Entscheidungsstichwort (Thema)
Anstellungsvertrag. Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR). Zuwendungs TV. Anwendbarkeit. Weihnachtsgratifikation. Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Da der Zuwendungstarifvertrag (Weihnachtsgratifikation) für den öffentlichen Dienst i. d. F. vom 17.07.1996 nach seiner Präambel keinen Bestandteil der Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) ist, ist die Anwendbarkeit des Zuwendungs TV einzelvertraglich zu vereinbaren.
Wird eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 95 % eines Monatsbezuges gezahlt, ist eine Bindung des Arbeitnehmers bis zum 31. März des darauffolgenden Jahres zulässig.
Normenkette
§ 1 Zuwendungstarifvertrag (Weihnachtsgratifikation) für den öffentlichen Dienst i. d. F. vom 17.07.1996
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 23.05.1997; Aktenzeichen 2b Ca 1496/97) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck – 2b Ca 1496/97 – vom 23.05.1997 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.2786,11 DM brutto zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, daß ihr die für 1996 gezahlte Weihnachtsgratifikation in Höhe von 2.276,11 DM brutto, die die Beklagte von dem Gehalt für Februar 1997 einbehalten hat, wieder ausgezahlt wird.
Die Klägerin trat mit Wirkung vom 01.05.1996 in die Dienste der Beklagten. Nach dem Dienstvertrag vom 21.02.1996 unter Nr. 2.
… gelten für das Dienstverhältnis die vom DPWV herausgegebenen Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR), in der zur Zeit gültigen Fassung, die Bestandteil dieses Vertrages sind.
Dem „Zuwendungstarifvertrag (Weihnachtsgratifikation) für den öffentlichen Dienst in der Fassung vom 17.07.1996” (im folgenden: Zuwendungs TV) ist folgende Präambel vorangestellt:
Der Inhalt der Zuwendungstarifverträge des öffentlichen Dienstes für Angestellte, Arbeiter, Praktikanten, Lernschwestern usw. ist nach wie vor kein Bestandteil unserer Arbeitsvertragsrichtlinien wegen der unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten unserer Mitgliedsorganisationen. Wir begrüßen es aber, wenn diese Regelungen angewandt werden und geben deshalb den wesentlichen Inhalt nachstehend wieder:
… § 1 Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er …
3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
(5) Eine zu Unrecht bezogene Zuwendung ist in voller Höhe zurückzuzahlen (z. B. wenn Mitarbeiter zum 31.03. gekündigt haben, ohne daß die Voraussetzungen des Abs. 4 vorliegen).
Die Beklagte zahlte der Klägerin im November 1996 eine Zuwendung in Höhe von 2.276,11 DM brutto. Mit Schreiben vom 03.02.1997 kündigte die Klägerin das Dienstverhältnis „zum 01.04.1997”. Die Beklagte hat die gezahlte Weihnachtsgratifikation vom Gehalt der Klägerin für Februar 1997 abgezogen. Am 01.04.1997 ist die Klägerin in die Dienste der LVA Sachsen-Anhalt eingetreten.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Die Beklagte habe zu Unrecht mit der Abrechnung für Februar 1997 die ausgezahlte Weihnachtsgratifikation wieder einbehalten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.276,11 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen:
Die Voraussetzungen für die Rückforderung der gezahlten Zuwendung seien gegeben.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 23.05.1997 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat das Zahlungsbegehren mit der Begründung abgewiesen, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von 2.276,11 DM brutto habe; denn die Beklagte habe die gezahlte Zuwendung zu Recht wieder einbehalten. Gemäß § 1 Abs. 5 des einschlägigen Tarifvertrages sei die Klägerin verpflichtet, die ihr zuvor gezahlte Zuwendung in voller Höhe zurückzuzahlen. Aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Tarifvertrages ergebe sich, daß der Anspruch auf eine Zuwendung nicht entstehe, wenn der Angestellte noch in dem betreffenden Kalenderjahr oder bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus eigenem Wunsch ausscheide. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht am 01.04.1997 geendet, sondern am 31.03.1997. Auf § 1 Abs. 4 Nr. 1 des Tarifvertrages könne die Klägerin sich nicht stützen; denn in dieser Vorschrift ist nur eine Tätigkeit im Bereich des DPWV als einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes gemeint.
Gegen dieses ihr am 17.06.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.07.1997 Berufung mit Begründung eingelegt.
Die Klägerin trägt vor:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dürfe ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht über den 31. März des Folgejahres hinaus rechtlich binden, wenn er ein Weihnachtsgeld zahle, das zwar mehr als 200,– DM, jedoch geringer als ein Mona...