Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der „großen Ausbildungswerkstätte”

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelsache zu BAG Urteil vom 26. Oktober 1994 – 4 AZR 844/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 13.07.1993; Aktenzeichen 7 Sa 592/93)

ArbG Minden (Teilurteil vom 16.12.1992; Aktenzeichen 2 Ca 1195/92)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Juli 1993 – 7 Sa 592/93 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die am 06. Februar 1951 geborene Klägerin ist ausgebildete Kauffrau und Hauswirtschaftsmeisterin. Sie trat am 17. Oktober 1983 „als Hauswirtschaftsmeisterin/Ausbilderin” in die Dienste der Beklagten, einer diakonischen Einrichtung in der Rechtsform einer Stiftung, die sich u.a. mit Berufsbildungsmaßnahmen befaßt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich gemäß § 2 a des schriftlichen Dienstvertrages vom 15. November 1983 nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF). Nach § 3 des Dienstvertrages wurde die Klägerin „in die Vergütungsgruppe V c BAT-KF (Fallgr. 4 a der Berufsgruppe Mitarbeiter im handwerkl., hauswirtsch, oder landw. Erziehungsdienst in der Allgemeinen Vergütungsordnung zum BAT-KF) eingruppiert”. In § 8 des Dienstvertrages ist bestimmt, daß Dienstgeber und Mitarbeiter verpflichtet sind, bei Meinungsverschiedenheiten, die sich aus dem Dienstverhältnis ergeben, zunächst die bei dem Diakonischen Werk gebildete Schlichtungsstelle anzurufen. Die Klägerin war zunächst befristet bis zum 23. Oktober 1986 eingestellt. Danach wurde ihr Anstellungsvertrag am 24. Oktober 1986 bis zum Abschluß der neuen Förderungsmaßnahme verlängert (SR 2 y BAT-KF).

Die Beklagte unterhält eine Ausbildungswerkstatt für Maler und Lackierer, eine für Metallbau und eine Lehrküche; für diese räumlich getrennten Ausbildungswerkstätten ist insgesamt der Leiter der Berufsausbildung, ein Diplom-Pädagoge, verantwortlich. Die Klägerin ist Leiterin der Lehrküche und ebenso wie die Ausbilder in den Ausbildungswerkstätten für Metallbau und für Maler und Lackierer dem Leiter für Berufsausbildung unterstellt. Sie betreut für ihren Fachbereich Ausbildungsmaßnahmen nach § 40 c AFG – Berufsausbildung von ausländischen Auszubildenden sowie von lernbeeinträchtigten oder sozial benachteiligten deutschen Auszubildenden –. Die Gruppen bestehen aus 12 Auszubildenden aller drei Ausbildungsjahrgänge, die sprachliche, schulische, soziale, emotionale und affektive Verhaltensdefizite aufweisen. Die Klägerin deckt den fachlichen Unterrichtsstoff ab. Neben ihr sind der Ausbildungsgruppe ein halbtags beschäftigter für den Stützunterricht verantwortlicher Pädagoge zugeteilt sowie ein ebenfalls halbtags beschäftigter für die besonderen sozialen Anliegen der Auszubildenden zuständiger Sozialarbeiter; beide sind der Klägerin nicht unterstellt.

Am 1. Januar 1987 wurde die Klägerin mit sofortiger Wirkung in die Vergütungsgruppe V b BAT-KF (Fallgr. 5 der Allgemeinen Vergütungsordnung zum BAT-KF) eingruppiert.

Mit Wirkung vom 1. Januar 1991 wurde die Allgemeine Vergütungsordnung für die Berufsgruppe 2.13 – Mitarbeiter im handwerklichen, hauswirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Erziehungsdienst – geändert. Nach der neugeschaffenen Fallgr. 8 dieser Berufsgruppe sind Handwerksmeister, Hauswirtschaftsmeister oder Gärtnermeister im handwerklichen, hauswirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Erziehungsdienst als Leiter von großen Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten nach vierjähriger Bewährung in der Fallgr. 7 der Berufsgruppe 2.13 AVergO nach der VergGr. IV b BAT-KF eingruppiert. Gestützt auf diese Änderung der Allgemeinen Vergütungsordnung verlangt die Klägerin die Zahlung von Vergütung nach der VergGr. IV b ab 1. Januar 1991. Dies hat die Beklagte abgelehnt. Nach Anrufung der Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen durch die Klägerin mit Schreiben vom 18. März 1992 unterbreitete diese den Parteien unter dem 21. Mai 1992 den Schlichtungsvorschlag, der Klägerin – neben weiteren Mitarbeitern – mit Wirkung vom 1. August 1992 eine monatliche Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 7,5 v.H. der Anfangsgrundvergütung der VergGr. V b zu gewähren. Dieser Vorschlag wurde von der Klägerin angenommen, von der Beklagten hingegen abgelehnt.

