Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Pensionsordnung
Normenkette
BetrAVG § 7 Abs. 1; BGB § 613a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. August 1997 – 7 Sa 262/97 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der beklagte Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für eine Anpassungsverpflichtung aus einer Pensionsordnung einstehen muß.
Der Kläger ist am 20. Oktober 1928 geboren. Er war in der Zeit vom 1. Juli 1961 bis zum 31. Dezember 1978 bei der F. Maschinenbau GmbH & Co. KG beschäftigt. Während dieser Beschäftigungszeit galt bei seiner Arbeitgeberin die Pensionsordnung für die Angestellten vom 30. Juni 1952/10. November 1959 (im folgenden: PO). Hiernach stand den Betriebsangehörigen eine Altersrente mit dem Ausscheiden aus den Diensten der Arbeitgeberin, frühestens nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Betriebsangehörigen zu, wenn sie bei Eintritt des Versorgungsfalles mindestens zehn Jahre ununterbrochen in den Diensten der Arbeitgeberin gestanden hatten. Weiter heißt es in § 3 Nr. 1 Abs. 8 der Pensionsordnung:
„Die festgesetzten Höchstpensionen werden in Beziehung zu dem Endgehalt der höchsten Tarifgruppe für Angestellte der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens gesetzt. Bei jeweiligen Tariferhöhungen oder -ermäßigungen werden auch die Pensionssätze in demselben Verhältnis erhöht oder gesenkt. Bei Änderungen der Tarifgruppen-Einteilung ist die Relation zu der gleichwertigen Gruppe herzuleiten.”
Nicht die F. Maschinenbau GmbH & Co. KG, sondern die E. GmbH zahlte an den Kläger nach Vollendung von dessen 63. Lebensjahr seit dem 1. November 1991 eine monatliche Betriebsrente von 367,00 DM. Am 30. April 1992 wurde über das Vermögen der Emil Wolff GmbH der Konkurs eröffnet. Seither zahlt der Beklagte die monatliche Betriebsrente.
Mit seiner Klage hat der Kläger verlangt, daß der Beklagte die an ihn gezahlte Betriebsrente nach § 3 Nr. 1 Abs. 8 der Pensionsordnung dahin anpaßt, daß die errechnete Betriebsrente entsprechend den jeweiligen Tarifgehaltserhöhungen erhöht wird. Er hat den Standpunkt vertreten, der Beklagte müsse für diese über § 16 BetrAVG hinausgehende Anpassungsverpflichtung einstehen, weil der Insolvenzfall erst eingetreten sei, nachdem er bereits Betriebsrente bezogen habe. Die Einstandspflicht des Beklagten richte sich deshalb nach § 7 Abs. 1 BetrAVG. Die Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 BetrAVG gelte nicht für ihn.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Werksrente des Klägers von derzeit 367,00 DM monatlich ab dem 1. April 1993 nach der Pensionsordnung der Firma F. von 1959 gem. § 3 Ziff. 1 Abs. 8 entsprechend der Tarifentwicklung des Endgehaltes der höchsten Tarifgruppe für Angestellte der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens anzupassen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat den Standpunkt eingenommen, dem Anpassungsbegehren des Klägers stehe § 2 Abs. 5 BetrAVG entgegen. Diese Vorschrift wirke in der Auslegung des Bundesarbeitsgerichts durch das Urteil vom 22. November 1994 – 3 AZR 767/93 – als Abänderungssperre nicht nur während des Anwartschaftszeitraums, sondern auch für die Zeit des Rentenbezuges.
Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag entsprochen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision strebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
A. Der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig. Der Antrag ist sowohl für die zurückliegenden Zeiträume als auch, was die Zukunft angeht, statthaft. Die Parteien streiten nur darum, ob der Beklagte dem Grunde nach zur Anpassung der an den Kläger gezahlten Betriebsrente verpflichtet ist. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Beklagten um einen mit hoheitlichen Aufgaben beliehenen Unternehmer. Ihm gegenüber ist auch bei einem an sich möglichen Leistungsantrag eine Feststellungsklage zulässig.
B. Die Klage ist aber unbegründet. Der Beklagte schuldet dem Kläger keine Anpassung seiner Betriebsrente an die Entwicklung der einschlägigen Tarifgehälter. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die Pensionsordnung der F. Maschinenbau GmbH & Co. KG eine solche Verpflichtung nicht enthält.
