Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorruhestand im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
Ansprüche von Arbeitnehmern einer Kommanditgesellschaft auf Vorruhestandsgeld, die auf die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes übergegangen sind, sind auch im Konkurs des persönlich haftenden Gesellschafters Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO.
Normenkette
KO § 59 Abs. 1 Nrn. 2, 3a, §§ 57, 61 Abs. 1 Nrn. 1, 6; HGB § 161 Abs. 2, § 128; ZPO § 767; Tarifvertrag über den Vorruhestand im Baugewerbe (Vorruhestandstarifvertrag) vom 26. September 1984 i.d.F. vom 27. Oktober 1988 §§ 10-11
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 27.05.1991; Aktenzeichen 14 Sa 1233/90) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 12.06.1990; Aktenzeichen 2 Ca 645/90) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 1991 – 14 Sa 1233/90 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob Ansprüche von Arbeitnehmern einer Kommanditgesellschaft auf Vorruhestandsgeld, die auf die klagende Zusatzversorgungskasse übergegangen sind, auch im Konkurs des persönlich haftenden Gesellschafters Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO sind.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 VRTV-Bau hat sie baugewerblichen Arbeitgebern 90 % der von diesen erbrachten Vorruhestandsleistungen zu erstatten, wenn der Vorruhestand nach dem 31. Dezember 1985 beginnt. Nach § 11 Abs. 1 VRTV-Bau hat der Kläger bei Insolvenz des Arbeitgebers den Vorruheständlern Vorruhestandsleistungen wie ein Arbeitgeber zu gewähren. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Vorruhestandsleistungen gegen den Arbeitgeber geht in diesem Fall nach § 11 Abs. 2 VRTV-Bau auf die Kasse über.
Die B… und Z… Vereinigte Bauunternehmung GmbH & Co. KG unterhielt einen Baubetrieb. Sie zahlte an verschiedene ehemalige Arbeitnehmer Vorruhestandsgelder, jedoch nur bis 1988. Für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis zum 20. April 1989 gewährte daher der Kläger im Rahmen der Insolvenzsicherung die Vorruhestandsleistungen. Der Konkursantrag über das Vermögen der KG wurde am 20. April 1989 mangels Masse abgewiesen. Über das Vermögen der Komplementärin der KG, die B… GmbH, wurde am 20. April 1989 das Konkursverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Konkursverwalter bestellt.
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Zahlung von 10 % der geleisteten Vorruhestandsgelder in rechnerisch unstreitiger Höhe von 14.735,20 DM. Er hat die Auffassung vertreten, der ihm zustehende Anspruch könne auch gegenüber der persönlich haftenden Gesellschafterin als Masseschuld geltend gemacht werden. Dies folge aus der persönlichen Haftung des Komplementärs für Forderungen gegen die Gesellschaft. Anderenfalls würde eine vom Gesetz nicht beabsichtigte Benachteiligung der Gläubiger der Gesellschaft eintreten. Der Kläger hat einen entsprechenden Zahlungsantrag gestellt.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Ansprüche auf Erstattung von Vorruhestandsgeldern seien keine Masseschulden. Sie seien weder Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis noch aus einer betrieblichen Altersversorgung. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, handele es sich nur im Konkurs der Arbeitgeberin, hier der KG, um Masseschulden. Nach den Grundsätzen der Konkursordnung sei eine strenge Trennung der Vermögensmassen im Gesellschafts- und Gesellschafterkonkurs vorzunehmen. Aus den Vorschriften der §§ 161, 128 HGB lasse sich nicht herleiten, welcher konkursrechtliche Rang den Forderungen im Konkurs der persönlich haftenden Gesellschafterin zukommen müsse. Zudem könne derzeit noch keine Aussage darüber getroffen werden, ob die Masse zur vollen Befriedigung aller Massegläubiger ausreiche oder ob eine verhältnismäßige Aufteilung gemäß § 60 KO erfolgen müsse.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß der Beklagte an den Kläger 14.735,20 DM vorab aus der Konkursmasse zu zahlen hat. Der Anspruch folgt aus § 11 Abs. 1 und Abs. 2 VRTV-Bau, § 161 Abs. 2, § 128 HGB und § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO.
