichs nicht.
Der Wille, die im Vergleich vereinbarte Abfindung als einzige Kompensation für den Verlust des Arbeitsplatzes zu bestimmen, ergibt sich auch nicht aus deren Bezeichnung als “Sozialabfindung i.S.d. §§ 9, 10 KSchG …”. Zwar bestimmt § 8 Abs. 3 Satz 2 Ratio-TV, dass die Entschädigung nach § 8 Abs. 1 Ratio-TV als Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG gilt. Aus der Nennung derselben Paragraphen lässt sich bei Auslegung des Vergleichs aber nicht schließen, dass die in diesem vereinbarte Abfindung zugleich die Entschädigungszahlung nach § 8 Abs. 3 Ratio-TV sein solle. Die Auslegung des Vergleichs hat nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung des Kenntnisstands der Parteien zu erfolgen. Dem Kläger war offensichtlich bei Abschluss des Vergleichs die Existenz eines Anspruchs nach § 8 Ratio-TV nicht bewusst. Auch die Beklagte ging – und geht bis jetzt – davon aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 iVm. § 3 Ratio-TV nicht erfüllt sind. Insoweit konnte nach dem Willen beider Vertragsparteien die im Vergleich vereinbarte Abfindung den Anspruch nach § 8 Abs. 1 Ratio-TV dem Grunde nach nicht berühren.
b) Aus dem Wesen des Vergleichs, das nach § 779 BGB im gegenseitigen Nachgeben besteht, lässt sich ein Verzicht des Klägers auf Ansprüche aus § 8 Ratio-TV nicht entnehmen. Das Nachgeben des Klägers bestand in dem Verzicht auf seinen Arbeitsplatz, nicht hingegen in dem Verzicht auf seinen Anspruch aus § 8 Ratio-TV. Ein Anhaltspunkt für einen Verzicht im Wege des gegenseitigen Nachgebens lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus der Bestimmung des 30. April 2002 als Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses entnehmen. Dabei kann offen bleiben, ob aus einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungstermin auf den Willen der Parteien geschlossen werden könnte, im Gegenzug verzichte der Kläger auf seine Ansprüche aus § 8 Ratio-TV. Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht um einen Monat über den zutreffenden Kündigungstermin hinaus verlängert. Vielmehr beendete die Kündigung vom 30. November 2001 – soweit sie noch im November zugegangen ist – das Arbeitsverhältnis nach § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB iVm. § 14 Nr. 1 Abs. 4 MTV erst zum 30. April 2002. Die Kündigungsfrist des § 6 Ratio-TV von für den Kläger 4 Monaten zum Quartalsende ist nach dem eindeutigen Wortlaut lediglich eine Mindestkündigungsfrist, die die längere Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB nicht verdrängt. Die Parteien haben dementsprechend – entgegen der Darstellung der Beklagten – das Arbeitsverhältnis nicht um einen Monat im Wege des Nachgebens durch die Beklagte verlängert, sondern vielmehr den zutreffenden Beendigungstermin fixiert.
4. Der Anspruch des Klägers ist nicht durch ein negatives Schuldanerkenntnis vom 2. bzw. 14. Mai 2002 gemäß § 397 Abs. 2 BGB erloschen.
a) Zwar handelt es sich bei der auf den 2. Mai datierten Erklärung des Klägers vom 14. Mai 2002, er bestätige, “dass sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis … und aus dessen Beendigung, gleich nach welchem Rechtsgrund sie entstanden sein mögen, abgegolten und erledigt sind”, um ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis.
aa) Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Als rechtstechnische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (BAG 19. November 2003 – 10 AZR 174/03 – AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 50 = EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 2, zu II 2a aa der Gründe).
bb) Nach der gewählten Formulierung wollten die Parteien sämtliche Ansprüche des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis und aus dessen Beendigung, “gleich nach welchem Rechtsgrund sie entstanden sein mögen” – und damit auch ihnen nicht bekannte Ansprüche –, zum Erlöschen bringen. Eine solche Erklärung ist ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis (vgl. BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 513/01 – BAGE 102, 103, zu II 3c der Gründe; 28. Juli 2004 – 10 AZR 661/03 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177 = EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2 der Gründe).
