Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 10.11.1981; Aktenzeichen 5 Sa 820/81) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 1981 – 5 Sa 820/81 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma H… GmbH in I…. Die Beklagte ist die nach § 8 Nr. 9 des allgemeinverbindlichen Baurahmentarifvertrages (BRTV-Bau) als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien bestehende Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft, der die Gemeinschuldnerin angeschlossen war.
Die Bundesanstalt für Arbeit zahlte an die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin 35.194,98 DM zum Ausgleich der Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Der Kläger legte daraufhin der Beklagten Erstattungsanträge in Höhe von 40.460,27 DM vor, in denen das von der Bundesanstalt gezahlte Konkursausfallgeld in Höhe von 35.194,98 DM enthalten ist. Zur Begründung seines Erstattungsanspruchs stützt sich der Kläger auf § 2 Abschnitt II Nr. 4 des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 i.d.F. vom 15. Dezember 1976 (Verfahrenstarifvertrag).
Diese Bestimmung lautet:
“4. Die Erstattung der vom Arbeitgeber vorgelegten Urlaubsentgeltbeträge (das ist Urlaubsentgelt aus Bruttolohn, Resturlaubsentgelt, Ausgleichsbeträge und das zusätzliche Urlaubsgeld) und des Ausgleichs von 45 % für die auf den Arbeitgeber entfallenden Sozialaufwendungen (Sozialaufwandserstattung) erfolgt durch die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse … gegen Quittung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber meldet … die an die einzelnen Arbeitnehmer ausgezahlten Urlaubsentgeltbeträge unter … Beifügung der Einlösungsscheine aus den Lohnnachweiskarten der Arbeitnehmer.”
Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, die Zahlung des Konkursausfallgeldes auf die Urlaubsentgeltansprüche der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin komme der Leistung des Arbeitgebers gleich und löse den Erstattungsanspruch zur Konkursmasse gegenüber der Beklagten aus.
Zwar beruhten die Zahlungen der Bundesanstalt an die Arbeitnehmer auf einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung und seien nicht als Leistungen für den Kläger zu verstehen. Die Konkursausfallgeldzahlungen hätten jedoch nicht den Zweck, die beklagte Urlaubskasse zu begünstigen. Sinn und Zweck der Regelungen des Verfahrenstarifvertrages sei, die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Zahlung von Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld zu sichern. Gelangten die Arbeitnehmer in den Genuß dieser Beträge, sei der Sicherungszweck erfüllt, so daß die Erstattungsforderung für den Arbeitgeber entstehe. Es könne nicht Sinn des Verfahrenstarifvertrages sein, eine Beitragspflicht des Arbeitgebers zur Urlaubskasse ohne entsprechende Erstattungsleistung vorzusehen.
Die Bundesanstalt hole sich schließlich die gezahlten Konkursausfallgeldbeträge von der Gemeinschuldnerin und nicht von der beklagten Urlaubskasse zurück. Deshalb dürfe man nicht so sehr am Wortlaut des Verfahrenstarifvertrages hängen, demzufolge ein Erstattungsanspruch des Klägers selbst dann nicht begründet wäre, wenn die Forderungen der Bundesanstalt wegen gezahlten Konkursausfallgeldes aus dem Konkursvermögen der Gemeinschuldnerin befriedigt würden.
Mit seiner Klage hat der Kläger von den insgesamt 35.194,98 DM einen Teilbetrag in Höhe von 20.000,-- DM begehrt. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.000,-- DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat zunächst auf die Beitragsschuld der Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung in Höhe von 27.382,31 DM verwiesen und die Erstattungsforderung des Klägers der Höhe nach bestritten. Sie hat weiterhin die Rechtsansicht vertreten, die Zahlung von Konkursausfallgeld auf die Urlaubsentgeltansprüche der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin sei keine Vorlage der Urlaubsentgeltbeträge durch den Arbeitgeber im Sinne des Verfahrenstarifvertrages. Deshalb könne der Arbeitgeber auch nicht so behandelt werden, als habe er den tariflichen Urlaubsanspruch erfüllt, da die Bundesanstalt nur ihren öffentlichrechtlichen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sei. Der Kläger übersehe den Zusammenhang von Beitragspflicht und Erstattungsanspruch des Arbeitgebers.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die hiergegen von dem Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Verfahrensziel weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Der Kläger hat seinen Klagantrag in der Revisionsinstanz auf 18.909,67 DM beschränkt. Damit ist die von den Vorinstanzen übersehene Unklarheit beseitigt, welcher Teil der Forderungen gegen die Beklagte Gegenstand seiner Klage ist (vgl. BGHZ 11, 192; BAG 30, 190). Mit der Beschränkung seines Antrags auf 18.909,67 DM, der unstreitig einer Auflistung des Klägers über Urlaubsentgeltforderungen von dort genannten Arbeitnehmern entspricht, hat der Kläger ausreichend bestimmt, worauf sich die Rechtskraft einer hierüber ergehenden gerichtlichen Entscheidung erstreckt. Eine solche Klarstellung ist auch noch in der Revisionsinstanz möglich.
II. Die Revision hat jedoch keinen Erfolg, da dem Kläger nach § 2 Abschnitt II Nr. 4 Verfahrenstarifvertrag (Verf-TV) kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Die tariflichen Merkmale für einen solchen Anspruch sind nicht gegeben.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß weder die Gemeinschuldnerin noch der Konkursverwalter Urlaubsentgeltbeträge vorgelegt haben. Auf die Zahlung des von der Bundesanstalt für Arbeit an die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin geleisteten Konkursausfallgelds könne sich der Kläger zur Begründung seines Erstattungsanspruchs nicht berufen, weil diese einen Ausgleich für die wegen des Konkurses “ausgefallenen” Urlaubsentgeltforderungen und nicht eine für die Gemeinschuldnerin vorgenommene Befriedigung der Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer sei. Das Konkursausfallgeld habe eine begrenzte soziale Sicherungsfunktion zugunsten der vom wirtschaftlichen Zusammenbruch des Arbeitgebers betroffenen Arbeitnehmer und nicht den Inhalt, die verteilungsfähige Konkursmasse zu erhöhen.
2. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten den Angriffen der Revision stand. Ihnen ist jedenfalls im Ergebnis beizupflichten.
a) Die Revision vertritt die Auffassung, § 2 Abschnitt II Nr. 4 Verf-TV verschaffe dem Kläger den Erstattungsanspruch auch dann, wenn die Bundesanstalt über das zuständige Arbeitsamt die tariflichen Urlaubsentgeltleistungen der Arbeitnehmer durch Konkursausfallgeld abdecke. Sinn und Zweck der Regelungen des Verf-TV sei es, die tariflichen Urlaubsentgelte der Arbeitnehmer zu sichern und gleichzeitig die mißbräuchliche Verwendung der von den Arbeitgebern des Baugewerbes aufgebrachten Mittel der beklagten Urlaubskasse zu verhindern. Die Vorlagepflicht des Arbeitgebers nach § 2 Abschn. II Nr. 4 Verf-TV solle nur Doppelerstattungen an verschiedene Arbeitgeber bei Arbeitsplatzwechsel des Arbeitnehmers ausschließen. Die Erstattungsforderung des Klägers entstehe deshalb bereits dann, wenn die Arbeitnehmer in den Genuß von Urlaubsausgleichszahlungen gelangt seien, unabhängig davon, ob diese Zahlungen durch den Arbeitgeber (Konkursverwalter) oder durch die Bundesanstalt erfolgt seien.
b) Die Revision verkennt die Unterschiede zwischen den tariflichen Urlaubsentgeltzahlungen des Arbeitgebers und den Konkursausfallgeldleistungen der Bundesanstalt. Darauf hat bereits das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen. Darüber hinaus beurteilt die Revision auch die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und beklagter Urlaubskasse sowie zwischen dem Kläger und der Bundesanstalt nicht zutreffend.
aa) Die beklagte Urlaubskasse ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 Nr. 9.1 BRTV-Bau. Nach § 4 Abs. 2 TVG gelten die tariflichen Regelungen unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Aufgrund der fortwährenden Allgemeinverbindlicherklärungen zum BRTV und Verf-TV erfassen deren Rechtsnormen auch die nichttarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG).
Der Zweck der tariflichen Urlaubskassenregelung besteht darin, die Auszahlung des den Arbeitnehmern tariflich zustehenden Urlaubsentgelts und des zusätzlichen Urlaubsgeldes zu sichern. Das Urlaubskassenverfahren soll auch die Lasten der Freizeitgegewährung und Bezahlung gleichmäßig auf alle Arbeitgeber der Branche verteilen (Urteil des erkennenden Senats vom 8. Oktober 1981 – 6 AZR 163/79 –, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler, zu I 3 der Gründe). Wegen des branchenüblichen häufigen Arbeitsplatzwechsels der Bauarbeiter kann nur durch eine tarifliche Sonderregelung ein zusammenhängender Jahresurlaub erreicht werden. Aufgrund dieser Besonderheiten des Baugewerbes läßt auch § 13 Abs. 2 BUrlG für diesen Bereich Abweichungen von den sonst unabdingbaren Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes zu.
Das Urlaubskassenverfahren dient somit nicht der Insolvenzsicherung von Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer, wie dies etwa über den Pensions-Sicherungsverein zum Schutz von Betriebsrentenansprüchen der Fall ist (§§ 7, 9 Abs. 2 BetrAVG). Die Sicherstellung der Arbeitnehmeransprüche und der damit verbundene Ausgleich unter den Arbeitgebern der Branche erfolgt dadurch, daß die Kasse die von den Arbeitgebern zu zahlenden Beträge ansammelt und treuhänderisch verwaltet, bis Arbeitgeber, die den Urlaub gewähren, im Wege des Erstattungsverfahrens die an die Arbeitnehmer ausgezahlten Beträge wieder abrufen. Die Beiträge zur Urlaubsausgleichskasse sind infolgedessen als rückstellungsähnliche Aufspeicherung von Mitteln anzusehen (BAG vom 14. Dezember 1977 – 5 AZR 326/76 –, AP Nr. 1 zu § 4 TVG Gemeinsame Einrichtungen), die nur aus Gründen der Arbeitnehmerfluktuation im Baugewerbe in einer überbetrieblichen Einrichtung erfolgt (Sperner/Brocksiepe/Egger/Henrich/Unkelbach, Die Sozialkassen der Bauwirtschaft, Kommentar 1976, Anm. 26 zu § 8 BRTV, S. 260; Anm. 21 zu § 4 Verf-TV, S. 418; LAG Düsseldorf vom 20. Februar 1975, DB 1975, 1465). Die tariflichen Urlaubsansprüche hat der Arbeitnehmer deshalb unabhängig vom Urlaubskassenverfahren allein dem Arbeitgeber gegenüber geltend zu machen. Nur dieser ist Schuldner des Urlaubsanspruchs und des während des Urlaubs weiterzuzahlenden Arbeitslohns.
Damit besteht die Beitragspflicht zur Urlaubskasse für den Arbeitgeber ohne Rücksicht auf seine Zahlungsunfähigkeit selbst dann fort, wenn die geschuldeten Urlaubsentgeltansprüche der Arbeitnehmer nicht erfüllt worden sind. Die Beitragsansprüche der Sozialkassen des Baugewerbes entstehen, sobald Lohnansprüche der Arbeitnehmer begründet worden sind (BAG 40, 262 = AP Nr. 45 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Ein Erstattungsanspruch nach § 2 Abschnitt II Nr. 4 Verf-TV kann deshalb nur bei Vorleistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer entstehen und nicht bereits dann, wenn die Forderungen des Arbeitnehmers von anderer Seite “abgedeckt” werden. Da der Kläger hier als Konkursverwalter in die Rechtsstellung der Gemeinschuldnerin eintritt, hätten Erstattungsforderungen zugunsten der Konkursmasse nur entstehen können, wenn der Konkursverwalter die hierfür notwendigen tariflichen Voraussetzungen erfüllt und nachgewiesen hätte.
bb) Zahlungen durch den Kläger und auch zuvor durch die Gemeinschuldnerin sind unstreitig bisher nicht erfolgt. Die Bundesanstalt hat durch die Zahlung des Konkursausfallgeldes nicht die Urlaubsschuld der Gemeinschuldnerin gegenüber ihren Arbeitnehmern erfüllt (§ 267 Abs. 1 BGB). Dritter im Sinne des § 267 BGB ist nur, wer zumindestens auch zur Erfüllung der Verbindlichkeit des Schuldners leistet (BGHZ 70, 397; 72, 249). Es kann dahinstehen, ob die Arbeitnehmer als Gläubiger der Leistung die Zahlung des Konkursausfallgeldes auf ihre Urlaubsentgeltansprüche als deren Erfüllung verstanden haben. Dritter im Sinne des § 267 BGB ist jedenfalls nicht, wer ausschließlich zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit leistet (h.M. vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 42. Aufl., § 267 Anm. 2). Die Bundesanstalt zahlt Konkursausfallgeld aus eigener gesetzlicher Verpflichtung nach §§ 141a, b AFG. Dies räumt auch die Revision ein. Sie irrt jedoch, wenn sie meint, die Zahlungen der Bundesanstalt seien vergleichbar mit den Regelungen in §§ 328, 774 BGB. Weder besteht ein gegenseitiger schuldrechtlicher Verpflichtungsvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und der Bundesanstalt zugunsten des Dritten (Arbeitnehmern) nach § 328 BGB, noch ist die Bundesanstalt Bürge für die Erfüllung der Verbindlichkeiten der zahlungsunfähigen Gemeinschuldnerin gegenüber den Arbeitnehmern nach § 767 BGB.
Das Konkursausfallgeld ist vielmehr eine öffentlich-rechtliche Sicherung des Arbeitnehmereinkommens für einen begrenzten Zeitraum vor Konkurseröffnung. Zweck der Konkursausfallversicherung ist es, dem Arbeitnehmer, der regelmäßig die Arbeit vorleisten muß (§ 614 BGB) und nicht in der Lage ist, hierfür Sicherheiten zu erhalten, mindestens teilweise eine Sicherung zu verschaffen (vgl. Reg.Entw. des 3. AFG-Änderungsgesetzes, BT-Drucksache 7/1750, S. 11; Gagel, AFG, vor § 141a Rz 1, § 141b Rz 1). Im Interesse der Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber soll ein Schutz vor Ausfällen geschaffen werden, die dadurch entstehen, daß Arbeitnehmer im Interesse der Erhaltung des Arbeitsplatzes auch ohne Lohnzahlungen noch einige Zeit weiter arbeiten (BSGE 41, 121, 123 f.; BSG vom 30. November 1977 – 12 RAr 99/76 –, AP Nr. 3 zu § 141b AFG). Diese vertrauensbildende Wirkung der Konkursausfallversicherung, die auch dem Arbeitgeber mittelbar zugute kommt, rechtfertigt es, ihn zu den Beiträgen der Versicherung heranzuziehen, ohne ihn für den Fall ihrer Inanspruchnahme von eingegangenen Verpflichtungen freizustellen (BSG SozR 4100, § 186a Nr. 9 Winterbauförderung; BVerfGE 11, 105; 14, 312, 318). Unter diesen – im Vergleich zum Urlaubskassenverfahren – völlig anders gearteten Schutz fällt auch das Urlaubsentgelt, welches für die Urlaubstage vor Konkurseröffnung zu zahlen gewesen wäre (vgl. BSG vom 1. Dezember 1976 – 7 RAr 136/75 – und vom 30. November 1977 – 12 RAr 99/76 –, AP Nr. 1 und 3 zu § 141b AFG). Für die Zahlung von Konkursausfallgeld genügt es daher, daß noch Urlaubsentgeltanansprüche der Arbeitnehmer bei Konkurseröffnung rückständig sind (§ 141b Abs. 1 und Abs. 2 AFG). Ob diese als Masseschuld noch vom Kläger als Konkursverwalter aus der Konkursmasse nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO befriedigt werden können, ist dabei unerheblich. Der grundsätzlich zu den Masseschulden gehörende tarifliche Urlaubsentgeltanspruch der betroffenen Arbeitnehmer wird nicht durch die Zahlung des Konkursausfallgeldes ersetzt. Der durch das Konkursrecht geschaffene Schutz des Arbeitnehmereinkommens nach §§ 59 Abs. 1 Nr. 3a, 61 Abs. 1 Nr. 1a KO wird durch das Konkursausfallgeld nach §§ 141a ff. AFG nur ergänzt (Gagel, aaO, vor § 141a Rz 6). Qualitative Unterschiede der Leistungen der Bundesanstalt und der Urlaubskasse ergeben sich auch daraus, daß die Zahlung von Konkursausfallgeld anders als die Befriedigung von Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO keine ausreichende Masse voraussetzt (Gagel, aaO) und der gesetzliche Forderungsübergang nach § 141 m AFG nicht – wie üblich (vgl. §§ 268 Abs. 3, 426 Abs. 2, 774 Abs. 1 BGB, 1542 RVO, 4 LFG) – mit der Leistungsgewährung durch den neuen Gläubiger eintritt, sondern bereits mit der Antragstellung (§ 141 m Abs. 1 AFG; vgl. dazu BAG 29, 211 = AP Nr. 4 zu § 59 KO; 38, 1 = AP Nr. 1 zu § 141 m AFG). Dem entsprechen auch die unterschiedlich ausgestalteten Ausschlußfristen nach §§ 16 BRTV und 141e Abs. 1 Satz 2 AFG.
Die abweichenden Sicherungszwecke des Konkursausfallgeldes und des Urlaubskassenverfahrens lassen es deshalb nicht zu, in den öffentlich-rechtlichen Ausgleichszahlungen der Bundesanstalt im Konkurs eine Erfüllung oder erfüllungsgleiche “Befriedigung” der tariflichen Urlaubsentgeltansprüche der Arbeitnehmer zugunsten des Klägers zu sehen. Die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin sind über die Konkursausfallgeldzahlung nicht – wie die Revision ausführt – in den Genuß der ausstehenden Urlaubsentgeltzahlungen gekommen, sondern haben eine auf anderer Anspruchsgrundlage gewährte öffentlich-rechtliche Ausgleichsleistung erhalten. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
cc) Es kann auch nicht darauf ankommen, ob der Erstattungsanspruch des Klägers gegen die beklagte Urlaubskasse eine Erfüllung der Urlaubsforderungen der Arbeitnehmer im Sinne des § 362 BGB voraussetzt oder die “Vorlage” dieser Beträge ausreicht. Die tarifliche Regelung macht den Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte von der Vorlage der Urlaubsentgeltbeträge durch den Arbeitgeber abhängig. Die Bundesanstalt erfüllt aber weder die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin noch tritt sie für den Kläger “in Vorlage”. Die Bundesanstalt nimmt weder als Arbeitgeber an dem Urlaubskassenverfahren teil, noch zahlt sie auf die Urlaubsentgeltansprüche der Arbeitnehmer, sondern erfüllt mit der Gewährung von Konkursausfallgeld allein ihre gesetzliche Verpflichtung zum Ausgleich dieser Ansprüche.