I.1. Nach § 161 Abs. 2, § 128 HGB haftete die B… GmbH, die nachmalige Gemeinschuldnerin, als Komplementärin den ehemaligen Arbeitnehmern der B… und Z… Vereinigte Bauunternehmung GmbH & Co. KG auf Zahlung von Vorruhestandsgeld. Gemäß § 11 Abs. 2 VRTV-Bau sind die Ansprüche der ausgeschiedenen Arbeitnehmer gegen die KG in der geltend gemachten Höhe auf die Kasse übergegangen, da sie im Insolvenzfall (§ 9 Abs. 1 VRG) nach § 11 Abs. 1 VRTV-Bau Vorruhestandsleistungen zu erbringen hatte. Aus den §§ 161 Abs. 2, 128 HGB ergibt sich, daß die B… GmbH als Komplementärin der KG auch gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger für die Verbindlichkeiten der KG haftet (BGH Urteil vom 19. Mai 1983 – II ZR 207/81 – NJW 1983, 2940, 2941; ebenso BAG Urteil vom 28. November 1989 – 3 AZR 818/87 – BAGE 63, 260, 266 = AP Nr. 10 zu § 161 HGB, unter III der Gründe, wo dieses Ergebnis allerdings aus § 401 Abs. 1, § 412 BGB hergeleitet wird). Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft läßt die Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht entfallen (BGH Urteil vom 13. Juli 1967 – II ZR 268/64 – NJW 1967, 2203, 2204).
2. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinen Urteilen vom 15. Januar 1991 (– 3 AZR 186/90 –, – 3 AZR 490/90 – AP Nr. 31, 32 zu § 59 KO) im einzelnen ausgeführt, daß Vorruhestandsleistungen “Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis” im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO sind. Dies ergibt sich aus § 59 Abs. 2 KO. Ansprüche des Arbeitnehmers auf Vorruhestandsleistungen gegen den Arbeitgeber für die letzten sechs Monaten vor Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Arbeitgebers sind mithin als Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO vorweg aus der Konkursmasse zu berichtigen (§ 57 KO). Dieser Auffassung ist auch der erkennende Senat.
Das Recht des Arbeitnehmers, vorweg aus der Masse Befriedigung von Ansprüchen auf Vorruhestandsgeld nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO verlangen zu können, geht mit den Forderungen auf den Kläger über, da es sich dabei um ein Vorzugsrecht im Sinne von § 401 Abs. 2 BGB handelt (BAG Urteil vom 6. September 1988 – 3 AZR 141/87 – AP Nr. 9 zu § 9 BetrAVG, zu 1a der Gründe; Urteil vom 15. Januar 1991 – 3 AZR 186/90 – AP Nr. 31 zu § 59 KO, zu II 3a der Gründe; BGHZ 34, 293, 298). Diese Bestimmung ist auf einen gesetzlichen und damit auch auf einen tarifvertraglichen (Art. 2 EGBGB) Forderungsübergang entsprechend anzuwenden (§ 413 BGB). Die übergegangenen Ansprüche sind nicht in entsprechender Anwendung des § 59 Abs. 2 KO konkursrechtlich herabzustufen. Diese Vorschrift gilt nur für Ansprüche auf Vorruhestandsleistungen, die auf die Bundesanstalt für Arbeit nach § 9 Abs. 3 VRG übergegangen sind (BAG Urteil vom 15. Januar 1991 – 3 AZR 186/90 – aaO, zu II 3c der Gründe).
II. Die auf den Kläger übergegangenen Ansprüche auf Vorruhestandsgeld sind auch im Konkurs der persönlich haftenden Gesellschafterin als Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO vorweg aus der Konkursmasse zu berichtigen (§ 57 KO).
1. Nach der bis zum 19. Juli 1974 geltenden Fassung der §§ 59, 61 KO waren die für das letzte Jahr vor Konkurseröffnung rückständigen Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nur bevorrechtigte Konkursforderungen und keine Masseschulden. Zu § 61 Nr. 1 KO a.F. hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 34, 293) entschieden, daß dem Gläubiger einer Personengesellschaft dieses Konkursvorrecht nicht nur im Gesellschaftskonkurs, sondern auch im Konkurs des Gesellschafters zusteht.
Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof (aaO) auf die rechtliche Struktur der Personalgesellschaft und das Verhältnis des persönlich haftenden Gesellschafters zu der Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf die Haftung für Gesellschaftsschulden, abgestellt. Trotz ihrer starken Verselbständigung seien die offenen Handelsgesellschaften und die Kommanditgesellschaften keine juristischen Personen. Träger der Rechte und Pflichten seien die Gesellschafter selbst, allerdings in ihrer Verbundenheit als Gesellschafter. Im Konkurs der Gesellschaft seien Gemeinschuldner in Wahrheit die Gesellschafter. Aufgrund der Haftung des Gesellschafters nach §§ 128, 161 HGB stehe es dem Gesellschaftsgläubiger regelmäßig frei, ob er erst die Gesellschaft oder sogleich den Gesellschafter in Anspruch nehmen wolle. Es stünde im Widerspruch zum Sinn der persönlichen Haftung der Gesellschafter einer Personalgesellschaft sowie der zwingenden Natur und der starken Ausgestaltung der Konkursvorrechte, wenn dann bei Inanspruchnahme zunächst des Gesellschafters die bevorrechtigten Gläubiger im Konkursverfahren über das Vermögen des Gesellschafters ihr Vorrecht nicht geltend machen dürften. Dieses Vorrecht könnte unter Umständen völlig verloren gehen, wenn danach ein Gesellschaftskonkurs wegen Erschöpfung der Masse nicht mehr eröffnet wird. Eine Gesellschaftsforderung müsse daher in gleicher Weise gegen die persönlich haftenden Gesellschafter wie gegen die Gesellschaft durchsetzbar sein und das Vorrecht einer Konkursforderung sowohl im Konkursverfahren der Gesellschaft als auch im Konkurs über das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters gelten.
Der Bundesgerichtshof ist damit der Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts (RAG 11, 185; 11, 321) gefolgt. Dieses hatte zwischen Lohnansprüchen für die Zeit nach Eröffnung des Konkurses – Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO – un dsolche für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens – bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Nr. 1 KO a.F. – unterschieden und die Frage, ob die konkursrechtliche Qualifizierung der Forderung im Gesellschaftskonkurs auch für den Konkurs des Gesellschafters maßgeblich ist, nur für letztere – also für Forderungen wegen der Rückstände für das letzte Jahr vor Eröffnung des Verfahrens – bejaht.
2.a) Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich in seinem Urteil vom 26. August 1981 (BAGE 36, 356 = AP Nr. 12 zu § 59 KO, mit zustimmender Anmerkung Beitzke) der Auffassung des Bundesgerichtshofs (aaO) angeschlossen. Er hat entschieden, daß Lohnforderungen, die im Konkurs der Gesellschaft Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO sind, auch im Konkurs des persönlich haftenden Gesellschafters als Masseschulden zu befriedigen sind, und hat zur Begründung angeführt: Die Erwägungen des Bundesgerichtshofs zu den nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO a.F. bevorrechtigten Lohnforderungen seien auch auf die nach der seit dem 20. Juli 1974 geltenden Fassung der Konkursordnung als Masseforderungen zu befriedigenden Lohnforderungen nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO zu übertragen. Die durch das Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (BGBl. I, S. 1481) erfolgte Neufassung des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO und die Einfügung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO habe die Erwägungen des BGH nicht hinfällig werden lassen. Durch die Umwandlung eines Teils der bisher bevorrechtigten Ansprüche in Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO habe die Stellung des Arbeitnehmers im Falle des Konkurses seines Arbeitgebers verbessert werden sollen. Die Lohnrückstände der letzten 6 Monate sollten als Masseschulden berichtigt werden. Der zu § 61 Nr. 1 KO a.F. entwickelte Gedanke von der Gleich- wertigkeit der Forderungen für die Befriedigung in Gesellschafts- und im Gesellschafterkonkurs sei auch auf die nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO n.F. zu Masseschulden erklärten Forderungen anzuwenden. Geschehe dies nicht, widerspreche das dem mit der Neuregelung verfolgten Gesetzeszweck, weil in einem Teilbereich, nämlich in der Gesellschafterhaftung, die gewollte Besserstellung der Arbeitnehmer sich nachteilig auswirken würde.
b) Auch das Bundessozialgericht (Urteil vom 24. November 1983 – 10 RAr 11/82 – ZIP 1984, 724) ist dieser Auffassung gefolgt und hat ausgeführt, für die Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO n.F. ergebe sich die Gleichstellung in bezug auf die Befriedigungsmöglichkeit in Gesellschafts- und Gesellschafterkonkurs aus der gleichrangigen Einstandspflicht der persönlich haftenden Gesellschafter für Schulden der Gesellschaft. Allerdings seien die Forderungen im Gesellschafterkonkurs nicht grundsätzlich im selben Umfang Masseschulden wie im Gesellschaftskonkurs. Die Zeitschranke von 6 Monaten schließe zwar nicht die Behandlung dieser Forderungen in beiden Konkursen als Masseschulden aus, sie sei jedoch in jedem Konkurs zu beachten.
