Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Klimaanlagenmechanikers. Bestätigung und Fortführung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts 28. Mai 1997 – 10 AZR 515/95 – AP MTArb § 21 Nr. 4. Zulässigkeit der Revision. Befähigung des Arbeiters im Sinne der Lohngr. 9 Fallgr. 1 des SV 2a, “die Regelung und Steuerung der Anlagen technischen Änderungen anzupassen”. Korrigierende Rückgruppierung. Eingruppierung öffentlicher Dienst. Prozeßrecht
Orientierungssatz
- Ein Arbeiter ist nur dann in der Lage, eine Anlage im Sinne der Lohngr. 9 Fallgruppe 1 der SV 2a technischen Änderungen anzupassen, wenn er die Fähigkeit besitzt, neue oder geänderte Programme für die Regelungs- und Steuerungssysteme zu erarbeiten, mit denen die Anlage nach einer technischen Änderung oder Erweiterung ordnungsgemäß weiterbetrieben werden kann (BAG 28. Mai 1997 – 10 AZR 515/95 – AP MTArb § 21 Nr. 4).
- Gefordert wird damit nicht die Fähigkeit zur Verfassung des Betriebssystems, sondern unter dessen Anwendung die Programmierung/Einstellung der Maschinen und Anlagen der Arbeitsstätte.
Normenkette
TV über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes – MTB II – vom 11. Juli 1966, in Kraft bis zum 29. Februar 1996; TV über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TVLohngrV) vom 11. Juli 1966, in Kraft getreten am 1. März 1966 – jeweils § 2 Abs. 1; TV über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TVLohngrV) vom 11. Juli 1966, in Kraft getreten am 1. März 1996 – jeweils § 2 Abs. 1; Sonderverzeichnis für Arbeiter im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung, die unter die SR 2a des Abschnitts A der Anlage 2 MTArb fallen (SV 2a) Lohngr. 9 Fallgr. 1; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3a a.F.
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Entlohnung des Klägers.
Der Kläger ist nach einer 3 1/2-jährigen Ausbildung zum Maschinenschlosser seit dem 1. Januar 1979 bei der Standortverwaltung F… als Klimaanlagenmechaniker beschäftigt. Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für die Arbeiter des Bundes Anwendung.
Der Kläger war zunächst im Marinehauptquartier (MHQ) in G… eingesetzt. Mit Wirkung vom 1. April 1999 wurde er zum Fernmeldeabschnitt 1 in die Marinefunksendestellen H… und D… versetzt.
Für die Zeit ab 1. Oktober 1990 wurde der Kläger nach Lohngr. 9 MTB II entlohnt. Die Beklagte ging dabei davon aus, die Tätigkeit des Klägers erfülle die Anforderungen der Lohngr. 9 Fallgr. 1 des Sonderverzeichnisses für Arbeiter im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung, die unter die SR 2a des Abschnitts A der Anlage 2 MTB II fallen (SV 2a). Mit Schreiben vom 26. Mai 1994 und vom 29. August 1994 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, daß er “die persönlichen Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Lohngr. 9 Fallgr. 1 SV 2a MTB II” nicht erfülle. Daher sei “zum 01.06.1994 eine korrigierende Rückeinreihung in die Lohngr. 8a AT, Grundeinreihung Lohngr. 8 Fallgr. 6 SV 2a MTB II vorzusehen”. Mit Schreiben vom 23. Juni 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei “rückwirkend ab dem 01.10.1990 in die Lohngruppe 8 – ohne Fallgruppe – eingereiht”; der Hauptpersonalrat habe dagegen keine Einwände erhoben.
In der “Tätigkeitsdarstellung für Arbeiter” vom 15. März 1995 sind die Aufgaben des Klägers wie folgt beschrieben:
Betreiben des rechnergestützten betriebstechnischen Systems im MHQ im 24stündigen Wechselschichtbetrieb sowie Erhalten und Wiederherstellen der technischen Einsatzfähigkeit dieses Systems im technischen Betrieb.
Außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit wird die Einsatzfähigkeit der Betriebstechnik in den MFuSSt H… und D… sichergestellt.
Der Kläger verfügt unstreitig nicht über die Fähigkeit, neue Programme für die Regelung und Steuerung von betriebstechnischen Anlagen der Heiz-, Klima- und Sanitärtechnik in seinem Arbeitsbereich zu erarbeiten oder solche Programme zu ändern. Diese Arbeiten läßt die Beklagte durch eine Drittfirma oder Drittfirmen erledigen.
Für die Zeit vom 24. August 1995 bis 31. Juli 1997 behielt die Beklagte vom Lohn des Klägers 3.574,83 DM netto ein. Seit dem 1. August 1997 wird der Kläger nach der Lohngr. 8 MTArb entlohnt.
