Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 22. Oktober 1997 – 2 Sa 386/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Weihnachtsgratifikation 1996.
Die Klägerin war seit 1. Mai 1996 bei der Beklagten beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung von 3.503,– DM setzte sich nach Nr. 4 des Dienstvertrages vom 21. Februar 1996 zusammen aus Grundvergütung (2.361,– DM), Ortszuschlag (800,– DM), allgemeiner Zulage (182,– DM), Erschwerniszulage (90,– DM) und Schichtzulage (70,– DM).
Nr. 2 des Dienstvertrages vom 21. Februar 1996 lautet wie folgt:
„2. Soweit nachstehend nicht anderes vereinbart, gelten für das Dienstverhältnis die vom DPWV herausgegebenen Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR) in der zur Zeit gültigen Fassung, die Bestandteil dieses Vertrages sind. Änderungen sind dem Mitarbeiter jeweils vorzulegen und werden nach Anerkennung durch den Mitarbeiter ebenfalls Bestandteil dieses Vertrages. …”
Die dem „Zuwendungstarifvertrag (Weihnachtsgratifikation) für den öffentlichen Dienst in der Fassung vom 17. Juli 1996” (im folgenden: Zuwendungs-TV) vorangestellte Präambel führt aus:
„Der Inhalt der Zuwendungstarifverträge des öffentlichen Dienstes für Angestellte, Arbeiter, Praktikanten, Lernschwestern usw. ist nach wie vor kein Bestandteil unserer Arbeitsvertragsrichtlinien wegen der unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten unserer Mitgliedsorganisationen. Wir begrüßen es aber, wenn diese Regelungen angewandt werden und geben deshalb den wesentlichen Inhalt nachstehend wieder:
...§ 1 Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er
...
3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
...
(5) Eine zu Unrecht bezogene Zuwendung ist in voller Höhe zurückzuzahlen (z. B. wenn Mitarbeiter zum 31.03. gekündigt haben, ohne daß die Voraussetzungen des Abs. 4 vorliegen).”
Die Klägerin erhielt im November 1996 eine Zuwendung in Höhe von 2.276,11 DM brutto ausbezahlt. Nachdem sie mit Schreiben vom 3. Februar 1997 ihr Dienstverhältnis zum 1. April 1997 gekündigt hatte, zog die Beklagte den gezahlten Betrag vom Gehalt der Klägerin für Februar 1997 ab.
Die Klägerin ist am 1. April 1997 in die Dienste der LVA Sachsen-Anhalt getreten. Auf ein Schreiben der Klägerin vom 7. Februar 1997 mit der Bitte um Billigung ihres Ausscheidens mit dem 31. März 1997 hat die Beklagte mit Schreiben vom 11. Februar 1997 geantwortet, sie nehme die Kündigung zur Kenntnis. Zugleich hat sie auf die Rückzahlungspflicht bezüglich der Weihnachtsgratifikation hingewiesen.