III. An dieser Rechtsprechung ist trotz der in dem Schrifttum erhobenen Bedenken festzuhalten.
So wird geltend gemacht: Wegen der Selbständigkeit des Gesellschafts- und des Gesellschafterkonkurses sei die konkursmäßige Rangqualität einer Forderung für jedes Konkursverfahren gesondert festzustellen. Das Vorrecht als Eigenschaft einer Forderung komme ihr nicht schlechthin, sondern nur in bezug auf einen bestimmten Konkurs zu. Im Konkurs der Gesellschaft bevorrechtigte Forderungen seien daher nicht ohne weiteres auch im Gesellschafterkonkurs bevorrechtigt, sondern nur dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Bevorrechtigung auch für diesen Konkurs und seinen Gemeinschuldner vorlägen. Diese könnten jedoch unterschiedlich sein, z.B. im Hinblick auf die nicht notwendig gleichen Zeiten der Konkurseröffnung (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 61 Rz 43, § 212 Rz 6; Jaeger/Weber, KO, § 212 Rz 8; Hess/Kropshofer, KO, § 212 Rz 7; Mohrbutter/Mohrbutter, Handbuch der Konkurs- und Vergleichsverwaltung, Rz 1119 f.; Wißmann, Persönliche Mithaft im Konkurs, S. 123 ff.; Heilmann, KTS 1981, 359 ff.).
Dem kann für Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO und bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO nicht gefolgt werden. Der gläubigerschützende Zweck der persönlichen Haftung des Gesellschafters und der enge Zusammenhang von Gesellschaftsschuld und Haftungsschuld (BGHZ 34, 293, 297; 73, 217; Flume, Die Personengesellschaft, S. 285, 303; Schlegelberger/Karsten Schmidt, HGB, § 128 Rz 1, 24) erfordern, daß unter § 59 Abs. 1 Nr. 3, § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO fallende rückständige Gesellschaftsforderungen in gleicher Weise gegen die persönlich haftenden Gesellschafter wie gegen die Gesellschaft durchsetzbar sind. Diese auch für das Konkursrecht maßgebende Wertung hat zur Folge, daß das Vorrecht einer Konkursforderung sowohl im Konkursverfahren der Gesellschaft als auch im Konkurs über das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters besteht. Die persönliche Haftung der Gesellschafter wird hinsichtlich der Forderungsrechte wie eine Erweiterung der Haftungsmasse der Gesellschaft behandelt (vgl. Schlegelberger/Karsten Schmidt, HGB, § 128 Rz 77a. E.; ähnlich Flume, Die Personengesellschaft, S. 293 f., wonach für den Vergleich nach Vergleichsordnung und Konkursordnung Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen als Einheit gesehen werden).
Dem läßt sich nicht entgegenhalten, in der Regel sei die in der Gesellschaft verbundene Gesamtheit der Gesellschafter und nicht der einzelne Gesellschafter Arbeitgeber im Sinne der §§ 59, 61 KO. Dabei bliebe nämlich außer Betracht – wie der Fünfte Senat in seinem Urteil vom 26. August 1981 (BAGE 36, 356, 359 = AP Nr. 12 zu § 59 KO, zu II 2b der Gründe) zu Recht ausführt –, daß dem Vertragspartner einer Personengesellschaft nicht nur das Gesellschaftsvermögen, sondern auch jeder Komplementär unmittelbar haftet. Wenn der Arbeitnehmer außerhalb eines Konkurses seine Forderungen gegenüber der Gesellschaft und gleichzeitig oder auch allein gegen die persönlich haftenden Gesellschafter verfolgen kann, so läßt sich nicht begründen, warum im Konkursfall die Haftungsverhältnisse anders gestaltet sein sollen. Gerade dann besteht ein Bedürfnis, den Gesellschafter in Anspruch zu nehmen, dessen persönliche Haftung gleichwertig neben der Haftung des Gesellschaftsvermögens steht.
