Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausscheiden des Arbeitgebers aus der Unterstützungskasse
Normenkette
BetrAVG §§ 1, 4 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revisionen der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 7. Juli 1998 – 2 (4) Sa 778/96 – werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben gesamtschuldnerisch die Kosten ihrer Revisionen zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beiden Beklagten für die von einer Unterstützungseinrichtung nicht erbrachten Leistungen einstehen müssen.
Die am 27. Mai 1931 geborene Klägerin war von Juli 1961 bis zum 31. Mai 1991 und der am 9. Februar 1932 geborene Kläger vom 1. April 1964 bis zum 30. September 1992 bei der Beklagten zu 1 und ihrer gleichnamigen Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Beklagte zu 2 ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1.
Bis zum 30. Dezember 1977 gehörte die Arbeitgeberin dem S.-Konzern an. Herrschendes Unternehmen war die S. AG. Sie hatte eine Unterstützungseinrichtung geschaffen, die Belegschaftshilfe S. e.V. Deren Satzung enthielt folgende Bestimmungen:
„§ 2 Zweck
1. Der Verein bezweckt die Unterstützung der Betriebsangehörigen der S. Aktiengesellschaft einschließlich der Betriebsangehörigen bereits aufgenommener oder etwa später beitretender mit der S. Aktiengesellschaft wirtschaftlich verbundener Geschäftsbetriebe sowie deren unmittelbaren Familienangehörigen in Fällen der Not und besonders dringenden Bedarfs (vgl. § 5 Abs. 5 und 6), die Gewährung einmaliger oder laufender zusätzlicher Altersversorgungs-, Invaliditäts- und Hinterbliebenen-Beihilfen an die Genannten, sowie die Förderung ihrer Gesundheit. …
…
§ 3 Erwerb und Verlust der Vereinsmitgliedschaft
1. Mitglieder des Vereins sind die S. Aktiengesellschaft in St. und die aufgenommenen Tochtergesellschaften. Die Aufnahme weiterer Geschäftsbetriebe, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der S. Aktiengesellschaft stehen, und deren Betriebsangehörigen als Mitglieder kann von der Mitglieder-Vertreter-Versammlung beschlossen werden, … .
Ferner werden Mitglieder, sämtliche über 25 Jahre alten Betriebsangehörigen der genannten Geschäftsbetriebe nach einer Betriebszugehörigkeit von einem Jahr. …
…”
Zu den Trägerunternehmen dieser Unterstützungseinrichtung gehörte bis zum 30. Dezember 1997 neben der S. AG auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Sie erklärte mit Schreiben vom 29. Dezember 1977 ihren Austritt aus der Unterstützungseinrichtung, weil sie mit Wirkung vom 30. Dezember 1977 aus dem Konzernverhältnis zur S. AG ausscheide. Die S. AG übertrug mit Wirkung vom 30. Dezember 1977 ihre Geschäftsanteile an der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf die Sch. KG GmbH & Co.
Daraufhin schloß die Beklagte mit ihrem Gesamtbetriebsrat die Betriebsvereinbarung Nr. 1/1978 vom 30. Dezember 1977/11. September 1978, in der es heißt:
„…
4. Die Versorgungsleistungen werden bei Eintritt des Versorgungsfalles von der Belegschaftshilfe S. e.V. unter Beachtung der jeweils geltenden arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Bestimmungen erbracht.
5. Die Belegschaftshilfe S. e.V. wird den berechtigten Mitarbeitern Dokumente über die Höhe der nach Ziff. 3 berechneten Versorgungsanwartschaften erstellen und im Laufe des Oktober 1978 aushändigen. …
…”
Die in Nr. 5 der Betriebsvereinbarung vorgesehene Bestätigung ist den Arbeitnehmern mit Schreiben vom 20. Oktober 1978 übersandt worden. Die Belegschaftshilfe S. e.V. zahlte an die Klägerin ab 1. Juni 1991 eine monatliche Altersrente von 140,00 DM und an den Kläger ab 1. Oktober 1992 eine monatliche Altersrente von 123,00 DM. Am 25. Oktober 1993 wurde über das Vermögen der S. AG ein Vergleichsverfahren eröffnet. Entsprechend der festgelegten Vergleichsquote von 58 % kürzte die Belegschaftshilfe S. e.V. die monatliche Betriebsrente der Klägerin ab Dezember 1994 von 140,00 DM auf 82,00 DM und die monatliche Betriebsrente des Klägers ab Januar 1995 von 123,00 DM auf 72,00 DM.
