Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauzuschlag bei Arbeiten Untertage
Leitsatz (amtlich)
Ein in einem Bauunternehmen iSd. BRTV-Bau beschäftigter gewerblicher Arbeitnehmer, der Untertage verschiedene Arbeiten wie zB Gesteinsverfestigungsarbeiten (zB Strebsaumsanierung), Raubarbeiten (Abbau von Streben in abgearbeiteten Schächten), Gleisbau-, Beton-, Schalungs- und Spitzbeton- sowie Maurerarbeiten in verschiedenen Schachtanlagen verrichtet, hat Anspruch auf den Bauzuschlag nach § 2 Abs. 2 LTV-Bau; er ist „auf Baustellen” und nicht „stationär” iSd. § 3 Abs. 1 LTV-Bau beschäftigt.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau; Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder vom 5. Mai 1998 (LTV-Bau) § 1; Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder vom 5. Mai 1998 (LTV-Bau) § 2; Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder vom 5. Mai 1998 (LTV-Bau) § 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. August 1999 – 5 Sa 724/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob dem Kläger der Bauzuschlag im Sinne des § 2 Abs. 2 LTV-Bau in der Fassung vom 5. Mai 1998 zusteht oder ob er als stationär beschäftigter Arbeitnehmer im Sinne des § 3 Abs. 1 LTV-Bau in der Fassung vom 5. Mai 1998 nur Anspruch auf den Tarifstundenlohn im Sinne des § 2 Abs. 5 LTV-Bau in der Fassung vom 5. Mai 1998 hat bzw. unter die Übergangsregelung des § 3 Abs. 2 LTV-Bau in der Fassung vom 5. Mai 1998 fällt.
Der am 14. Mai 1961 geborene Kläger ist seit dem 24. September 1979 bei der Beklagten, einem Bauunternehmen, das nach eigenen Angaben unter anderem im Untertagebetrieb bergmännische Hilfsarbeiten ausführt, als Betonbauer beschäftigt. Der Kläger verrichtet ausschließlich Untertage in verschiedenen Schachtanlagen sämtliche dort für die Beklagte anfallenden Arbeiten, nämlich Gesteinsverfestigungsarbeiten (zB Strebsaumsanierung), Raubarbeiten (Abbau von Streben in abgearbeiteten Schächten), Gleisbau-, Beton-, Schal- und Spritzbeton- sowie Maurerarbeiten als Fundamentierung für Bandanlagen. Außerdem fallen Werkstattarbeiten (zB Wartung und Reparatur von hydraulischen und pneumatischen Gerät) an. Der Kläger ist knappschaftlich versichert.
Die Beklagte beschäftigt insgesamt etwa 400 Arbeitnehmer. Etwa 300 Arbeitnehmer werden im Baubereich Übertage, rund 100 Arbeitnehmer werden Untertage eingesetzt. Die Parteien sind tarifgebunden. Die Tarifverträge gelten auch für die Arbeitnehmer, die auf verschiedenen Zechen Untertage eingesetzt werden.
Der Kläger, der bis zum 31. März 1998 einen Gesamttarifstundenlohn von 25,26 DM brutto erhalten hatte, hätte nach der Tariflohnerhöhung um 1,5 % per 1. April 1998 einen Gesamttarifstundenlohn von 25,64 DM brutto beanspruchen können. Indessen gab die Beklagte die Tariflohnerhöhung von 0,38 DM brutto pro Stunde an ihn unter Berufung auf § 3 LTV-Bau nicht weiter, sondern stellte sich auf den Standpunkt, der Bauzuschlag des Klägers werde, da er im Sinne der tariflichen Bestimmungen nicht auf Baustellen, sondern stationär arbeite, in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum 31. März 2000 gleitend abgeschmolzen. Der Kläger sei weder durch ständigen Baustellenwechsel belastet noch arbeite er auf einem witterungsabhängigen, von witterungsbedingten Lohneinbußen bedrohten Arbeitsplatz.