Dem Fünften Senat (BAGE 36, 356, 360 = AP Nr. 12 zu § 59 KO, zu II 3a der Gründe) ist auch darin zu folgen, daß diese Erwägungen für rückständige Lohnforderungen, die nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO n.F. Masseschulden sind, ebenso wie für nach § 61 Abs. 1 Nr. 1a KO n.F. bevorrechtigte Konkursforderungen gelten. Der Grundsatz, daß Masseschulden für jeden Konkurs gesondert festzustellen sind, und daher Masseschulden des Gesellschaftskonkurses nicht ohne weiteres auch Masseschulden im Gesellschafterkonkurs sind, findet auf die nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO n.F. zu Masseschulden erklärten Ansprüche keine Anwendung. Dieser zur früheren Fassung der Konkursordnung entwickelte Grundsatz beruhte darauf, daß nach § 59 KO a.F. Masseschulden nur Ansprüche waren, die sich auf die Zeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens bezogen. Die Vorschrift war beherrscht von dem Grundgedanken der Vergrößerung der konkreten einzelnen Konkursmasse (RGZ 135, 62, 63). Für damit im Zusammenhang stehende Ansprüche wie die nach § 59 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 KO n.F. ist es nur folgerichtig, daß ihre Qualifizierung als Masseschulden im Gesellschaftskonkurs im Konkurs der Gesellschafter keine Bedeutung hat. Dies gilt umsomehr, als die Gesellschafter nach Eröffnung des Gesellschaftskonkurses auf die Geschicke der Gesellschaft keinen Einfluß mehr haben. Diese Erwägungen treffen aber auf Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO nicht zu.
Allerdings spricht vieles dafür, daß die Zeitschranken der §§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 61 Abs. 1 Nr. 1 KO für jedes Konkursverfahren gesondert zu bestimmen sind, Masseschulden und bevorrechtigte Konkursforderungen also im Konkurs der Gesellschaft und dem der Gesellschafter bei unterschiedlichen Eröffnungszeitpunkten unterschiedlichen Umfang haben können (BSG Urteil vom 24. November 1983 – 10 RAr 11/82 – ZIP 1984, 724, 726). Dies kann jedoch im Streitfall dahinstehen. Denn der Konkursantrag über das Vermögen der KG wurde am 20. April 1989 mangels Masse abgelehnt; am gleichen Tag wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet. Auch wenn für die Bestimmung des Umfangs des Vorrechts oder der Masseschuld der Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses über das Gesellschaftervermögen zugrundegelegt wird, steht fest, daß die geltend gemachten Forderungen sich auf die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung beziehen.
1. Die Revision kann sich zur Begründung ihres gegenteiligen Standpunkts auch nicht auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 (BVerfGE 65, 182 = AP Nr. 22 zu § 112 BetrVG 1972) stützen. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht unter Hinweis auf den abschließenden und zwingenden Charakter der Regelung des § 61 KO mit der dort festgelegten Rangfolge der Konkursforderung eine gesetzliche Regelungslücke verneint, die es dem Richter erlaube, für bestimmte Forderungen eine Privilegierung außerhalb dieses geschlossenen Systems vor der Rangstelle des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zu begründen. Es hat hierzu u.a. ausgeführt, jedes Konkursvorrecht, mit dem der Gesetzgeber einzelnen Gläubigergruppen besondere Schutzinteressen zubillige, bilde eine Ausnahme vom Gebot der Gleichbehandlung aller Konkursgläubiger. Soweit ein Vorrecht nicht gesetzlich begründet sei, bleibe es deshalb bei der Regel, daß Forderungen gegen den Gemeinschuldner einfache Konkursforderungen im Range des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO seien.
Die übereinstimmende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundessozialgerichts und des Bundesarbeitsgerichts schafft keine neue Privilegierung außerhalb des geschlossenen gesetzlichen Systems. Vielmehr geht es nur darum, die aus den §§ 128, 161 HGB folgenden Wirkungen auch bei der Auslegung der §§ 59, 61 KO zur Geltung zu bringen. Sind die im Konkurs der Gesellschaft als Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO zu befriedigenden Lohnforderungen auch im Konkurs des persönlich haftenden Gesellschafters als Masseschuld zu befriedigen, wird lediglich der gesetzlich begründeten Privilegierung dieser Forderungen im Hinblick auf die Haftung des Gesellschafters Rechnung getragen und ein Wertungswiderspruch vermieden.