Der Kläger ist der Auffassung, seine Tätigkeit erfülle alle Anforderungen der Lohngr. 9 Fallgr. 1 SV 2a. Insbesondere sei er in der Lage, die Handsteuerung der zu seinem Arbeitsbereich gehörenden Anlagen vorzunehmen und so diese in Betrieb zu halten, bis die Fehlsteuerung durch das Fachpersonal behoben sei. Die Computerprogrammierung der Regelung und Steuerung werde von dem Tätigkeitsmerkmal nicht gefordert.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 31. Juli 1997 Lohn nach der Lohngr. 9 Fallgr. 1 des Sonderverzeichnisses 2a zum Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis zum Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II) zu zahlen und die Differenzbeträge zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt an mit 4 % zu verzinsen mit der Maßgabe, daß die Zinsen auf die entsprechenden Nettobeträge zu zahlen sind;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.574,73 DM netto zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 1997.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger auszuübende Tätigkeit erfülle mehrere Anforderungen der Lohngr. 9 Fallgr. 1 SV 2a nicht. Insbesondere sei der Kläger nicht zur Programmierung der Regelung und Steuerung von betriebstechnischen Anlagen der Heiz-, Klima- und Sanitärtechnik in der Lage. Diese Befähigung setze das Tätigkeitsmerkmal der Lohngr. 9 Fallgr. 1 SV 2a nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (28. Mai 1997 – 10 AZR 515/95 – AP MTArb § 21 Nr. 4) voraus.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten entspricht die Revisionsbegründung des Klägers den gesetzlichen Anforderungen.
Der Auffassung der Beklagten, die Revision sei unzulässig, weil sich das Urteil des Landesarbeitsgerichts überhaupt nicht mit den §§ 133, 157 BGB befasse, deren angebliche Verletzung der Kläger mit der Revision rüge, kann nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, daß das Landesarbeitsgericht seine Tarifauslegung hinsichtlich der am Ende der Lohngr. 9 Fallgr. 1 SV 2a genannten subjektiven Anforderung (“die … in der Lage sind, die Regelung und Steuerung der Anlagen technischen Änderungen anzupassen”) nicht auf die von der Revision angeführten Vorschriften des BGB stützt. Dies ist jedoch unschädlich. Zur Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm iSd. § 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO aF ist die Angabe bestimmter Paragraphen nicht erforderlich; sogar eine falsche Bezeichnung kann unschädlich sein. Die Revisionsbegründung muß jedoch den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein. Die Revision muß zu den gem. § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO aF gerügten Punkten eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (Senat 30. Mai 2001 – 4 AZR 521/00 – nv. mwN). Diese enthält die Revisionsbegründung des Klägers. Sie rügt die “Auslegung der Tarifnorm – Lohngr. 9 Fallgr. 1 SV 2a – zur ‘Anpassung der Regelung und Steuerung’ von Anlagen auf Grund technischer Änderungen” als fehlerhaft und begründet diese Rüge. Damit setzt sie sich mit dem tragenden Grund des angefochtenen Urteils für die Abweisung der Klage auseinander.
Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Zahlungs- als auch des Feststellungsantrags, der als im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage auszulegen und mit diesem Inhalt zulässig ist, unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der Lohngr. 9 MTB II/MTArb ab 24. August 1995, denn er erfüllt nicht die Anforderungen der Fallgr. 1 des SV 2a, auf die er seine Klage stützt.
1. Der Lohn des Klägers wird nach § 21 Abs. 1 MTB II (in Kraft bis zum 29. Februar 1996), § 21 Abs. 1 MTArb (gültig ab 1. März 1996) ua. nach “der Tätigkeit (Lohngruppen)” bemessen. Damit verweisen diese Tarifnormen auf den Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTB II vom 11. Juli 1966, seit dem 1. März 1996 auf den Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TVLohngrV) vom 11. Juli 1966, in dem die für die Einreihung des Arbeiters maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale (§ 2 Abs. 1 TVLohngrV) vereinbart sind. Die Tarifnorm der Lohngr. 9 Fallgr. 1 des SV 2a, auf die der Kläger seine Klage stützt, hat folgenden Wortlaut:
“Lohngruppe 9
1 Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägigen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren (z.B. Elektromechaniker, Energieelektroniker, Kälteanlagenbauer, Zentralheizungs- und Lüftungsbauer, Meß- und Regelmechaniker) mit einer zusätzlichen fachlichen Fortbildung, die in großen Arbeitsstätten mit zentraler Haus- und Betriebstechnik komplizierte Anlagen (z.B. zentrale Mess-, Steuer- und Regelanlagen für Heiz-, Klima-, Sanitär- und Elektrotechnik) warten, instandsetzen, die Betriebsbereitschaft gewährleisten und in der Lage sind, die Regelung und Steuerung der Anlagen technischen Änderungen anzupassen.
Protokollnotiz:
Die zusätzliche fachliche Fortbildung wird auch durch den Meisterbrief nachgewiesen.