Nach erfolgloser vorgerichtlicher Geltendmachung verfolgt der Kläger mit seiner am 29. Juni 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Lohndifferenzen für die Monate April und Mai 1998 von zunächst insgesamt 132,24 DM brutto, später von insgesamt 128,44 DM brutto weiter. Die Sonderregelung des § 3 LTV-Bau treffe auf sein Arbeitsverhältnis nicht zu, da er nicht stationär, sondern auf Baustellen eingesetzt werde. Er sei als Betonbauer eingestellt worden und erledige Untertage sämtliche dort anfallenden Arbeiten der Beklagten. Die von ihm verrichteten Tätigkeiten gehörten zu den baulichen Leistungen im Sinne des § 1 BRTV-Bau, so daß die wechselnden Einsatzorte des Klägers in den verschiedenen Schachtanlagen als „Baustellen” zu gelten hätten. Sein Einsatz erfolge nicht ortsfest und sei deshalb nicht „stationär” im Tarifsinne.
Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 128,44 DM brutto nebst 4 % aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Juni 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die in § 3 Abs. 2 LTV-Bau vorgesehene Verrechnung des Bauzuschlages treffe für das Arbeitsverhältnis des Klägers zu. Der Kläger erbringe keine Bauarbeiten im Sinne des BRTV-Bau. Die Arbeiten, die der Kläger Untertage verrichte, seien bergmännische Hilfsarbeiten. Der Umstand, daß der Kläger als Betonbauer in einer Tiefbauunternehmung beschäftigt sei, qualifiziere die von ihm ausgeführten bergmännischen Hilfsarbeiten nicht zu Bauarbeiten, es seien Untertage im Schacht verrichtete Bergmannsarbeiten. Angesichts der Eigenarten der von der Beklagten Untertage zu erbringenden Arbeiten stellten die jeweiligen Einsatzorte keine Baustellen im Tarifsinne dar. Dies belege auch der Zweck des Bauzuschlages, der einen Ausgleich für den ständigen Baustellenwechsel und witterungsbedingte Belastungen schaffe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im noch streitigen Umfang entsprochen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision will die Beklagte die Klage in vollem Umfang abgewiesen wissen. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf die für die Monate April und Mai 1998 geltend gemachten Lohndifferenzen.
1. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge für das Baugewerbe mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).
2. Demgemäß ist der Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder vom 5. Mai 1998 mit Wirkung vom 1. April 1998 (LTV-Bau) heranzuziehen. Die für den vorliegenden Rechtsstreit interessierenden Bestimmungen lauten:
„§ 1
Geltungsbereich
(1) …
(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe, die unter den betrieblichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe in der jeweils geltenden Fassung fallen.
(3) Persönlicher Geltungsbereich:
Erfaßt werden
- gewerbliche Arbeitnehmer (Arbeiter),
- zur Ausbildung für den Beruf eines Arbeiters Beschäftigte,
die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausüben.
§ 2
Lohnregelung
(1) Die am 31. März 1998 geltenden Tarifstundenlöhne werden mit Wirkung vom 1. April 1998 um 1,5 v.H. erhöht. Ab 1. April 1998 beträgt der Bundesecklohn (Tarifstundenlohn der Berufsgruppe III gemäß § 5 Nr. 1 BRTV) 24,22 DM.
(2) Der Arbeitnehmer erhält einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 5,9 v.H. seines Tarifstundenlohnes (Bauzuschlag). Der Bauzuschlag wird gewährt zum Ausgleich der besonderen Belastungen, denen der Arbeitnehmer insbesondere durch den ständigen Wechsel der Baustelle (2,5 v.H.) und die Abhängigkeit von der Witterung außerhalb der gesetzlichen Schlechtwetterzeit (2,9 v.H.) ausgesetzt ist; er dient ferner in Höhe von 0,5 v.H. dem Ausgleich von Lohneinbußen, die sich in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit ergeben.