In einem von der Mitarbeitervertretung der Beklagten eingeleiteten Schlichtungsverfahren wegen Mitbestimmung hat die Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen durch Schiedsspruch vom 10. September 1992 – 2 M 36/92 – festgestellt, daß die Dienststellenleitung bei der Umgruppierung der sechs Meister/innen in der Berufsausbildung und im Berufsförderlehrgang von der Fallgr. 5 der Berufsgruppe 2.13 der Allgemeinen Vergütungsordnung zum BAT-KF a.F. in die Fallgruppen Nr. 5/6 der Allgemeinen Vergütungsordnung zum BAT-KF n.F. das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung verletzt hat. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt worden, die sechs Meister bzw. Meisterinnen in der Berufsausbildung und im Berufsförderlehrgang seien übertariflich in der Fallgr. 5 der Berufsgruppe 2.13 der Allgemeinen Vergütungsordnung zum BAT-KF in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung (AVergO BAT-KF a.F.) eingruppiert gewesen. Die Mitarbeitervertretung habe auch bei dem Übergang von der übertariflichen zur tariflichen Eingruppierung beteiligt werden müssen.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ab 1. Januar 1991 Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-KF zu. Nach der vorrangig maßgeblichen Zahl der Auszubildenden leite sie eine „große Ausbildungswerkstätte”, da sie für 12 Auszubildende zuständig sei. Das Bundesarbeitsgericht habe entschieden, eine Werkstätte mit weniger als 10 Auszubildenden könne keine große Werkstätte sein. Daraus folge, daß sie Leiterin einer großen Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätte sei, da ihr ein zahlenmäßig zweistelliger Personenkreis zur Betreuung unterstellt sei.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 1. Januar 1991 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b BAT-KF zu zahlen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihr seit dem 1. Januar 1991 bis zunächst 31. Oktober 1992 neue Abrechnungen unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe IV b BAT-KF zu erteilen;
  3. im Wege der Stufenklage die Beklagte danach zu verurteilen, an sie die sich aus den neuen Abrechnungen ergebenden Differenzbeträge nebst 4 % Zinsen aus dem sich insgesamt ergebenden Nettobetrag seit dem 13. August 1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keine Leitungsfunktion und sei deshalb nicht Leiterin einer Ausbildungswerkstätte. Ihre Lehrküche sei auch nicht „groß” im Sinne der Fallgr. 8 der Berufsgruppe 2.13 BAT-KF n.F.; eine große Ausbildungswerkstätte könne erst bei einer Werkstätte mit etwa 40 Auszubildenden angenommen werden.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil nach dem Feststellungs- und dem Abrechnungsantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Teilurteil abgeändert und die Klage vollen Umfangs abgewiesen. Mit der vom Landesartaeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-KF.

I. Die Klage ist zulässig.

Was den Feststellungsantrag anbelangt, hat die Klägerin eine der allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen erhoben. Für eine solche besteht auch außerhalb des öffentlichen Dienstes das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse (Senatsurteile vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I der Gründe = EzA § 4 TVG Großhandel Nr. 2; vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 – AP Nr. 2 zu § 12 AVR Caritasverband, zu B I der Gründe).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-KF nicht zu. Zu Recht hat das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für diesen Anspruch verneint und die Klage vollen Umfangs abgewiesen.

1. Dem Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-KF steht nicht bereits der Umstand entgegen, daß die Parteien in der Änderungsvereinbarung vom 1. Januar 1987 zum Dienstvertrag vom 24. Oktober 1986 die Eingruppierung der Klägerin in die VergGr. V b Fallgruppe 5 BAT-KF vereinbart haben, denn die Angabe der Vergütungsgruppe in dem Änderungsvertrag schließt – ebenso wie diejenige in den Arbeitsverträgen vom 15. November 1983 und 24. Oktober 1986 – einen Anspruch der Klägerin auf eine höhere Vergütung nicht aus. Sowohl den beiden Arbeitsverträgen der Parteien als auch dem Änderungsvertrag vom 1. Januar 1987 liegen von der Beklagten verwandte Muster zugrunde, so daß sie als übliche Verträge vom Revisonsgericht frei ausgelegt werden können (BAGE 24, 198, 202 = AP Nr. 2 zu § 111 BBiG). In § 2 a des insoweit unverändert weitergeltenden Arbeitsvertrages vom 24. Oktober 1986 haben die Parteien ohne jede Einschränkung vereinbart, daß „die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Ev. Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF)” Inhalt des Arbeitsvertrages sind. Damit haben sie erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß sämtliche Bestimmungen des BAT-KF maßgebend sein sollen und hierbei stets die aktuelle Fassung gelten soll. Dies entspricht Vereinbarungen in zahlreichen Arbeitsverträgen – vor allem des öffentlichen Dienstes –, in denen die Parteien des Arbeitsvertrages die Anwendung eines bestimmten Tarifvertrages in seiner jeweiligen Fassung auf ihr Arbeitsverhältnis vereinbaren. Damit wollen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis so regeln, als seien sie tarifgebunden. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag soll widerspiegeln, was tarifrechtlich gilt (vgl. BAG Urteil vom 7. Dezember 1977 – 4 AZR 474/76 – AP Nr. 9 zu § 4 TVG Nachwirkung).

Der Umstand, daß es sich bei dem BAT-KF nicht um einen Tarifvertrag im allgemeinen arbeitsrechtlichen und insbesondere im Sinne des Tarifvertragsgesetzes handelt (Beschluß des Senats vom 5. Januar 1989 – 4 AZN 629/88BAGE 60, 344 = AP Nr. 37 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz), ändert daran nichts. Der Verweisung auf den BAT-KF – nachfolgend deshalb Tarifrecht genannt, weil er im kirchlichen Rechtsbereich üblicherweise als Tarifvertrag bezeichnet wird – kommt dennoch die Bedeutung zu, daß sich die Vergütung der Klägerin jeweils nach der Vergütungsgruppe richten soll, deren Voraussetzungen sie mit ihrer Tätigkeit erfüllt. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 12. Dezember 1990 (– 4 AZR 306/90 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4) für eine Verweisung auf Arbeitsvertragsrichtlinien entschieden.

2. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft vertraglicher Vereinbarung (§ 2 a des Arbeitsvertrages vom 24. Oktober 1986) dem BAT-KF unterliegt, kommt es für die Eingruppierung der Klägerin nach § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 1 BAT-KF darauf an, ob in ihrer Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der von ihr in Anspruch genommenen VergGr. IV b der Allgemeinen Vergütungsordnung – künftig: AVergO – zum BAT-KF erfüllen. Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Darunter ist eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (vgl. BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§22, 23 BAT 1975; BAGE 51, 282, 287 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975; jeweils m.w.N.).

An diese Grundsätze hat sich das Berufungsgericht gehalten. Es hat angenommen, unter Berücksichtigung des von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriffs des Arbeitsvorgangs wäre sowohl die Leitung einer Lehrküche als auch die Leitung einer großen Lehrküche als einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen, weil die Leitung nicht in Einzelvorgänge aufgeschlüsselt werden könne. Alle von der Klägerin wahrgenommenen Aufgaben dienten der Leitung der Lehrküche; sie führten folglich zu einem einheitlichen Arbeitsergebnis.

Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Die Klägerin ist als Hauswirtschaftsmeisterin für die Ausbildung einer Gruppe von 12 Auszubildenden in der Lehrküche zuständig. Alle Einzelaufgaben dienen einem einheitlichen Arbeitsergebnis, so daß ihre gesamte Tätigkeit als ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen ist (Senatsurteil vom 18. Mai 1988 – 4 AZR 765/87BAGE 58, 283 = AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).

3. Die für die Eingruppierung der Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeitsmerkmale hatten bis zum 31. Dezember 1990 folgende Fassung (künftig: BAT-KF a.F.):

2.13 Mitarbeiter im handwerklichen, hauswirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Erziehungsdienst

Fallgruppe

Tätigkeitsmerkmal

VergGr.

4.

Handwerksmeister, Hauswirtschaftsmeister(innen) oder Gärtnermeister im handwerklichen, hauswirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Erziehungsdienst

Vc

a) als Leiter von Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten oder beschützenden Werkstätten

b) …

5.

Handwerksmeister, Hauswirtschaftsmeister(innen) oder Gärtnermeister im handwerklichen, hauswirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Erziehungsdienst als Leiter von großen Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten oder beschützenden Werkstätten.

Vb

Mit Wirkung vom 1. Januar 1991 wurden die Tätigkeitsmerkmale der Berufsgruppe 2.13 „Mitarbeiter im handwerklichen, hauswirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Erziehungsdienst” neu gefaßt (künftig: BAT-KF n.F.). Nunmehr lauten die für die Eingruppierung der Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeitsmerkmale wie folgt:

Fallgruppe

Tätigkeitsmerkmal

VergGr.

5.

Handwerksmeister, Hauswirtschaftsmeister oder Gärtnermeister im handwerklichen, hauswirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Erziehungsdienst

a) als Leiter von Ausbildungs- oder Berufsförderungswerkstätten

b) als durch aus drückliche Anordnung bestellte ständige Vertreter von Mitarbeitern der Fallgruppe 9

Vc

6.

Mitarbeiter der Fallgruppe 5 nach vierjähriger Bewährung in dieser Fallgruppe

Vb

7.

Handwerksmeister, Hauswirtschaftsmeister oder Gärtnermeister im handwerklichen, hauswirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Erziehungsdienst als Leiter von großen Ausbildungs- oder großen Berufsförderungswerkstätten

Vb

8.

Mitarbeiter der Fallgruppe 7 nach vierjähriger Bewährung in dieser Fallgruppe

IVb

Die bei den Fallgruppen genannten Verweisungen auf Fußnoten sind, weil nicht entscheidungserheblich, vorstehend nicht mitzitiert worden.

4. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin sei Leiterin der Lehrküche bei der Beklagten, was näher begründet worden ist. Bei dieser handele es sich jedoch nicht um eine große Lehrküche im Sinne der Fallgruppe 7 der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF n.F. Nach der Rechtsprechung des Senats sei zur Bestimmung des Begriffs der „großen Lehrküche” im wesentlichen auf die Zahl der darin in der Regel zur Ausbildung befindlichen Jugendlichen abzustellen und die räumliche Größe der betreffenden Werkstätte bzw. der Wert der Maschinen nur ergänzend heranzuziehen. Als entscheidende Kriterien könnten dementsprechend auch nicht die Anzahl der neben der Leiterin tätigen Arbeitnehmer und die besonders umfangreiche Betriebsorganisation angesehen werden. In überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen würden üblicherweise 12 bis 20 Jugendliche zu einer Ausbildungsgruppe zusammengezogen. Die von der Klägerin regelmäßig betreuten 12 Jugendlichen überschritten folglich nicht die Stärke einer üblichen Ausbildungsgruppe, so daß die von ihr geleitete Lehrküche nicht wegen der Zahl der darin ausgebildeten Personen „groß” im Sinne der Fallgruppe 7 der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF n.F. sei. Diese Bewertung sei auch nicht wegen der gleichzeitigen Betreuung mehrerer Ausbildungsjahrgänge gerechtfertigt. Aufgrund der besonderen Struktur der Einrichtung der Beklagten und des von der Klägerin betreuten Benachteiligtenprogramms benötige die Klägerin nicht die Unterstützung zusätzlicher Ausbilder, sondern sei imstande, die Jugendlichen allein umfassend zu betreuen. Schließlich sei mit dem Bundesarbeitsgericht davon auszugehen, daß die Betreuung sozial geschädigter Jugendlicher auf die Einordnung der Ausbildungswerkstätte als „große Ausbildungswerkstätte” im Sinne des Vergütungsgruppenmerkmals keinen Einfluß habe.

5. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Begriff der „großen Ausbildungswerkstätte” halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

a) Bei diesem Begriff handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Wegen der Unbestimmtheit dieses Rechtsbegriffs ist den Tatsachengerichten ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Subsumtion einzuräumen. Das Revisionsgericht kann seine Anwendung nur daraufhin überprüfen, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Subsumtion des Sachverhalts Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteil vom 18. Juni 1975 – 4 AZR 398/74 – AP Nr. 87 zu §§ 22, 23 BAT; Urteil vom 14. August 1985 – 4 AZR 322/84 – AP Nr. 105 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 511/92 – AP Nr. 38 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

In seiner Entscheidung vom 4. Oktober 1978 (– 4 AZR 191/77 – AP Nr. 9 zu §§ 22, 23 BAT 1975) hat der Senat betont, bei dem Eingruppierungsmerkmal der „großen Werkstätte” handele es sich um einen besonders weit gefaßten allgemeinen (unbestimmten) Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung den Tatsachengerichten ein großer Beurteilungsspielraum zustehe.

Im Einklang mit den Gründen der vorgenannten Entscheidung des Senats ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß es bei einer „großen Ausbildungswerkstätte” entscheidend auf die Zahl der darin in der Regel ausgebildeten Jugendlichen ankomme. Lediglich in Grenzfällen könne ergänzend auch auf sonstige Umstände wie die räumliche Größe der Werkstätte oder die Zahl der darin tätigen Arbeitnehmer abgestellt werden. Es hat in tatsächlicher Hinsicht, von der Revision unbeanstandet, festgestellt, daß in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen üblicherweise 12 bis 20 Jugendliche zu einer Ausbildungsgruppe zusammengezogen würden, und daraus gefolgert, daß die Lehrküche der Beklagten, die auf die Ausbildung von 12 Auszubildenden ausgelegt sei, nicht als „große Lehrküche” bzw. als „große Ausbildungswerkstätte” bewertet werden könne, da auch weitere Umstände, die diese Bewertung rechtfertigten, nicht vorlägen.

b) Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, die im Einklang mit der Entscheidung des Senats vom 4. Oktober 1978 – 4 AZR 191/77 – AP, a.a.O., stehen, ist zuzustimmen.

Während der Leiter einer „Ausbildungswerkstätte” nach Fallgruppe 5 a der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF n.F. in die Vergütungsgruppe V c eingruppiert ist, erhält der Leiter einer „großen Ausbildungswerkstätte” nach Fallgruppe 7 Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b. Der Textvergleich der beiden vorgenannten Eingruppierungstatbestände zeigt, daß das Eigenschaftswort „groß” komparative Bedeutung hat, also „einen Vergleichswert übertreffend” bedeutet. Vergleichswert ist die in der Fallgruppe 5 a nicht weiter beschriebene Ausbildungswerkstätte, also eine – von der Klägerin auch selbst so bezeichnete – „normale” Ausbildungswerkstätte. Wenn aber in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen üblicherweise 12 bis 20 Jugendliche in Ausbildungsgruppen zusammengefasst werden, wie das Landesarbeitsgericht von der Klägerin unbeanstandet festgestellt hat, kann eine Ausbildungswerkstätte, die auf die Ausbildung nur einer Gruppe mit der am unteren Ende dieser Bandbreite liegenden Anzahl von Personen ausgelegt ist, nicht als „große Ausbildungswerkstatte” gelten.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur üblichen Gruppenstärke in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen ist – sofern nicht ausnahmsweise andere Umstände für die Bewertung zu berücksichtigen sind – auch eine für eine Gruppe von 20 Personen ausgelegte Ausbildungswerkstätte nicht als „große Ausbildungswerkstätte” zu bewerten, weil diese Gruppenstärke dort noch üblich ist. Diese Bewertung des Landesarbeitsgerichts hält sich im Rahmen des ihm bei diesem Rechtsbegriff zustehenden großen Beurteilungsspielraums (Urteil des Senats vom 4. Oktober 1978 – 4 AZR 191/77 – AP, a.a.O.). Ob der Auffassung des Gruppenausschusses für Kranken- und Pflegeanstalten der VKA, als „große Werkstätten” seien in erster Linie sog. Grundausbildungswerkstätten anzusehen, in denen etwa 40 Auszubildende ausgebildet werden (nach Hofmann, Tarifrecht im öffentlichen Dienst, Eingruppierung von A–Z, Stand Mai 1994, G 400), zuzustimmen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

c) Die Bewertung, daß die von der Klägerin betreute Lehrküche keine „große Ausbildungswerkstätte” im Sinne des Eingruppierungsmerkmals ist, wird gestützt durch die vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft herausgegebenen Planungshilfen für die überbetriebliche Ausbildung. In diesen ist die Gruppengröße für die „Lehrküche Gastgewerbe und Hauswirtschaft” auf 12 Personen festgelegt (Planungshilfen überbetriebliche Ausbildungsstätten, herausgegeben vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Band 17, S. 559). Diese Zahl wird im übrigen auch als Gruppengröße für die beiden anderen von der Beklagten betriebenen Ausbildungswerkstätten, nämlich für die „Metallbearbeitungs-/Metallmaschinenwerkstatt” (a.a.O., S. 274, 278, 425) und die „Mal- und Lakkierwerkstatt” (a.a.O., S. 443, 450, 453) genannt.

d) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, daß die Betreuung sozial geschädigter Jugendlicher auf die Einordnung der Ausbildungswerkstätte als „große Ausbildungswerkstätte” im Sinne des Vergütungsgruppenmerkmals keinen Einfluß hat. Wie der Senat in seinem Urteil vom 4. Oktober 1978 – 4 AZR 191/77 – AP, a.a.O., dazu ausgeführt hat, ist für die Größe der Werkstätte ohne rechtliche Bedeutung, daß darin sozial geschädigte oder minderbegabte Personen ausgebildet werden. Dieser Umstand beeinflußt nämlich in keiner Weise die Größe der Werkstätte, sondern allenfalls deren Bedeutung im Sinne der in jenem Fall einschlägigen Tätigkeitsmerkmale. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang auf den Runderlaß der Bundesanstalt für Arbeit vom 19. Juni 1991 – Gesch.Z. II a 5 6511/6512 u.a. – (Dienstbl. BA Rderl. 91/91) zu verweisen, der die Gewährung von Leistungen nach § 40 c AFG regelt. In der Erläuterung 9.01 zu § 9 des Runderlasses, der die Regelung des Zuschusses zu den Personalkosten zum Inhalt hat, ist ausgeführt, daß bei der Berufsausbildung in einer überbetrieblichen Einrichtung ein Ausbilder als erforderlich für 12 Auszubildende anzusehen ist. Auch bei der Benachteiligtenförderung nach § 40 c AFG ist somit eine Gruppenstärke von 12 Auszubildenden „normal”, eine auf die Ausbildung einer Gruppe dieser Größe ausgelegte Ausbildungswerkstätte somit nicht „groß” im Sinne der Fallgruppe 7 der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF n.F.

e) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist dem Urteil des Senats vom 4. Oktober 1978 – 4 AZR 191/77 – AP, a.a.O., nicht zu entnehmen, daß der Senat eine Ausbildungswerkstätte, die auf die Ausbildung von mindestens 10 Personen ausgelegt ist, als „große Ausbildungswerkstätte” angesehen hat. Diese Zahlenangabe im Tatbestand erklärt sich aus den tatsächlichen Umständen jenes Falles, für den das Eingruppierungsmerkmal der Leitung einer „großen Ausbildungswerkstätte” verneint worden ist. Dazu, bei welcher Zahl von Auszubildenden eine Ausbildungswerkstätte als „groß” gelten muß, hat sich der Senat in jener Entscheidung nicht geäußert. Er hat vielmehr sogar ausdrücklich betont, er sei nicht in der Lage, seinerseits anstelle der Tarifvertragsparteien das hier interessierende Tätigkeitsmerkmal dadurch konkreter und praktikabler zu gestalten, daß er selbst durch Richterspruch festlege, bei welcher Zahl der auszubildenden Jugendlichen eine „große Ausbildungswerkstätte” anzunehmen sei.

f) Zwar können nach der Entscheidung des Senats vom 4. Oktober 1978 – 4 AZR 191/77 – AP, a.a.O., auch andere Umstände als die Zahl der in der Werkstätte ausgebildeten Personen zur Bestimmung der „Größe” der Werkstätte mitherangezogen werden. Solche führt die Klägerin in der Revision zur Begründung der von ihr erstrebten Eingruppierung nicht an. Vielmehr vertritt sie allein die Rechtsauffassung, eine Ausbildungswerkstätte, in der 10 oder mehr Personen ausgebildet würden, sei eine „große Ausbildungswerkstätte” im Sinne der Fallgruppe 7 der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF n.F.

g) Auch die Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen ist bei ihrem Schiedsspruch vom 10. September 1992 – 2 M 36/92 – davon ausgegangen, daß die Klägerin – und die übrigen von der Beklagten in der Berufsausbildung und im Berufsförderlehrgang beschäftigten Meister/Meisterinnen – „übertariflich in der Fallgruppe Nr. 5 der Berufsgruppe 2.13 der Allgemeinen Vergütungsordnung zum BAT-KF in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung (AVergO BAT-KF a.F.) eingruppiert” gewesen seien, also das Merkmal der Leitung einer „großen Ausbildungswerkstätte” nicht erfüllt haben.

h) Die Beklagte ist auch nicht kraft einzelvertraglicher Vereinbarung verpflichtet, die Klägerin eine Gruppe höher zu vergüten, als es ihrer Eingruppierung nach den Merkmalen der AVergO zum BAT-KF entspricht. Die Zusage einer übertariflichen Vergütung nach der VergGr. V b BAT-KF am 1. Januar 1987 bezogen auf die damals zutreffende Eingruppierung der Klägerin in die Vergütungsgruppe V c BAT-KF beeinhaltete nicht die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin auch dann eine übertarifliche Vergütung zu bezahlen, wenn ihre Tätigkeit infolge der Änderung der AVergO nunmehr den Merkmalen der VergGr. V b BAT-KF entspricht.

i) Der Umstand, daß die Beklagte die Klägerin durch Änderungsvertrag vom 1. Januar 1987 in die Vergütungsgruppe V b BAT-KF a.F. Fallgruppe 5 eingereiht hat, der die Leitung einer „großen Ausbildungswerkstätte” voraussetzte, führt auch nicht dazu, daß die Klägerin kraft Vertrauensschutzes beanspruchen kann, an diese Bewertung sei die Beklagte gebunden. Darin, daß die Beklagte aus Anlaß der möglichen Teilnahme der Klägerin am Bewährungsaufstieg nach der Änderung der AVergO deren Eingruppierung nochmals überprüft hat und sich nunmehr darauf beruft, sie sei nicht in die – der Fallgruppe 5 der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF a.F. entsprechenden – Fallgruppe 7 der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF n.F. eingruppiert, kann kein Verstoß gegen Treu und Glauben oder arglistiges Verhalten erblickt werden (vgl. Urteil des Senats vom 28. März 1979 – 4 AZR 446/77 – AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dies bedarf keiner näheren Begründung, weil dies von der Klägerin selbst so gesehen wird.

6. Schließlich steht der Klägerin auch dann kein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-KF zu, wenn die Beklagte bei ihrer Umgruppierung das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung verletzt hätte; eine solche Rechtsverletzung hat die Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen in ihrem Schiedsspruch vom 10. September 1992 – 2 M 36/92 – festgestellt. Mit dieser Frage haben sich weder die Parteien in diesem Rechtsstreit noch die Vorinstanzen befaßt.

Es bedarf für den Streitfall keiner Klärung, ob die Beklagte bei der Neufestlegung der Fallgruppe für die Klägerin per 1. Januar 1991 das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 36 Abs. 3 Ziff. 4 MVO verletzt hat und ob dies individualrechtlich gem. § 36 Abs. 5 Satz 2 MVO – anders als bei einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats nach § 75 BPersVG (vgl. BAG Urteil vom 30. Mai 1990 – 4 AZR 74/90BAGE 65, 163 = AP Nr. 31 zu § 75 BPersVG sowie BAG Urteil vom 26. August 1992 – 4 AZR 210/92 – AP Nr. 37 zu § 75 BPersVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) – die Unwirksamkeit dieser Maßnahme zur Folge hat. Selbst wenn beides zugunsten der Klägerin unterstellt wird, führt dies nicht zur Begründetheit ihrer Klage: Ist die Neufestlegung der Fallgruppe wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts der Mitarbeitervertretung unwirksam, ist die Klägerin weiter in der Fallgruppe 5 der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF a.F. bzw. Fallgruppe 7 der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF n.F. eingruppiert und nach VergGr. V b BAT-KF zu vergüten, wie dies auch geschieht. Ein Anspruch nach Fallgruppe 8 der Berufsgruppe 2.13 AVergO BAT-KF n.F. auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-KF nach vierjähriger Bewährung in der Fallgruppe 7 steht der Klägerin deshalb nicht zu, weil sie die Merkmale der Fallgruppe 7 nicht erfüllt, sich in ihr also nicht vier Jahre bewährt hat.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Bott, Konow, Jürgens

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1087152

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