Die Klägerin verlangt die Zahlung von 2.276,11 DM, weil die Beklagte die ausgezahlte Weihnachtsgratifikation zu Unrecht bei der Abrechnung für Februar 1997 wieder einbehalten habe. Sie ist der Auffassung, ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld auszahle, das zwar mehr als 200,-- DM, jedoch weniger als ein Monatsgehalt betrage, könne den Arbeitnehmer nicht über den 31. März des Folgejahres hinaus rechtlich binden. Die Wirksamkeit einer etwaigen Rückzahlungsklausel könne auch nicht auf den Zuwendungs-TV gestützt werden, da dieser keine Anwendung finde.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.276,11 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Klägerin sei nach § 1 Abs. 5 des Zuwendungs-TV verpflichtet, die ihr zunächst ausgezahlte Zuwendung für 1996 zurückzuzahlen. Nach Nr. 2 des Dienstvertrages vom 21. Februar 1996 sei der in den AVR vorgefertigte Normenkreis auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, zu dem auch der Zuwendungs-TV gehöre. Die Leistung der Zuwendung habe die Klägerin nur so verstehen können, daß sie auf der Grundlage des Zuwendungs-TV erfolgen solle. Danach stehe der Klägerin aber eine Zuwendung nicht zu, wenn sie bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide. Obwohl für 1996 der Bemessungssatz der Zuwendung aufgrund gesonderter Vereinbarung auf 95 % festgeschrieben worden sei, habe die Klägerin keiner unangemessen langen Bindung unterlegen, da sie nach ihrem Dienstvertrag eine Kündigungsfrist von nur einem Monat zum Monatsende gehabt habe. Durch ihr Ausscheiden zum 31. März habe die Klägerin den Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation verloren. Die Voraussetzungen für die Rückforderung der gezahlten Zuwendung seien daher gegeben und die Beklagte zum Einbehalt in der Februarabrechnung berechtigt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Die Klägerin war zur Rückzahlung der gewährten Zuwendung für 1996 nicht verpflichtet; zu Recht hat daher das Landesarbeitsgericht der Klage auf Auszahlung des einbehaltenen Betrages stattgegeben.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beklagte sei weder nach § 1 Abs. 5 des Zuwendungs-TV noch nach den §§ 812 ff. BGB berechtigt gewesen, die im November 1996 ausgezahlte Zuwendung vom Februargehalt 1997 der Klägerin einzubehalten. Die Zuwendung sei freiwillig, also ohne tarifliche oder einzelvertragliche Verpflichtung in Höhe von 95 % eines Monatsgehalts gezahlt worden. Die Klägerin habe eine Bindung bis zum 31. März 1997 eingehalten, da sie erst mit Ablauf des 31. März aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Der Zuwendungs-TV finde keine Anwendung. Aus der vorangestellten Präambel folge, daß der Zuwendungs-TV nicht Bestandteil der in Nr. 2 des Dienstvertrages vom 21. Februar 1996 in Bezug genommenen AVR sei. Im übrigen seien die Voraussetzungen des Zuwendungs-TV für den Wegfall des Anspruchs auf Zahlung der Zuwendung wegen Ausscheidens bis einschließlich 31. März des Folgejahres nicht gegeben. Die Klägerin habe keine Zuwendung in Höhe von 100 % der Bruttovergütung erhalten; ausgezahlt worden seien unstreitig nur 95 %. Sei die Zahlung der Zuwendung durch die Beklagte somit als freiwillige Leistung anzusehen, hätte ein Rückzahlungsvorbehalt einzelvertraglich ausdrücklich vereinbart werden müssen. Außerdem wäre bei einer Gratifikation, die unter einem Monatsbezug liegt, auch nur eine Rückzahlungsklausel einzuhalten, die bis zum 31. März des darauf folgenden Jahres reicht. Sehe die Vereinbarung in einem solchen Fall die Rückzahlung der Gratifikation auch bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers am 31. März oder später vor, sei sie insoweit unwirksam. Da die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 31. März 1997 beendet habe, sei die Bindungsfrist gewahrt. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Weihnachtsgratifikation ergebe sich auch nicht aus den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), da die Zuwendung nicht ohne rechtfertigenden Grund gezahlt worden sei.
Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Der Klägerin steht die mit der Klage geltend gemachte Forderung zu.
1. Die Revision ist zulässig.
Zwar weist der Klägervertreter zu Recht daraufhin, daß die Unterschrift des Beklagtenvertreters im Hinblick auf die Anforderungen der Rechtsprechung an eine Unterschrift problematisch ist. Da jedoch die Unterschrift des Beklagtenvertreters während des gesamten Verfahrens in gleicher Weise geleistet worden ist und von den Vorgerichten nicht beanstandet wurde, gebietet es der Prozeßgrundsatz des "fairen Verfahrens" (BAG Urteil vom 18. Juni 1997 - 4 AZR 710/95 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Kündigung), den im Verlaufe des Rechtsstreits stets als ordnungsgemäße Unterschrift bewerteten Schriftzug des Beklagtenbevollmächtigten nicht ohne Vorwarnung als dem Schriftformerfordernis nicht entsprechende Paraphe zu beanstanden.