(3) Der Bauzuschlag wird für jede lohnzahlungspflichtige Stunde, nicht jedoch für Leistungslohn-Mehrstunden (Überschußstunden im Akkord) gewährt.
(4) Der Gesamttarifstundenlohn (GTL) setzt sich aus dem Tarifstundenlohn (TL) und dem Bauzuschlag (BZ) zusammen.
(5) Soweit sich aus den nach Maßgabe dieses Tarifvertrages zu erstellenden Bezirkslohntarifverträgen (Lohntabellen) nicht etwas anderes ergibt, gelten mit Wirkung vom 1. April 1998 nachstehende Löhne: …
§ 3
Löhne für stationär beschäftigte Arbeitnehmer
(1) Arbeitnehmer, die in dem jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum arbeitszeitlich überwiegend nicht auf Baustellen, sondern stationär, insbesondere in Bauhöfen und Werkstätten einschließlich Produktionsstätten für Fertigteile oder als Kraftfahrer der Bauhöfe und der Fahrdienste beschäftigt werden, erhalten, wenn sie nach dem 31. März 1998 eingestellt wurden, den Tarifstundenlohn gemäß § 2 Abs. 5, nicht jedoch den Bauzuschlag. Für die auf Baustellen geleisteten Arbeitsstunden erhalten diese Arbeitnehmer den Tarifstundenlohn und den Bauzuschlag (Gesamttarifstundenlohn).
(2) Die in Abs. 1 genannten Arbeitnehmer, die am 31. März 1998 bereits beschäftigt waren, haben Anspruch auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Gesamttarifstundenlöhne. Ab 1. April 2000 erhalten sie den dann geltenden Tarifstundenlohn, nicht jedoch den Bauzuschlag. Übersteigt zu einem früheren Zeitpunkt der geltende Tarifstundenlohn den Gesamttarifstundenlohn gemäß Satz 1, so erhalten sie den geltenden Tarifstundenlohn bereits ab diesem Zeitpunkt. Für die auf Baustellen geleisteten Arbeitsstunden erhalten auch diese Arbeitnehmer den jeweils geltenden Tarifstundenlohn und den jeweils geltenden Bauzuschlag (Gesamttarifstundenlohn).
(3) Im Sonderlohngebiet Hamburg erhalten Arbeitnehmer in Fertigbaubetrieben einen jeweils um 0,07 DM erhöhten Tarifstundenlohn bzw. Gesamttarifstundenlohn.
3. Die Parteien unterfallen dem betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich des LTV-Bau. Wenngleich die Tarifverträge des Bergbaus die spezielleren für die vom Kläger verrichteten Arbeiten sein mögen, führt die Beklagte einen Baubetrieb, der von den Bautarifverträgen erfaßt wird. Daß diese Bauarbeiten den knappschaftlichen Tätigkeiten gleichgestellt sind und deshalb von der Rentenversicherung für den Bergbau, der Knappschaft, erfaßt werden, auch wenn sie von einem anderen als einem Bergbauunternehmen ausgeführt werden(vgl. in diesem Zusammenhang Ottow Anm. 3 b zu Senat 8. Oktober 1975 – 4 AZR 432/74 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 25), führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger unterfällt dem persönlichen Geltungsbereich des LTV-Bau. Er ist gewerblicher Arbeitnehmer (Arbeiter). Er übt auch eine nach den Vorschriften des SGB VI – gesetzliche Rentenversicherung – versicherungspflichtige Tätigkeit aus. Auch die knappschaftliche Versicherung, der der Kläger angehört, wird nach dem SGB VI durchgeführt.
4. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend ausgeführt, die Einsatzorte des Klägers seien als „Baustellen” im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 LTV-Bau anzusehen, so daß von einer „stationären” Beschäftigung beim Kläger nicht ausgegangen werden könne.