2. Der Kläger war/ist nicht nach diesem Tätigkeitsmerkmal in Lohngr. 9 MTB II/MTArb eingruppiert, wie das Landesarbeitsgericht mit Recht erkannt hat.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei nicht in der Lage, die Regelung und Steuerung der Anlagen technischen Änderungen anzupassen. Dafür sei nicht ausreichend, daß er die Fähigkeit besitze, die technischen Anlagen mit handwerklichen Mitteln zu ändern. Die Tarifnorm erfordere vielmehr, daß er eine Anpassung der Regelung und Steuerung – also des elektronischen Teils der Anlage – an technische Veränderungen vornehmen könne. Demnach müsse der Kläger auch in der Lage sein, in die EDV-gestützte Steuerungs- und Regelungstechnik der Anlage einzugreifen. Dafür sei es erforderlich, daß er die Fähigkeit besitze, neue oder geänderte Programme für die Regelungs- und Steuerungsanlagen zu erarbeiten. Dazu sei der Kläger nach eigener Einlassung in der Berufungsverhandlung nicht befähigt.
b) Die vom Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Tarifauslegung der Lohngr. 9 Fallgr. 1 SV 2a entspricht der Rechtsprechung des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts (28. Mai 1997 – 10 AZR 515/95 – AP MTArb § 21 Nr. 4) zur Auslegung des Relativsatzes des genannten Tätigkeitsmerkmals hinsichtlich der Anforderungen “Arbeiter …, die in der Lage sind, die Regelung und Steuerung der Anlagen technischen Änderungen anzupassen”. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Die vorzitierte Entscheidung betraf die Einreihung eines Oberkesselwärters, der für das Betreiben der zentralen Versorgungsanlage sowie für Instandsetzungen und Wartungsarbeiten an den Heizungsanlagen einer Kaserne zuständig war. Der Zehnte Senat hat zu den hier behandelten Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals ausgeführt, eine Anpassung der Regelung und Steuerung der ZVA an technische Änderungen im Sinne der Lohngruppe 9 Fallgruppe 1 SV 2a liege nur dann vor, wenn der Arbeiter in der Lage sei, die Regelung und Steuerung eigenhändig zu verändern, um sie Änderungen der technischen Anlagen der ZVA anzupassen. Dafür sei es erforderlich, daß er die Fähigkeit besitze, neue oder geänderte Programme für die Regelungs- und Steuerungsanlagen zu erarbeiten, mit denen die ZVA nach einer durchgeführten technischen Änderung oder Erweiterung ordnungsgemäß weiterbetrieben werden könne, wenn die bisher bestehende Regelung oder Steuerung einen solchen ordnungsgemäßen Betrieb nicht mehr gewährleiste (aaO, zu II 6 der Gründe). Gefordert wird damit nicht die Fähigkeit zur Verfassung des Betriebssystems, sondern unter dessen Anwendung die Programmierung/Einstellung der Maschinen/Anlagen der Arbeitsstätte, in diesem Sinne also die Erarbeitung der Objektprogramme.
c) Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung eingeräumt, daß er nicht in der Lage ist, zu “programmieren”, also Programme für die Regelung und Steuerung der zu seinem Arbeitsbereich gehörenden Heizungs-, Klima- und Sanitäranlagen zu erarbeiten. Damit erfüllt er die Anforderungen der Lohngr. 9 Fallgr. 1 SV 2a im gesamten Anspruchszeitraum nicht, also sowohl in der Zeit seiner Tätigkeit vom 24. August 1995 bis zum 31. März 1999 im Marinehauptquartier in G… als auch nach seiner Versetzung am 1. April 1999 in seiner Tätigkeit in den Marinefunksendestellen H… und D….
d) Auf die Erfüllung der übrigen Anforderungen des hier einschlägigen Tätigkeitsmerkmals, die teils zwischen den Parteien streitig ist – zB die des einschlägigen anerkannten Ausbildungsberufs, der zusätzlichen fachlichen Fortbildung, der großen Arbeitsstätte (ab 1. April 1999) – kommt es nicht an.
3. Die Voraussetzungen für die sog. korrigierende Rückgruppierung (vgl. dazu zB Senat 16. Februar 2000 – 4 AZR 62/99 – BAGE 93, 340) des Klägers zum 1. Oktober 1990 sind von der Beklagten dargelegt. Danach beruhte die Einreihung des Klägers in Lohngr. 9 MTB II ab dem genannten Zeitpunkt auf einem Rechtsirrtum der Beklagten, die verkannt habe, daß in die Lohngr. 9 MTB II “nur jemand eingruppiert werden kann, der die zentrale Leittechnik selbst bearbeitet, also wartet, instandhält und ändert”. Diese Anforderung wird vom Kläger in der Tat nicht im Tarifsinne erfüllt.
4. Die Beklagte hat daher mit Recht den für die Zeit vom 24. August 1995 bis zum 31. Juli 1997 dem Kläger überzahlten Lohn einbehalten und ihn für die Zeit danach nicht mehr nach der Lohngr. 9 MTArb entlohnt.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Wolter, Bott, Gotsche, Jürgens
Fundstellen
NZA 2003, 1168 |
PersR 2004, 81 |
NJOZ 2003, 2844 |
Tarif aktuell 2003, 13 |