I. Es kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, daß der Beklagte für die Versorgungszusage der früheren Arbeitgeberin des Klägers nach § 7 Abs. 1 BetrAVG einstehen muß.
Dies ist deshalb zweifelhaft, weil nicht über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin des Klägers, sondern über das der E. GmbH der Konkurs eröffnet worden ist. Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht entnommen werden, warum sich die Versorgungsansprüche des Klägers gegen die Gemeinschuldnerin gerichtet haben. Das Landesarbeitsgericht stellt lediglich fest, der Betrieb der früheren Arbeitgeberin des Klägers sei nach dessen Ausscheiden im Jahre 1988 von der späteren Gemeinschuldnerin übernommen worden. Nach § 613 a BGB gehen im Zuge eines Betriebsübergangs aber nur die Arbeitsverhältnisse, nicht die Ruhestandsverhältnisse oder die Rechtsbeziehungen zu den Ruhestandsanwärtern auf den Betriebserwerber über (ständige Rechtsprechung seit BAG Urteil vom 24. März 1977 – 3 AZR 649/76 – BAGE 29, 94, 98 = AP Nr. 6 zu § 613 a BGB; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einleitung Rz 433, m.w.N.). Der Senat geht zu Gunsten des Klägers davon aus, daß das Landesarbeitsgericht den Begriff der Betriebsübernahme untechnisch i. S. einer Unternehmensübernahme verwendet hat. In diesem Fall wäre die E. GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin Versorgungsschuldnerin des Klägers geworden.
II. Die hiernach unterstellte Einstandspflicht des Beklagten für die Versorgungsansprüche des Klägers gegenüber der E. GmbH richtet sich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenz bereits Versorgungsempfänger der Gemeinschuldnerin. Der Beklagte muß die Versorgungsansprüche deshalb in dem Umfang erfüllen, wie ihn die Gemeinschuldnerin aufgrund der Versorgungszusage der F. Maschinenbau GmbH & Co. KG ohne den Insolvenzfall hätte erfüllen müssen.
Für die Gemeinschuldnerin bestand keine Pflicht, die Betriebsrenten nach Eintritt des Versorgungsfalles entsprechend der Tarifgehaltsentwicklung zu dynamisieren. Eine solche Pflicht ergibt sich nicht aus § 3 Nr. 1 Abs. 8 PO.
1. Nach § 3 Nr. 1 Abs. 1 PO beträgt die Altersrente nach 30 Dienstjahren 100% des „Höchstbetrages der Gruppeneinteilung”. § 3 Abs. 4 und Abs. 5 legen dann zunächst eine Gesamtversorgungsobergrenze von 75% des Bruttoentgeltes fest und erläutern deren Berechnung im Einzelnen. § 3 Nr. 1 Abs. 6 PO teilt die bei der Arbeitgeberin Beschäftigten entsprechend ihrer Qualifikation und Einordnung im Betrieb in sechs von der tariflichen Eingruppierung unabhängige Gruppen ein. Jeder dieser Gruppen wird eine in einem DM-Betrag ausgedrückte „Höchstpension” zugeordnet. In § 3 Nr. 1 Abs. 8 Satz 1 wird dann bestimmt, daß diese für die Berechnung der Rente bei Eintritt des Versorgungsfalles maßgebliche Höchstpension in Beziehung zum Endgehalt der höchsten Tarifgruppe für Angestellte des einschlägigen Tarifvertrages gesetzt werden soll. Abs. 8 Satz 2 bestimmt dann schließlich, was mit diesem „In-Beziehung-Setzen” bei der erstmaligen Berechnung der Betriebsrente gemeint ist: die Pensionssätze werden bei jeweiligen Tariferhöhungen oder Tarifermäßigungen in demselben Verhältnis erhöht oder gesenkt. Soweit die Tarifgruppen-Einteilung sich grundlegend ändert, ist die Relation zu der gleichwertigen Gruppe herzuleiten (Abs. 8 Satz 3).
2. § 3 Nr. 1 Abs. 8 PO enthält keine Bestimmung dazu, daß die auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls berechnete Betriebsrente während des Rentenbezuges entsprechend der Tarifgehaltsentwicklung zu dynamisieren ist. In diesem Sinne kann auch nicht die vom Arbeitsgericht herangezogene Bestimmung des § 3 Nr. 1 Abs. 8 Satz 2 PO verstanden werden. Dort heißt es nicht, daß die Betriebsrenten oder Pensionen zu erhöhen oder abzusenken seien. Dies soll vielmehr mit den Pensionssätzen geschehen. Damit können nur Bemessungsgrundlagen für die erstmalige Berechnung der Betriebsrente gemeint sein, wie die Höchstpensionen nach § 3 Nr. 1 Abs. 6 PO.
Auch im systematischen Zusammenhang spricht alles dagegen, § 3 Nr. 1 Abs. 8 Satz 2 PO als eigenständige, die Rentenbezugsphase betreffende Regelung über die Dynamisierung der einmal errechneten Betriebsrente entsprechend der Tarifgehaltsentwicklung zu verstehen. Diese Regelung schließt sich unmittelbar an die Bestimmung an, die die Dynamisierung der Anwartschaft betrifft. Eine Dynamisierung des Versorgungsanspruchs wäre auch nur schwer mit den übrigen Bestimmungen der Pensionsordnung in Einklang zu bringen. Nach § 3 Nr. 2 PO errechnet sich die Höhe der Invaliditätsrente aus dem bis zum Zeitpunkt der Invalidität erreichten Anspruch auf Altersrente. Dafür, daß die so errechnete Invaliditätsrente während ihres Bezugs dynamisiert werden müßte, gibt die Pensionsordnung keinen Hinweis. Dies wäre aber zu erwarten gewesen, enthielte die Pensionsordnung eine Bestimmung über die Dynamisierung der Rente, wie sie der Kläger aus § 3 Nr. 1 Abs. 8 Satz 2 für sich herleitet.
Ein solches Regelungsverständnis stünde auch im Widerspruch zu § 3 Nr. 1 Abs. 4 und Abs. 5 PO. Hiernach dürfen die Gesamtbezüge aus der Sozialrente und der Firmenpension 75% des Durchschnittsbruttogehaltes nicht übersteigen. Die Höhe der aus der Sozialversicherung bezogenen Renten muß der Geschäftsleitung unter Vorlage des Rentenbescheids einschließlich „evtl. Nachträge” bekannt gegeben werden. Die Pensionsordnung geht offensichtlich davon aus, daß während des Ruhestandsverhältnisses durchgehend überprüft werden soll, ob die Gesamtversorgungsobergrenze überschritten wird oder nicht. Dann kann aber die für den Versorgungsfall errechnete Betriebsrente nicht unabhängig von der Gesamtversorgungsobergrenze entsprechend einer Tarifentwicklung anzupassen sein.
3. Es wäre allenfalls daran zu denken. § 3 Nr. 1 Abs. 8 Satz 1 PO die Bestimmung zu entnehmen, daß die Höchstpensionen zur Berechnung des jeweiligen Betriebsrentenanspruchs auch in der Rentenbezugsphase nach der Tarifgehaltsentwicklung angepaßt werden müssen. Dies bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Regelung würde im Falles des Klägers nicht zu der von ihm angestrebten Erhöhung seines Betriebsrentenanspruchs während des Rentenbezugs führen. Bereits bei der Berechnung seines ursprünglichen Betriebsrentenanspruchs hat die Gemeinschuldnerin zu Recht nicht die gesamte für ihn einschlägige Höchstpension zugrundegelegt. Sie hätte zusammen mit seinem Sozialversicherungsrentenanspruch die Gesamtversorgungsobergrenze überschritten und war deshalb zu kürzen. Da die Pensionsordnung die Gesamtversorgungsobergrenze auf den Zeitpunkt des Ausscheidens festschreibt und nicht dynamisiert, bliebe damit jede Erhöhung der Höchstpension ohne Auswirkung auf den dem Klägerzustehenden Betriebsrentenanspruch.
4. Da der Kläger schon gegenüber der Gemeinschuldnerin keinen Anspruch auf die geltendgemachte Dynamisierung hatte, kann ihm ein solcher Anspruch auch nicht gegenüber dem akzessorisch einstandspflichtigen Beklagten zustehen. Es kann danach dahinstehen, ob es sich bei der Entwicklung von Tarifentgelten, die erst nach Eintritt des Versorgungsfalles für die Berechnung des Betriebsrentenanspruchs unmittelbar maßgeblich werden, überhaupt um die Veränderung einer Bemessungsgrundlage i.S.d. § 2 Abs. 5 BetrAVG handelt. Der Senat muß deshalb auch nicht entscheiden, ob diese Vorschrift allgemein und im Rahmen des § 7 Abs. 1 BetrAVG über den Eintritt des Versorgungsfalles hinaus gilt.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Goebel, Auerbach
Fundstellen