Die Revision meint dagegen, der Kläger verrichte bergmännische Hilfsarbeiten und nicht Bauarbeiten, sei daher nicht „auf Baustellen” im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 LTV-Bau tätig, „ohne Bauarbeiten keine Baustelle, kein Bau, also kein Bauzuschlag”, also nur Tarifstundenlohn, zumal der Kläger lediglich „stationär” tätig sei. Der Bauzuschlag treffe auf den Kläger von seinem Sinn und Zweck her nicht zu:
„Untertag ist es warm und trocken und es gibt keinerlei witterungsbedingte Arbeitsausfälle (trotz Bewetterung), während des Abschmelzzeitraums war der Kläger auf derselben Zeche eingesetzt, hatte also keinerlei Einsatz-Ortswechsel hinzunehmen”.
Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt(vgl. zB Senat 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8, zu I 2 a der Gründe).
b) Eine Baustelle ist der Platz, auf dem oder an dem gebaut wird(Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl. S 256; Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 2. Aufl. Band 1 S 420; Brockhaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch Band 1 S 539). Da der Kläger in den einzelnen Bergwerken Arbeiten durchgeführt hat, die zumindest auch zum Bau gehören, hat er „auf Baustellen” im Sinne des § 3 Abs. 1 LTV-Bau gearbeitet. Das Landesarbeitsgericht hat auf § 1 Abs. 2 V Nr. 26 (Schachtbau- und Tunnelarbeiten) und Nr. 27 (Schalungsarbeiten) hingewiesen. Die Beklagte meint zwar, der Kläger beziehe mangels der Voraussetzungen nicht die Erschwerniszulage gemäß § 6 Nr. 1.7 BRTV-Bau für Schacht- und Tunnelarbeiten, weil der Kläger nicht einen Schacht oder Tunnel errichte, sondern bei einem bereits bestehenden fertigen Schacht bergmännische Arbeiten verrichte. Selbst wenn dem so wäre, blieben die Schalungsarbeiten sowie die Gleisbauarbeiten (Nr. 18 aaO), Betonarbeiten (Nr. 5 aaO) sowie die Maurerarbeiten als Fundamentierung für die Bandanlagen (Nr. 23 aaO). Diese Arbeiten sind Bauarbeiten. Die Bergwerke, in denen der Kläger seine Arbeiten ausführt, sind dann „Baustellen” im Tarifsinne. Es sind die Plätze, auf oder an denen gebaut wird, oder, wie es der Kläger ausgedrückt hat, wo er „als Betonbauer und gelegentlich als Maurer … tätig … ist”.
Daran ändert auch nichts, daß der Kläger nach Vortrag der Beklagten jedenfalls in der Reduktionsphase die Arbeitsstelle nicht gewechselt hat. Das gibt es auch bei Dauerbaustellen, wie zB einer Dombauhütte, die von einer Bauunternehmung betrieben wird(vgl. zur Dauerbaustelle als einem auf Dauer eingerichteten Arbeitsort ausserhalb des Betriebs: Dritter Senat 11. November 1997 – 3 AZR 210/96 – BAGE 87, 84). Der Kläger ist jedenfalls nicht stationär im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 LTV-Bau beschäftigt. Der Tarifvertrag definiert den Begriff stationär nicht, sondern erklärt ihn durch die nicht abschließende – „insbesondere” – Aufzählung von Beispielstätigkeiten. Unter diese Beispiele fällt der Kläger nicht. Aus diesen Beispielen wird deutlich, daß eine stationäre Tätigkeit dann vorliegt, wenn der Einsatz in den genannten Betriebsstätten stattfindet oder es sich um bestimmte Fahrer handelt. Ausgehend vom Sinngehalt des Wortes „stationär” ist die Tätigkeit des Klägers keine stationäre Beschäftigung im Tarifsinne. Stationär heißt ortsfest, an einen festen Standort gebunden(Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl. S 1171; Duden aaO Band 7 S 3224; vgl. Brockhaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch Band 5 S 901). Das trifft auf den Kläger nicht zu. Er arbeitet in verschiedenen Schachtanlagen, mag auch ein Wechsel der Baustelle nur selten und im Streitzeitraum überhaupt nicht eingetreten sein. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß der Kläger nicht mit den Arbeitnehmern vergleichbar ist, die in Bauhöfen oder Werkstätten ihren festen Arbeitsplatz haben und keinen irgendwie gearteten Belastungen etwa durch die Zufahrt zu den Baustellen oder deren Wechsel ausgesetzt sind. Die tarifliche Bestimmung nimmt von dem Bauzuschlag nur diejenigen Arbeitnehmer aus, die stationär beschäftigt sind. Es kommt nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer, die auf Baustellen beschäftigt sind, tatsächlich im Einzelfall den besonderen Belastungen, besonders durch den ständigen Wechsel der Baustelle und durch die Abhängigkeit von der Witterung, ausgesetzt sind, die der Bauzuschlag nach § 2 Abs. 2 LTV-Bau ausgleichen soll.