3.a) Der Revision kann weiterhin nicht darin gefolgt werden, die Erstattungsforderung rechtfertige sich schon aus der Überlegung, daß die Bundesanstalt das auf die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer gezahlte Konkursausfallgeld über § 141 m AFG i.Verb.m. § 61 Abs. 1 Nr. 1a KO aus dem zur Verteilung stehenden Vermögen der Gemeinschuldnerin zurückerhalte. Damit hafte letztlich die Konkursmasse für die Urlaubsentgeltansprüche der Arbeitnehmer.
b) Die Revision übersieht damit die Besonderheiten des gesetzlichen Forderungsübergangs und die Auswirkungen der Konkursausfallgeldzahlung auf die Konkursmasse.
aa) Abgesehen davon, daß zwischen Konkursausfallgeld auf Urlaubsentgeltforderungen der Arbeitnehmer und deren tariflichen Urlaubsentgeltansprüchen keine rechtliche Identität besteht, kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß über § 141 m AFG die Bundesanstalt das gezahlte Konkursausfallgeld aus der Konkursmasse der Gemeinschuldnerin zurückerlangt. Die Leistung von Konkursausfallgeld bewirkt nämlich nicht nur mittelbare Vorteile für den Arbeitgeber (vgl. oben Ziff. 2b, bb), sondern entlastet überdies die Konkursmasse zum Vorteil der Massegläubiger und der Gläubiger nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Urlaubsentgeltansprüche der Arbeitnehmer, die nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO zu berichtigen wären, erhalten aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 59 Abs. 2 Satz 1 KO als Rückgriffsansprüche der Bundesanstalt den Charakter von Konkursforderungen mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO (Gagel, aaO, § 141e AFG Rz 13; Hess/Kropsdorfer, Kommentar zur Konkursordnung, 1982, § 59 Rz 28, § 141 m AFG Rz 12a; Böhle/Stamschräder/Kilger, Konkursordnung, 14. Aufl. 1983, § 59 Anm. 8). Damit bleibt die Haftung des Konkursvermögens für die Urlaubsentgeltansprüche der Arbeitnehmer zwar bestehen, wird aber durch die Zahlung von Konkursausfallgeld in der Rangfolge der Befriedigung der Masseschulden und Konkursforderungen qualitativ zu Lasten der Bundesanstalt herabgesetzt.
bb) Durch § 141 m AFG werden keine Rechtsbeziehungen zwischen der Bundesanstalt und der beklagten Urlaubskasse begründet. Nach § 141 m AFG gehen nur die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Konkursausfallgeld der Arbeitnehmer begründen, auf die Bundesanstalt über. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen. Durch § 141 m AFG sind der Bundesanstalt nur solche Ansprüche gegenüber dem Kläger eingeräumt, die auch der Arbeitnehmer gegenüber der Gemeinschuldnerin hatte (Gagel, aaO, § 141 m Rz 1; BAG 29, 211). Der Urlaubsentgeltanspruch bestand nur im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander. Die beklagte Urlaubskasse wäre nur gegenüber dem Arbeitgeber bzw. dem an seine Stelle tretenden Konkursverwalter erstattungspflichtig, steht hingegen in keinem Rechtsverhältnis zum einzelnen urlaubsanspruchsberechtigten Arbeitnehmer.
4. Der unterschiedliche Sicherungszweck der Leistungen der beklagten Urlaubskasse und der Bundesanstalt, die aus der Zahlung des Konkursausfallgeldes entstehenden Veränderungen zugunsten der Konkursmasse und die fehlenden Rechtsbeziehungen zwischen Bundesanstalt und der beklagten Urlaubskasse schließen es aus, die Konkursausfallgeldzahlungen der Bundesanstalt als Zahlungen des Arbeitgebers auf die tariflichen Urlaubsentgeltansprüche der Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Abschnitt II Nr. 4 Verf-TV zu beurteilen.
Unterschriften
Dr. Auffarth, Dr. Jobs, Dr. Leinemann, Scheerer, Dr. Michels
Fundstellen
Haufe-Index 1745558 |
BAGE, 114 |
NJW 1985, 1725 |
JR 1986, 176 |
ZIP 1985, 493 |