Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwicklung nach Einigungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
- Die vorübergehende Fortführung des Hochschulbetriebes mit dem Ziel, die Hochschule zu einem sinnvollen Zeitpunkt aufzulösen (Semesterende, Ablauf des Studienjahres), steht nicht in Widerspruch zu einer Abwicklungsentscheidung nach Art. 13 EV. Eine solche Fortführung regelte vielmehr die Abwicklung.
- Die Weiterverwendung des Arbeitnehmers gemäß Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 zum Einigungsvertrag setzt voraus, daß das Arbeitsverhältnis über den gesetzlichen Beendigungszeitpunkt hinaus einverständlich fortgesetzt wurde. Ob hierfür jede befristete Fortsetzung genügte, bleibt unentschieden.
- Wurde dem Arbeitnehmer die Abwicklungsentscheidung nicht spätestens am 3. Oktober 1990 oder zu dem um bis zu drei Monate hinausgeschobenen Zeitpunkt bekanntgemacht, dauerte das Arbeitsverhältnis nicht schon deshalb über den gesetzlichen Beendigungszeitpunkt hinaus fort. Der notwendige Vertrauensschutz ist gewahrt, wenn die für den Arbeitnehmer maßgebende Kündigungsfrist ab der Bekanntgabe bis zur gesetzlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingehalten ist.
Normenkette
BGB § 625; Einigungsvertrag Art. 13, 20 Abs. 1; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. April 1992 – 6 Sa 85/91 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers gem. Art. 20 Abs. 1 Einigungsvertrag (EV) in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Sätze 2 und 5 (im folgenden: Nr. 1 Abs. 2 EV) geruht und mit Ablauf des 30. September 1991 geendet hat.
Der 1935 geborene Kläger war an der Hochschule für Ökonomie (HfÖ) in Ost-Berlin seit dem 1. September 1970, zuletzt als wissenschaftlicher Oberassistent am Institut …, beschäftigt.
Am 18. Dezember 1990 beschloß die Gesamtberliner Landesregierung aus Senat und Magistrat über die Überführung bzw. Abwicklung der Hochschuleinrichtungen in den östlichen Bezirken Berlins. Nr. I.3. dieses Beschlusses lautet:
“Organisatorische Einheiten, die am 1. Januar 1989 der Vermittlung des Marxismus-Leninismus, der marxistisch-leninistischen Philosophie und/oder des wissenschaftlichen Kommunismus vorrangig gewidmet waren, werden mit Wirkung vom 1. Januar 1991 abgewickelt. Für das diesen Einheiten am 01.01.1989 zugeordnete und für diese Lehre und Forschung vorwiegend eingesetzte Personal tritt ungeachtet einer nach diesem Zeitpunkt vorgenommenen anderweitigen Zuordnung das Ruhen der Dienstverhältnisse ein.
An Hochschulen ohne solche selbständigen Organisationseinheiten für den genannten Aufgabenbereich werden die hierfür am 01.01.1989 gewidmet gewesenen Lehreinrichtungen mit ihrem Personal entsprechend abgewickelt.”
