Entscheidungsstichwort (Thema)
Ortszuschlag. “halber Ehegattenbestandteil”
Leitsatz (amtlich)
- Ein Angestellter, dessen Ehegatte im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, kann nach § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT nur den “halben Ehegattenbestandteil” des Ortszuschlags verlangen. Dem öffentlichen Dienst steht nach § 29 Abschnitt B Abs. 7 BAT die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers gleich, wenn eine öffentliche Körperschaft durch Zahlung von Zuschüssen beteiligt ist.
- Auf Art und Umfang der Zuschüsse kommt es nicht an. Stammen fünf bis acht Prozent der Mittel des Arbeitgebers aus öffentlichen Zuschüssen, reicht dies für die Anwendung der Tarifnorm aus.
Normenkette
BAT § 29 Abschn. B Abs. 2, 5-7; Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Arbeitnehmer des Internationalen Bundes für Sozialarbeit – Jugendsozialwerk e.V. vom 27. Februar 1984 – zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 1. März 1991 – (MTV) § 22; BBG § 40 Abs. 7 S. 4
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 06.10.1993; Aktenzeichen 3 Sa 73/93) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 10.02.1993; Aktenzeichen 18 Ca 8466/91) |
Tenor
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. Oktober 1993 – 3 Sa 73/93 – wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des Ortszuschlags der Klägerin.
Die Klägerin war bis zum 31. Dezember 1992 in dem von dem beklagten Landkreis getragenen Krankenhaus in L… als Krankenschwester beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.
Der Ehemann der Klägerin ist als vollbeschäftigter Angestellter beim Internationalen Bund für Sozialarbeit – Jugendsozialwerk e.V. (IB) beschäftigt. Mindestens 5 bis 8 % der Mittel des IB stammen aus staatlichen Zuschüssen. Der Ehemann der Klägerin erhält wegen der beiden Kinder des Ehepaars nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 des Manteltarifvertrags Nr. 2 für die Arbeitnehmer des Internationalen Bundes für Sozialarbeit – Jugendsozialwerk e.V. vom 27. Februar 1984 – zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 1. März 1991 – (fortan: MTV) den Ortszuschlag der Stufe 2. Der Ortszuschlag des Ehemannes betrug im Jahr 1991 rund 1.191,-- DM brutto monatlich.
Der beklagte Landkreis nahm an, der Klägerin stehe nach § 29 Abschn. B Abs. 5 Satz 1 BAT nur die Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen Stufe 1 und 2 des Ortszuschlags (sog. halber Ehegattenbestandteil) zu, weil der Ehemann der Klägerin eine Tätigkeit als Angestellter im öffentlichen Dienst ausübe. In der Abrechnung für Mai 1991 zog der beklagte Landkreis deshalb den Teil des Ortszuschlags, den er für die Monate Januar bis April 1991 als vollen Ehegattenbestandteil bereits ausgezahlt hatte, vom Gehalt der Klägerin wieder ab.
Die Klägerin hat von dem beklagten Landkreis Zahlung des an dem ungekürzten Ortszuschlag fehlenden Betrags für die Monate Januar bis Dezember 1991 in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 3.011,-- DM verlangt. Sie hat gemeint, der Arbeitgeber ihres Ehemannes sei nicht dem öffentlichen Dienst im Sinne § 29 Abschn. B Abs. 5 und Abs. 7 BAT zuzurechnen; deshalb stehe ihr der Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlags in voller Höhe zu.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.011,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 2. Januar 1992 zu zahlen.
Der beklagte Landkreis hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Ehemann der Klägerin sei Angestellter im öffentlichen Dienst im Sinne § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT, weil an dessen Arbeitgeber die öffentliche Hand durch staatliche Zuschüsse beteiligt sei (§ 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 3 BAT). Hierbei komme es weder auf die Höhe der öffentlichen Zuschüsse noch auf deren prozentualen Anteil am Gesamthaushalt dieses Arbeitgebers an.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Der beklagte Landkreis bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den vollen Ortszuschlag der Stufe 2 nach § 29 Abschn. B Abs. 2 BAT. Ihr steht nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des für sie maßgebenden Ortzuschlags zu (halber Ehegattenbestandteil). Diesen hat sie erhalten.
Nach § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 BAT erhält ein Angestellter den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des für ihn maßgebenden Ortszuschlags nur zur Hälfte, wenn der Ehegatte des Angestellten als Angestellter, Beamter, Richter oder Soldat im öffentlichen Dienst steht. Der Ehegatte der Klägerin steht als Angestellter im öffentlichen Dienst im Sinne dieser Tarifbestimmung. Dies ergibt sich aus § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 3 BAT.