b) Dieses negative Schuldanerkenntnis ist jedoch gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden.
aa) Die §§ 305 ff. BGB sind auf das durch die Erklärung vom 14. Mai 2002 begründete Schuldverhältnis anzuwenden, da nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB das BGB in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung nur auf Schuldverhältnisse anzuwenden ist, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien vor dem 1. Januar 2002 entstanden ist. Zwar gilt bei Dauerschuldverhältnissen nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB das BGB in seiner neuen Fassung erst ab dem 1. Januar 2003. Vorliegend haben die Parteien mit dem negativen Schuldanerkenntnis ein neues Rechtsgeschäft abgeschlossen, das nicht vor dem 1. Januar 2002 entstanden ist. In einem solchen Fall gilt das neue Recht des BGB (vgl. BAG 27. November 2003 – 2 AZR 135/03 – AP BGB § 312 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 312 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2a cc der Gründe; Palandt/Heinrichs BGB 64. Aufl. Art. 232 § 1 EGBGB Rn. 8; MünchKommBGB/Heinrichs 3. Aufl. Art. 232 § 1 EGBGB Rn. 14).
bb) Bei der Erklärung vom 14. Mai 2002 handelt es sich hinsichtlich des darin enthaltenen negativen Schuldanerkenntnisses um eine allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 305 Abs. 1 BGB.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger Verbraucher iSd. § 13 BGB ist mit der Folge, dass § 310 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BGB Anwendung finden. Denn aus den Feststellungen des Landesarbeitgerichts ergibt sich, dass hinsichtlich des negativen Schuldanerkenntnisses eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung vorlag, die die Beklagte dem Kläger gestellt hat.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat nach § 559 ZPO bindend festgestellt, dass der in der Ausgleichsquittung vereinbarte Verzicht von der Beklagten vorformuliert worden und im Falle der Beendigung von Arbeitsverhältnissen auch wiederholt verwendet worden ist. Es handelte sich demnach um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die die Beklagte dem Kläger gestellt hat.
Dabei ist unerheblich, dass sich diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht im Tatbestand, sondern in den Entscheidungsgründen finden. Das tatsächliche Vorbringen einer Partei ist zwar in erster Linie dem Tatbestand des Urteils zu entnehmen (§ 314 ZPO). Es ist aber anerkannt, dass vom Geltungsbereich des § 314 ZPO auch die tatsächlichen Feststellungen erfasst werden, die in den Entscheidungsgründen enthalten sind (BAG 18. September 2003 – 2 AZR 498/02 – AP ZPO § 314 Nr. 4 = EzA ZPO 2002 § 314 Nr. 1, zu B I 1 der Gründe mwN).
(2) Gegen diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte keine zulässigen Verfahrensrügen erhoben.
(a) Soweit sie ihre Verfahrensrüge darauf stützt, das Landesarbeitsgericht sei ihrem Beweisantritt zu ihrer Behauptung, die Klausel sei “ausschließlich für den Einzelfall des Klägers” verwendet worden, nicht nachgegangen, ist diese Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß erhoben und damit unzulässig. Erforderlich wäre gewesen, das übergangene Beweismittel, das dazu gehörende Beweisthema, den genauen Ort des Beweisantritts sowie das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme zu benennen (BAG 29. Juli 1992 – 4 AZR 502/91 – BAGE 71, 56, zu 6b der Gründe). Dies hat die Beklagte versäumt.