Dem läßt sich nicht unter Hinweis auf den Ausnahmecharakter dieser Vorschriften entgegentreten. Auch für die Auslegung von sog. Ausnahmebestimmungen gilt, daß sie sich an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers zu orientieren hat (vgl. hierzu Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 353 ff.). Die von der Revision geforderte restriktive Auslegung dieser Ausnahmevorschriften führt jedoch zu sinnwidrigen Ergebnissen und steht damit gerade in Widerspruch zu der mit der Privilegierung der in § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO genannten Forderungen verfolgten Regelungsabsicht.
2. Gegen dieses Ergebnis spricht schließlich auch nicht das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29. November 1990 (– 2 AZR 312/90 – AP Nr. 2 zu § 203 BGB). Der Zweite Senat hat in dieser Entscheidung ausgeführt, daß Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO aus einem rechtskräftig eingestellten Konkursverfahren in einem zweiten über das Vermögen desselben Gemeinschuldners eröffneten Konkursverfahren nur als einfache Konkursforderung nach § 61 KO teilnehmen, weil es sich nicht mehr um Ansprüche aus der Zeit nach Eröffnung des (zweiten) Konkursverfahrens handelt.
Damit ist die vorliegende Fallgestaltung schon deshalb nicht vergleichbar, weil es hier um Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO n.F. geht, und um die Frage, wie sich die Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft auf die konkursrechtliche Einordnung in seinem eigenen Konkurs auswirkt. Allenfalls läßt sich aus dem Urteil des Zweiten Senats ableiten, daß die Zeitschranken der §§ 59, 61 KO für jedes Konkursverfahren gesondert zu bestimmen sind. Ob dem zu folgen ist, kann aber im Streitfall offen bleiben.
IV. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß im Streitfall ein Leistungsurteil ergehen konnte.
Steht bereits im Erkenntsverfahren fest, daß die Masse zur vollen Befriedigung der Massegläubiger nicht ausreicht, so darf ein Leistungsurteil nicht ergehen. Gleiches gilt, wenn die Erschöpfung der Masse zwar droht, aber noch keine Klarheit über ihren Stand geschaffen worden ist. Jedoch trägt der Konkursverwalter die Darlegungs- und Beweislast für die bereits eingetretene oder jedensfalls drohende Unzulänglichkeit der Masse. Er hat seine Befürchtung, die Masse werde nicht ausreichen, durch Tatsachen zu substantiieren und diese, falls sie bestritten werden, zu beweisen (BAGE 31, 288 = AP Nr. 1 zu § 60 KO).
Der Beklagte hat seiner Darlegungslast in den Tatsacheninstanzen nicht genügt. Er hat nur vorgetragen, da noch weitere Gläubiger Forderungen als Masseschulden angemeldet hätten und noch zahlreiche Prozesse anhängig seien, könne derzeit noch keine Aussage getroffen werden, ob die Masse zur vollen Befriedigung aller Massegläubiger ausreiche.
Die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht hätte nach § 139 ZPO nähere Einzelheiten dazu erfragen müssen. Diese Verfahrensrüge ist unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muß derjenige, der eine Verletzung von § 139 ZPO rügt, im einzelnen angeben, welche Fragen hätten gestellt werden müssen und vor allem, was die Partei darauf erwidert hätte. Der unterbliebene Vortrag muß über die Rüge des § 139 ZPO schlüssig gemacht werden. Fehlt die Angabe dessen, was die Partei vorgetragen hätte, so läßt sich nicht absehen, ob die Ausübung des Fragerechts, wenn sie angebracht war, zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. BAGE 32, 56 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen, zu II 1b der Gründe, m.w.N.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 74 Rz 39). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht. Er hat auch dort keine konkreten Einzelheiten vorgetragen. Erst in seinem Schriftsatz vom 4. März 1993, also weit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist, hat er nähere Ausführungen dazu gemacht. Das vermag der unzulässigen Revisionsrüge jedoch nicht mehr zum Erfolg zu verhelfen. Im übrigen ist in der Revisionsinstanz neuer Tatsachenvortrag unbeachtlich (§ 561 Abs. 1 ZPO).
Dem Beklagten bleibt unbenommen, bei Vorliegen der Voraussetzungen die Unzulänglichkeit der Masse im Wege der Vollstrekkungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen (BAGE 31, 288, 295 = AP Nr. 1 zu § 60 KO, zu II 3c, 4 der Gründe).
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dörner, Dr. Reinecke, Dr. Pühler, Schoden
Fundstellen
Haufe-Index 848156 |
JR 1995, 44 |
NZA 1994, 275 |
ZIP 1993, 1558 |