1. Nach § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 1 BAT ist öffentlicher Dienst im Sinne der Absätze 2, 5 und 6 die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen. Hierunter fällt der IB als eingetragener Verein nicht. Dem öffentlichen Dienst steht jedoch gleich die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhalts oder die darin oder in Besoldungsgesetzen über Ortzuschläge oder Sozialzuschläge getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet, wenn der Bund oder eine der in § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 1 BAT bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist (§ 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 3 BAT). Diese Voraussetzungen erfüllt der IB.
2. Der IB wendet durch Zahlung von Ortszuschlag nach § 22 MTV an den Ehemann der Klägerin eine dem öffentlichen Dienst vergleichbare Ortszuschlagsregelung an. Ob eine solche besteht, ist nach der Zwecksetzung der Leistungen zu entscheiden (vgl. BAG Urteil vom 30. November 1982 – 3 AZR 1230/79 – AP Nr. 1 zu § 25 TV Ang Bundespost). Der Ortszuschlag nach dem BAT soll zum Ausgleich der Aufwendungen beitragen, die der Angestellte nach seinem Familienstand zu tragen hat. Diesem Zweck dient auch der nach § 22 MTV an den Ehemann der Klägerin gezahlte Ortszuschlag. Vergleichbarkeit im Sinne § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 3 BAT bedeutet nicht Gleichartigkeit; es genügt, wenn der maßgebende Tarifvertrag eine Familienzulage vorsieht, die bei einer Gesamtbetrachtung nicht ungünstiger ausgestaltet ist als der Ehegattenbestandteil des öffentlichen Dienstes (vgl. BAG, aaO). Diese Voraussetzung erfüllt der MTV, der, worauf das Berufungsgericht mit Recht abgestellt hat, hinsichtlich der Ortszuschlagsregelungen wörtlich mit dem BAT übereinstimmt.
3. Die öffentliche Hand ist auch durch Zahlung von Zuschüssen am Arbeitgeber des Ehemanns der Klägerin im Sinne § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 3 BAT beteiligt.
Unstreitig stammen mindestens 5 bis 8 % der Mittel des IB aus staatlichen Zuschüssen. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, verlangt der Tarifwortlaut keine herrschende, überwiegende oder auch nur bedeutende oder erhebliche Beteiligung. Es kommt nur auf eine finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand überhaupt an, nicht aber auf deren Art und Umfang. Nicht nur laufende, sondern auch einmalige Mittelzuweisungen können das Tarifmerkmal erfüllen. Ein anderer Wille der Tarifvertragsparteien ist dem Tarifwortlaut nicht zu entnehmen. Deshalb reicht die vorbezeichnete staatliche Zuschußgewährung aus, ohne daß es weiterer Feststellungen bedarf.
Diesem Erebnis steht nicht, wie die Revision zu Unrecht meint, die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 30. November 1982 (– 3 AZR 1230/79 – AP Nr. 1 zu § 25 TV Ang Bundespost) entgegen. Dort war nur darüber zu entscheiden, ob eine Beteiligung im tariflichen Sinne vorliegt, wenn die öffentliche Hand über nahezu alle Anteile eines Versorgungsunternehmens verfügt. Der Dritte Senat hat in diesem Fall eine Beteiligung “jedenfalls” als gegeben angesehen. Zur Frage, ob die Tarifnorm eine Mindestbeteiligung fordert, hat er jedoch nicht Stellung genommen.
Sinn und Zweck der Tarifvorschrift erfordern keine Auslegung entgegen dem Tarifwortlaut. Die Regelung des § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT, die auf das Erste Haushaltsstrukturgesetz zurückgeht, bezweckt aus Gründen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, daß im öffentlichen Dienst tätigen Eheleuten insgesamt einmal der volle Ehegattenbestandteil des Ortszuschlags gezahlt wird. Dieser Zweck besteht auch, wenn die Beteiligung am Arbeitgeber des Ehegatten durch staatliche Zuschüsse nur bescheiden ist.
4. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht als Voraussetzung für die Kürzung des Ortszuschlags keine Entscheidung nach § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 4 BAT gefordert. Nach dieser Bestimmung trifft die Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer Beteiligung erfüllt sind, im Bereich des Bundes und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder der für das Tarifrecht zuständige Minister oder die von ihm bestimmte Stelle, im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände der zuständige Mitgliederverband. Für die entsprechende gesetzliche Bestimmung im Besoldungsrecht der Beamten (§ 40 Abs. 7 Satz 4 BBesG) hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG Urteil vom 11. Juni 1985 – 2 C 482 – DÖD 1986, 38) angenommen, die Entscheidung habe keine konstitutive Bedeutung für den Umfang des Anspruchs auf Ortszuschlag, sondern solle nur in Zweifelsfällen eine einheitliche Anwendung des § 40 Abs. 7 BBesG durch die Besoldungsstellen gewährleisten. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifparteien mit der Aufnahme der vergleichbaren Regelung in § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 4 BAT eine weitergehende Absicht verfolgt haben.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Gotsche, Schneider
Fundstellen
Haufe-Index 856729 |
NZA 1995, 1114 |