Die Klägerin und der Kläger verlangen von den beiden Beklagten den Differenzbetrag. Sie haben gemeint, die Beklagte zu 1 müsse als versorgungspflichtige Arbeitgeberin und die Beklagte zu 2 als deren persönlich haftende Gesellschafterin für die zugesagte Betriebsrente einstehen.
Der Pensions-Sicherungs-Verein hat einen Sicherungsfall verneint und die Klagen für begründet erachtet.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen,
- der Klägerin 986,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 406,00 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 12. Juni 1995 sowie 4 % Zinsen aus dem sich aus 580,00 DM ergebenden Nettobetrag seit 3. April 1996 zu zahlen,
- ab 1. Mai 1996 der Klägerin eine monatliche Altersversorgung in Höhe von weiteren 58,00 DM zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn zu zahlen
- 306,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit 23. Juni 1995,
- ab 1. Juli 1995 eine zusätzliche monatliche Beihilfe in Höhe von 51,00 DM brutto.
Die Beklagten haben beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, sie seien nicht zur Zahlung der Differenzbeträge verpflichtet. Nach dem in der Satzung der Unterstützungseinrichtung beschriebenen Vereinszweck liege keine betriebliche Altersversorgung vor. Im übrigen habe die Arbeitgeberin keine Versorgungszusage erteilt. Eine betriebliche Übung habe nicht bestanden. Die Betriebsvereinbarung Nr. 1/1978 vom 30. Dezember 1977/11. September 1978 habe weder Versorgungspflichten geschaffen noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis enthalten. Jedenfalls seien die Arbeitgeberpflichten beim Ausscheiden aus der Unterstützungseinrichtung bereits erfüllt gewesen. Die von den Arbeitnehmern bis dahin erworbenen Rechte seien voll dotiert gewesen.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der beiden Beklagten zurückgewiesen. Mit ihren Revisionen verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der beiden Beklagten sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Klagen zu Recht stattgegeben. Soweit die Belegschaftshilfe S. e.V. auf Grund ihrer finanziellen Lage die Betriebsrenten gekürzt hat, ist die Beklagte zu 1 als frühere Arbeitgeberin zur Zahlung verpflichtet. Die Beklagte zu 2 haftet als Gesellschafterin der OHG nach § 128 Satz 1 HGB.
1. Die geforderte Leistung ist entgegen der Ansicht der beiden Beklagten eine betriebliche Altersversorgung. Es ist unerheblich, daß die Belegschaftshilfe S. e.V. nach § 2 Nr. 1 ihrer Satzung den Betriebsangehörigen unter anderem Unterstützungen „in Fällen der Not und besonders dringenden Bedarfs” gewährt. Derartige Beihilfen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites. Der Kläger und die Klägerin verlangen nach § 2 Nr. 1 der Vereinssatzung die „Gewährung … laufender zusätzlicher Altersversorgungs-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenbeihilfen”. Diese Leistungen knüpfen an die in § 1 Abs. 1 BetrAVG vorgesehenen biologischen Ereignisse (Alter, Invalidität oder Tod) an und werden aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses gewährt. Damit sind die Begriffsmerkmale einer betrieblichen Altersversorgung erfüllt.