(b) Wenn die Beklagte die vom Landesarbeitsgericht getroffene Feststellung für unrichtig hielt, hätte sie sich hiergegen mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 Abs. 1 ZPO wenden müssen (BAG 19. April 1983 – 3 AZR 4/81 – AP BetrAVG § 6 Nr. 6 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 6, zu I 1a der Gründe). Zwar behandelt § 320 ZPO nur die Berichtigung des Tatbestandes, nicht auch die der Entscheidungsgründe. Zum Tatbestand im Sinne dieser Norm gehört jedoch auch das in den Entscheidungsgründen enthaltene tatsächliche Vorbringen (Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. § 320 Rn. 4 mwN).
cc) Das negative Schuldanerkenntnis ist nicht Vertragsbestandteil geworden.
(1) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Klauseln im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB liegen dann vor, wenn ihnen ein Überrumpelungseffekt innewohnt, weil sie eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (so zu § 3 AGBG: BGH 10. November 1989 – V ZR 201/88 – BGHZ 109, 197, zu II 2d der Gründe). Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Da sich das Überraschungsmoment auch aus dem Erscheinungsbild des Vertrages ergeben kann, ist es möglich, dass auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text sie deswegen als Überraschungsklausel erscheinen lässt. Das Überraschungsmoment ist um so eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorheben (ebenso bereits unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 3 AGBG BAG 6. August 2003 – 7 AZR 9/03 – AP BGB § 133 Nr. 51 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 3, zu I 2b der Gründe; 29. November 1995 – 5 AZR 447/94 – BAGE 81, 317, zu II 3 der Gründe mwN).
(2) Die Vereinbarung eines negativen Schuldanerkenntnisses war nach den Gesamtumständen so ungewöhnlich, dass der Kläger mit ihr nicht rechnen musste.
(a) Das negative Schuldanerkenntnis in der auf den 2. Mai 2002 datierten Urkunde wurde dem Kläger anlässlich eines Termins vorgelegt, der mit ihm allein zum Zweck der Übergabe seiner Arbeitspapiere vereinbart worden ist. Insoweit musste der Kläger zwar damit rechnen, eine Bestätigung des Empfangs seiner Arbeitspapiere abzugeben. Er konnte aber nicht davon ausgehen, er solle bei dem allein zur Übergabe der Arbeitspapiere vorgesehenen Treffen noch weitere – auch rechtsgeschäftliche – Erklärungen abgeben. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt bestand ein deutlicher Widerspruch.
(b) Das Erscheinungsbild des Schreibens musste die Erwartungen des Klägers bestärken, allein den Erhalt seiner Arbeitspapiere zu bestätigen. Das Schreiben war mit “Rückgabe Ihrer Unterlagen” überschrieben. Hierdurch wurde vermittelt, der Inhalt des Schreibens beschränke sich auf die Bestätigung dieser Rückgabe durch den Kläger. Daher hätte die Beklagte, um den Überrumpelungseffekt zu vermeiden, das im Schreiben enthaltene negative Schuldanerkenntnis drucktechnisch hervorheben müssen. Dies ist nicht geschehen. Das negative Schuldanerkenntnis ist weder durch Schriftart, Schriftgröße oder Fettdruck noch durch Unterstreichungen abgehoben. Es setzt sich nicht einmal durch einen erkennbaren Absatz von der Bestätigung des Erhalts der Arbeitspapiere ab. Zwischen beiden Passagen befindet sich keine Leerzeile, die einen Inhaltswechsel der Erklärungen andeutet. Zwar beginnt formal mit der Bestätigung des Erhalts der Arbeitspapiere ein neuer Absatz. Da die Urkunde nicht in Blocksatz geschrieben ist und an keiner Stelle am Zeilenende eine Silbentrennung enthält, ist aus ihrem Gesamtbild der Beginn eines neuen Absatzes nicht erkennbar. Vielmehr zeigt das äußere Erscheinungsbild einen einheitlichen Text.
Auch nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde war danach das negative Schuldanerkenntnis so ungewöhnlich, dass der Kläger mit ihm nicht zu rechnen brauchte. Einen gesonderten mündlichen Hinweis auf das negative Schuldanerkenntnis hat die Beklagte nicht erteilt. Soweit sie sich darauf beruft, ihre Mitarbeiterin habe zu dem Kläger bei Vorlage des Schriftstücks “Lies das durch und unterschreib” gesagt, begründet dies keinerlei gesonderten Hinweis, der dem Kläger die Möglichkeit eröffnete, den Inhalt des negativen Schuldanerkenntnisses zu erkennen und ggf. seine Zustimmung hierzu zu verweigern. Vielmehr vermittelte der Gebrauch des Imperativs dem Kläger den Eindruck, er solle keine Erklärungen abgeben, die noch der Überlegung und ggf. rechtlichen Prüfung bedurften.
5. Der Anspruch ist nicht nach § 15 MTV erloschen.
a) Bei dem Anspruch nach § 8 Ratio-TV handelt es sich um einen Anspruch aus dem MTV iSd. § 15 MTV, da der Ratio-TV nach seinem § 10 Abs. 1 Satz 1 Bestandteil des MTV ist.
b) Der Kläger hat die Ausschlussfrist des § 15 Ziff. 1 Buchst. b MTV eingehalten. Nach § 15 Ziff. 1 Buchst. b MTV sind tarifliche Geldansprüche, die nicht unter § 15 Ziff. 1 Buchst. a MTV fallen – darin ist eine besondere Ausschlussfrist für tarifliche Zuschläge und Antrittsgebühren geregelt –, innerhalb von acht Wochen nach dem Zeitpunkt, an dem sie hätten erfüllt werden müssen (i.e. Fälligkeit), geltend zu machen. Die Entschädigung nach § 8 Abs. 1 Ratio-TV wurde nach § 8 Abs. 3 Ratio-TV mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also mit Ablauf des 30. April 2002 fällig. Die Zustellung der Klageschrift an die Beklagte am 29. Mai 2002 wahrt diese Frist.
c) Der Kläger hat auch die Ausschlussfrist des § 15 Ziff. 3 MTV nicht versäumt. Nach § 15 Ziff. 3 MTV beginnt die Frist für die Klageerhebung, wenn ein tariflicher Anspruch rechtzeitig geltend gemacht worden ist und der andere Teil seine Erfüllung abgelehnt hat.
aa) Die Frist ist nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2001 in Lauf gesetzt worden. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 17. Dezember 2001 nicht einen tariflichen Anspruch nach dessen Geltendmachung abgelehnt. Der Kläger hatte seinen Anspruch nach § 8 Ratio-TV zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht iSv. § 15 Ziff. 1 Buchst. b MTV geltend gemacht. Zwar kann eine Geltendmachung von Ansprüchen je nach Lage des Falles auch durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage erfolgen; dies gilt jedoch nur für Ansprüche, die während des Kündigungsstreits fällig werden und von dessen Ausgang abhängen (vgl. BAG 21. März 1996 – 2 AZR 368/95 – RzK I 13a Nr. 46, zu II 2a der Gründe mwN). Dies ist bei der Entschädigung nach § 8 Ratio-TV nicht der Fall. Mit ihrem Schreiben vom 17. Dezember 2001 konnte die Beklagte die Ausschlussfristen nicht einseitig in Lauf setzen.
bb) Auch wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, der Lauf der Ausschlussfrist des § 15 Ziff. 3 MTV habe bereits mit der vor der Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs am 6. März 2002 erfolgten Ablehnung des Anspruchs durch die Beklagte begonnen (vgl. aber BAG 26. September 2001 – 5 AZR 699/00 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 160 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 144, zu I 3 der Gründe), wäre die Frist von zwölf Wochen am – nach § 167 ZPO maßgeblichen – 27. Mai 2002 noch nicht abgelaufen gewesen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Wolter, Bott, Dassel, Kiefer
Fundstellen
BAGE 2006, 33 |
BB 2005, 1795 |
DB 2005, 2025 |
FA 2005, 354 |
NZA 2005, 1193 |
ZAP 2005, 1299 |
AP, 0 |
EzA-SD 2005, 15 |
MDR 2005, 1300 |
AUR 2005, 383 |
AUR 2005, 386 |
BAGReport 2005, 351 |
SPA 2005, 7 |