Hinsichtlich der HfÖ lautet der Beschluß:
Auf einer Personalversammlung Ende Dezember 1990 wurde den Mitarbeitern die Auflösung der HfÖ bekanntgegeben. Der Inhalt des Beschlusses der Gesamtberliner Landesregierung und seine Auswirkung auf die Arbeitsverhältnisse wurden noch einmal durch Schreiben vom 3. Januar 1991 im einzelnen dargestellt. Der Kläger nahm dieses Schreiben, das auch ein Angebot zur Weiterbeschäftigung bis zum 30. September 1991 in einem befristeten Arbeitsverhältnis enthielt, am 8. Januar 1991 zur Kenntnis. Da er das Angebot einer befristeten Weiterbeschäftigung mit Schreiben vom 28. Januar 1991 ablehnte, wurde er nach Übergabe seines Tätigkeitsbereichs an einen Nachfolger ab März 1991 nicht mehr weiterbeschäftigt, sondern bezog Wartegeld.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis bestehe als aktives zum beklagten Land fort. Er hat geltend gemacht, aus der Fortführung des Hochschulbetriebes bis zum 30. September 1991 sei zu folgern, daß die HfÖ nicht abgewickelt werde. Er sei ab dem 1. Januar 1991 weiterverwendet worden. Jedenfalls habe er aufgrund seiner Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen über den 3. Januar 1991 hinaus darauf vertrauen dürfen, daß sein Arbeitsverhältnis nicht von der Ruhensregelung des Einigungsvertrags erfaßt werde. Nach dem Rechtsgedanken des § 625 BGB gelte es deshalb als auf unbestimmte Zeit verlängert. Aufgrund seines Alters müsse er besonderen sozialen Schutz genießen. Auch nach der Personalversammlung Ende Dezember 1990 sei ihm nicht bekannt gewesen, inwieweit sein Arbeitsverhältnis bzw. das Institut … überhaupt von der Abwicklung betroffen sein werde. Ausweislich eines Flugblatts der Senatsverwaltung und Magistratsverwaltung für Wissenschaft und Forschung habe nämlich die HfÖ mit dem Ziel der Neugestaltung der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung im Ostteil Berlins umstrukturiert werden sollen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis zum beklagten Land über den 30. September 1991 hinaus fortbestehe.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, die HfÖ sei wirksam abgewickelt worden. Es gebe keine positive Organisationsentscheidung zur Überführung in seine Trägerschaft. Eine Überführung könne nicht darin erblickt werden, daß den Studenten der HfÖ die Möglichkeit eingeräumt worden sei, ihr Studium unter der Verantwortung anderer Hochschulen am bisherigen Ort abzuschließen. Dies habe vielmehr einer schonenden Abwicklung gedient. Die HfÖ sei daher auch nicht faktisch oder befristet überführt worden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin habe durch Beschluß vom 24. Juni 1991 – 8 S 79.91 – das Begehren der HfÖ, dem Land im Wege der einstweiligen Anordnung die Überführung aufzugeben, zurückgewiesen. Den Gerichten für Arbeitssachen fehle die Prüfungskompetenz hinsichtlich Rechtmäßigkeit und Rechtswirksamkeit von Abwicklungsentscheidungen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger gehörte zu den “übrigen Arbeitnehmern” der öffentlichen Verwaltung der DDR im Sinne von Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 EV, deren Arbeitsverhältnisse wegen unterbliebener Überführung ihrer Beschäftigungseinrichtung kraft Gesetzes ruhten und endeten.
I. Wurde bis zum 3. Oktober 1990 keine positive Überführungsentscheidung getroffen, trat kraft Gesetzes die Auflösung der Einrichtung bzw. der nicht überführten Teile ein. Wurde ein überführungsfähiger Teil überführt, erfaßte die Abwicklung den Rest der früheren Gesamteinrichtung. Die Abwicklung diente der Umsetzung dieser Auflösung und war auf die Liquidation der Einrichtung oder der nicht überführten Teile gerichtet. In diesem Falle ruhten die Arbeitsverhältnisse der in der abzuwickelnden (Teil-)Einrichtung Beschäftigten gem. Nr. 1 Abs. 2 EV grundsätzlich ab dem 3. Oktober 1990. Dieser Ruhensbeginn konnte um bis zu drei Monate hinausgeschoben werden. Die Kündigungsvorschriften des Mutterschutzrechts durften allerdings nicht durchbrochen werden.
Die Überführung einer Einrichtung gem. Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Diese Überführungsentscheidung konnte eine Einrichtung als ganze oder als eine Teileinrichtung betreffen, die ihre Aufgabe selbständig erfüllen konnte (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BAG, aaO; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – ZIP 1992, 1275).
Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-)Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Überführung im Sinne von Art. 13 EV erforderte nicht nur die vorübergehende, sondern eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit. Wurde die (Teil-)Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziele der Auflösung fortgeführt, lag hierin keine Überführung im Sinne von Art. 13 EV (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – aaO).
Weil die gesetzliche Folge der Abwicklung eintrat, wenn es an einer positiven, ggf. auch konkludenten Überführungsentscheidung fehlte, war nur durch sie die Abwicklung der Einrichtung zu verhindern.