Damit erledigen sich auch die Erwägungen der Revision zum Einsatz auf der Zeche. Es mag sein, daß der Einsatz des Bergmanns auf der Zeche solange dauert, wie die Zeche Arbeit hergibt, und der Einsatz nicht zweckbefristet auf die Fertigstellung des Werkes als Gegenstand des Werkvertrages gerichtet ist, wie es beim Bauarbeiter der Fall ist. Die Revision führt selbst aus, daß es sich bei den Arbeiten des Klägers um bergmännische Hilfsarbeiten handelt. Diese sind indes Gegenstand von Werkverträgen, und zwar auftragsbezogen. Mal geht es um Gesteinsverfestigungsarbeiten (zB Strebsaumsanierung), mal um Gleisbau-, Beton-, Schal- und Spritzbetonarbeiten und um Maurerarbeiten als Fundamentierung für Bandanlagen. Der Kläger ist auftragsbezogen eingesetzt. Ist der Auftrag erledigt, wird er abgezogen und in einer anderen Zeche eingesetzt. Auch kommt es nicht darauf an, was die „Leute vom Bau” mit dem Wort „stationär” assoziieren. Vielmehr ist der Tarifwortlaut entscheidend. Ist der gewerbliche Arbeitnehmer im Tarifsinne „auf Baustellen” tätig und nicht „stationär beschäftigt”, dann hat er Anspruch auf den Bauzuschlag. Auch hilft die tarifliche Entwicklung des Bauzuschlages und die Motivation für die Änderung der Bezugsberechtigung für den Bauzuschlag per 1. April 1998 nicht weiter. Entscheidend ist allein das, was die Tarifvertragsparteien geregelt haben. Danach erhält der Arbeitnehmer den Bauzuschlag, der auf Baustellen und nicht stationär beschäftigt ist. Das ist beim Kläger, wie geschehen, der Fall. Eine teleologische Reduktion des § 3 Abs. 1 Satz 1 LTV-Bau in dem Sinne, daß der Bauzuschlag nur dann geschuldet ist, wenn die Motive der einzelnen Komponenten dieses Zuschlages im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 LTV im Einzelfall erfüllt sind, ist in Anbetracht des Wortlauts des § 3 Abs. 1 Satz 1 LTV und der Genese und Entwicklung des Bauzuschlages nicht möglich.
5. Sollte es sich bei dem Hinweis der Revision darauf, die Beklagte habe keine Gelegenheit gehabt, „sich zu den erstmaligen Behauptungen in der Berufungserwiderung vom 30. Juli 1999 einzulassen”, um eine Verfahrensrüge handeln, so ist diese unzulässig, weil nicht vorgetragen wurde, was in einem etwa nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen worden wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Wolter, Friedrich, Valentien, H. Scherweit-Müller
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.10.2000 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584717 |
BB 2001, 788 |
BauR 2001, 1005 |
FA 2001, 127 |
NZA 2001, 1152 |
AP, 0 |