2. Die Klage ist begründet. Die Revision der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Landesarbeitsgerichts ist daher zurückzuweisen.
Die Beklagte war zum Einbehalt der mit dem Novembergehalt 1996 ausgezahlten Zuwendung mit der Februarabrechnung 1997 nicht berechtigt; die Klägerin ist zur Rückzahlung der Zuwendung nicht verpflichtet.
a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Zuwendungs-TV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung findet. Nach Nr. 2 des Dienstvertrages vom 21. Februar 1996 gelten die für das Dienstverhältnis vom DPWV herausgegebenen Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR) als Bestandteil des Arbeitsvertrages. Entsprechend der Präambel zum Zuwendungs-TV ist dieser aber kein Bestandteil der AVR. Daraus folgt, daß der Zuwendungs-TV nicht über die Regelung in Nr. 2 des Dienstvertrages vom 21. Februar 1996 Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien geworden ist. Der Zuwendungs-TV gehört gerade nicht zu dem Normenkreis, auf den verwiesen ist. Eine anderweitige Vereinbarung des Zuwendungs-TV ist nicht ersichtlich. Auch wenn die Klägerin - wie die Beklagte vorträgt -sich in einem anderen Zusammenhang auf den Zuwendungs-TV gestützt hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten kann darin keine Vereinbarung des Zuwendungs-TV gesehen werden. Die Beklagte kann sich daher nicht auf § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV stützen.
b) Da die Zuwendung tatsächlich an die Klägerin - wie an alle Beschäftigten der Beklagten - im November 1996 bezahlt worden ist, kann von einer betrieblichen Übung ausgegangen werden. Diese betriebliche Übung hält sich auch im Rahmen der Präambel zum Zuwendungs-TV. Danach begrüßt es der DPWV, wenn die Regelungen des Zuwendungs-TV angewandt werden. Anhaltspunkte dafür, daß die betriebliche Übung auch eine Rückzahlungsklausel bzw. den Wegfall des Anspruchs auf die Zuwendung bei Ausscheiden bis zum 31. März des Folgejahres beinhaltet, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
c) Das kann jedoch auch dahinstehen. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, kann einem Arbeitnehmer, dem eine Gratifikation von über 200,-- DM, aber unter einem Monatsbezug (vorliegend unstreitig 95 %) ausgezahlt wird, lediglich zugemutet werden, eine Rückzahlungsklausel einzuhalten, die bis zum 31. März des Folgejahres reicht (BAG Urteil vom 9. Juni 1993 - 10 AZR 529/92 - AP Nr. 150 zu § 611 BGB Gratifikation; Urteil vom 14. Juni 1996 - 10 AZR 25/94 - AP Nr. 176 zu § 611 BGB Gratifikation). Beträgt die Weihnachtsgratifikation - wie hier - weniger als ein Monatsgehalt, kann der Arbeitnehmer also nur bis zum 31. März gebunden werden. Diese Bindungsfrist hat die Klägerin eingehalten, da sie erst zum 31. März 1997 aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden ist (BAG Urteil vom 26. Mai 1992 - 10 AZR 199/90 - n.v.; Urteil vom 9. Juni 1993 - 10 AZR 529/92 - aaO).
Eine Bindung über den 31. März des Folgejahres hinaus wäre nur bei Zahlung einer Sonderzuwendung in Höhe eines vollen Monatsbezugs oder mehr zulässig.
d) Auch soweit die Rechtsprechung für tarifvertragliche Rückzahlungsklauseln weitergehende Regelungen hinsichtlich der Rückzahlungspflicht zuläßt (BAG Urteil vom 31. März 1966 - 5 AZR 516/65 - AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation und Urteil vom 23. Februar 1967 - 5 AZR 234/66 - AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation) führt das vorliegend zu keiner anderen Beurteilung. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt der Zuwendungs-TV für das Arbeitsverhältnis weder normativ noch aufgrund vertraglicher Vereinbarung.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag
Hauck
Böck
Lindemann
Paul
Fundstellen