Die ruhenden Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes nach Ablauf von sechs bzw. neun Monaten Wartezeit, wenn nicht der einzelne Arbeitnehmer weiterverwendet wurde. Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gem. Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV auf die Bundesrepublik Deutschland oder nach Nr. 1 Abs. 3 auf ein Bundesland übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(teil-)einrichtung darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG Urteil vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – AP Nr. 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2b der Gründe ).
II. Das beklagte Land hat die HfÖ weder durch eine ausdrückliche noch durch eine konkludente Entscheidung im Sinne von Art. 13 EV in seine Trägerschaft überführt.
1. Die Gesamtberliner Landesregierung beschloß am 18. Dezember 1990, die HfÖ abzuwickeln, und damit das Gegenteil einer Überführung. Eine spätere Überführungsentscheidung wäre zwar möglich gewesen, ist aber nicht festgestellt. Sie lag jedenfalls nicht in der bis zum 30. September 1991 befristeten Fortsetzung des Hochschulbetriebes an der HfÖ.
a) Die Regelungen des Einigungsvertrages machten es nicht erforderlich, am 3. Oktober 1990 oder spätestens am 3. Januar 1991 die nicht zu überführenden Einrichtungen der ehemaligen DDR zu schließen. Vielmehr war gem. Art. 13 EV auch die Abwicklung “zu regeln”. Damit entsprach der Einigungsvertrag der Notwendigkeit einer geordneten “ Liquidation” der nicht zu überführenden Einrichtungen. Deshalb lag keine Überführung im Sinne von Art. 13 EV vor, wenn eine Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziele der Auflösung fortgeführt wurde (BAG Urteil vom 28. Januar 1993, aaO).
b) Der Beschluß der Gesamtberliner Landesregierung vom 18. Dezember 1990 bezweckte, die Tätigkeit der HfÖ geordnet zu Ende zu führen; er diente einer “geregelten” Abwicklung. Den Studenten der HfÖ wurde ein Studienabschluß oder der ordentliche Übergang auf andere Hochschulen des Landes ermöglicht. Insbesondere wurde den immatrikulierten Studenten die Gelegenheit gegeben, während der kurzen Auslauffrist bis zum 30. September 1991 einen Studienabschluß zu erlangen. Demgegenüber wurden Neuzulassungen mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen. Damit leitete die Gesamtberliner Landesregierung die geordnete Stillegung der HfÖ ein. Um dafür bis zum 30. September 1991, dem Ende des laufenden Studienjahres, die Voraussetzungen zu schaffen, sollten die Verträge der vorhandenen Mitarbeiter mit Ausnahme derjenigen der in die HfÖ integrierten Fachschule für Betriebswirtschaft bis zu diesem Zeitpunkt befristet werden. Die vorübergehende Fortführung des Hochschulbetriebes mit dem Ziel, die Hochschule zu einem sinnvollen Zeitpunkt aufzulösen (Semesterende, Ablauf des Studienjahres), steht nicht im Widerspruch zu einer Abwicklungsentscheidung nach Art. 13 EV. Eine solche Fortführung regelt vielmehr die Abwicklung (ebenso schon BAG Urteil vom 27. Mai 1993 – 8 AZR 159/92 – nicht zur Veröffentlichung bestimmt, zu I 1 der Gründe). Der Stillegungsprozeß bewirkte daher keine irgendwie geartete, etwa befristete oder “faktische” Überführung der Einrichtung im Sinne von Art. 13 EV, sondern ihr Gegenteil, die Abwicklung der HfÖ.
c) Demnach kommt es nicht darauf an, ob das Institut … – … der HfÖ etwa der Vermittlung des Marxismus-Leninismus im Sinne von Nr. I.3. des Beschlusses der Gesamtberliner Landesregierung vom 18. Dezember 1990 gewidmet war. Der Kläger hat jedenfalls nichts dafür vorgetragen, daß dieses Institut als Teileinrichtung der HfÖ von deren Abwicklung ausgenommen und auf das beklagte Land überführt worden ist.