2. Die Klägerin und der Kläger haben eine Versorgungszusage erhalten.
a) Da die Belegschaftshilfe S. e.V. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gewährt, ohne den Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch einzuräumen, handelt es sich um eine Unterstützungskasse iSd. § 1 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG. Wird die betriebliche Altersversorgung von einer Unterstützungskasse abgewickelt, so steht der Arbeitnehmer in zwei Rechtsbeziehungen. Im Verhältnis zur Unterstützungskasse ist er nach dem Sprachgebrauch des § 1 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG „Begünstigter”. Im Verhältnis zum Arbeitgeber besteht das arbeitsrechtliche Grundverhältnis. Nach § 1 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG gilt die Versorgungszusage in dem Zeitpunkt als erteilt, von dem an der Arbeitnehmer zum Kreis der Begünstigten der Unterstützungskasse gehört. Ob sich diese gesetzliche Vorschrift nur auf das Vollzugsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Unterstützungskasse bezieht(so Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. § 1 Rn. 380), kann dahinstehen. Mit dem Beitritt zur Unterstützungskasse verschaffte die Rechtsvorgängerin der Beklagten allen Betriebsangehörigen mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens einem Jahr die Mitgliedschaft in dieser Kasse. Die Arbeitgeberin hatte damit zum Ausdruck gebracht, daß sie diesem Personenkreis mit Hilfe der Unterstützungskasse eine betriebliche Altersversorgung verschaffen will. Da es sich dabei um eine für die gesamte Belegschaft bestimmte Erklärung handelt, liegt eine Gesamtzusage vor.
b) Die Betriebsvereinbarung vom 30. Dezember 1977/11. September 1978 schuf zwar keine neuen Versorgungspflichten. Ihr ist aber zu entnehmen, daß die Regelungen der Unterstützungskasse das betriebliche Versorgungssystem bildeten und auch das arbeitsvertragliche Grundverhältnis ausformten. Nr. 1 der Betriebsvereinbarung verlangt keine weitere Versorgungszusage, sondern geht davon aus, daß alle Mitarbeiter, die das 35. Lebensjahr vollendet haben und eine mindestens zehnjährige Betriebszugehörigkeit aufweisen, versorgungsberechtigt sind. Dies steht im Einklang damit, daß die Versorgungsbestimmungen der Unterstützungskasse keine Arbeitnehmergruppe ausklammern. Sinn und Zweck der Nr. 1 der Betriebsvereinbarung war es, den Bestandsschutz auf unverfallbare Anwartschaften zu beschränken, wobei es allerdings zur Vermeidung von Härten nicht auf den 30. Dezember 1977, sondern auf den 31. Dezember 1978 ankam. Nr. 5 der Betriebsvereinbarung berücksichtigt, daß sich das arbeitsvertragliche Grundverhältnis nach den Regelungen der Unterstützungskasse richtet. Dementsprechend sollte die Unterstützungskasse die versorgungsberechtigten Mitarbeiter feststellen und ihnen ein Dokument über die Höhe ihrer aufrecht erhaltenen Versorgungsanwartschaften im Laufe des Oktober 1978 aushändigen. Die Unterstützungskasse bescheinigte sowohl der Klägerin als auch dem Kläger, daß sie Versorgungsanwartschaften erworben hatten.