2. Als gesetzliche Folge der unterlassenen Überführung der HfÖ trat das Ruhen des Arbeitsverhältnisses des Klägers ein. Da es zu keiner Weiterverwendung des Klägers kam, endete sein Arbeitsverhältnis aufgrund seines Lebensalters – er vollendete 1990 das 55. Lebensjahr – mit Ablauf der neunmonatigen Wartezeit (Nr. 1 Abs. 2 Satz 5, 2. Halbsatz EV) am 30. September 1991.
a) Die Beschäftigung des Klägers über den 31. Dezember 1990 hinaus bis längstens Ende Februar 1991 stellt keine Weiterverwendung gem. Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 EV dar. Der Begriff der Weiterverwendung muß im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht umfassend geklärt werden. Es kann dahinstehen, ob die Annahme einer Weiterverwendung schon dann ausscheidet, wenn die Beschäftigung – wie hier – im Rahmen der geregelten und bekanntgegebenen Abwicklung erfolgt. Eine Weiterverwendung setzt jedenfalls voraus, daß das Arbeitsverhältnis über den Fristablauf nach Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 EV hinaus einverständlich fortgesetzt wird. Ob hierfür auch jede befristete Fortsetzung genügt, bedarf im Streitfalle keiner Entscheidung. Wird das Arbeitsverhältnis lediglich in dem Zeitraum aktualisiert, in dem es kraft des Einigungsvertrages ruht (aber noch besteht), liegt schon nach dem Wortsinn keine Weiterverwendung vor. Der Einigungsvertrag geht selbst nicht davon aus, daß mit der Abwicklungsentscheidung zugleich die Auflösung der Einrichtung erfolgt (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu I 3 der Gründe). Nr. 1 Abs. 2 Satz 4 EV spricht ebenfalls für diese Auslegung. Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen dürften für eine Weiterarbeit lediglich bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses kaum erforderlich sein. Im Streitfalle diente die Beschäftigung des Klägers erkennbar nur dazu, zu klären, ob eine Bereitschaft bestand, einen befristeten Arbeitsvertrag bis zum 30. September 1991 abzuschließen und Abwicklungsarbeiten zu übernehmen. Das Landesarbeitsgericht hat unangefochten festgestellt, daß die Weiterbeschäftigung des Klägers erkennbar im Vorgriff auf die vom Beklagten erwartete Einigung über die Begründung eines befristeten Abwicklungsarbeitsverhältnisses und später lediglich noch zwecks Übergabe der Dienstgeschäfte an einen Nachfolger erfolgt ist. Dementsprechend wurde, nachdem der Kläger das Vertragsangebot mit Schreiben vom 28. Januar 1991 abgelehnt hatte, sein Tätigkeitsbereich alsbald einem Nachfolger übergeben und der Kläger bereits ab dem 1. März 1991 nicht mehr beschäftigt.
b) Das Arbeitsverhältnis gilt nicht nach § 625 BGB als auf unbestimmte Zeit verlängert. Es ist nicht nach dem Ablauf der Dienstzeit am 30. September 1991 fortgesetzt worden. Eine entsprechende Anwendung von § 625 BGB auf den Beginn des Ruhens des Arbeitsverhältnisses scheidet aus. Die Beschäftigung beruht auch im Ruhenszeitraum auf dem noch bestehenden Arbeitsverhältnis. Sie kann daher kein berechtigtes Vertrauen auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach seinem Ablauf begründen, wenn der Tatbestand der Weiterverwendung nicht vorliegt. Außerdem durfte der Kläger nach dem 31. Dezember 1990 keinen Vertrauenstatbestand für sich in Anspruch nehmen, da die Abwicklung der HfÖ mit der Folge der Schließung zum 30. September 1991 bekanntgegeben worden war, dementsprechend ein befristeter Arbeitsvertrag angeboten und die Beschäftigung nach Übergabe des Tätigkeitsbereichs beendet wurde. Der Kläger hat seine Arbeit nicht in Unkenntnis der eingetretenen Abwicklung fortgesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat schließlich zu Recht darauf hingewiesen, daß der Kläger auch dem Flugblatt des beklagten Landes nichts für eine dauerhafte Weiterbeschäftigung entnehmen konnte.
c) Die Rechtsfolge des Ruhens und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses betraf alle Arbeitnehmer der abzuwickelnden Einrichtung, sofern dies nicht zur Durchbrechung der Kündigungsvorschriften des Mutterschutzgesetzes geführt hätte (BVerfG Urteil vom 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – BVerfGE 84, 133 = AP Nr. 70 zu Art. 12 GG; Senatsurteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – aaO). Die Interessen der Schwerbehinderten, älteren Arbeitnehmer und Alleinerziehenden waren bei der Neubesetzung von Stellen im öffentlichen Dienst angemessen zu berücksichtigen (BVerfG, aaO; BAG, aaO). Weitere soziale und fachliche Kriterien der Auswahl unter den neu einzustellenden Mitarbeitern ließen die kraft Nr. 1 Abs. 2 EV eingetretenen Rechtsfolgen unberührt. Der Kläger kann daher aus seinem fortgeschrittenen Alter und dem damit verbundenen erhöhten Sozialschutz im vorliegenden Rechtsstreit nichts für sich herleiten.
d) Sofern dem Kläger die Abwicklungsentscheidung nicht spätestens am 31. Dezember 1990, sondern erst am 8. Januar 1991 mitgeteilt worden ist, führt das nicht zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über den 30. September 1991 hinaus. Es ist zwar richtig, daß Hoheitsakte erst dann gegenüber dem Bürger Rechtswirkungen entfalten können, wenn sie ihm persönlich oder in ordnungsgemäßer Form öffentlich bekanntgemacht worden sind (BVerfG Urteil vom 24. April 1991, BVerfGE 84, 133, 159 = AP aaO, zu C VII 2 der Gründe). Daraus folgt aber nicht, daß die sechs- bzw. neunmonatige Frist der Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 EV erst ab Bekanntgabe der Entscheidung läuft. Vielmehr enden die Arbeitsverhältnisse nach Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 5 EV nach Ablauf der genannten Fristen ab dem Tage des Wirksamwerdens des Beitritts oder eines um bis zu drei Monate hinausgeschobenen Zeitpunkts. Die Rechtsfolge des Ruhens des Arbeitsverhältnisses knüpft nicht unmittelbar an die Bekanntgabe einer Abwicklungsentscheidung an. Das Ruhen tritt auch ohne eine solche Entscheidung ein (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu I 3 der Gründe). Daß sich der neue Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses erst ab Bekanntgabe der gesetzlichen Ruhensfolge berufen konnte (BAG Urteil vom 3. September 1992, aaO, zu III der Gründe), bedeutet nicht, daß der Arbeitnehmer sechs oder neun Monate lang Kenntnis vom Ruhen des Arbeitsverhältnisses haben muß, bevor dieses endet. Vielmehr bleibt der notwendige Vertrauensschutz in bezug auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewahrt, wenn die für den Arbeitnehmer maßgebende Kündigungsfrist ab Bekanntgabe bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingehalten ist (vgl. BVerfG Urteil vom 10. März 1992, BVerfGE 85, 360, 378 f. = AP Nr. 1 zu Art. 38 Einigungsvertrag, zu C III 1d bb der Gründe). Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 EV ist nicht in diesem Sinne mit einer Verlängerung der Kündigungsfrist gleichzusetzen, sondern will dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis für einen bestimmten Zeitraum sichern. Eines über die Kündigungsfrist hinausgehenden zeitlichen Schutzes des Vertrauens auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses bedarf es dafür nicht. Da die Abwicklungsentscheidung dem Kläger spätestens am 9. Januar 1991 mitgeteilt worden ist, ist die für ihn maßgebende dreimonatige Kündigungsfrist zum Ende des Kalendervierteljahres gemäß § 55 Abs. 2 Arbeitsgesetzbuch der DDR gewahrt.
III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, H. Rheinberger, Harnack
Fundstellen
Haufe-Index 856675 |
BAGE, 248 |
BB 1994, 75 |
JR 1994, 220 |
NZA 1994, 881 |