3. Der Arbeitgeber schuldet den Arbeitnehmern die zugesagte Altersversorgung und muß sicherstellen, daß die Unterstützungskasse die vorgesehene Versorgung erbringen kann. Leistet die Unterstützungskasse wegen unzureichender Ausstattung nicht, so muß der Arbeitgeber selbst einstehen (BAG 3. Februar 1987 – 3 AZR 208/85 – BAGE 54, 176, 181, zu II 2 b der Gründe mwN.). Weshalb die Unterstützungskasse ihre Leistungsfähigkeit einbüßt, spielt keine Rolle. Der Arbeitgeber kann nicht einwenden, er müsse sich darauf verlassen können, daß bei voller Erfüllung seiner Beitragspflicht die Versorgung der Begünstigten planmäßig abgewickelt werde(vgl.BAG 3. Februar 1987 – 3 AZR 208/85 – aaO, zu III 3 der Gründe). Inwieweit die Unterstützungskasse bei der Finanzierung der Altersversorgung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen vorging, spielt keine Rolle. Wenn die Unterstützungskasse Mittel zweckwidrig verwendet, haben nicht die Versorgungsberechtigten, sondern die Trägerunternehmen die Nachteile zu tragen. Die Einschaltung der Unterstützungskasse ist lediglich der Durchführungsweg für die versprochene Versorgung (BAG 3. Februar 1987 – 3 AZR 208/85 – aaO, zu II 2 b und c der Gründe). Können auf diesem Weg die zugesagten Renten nicht geleistet werden, sind die Versorgungspflichten aus dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Grundverhältnis nicht erfüllt. Den Arbeitgeber trifft eine Verschaffungspflicht (BAG 27. Januar 1998 – 3 AZR 444/96 – AP BetrAVG § 1 Unterstützungskassen Nr. 38 = EzA BetrAVG § 1 Unterstützungskasse Nr. 11, zu II 5 der Gründe). Sie führt dazu, daß die Beklagte zu 1 wegen des Scheiterns der vorgesehenen Abwicklungsform selbst zahlen muß und die Beklagte zu 2 nach § 128 HGB dafür haftet.
4. Die Austrittserklärung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 brachte die Versorgungspflichten aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis nicht zum Erlöschen. Wenn ein Arbeitgeber aus dem Kreis der Trägerunternehmen ausscheidet, muß er grundsätzlich selbst die laufenden Rentenzahlungen übernehmen (BAG 22. Oktober 1991 – 3 AZR 486/90 – BAGE 68, 368, 370 f., zu I 2 der Gründe; 11. Februar 1992 – 3 AZR 138/91 – AP BetrAVG § 1 Unterstützungskassen Nr. 32 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 9, zu 3 der Gründe). Dies hindert den Arbeitgeber aber nicht, die Unterstützungskasse nunmehr als Zahlstelle einzuschalten. Von dieser Möglichkeit hat die Betriebsvereinbarung vom 30. Dezember 1977/11. September 1978 Gebrauch gemacht. Sie legt der Unterstützungskasse keine Pflichten auf, sondern regelt, inwieweit sich der Arbeitgeber der Unterstützungskasse bedienen darf und im Rahmen des rechtlich Möglichen auch muß.
5. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die S. AG nicht Versorgungsschuldnerin geworden. Sollte sich die S. AG bei der Übertragung ihrer Geschäftsanteile auf die Sch. KG GmbH & Co. verpflichtet haben, die bis zum Übertragungszeitpunkt erdienten Versorgungsrechte mit Hilfe der Unterstützungskasse zu erfüllen, deren einziges Trägerunternehmen sie geworden war, so führte dies nur zu Freistellungsansprüchen der Beklagten zu 1 gegen die S. AG. Selbst mit Zustimmung der Arbeitnehmer konnten die arbeitsvertraglichen Versorgungspflichten der Beklagten zu 1 nicht auf die S. AG übertragen werden. Das Übertragungsverbot des § 4 Abs. 1 BetrAVG bezieht sich zwar dem Wortlaut nach nur auf die Anwartschaften bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer. Für die gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften der im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer gilt die Vorschrift aber entsprechend (Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. § 4 Rn. 37; Höfer BetrAVG Stand: Januar 1999 § 4 Rn. 2185; ebenso BAG 17. März 1987 – 3 AZR 605/85 – BAGE 54, 297, 303 ff., zu II 3 b der Gründe für bereits fällige Rentenansprüche). Dies gebietet der Schutzzweck des § 4 Abs. 1 BetrAVG. Durch die Beschränkung des übernahmeberechtigten Personenkreises soll die Haftungsmasse zugunsten des Versorgungsberechtigten erhalten und das Insolvenzrisiko nicht vergrößert werden. § 4 Abs. 1 BetrAVG verhindert das nach Ansicht der Beklagten „probate Ergebnis”, daß der Pensions-Sicherungs-Verein für die Differenz aufkommen muß.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Schmidt, Horst, Schmitthenner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.01.2000 durch Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen