Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Ausschlußfrist des § 626 Abs 2 BGB - Kenntnis des Kündigungsberechtigten
Orientierungssatz
1. Nur die Kenntnis eines Kündigungsberechtigten setzt die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs 3 BGB in Lauf.
2. Zu den kündigungsberechtigten Personen gehören neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und den zur Vertretung einer Personengesamtheit berufenen Personen auch diejenigen Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Darüber hinaus muß sich der Arbeitgeber nur die Kenntnis solcher Personen zurechnen lassen, die eine ähnlich selbständige Stellung wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers haben; diese Personen müssen tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Ansatzpunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend zu klären, daß mit seiner Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen seine Entscheidung treffen kann.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 03.12.1986; Aktenzeichen 14 Sa 1128/86) |
ArbG Herne (Entscheidung vom 06.05.1986; Aktenzeichen 2 Ca 693/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Der Kläger wurde von der Beklagten am 2. Januar 1980 als Außendienstmitarbeiter eingestellt. Er erhielt zuletzt ein Gehalt von 2.795,02 DM brutto. Er wurde als Frischdienstreisender im Außer-Haus/Spezial-Service eingesetzt und hatte nach der Einsatzplanung des Bezirksverkaufsleiters für die termin- und bedarfsgerechte Kundenlieferung zu sorgen. Mit seiner Tätigkeit war Inkassovollmacht verbunden. Er hatte die Waren gegen Lieferschein oder Rechnung auszuhändigen. Lieferschein bzw. Rechnung waren vom Kunden gegenzuzeichnen. Bei Barzahlung hatte er das eingenommene Geld spätestens am folgenden Werktag auf das vorgegebene Konto einzuzahlen. Am 7. Februar 1986 stellte der Leiter der Abteilung "Außenrevision", der Zeuge K, fest, daß der Kläger in mindestens sechs Fällen Verkäufe über das Konto eines Kunden mit einer besonderen Rabattberechtigung abgewickelt hatte. Die Unterschrift dieses Kunden auf den sogenannten Barrechnungen hatte der Kläger gefälscht. Die von der Beklagten gewährten Rabatte vereinnahmte der Kläger zumindest teilweise für sich. Noch am 7. Februar 1986 wurde der Kläger in Anwesenheit des Vertriebsleiters H, des Bezirksverkaufsleiters W und des Leiters der Außenrevision, K, zu dem Sachverhalt gehört. Im Anschluß an das Personalgespräch beurlaubte der Zeuge H den Kläger und ordnete die Übergabe des Warenbestands und des Dienstfahrzeugs an. Am 11. Februar 1986 fertigte der Zeuge K einen Bericht, indem die dem Kläger zur Last gelegten Unkorrektheiten im einzelnen dargestellt werden. Dieser Bericht ging dem Leiter der Hauptabteilung "Personaladministration", dem Zeugen G, am selben Tage zu. Dieser untersteht unmittelbar der Geschäftsführung. Er entscheidet über die Auswahl, Einstellung, Versetzung und Entlassung der ihm unterstellten Mitarbeiter. Außerdem hat er bei a l l e n personellen Einzelmaßnahmen die Beteiligung des Betriebsrats sicherzustellen. Der Zeuge G leitete noch am 11. Februar 1986 das Anhörungsverfahren für die fristlose Kündigung des Klägers beim Betriebsrat ein. Dabei bezog er sich auf den bereits erwähnten Bericht des Leiters der Außenrevision. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung des Klägers am 13. Februar 1986 zu. Mit einem Einschreibebrief vom 14. Februar 1986, der am 17. Februar 1986 zur Post gegeben wurde, kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgemäß. Dieser Einschreibebrief ist am 24. Februar 1986 beim Kläger eingetroffen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte zusätzlich durch einfachen Brief gekündigt hat, der am 18. oder 19. Februar 1986 in den Machtbereich des Klägers gelangt ist.
Mit seiner am 5. März 1986 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt und seine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen verlangt.
Er hat vorgetragen, bei Zugang des Kündigungsschreibens am 24. Februar 1986 sei die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB abgelaufen gewesen. Die Beklagte müsse sich die am 7. Februar 1986 erworbene Kenntnis der Herren K und H vom Kündigungssachverhalt zurechnen lassen. Im übrigen fehle es an einem wichtigen Kündigungsgrund, da er, der Kläger, nur geringfügige Beträge bei den fraglichen Rabattverkäufen für sich behalten habe. Es fehle auch an einer Abmahnung. Aus diesem Grunde scheitere auch eine ordentliche Kündigung.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch
die außerordentliche Kündigung der Beklagten
mit Schreiben vom 14. Februar 1986, zugegangen
am 24. Februar 1986, weder sofort aufgelöst
worden ist noch am 30. Juni 1986 enden wird.
2. Die Beklagte zur Zahlung von 2.510,-- DM brutto
zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 1. März 1986 aus
dem sich daraus ergebenden Nettobetrag zu ver-
urteilen.
3. Die Beklagte zur Zahlung weiterer 5.020,-- DM
brutto nebst 4 % Zinsen von dem jeweils sich
aus 2.510,-- DM ergebenden Nettobetrag ab dem
1. April und dem 1. Mai 1986 zu verurteilen.
Im übrigen hat der Kläger beantragt, die Widerklage der Beklagten abzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. widerklagend den Kläger zu verurteilen, an
sie 7.844,81 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
18. April 1986 zu zahlen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, neben dem per Einschreiben abgesandten Kündigungsbrief habe sie einen weiteren einfachen Brief an den Kläger abgesandt, der ihn spätestens am 19. Februar 1986 erreicht haben müsse. Aber selbst wenn der Einschreibebrief maßgeblich sein sollte, sei die Kündigung nicht verfristet, weil die Kenntnis der Beklagten vom Kündigungsgrund nicht schon auf den 7. Februar 1986 zu datieren sei. Die Herren H und K seien nicht ihre kündigungsberechtigten Repräsentanten. Die Kündigung sei auch begründet, weil der Kläger seine besondere Vertrauensstellung mit seinen Rabattmanipulationen mißbraucht habe. Er habe nicht nur eine Urkundenfälschung begangen, sondern auch Beträge, die ihm nicht zugestanden hätten, für sich behalten. Habe der Kläger aber seine Vertrauensstellung mißbraucht, sei eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil die Klage bezüglich der begehrten Feststellung abgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht ist in Übereinstimmung mit den Parteien davon ausgegangen, mit dem Teilurteil sei nur der Feststellungsantrag des Klägers beschieden worden. Es hat ausgeführt, die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten, auch wenn man den Zugang der Kündigung auf den 24. Februar 1986 datiere. Für den Beginn der zweiwöchigen Ausschlußfrist sei entscheidend, wann der Kündigungsberechtigte Kenntnis vom kündigungsrelevanten Sachverhalt erhalte. Kündigungsberechtigter sei nicht der Leiter der Abteilung Außenrevision K gewesen. Aus der vorgelegten Stellenbeschreibung könne nicht entnommen werden, daß er für Personalentscheidungen zuständig sei. Kündigungsberechtigt sei der Leiter der Personaladministration G. Dieser sei zwar befugt, die Kündigungsberechtigung zu delegieren. Eine solche Delegation auf den Zeugen H sei jedoch nicht erfolgt. Zwar entscheide der Zeuge H nach Ziffer 19 der Stellenbeschreibung über die Einstellung, Kündigung und Entlassung der ihm unterstellten Mitarbeiter unter B e r ü c k s i c h t i g u n g der hierfür geltenden R i c h t l i n i e n und Bestimmungen. Die Position des Zeugen H sei aber nur die erste in einer Kette von Entscheidungsträgern in Personalfragen. Wie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Personalhandbuch ergebe, komme dem Vertriebsleiter das Initiativrecht für die Entscheidung einer Entlassung zu. Seine Entscheidungsbefugnis beschränke sich aber darauf, ob überhaupt ein Kündigungsverfahren eingeleitet werden solle. Dabei könne er vorläufige Maßnahmen treffen, nicht jedoch die Kündigung selbst aussprechen. Die eigentliche Entscheidung über den Ausspruch der Kündigung falle auf der nächsten Führungsebene, in der Person des Leiters der Personaladministration. Dem Kläger könne allenfalls darin gefolgt werden, daß der Zeuge H zu denjenigen Vorgesetzten gehöre, die zwar keine Kündigung selbständig aussprechen können, jedoch eine ähnlich selbständige Stellung wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter haben und nicht nur zur Meldung, sondern auch zur Feststellung der für eine außerordentliche Kündigung maßgebenden Tatsachen verpflichtet sei. Die Kenntnis eines solchen Vorgesetzten über den Kündigungssachverhalt sei aber nur dann für den Beginn der Ausschlußfrist maßgebend, wenn die Information des eigentlichen Kündigungsberechtigten sich aufgrund mangelhafter Organisation des Betriebes verzögere. Wie das Arbeitsgericht aber zutreffend festgestellt habe, könne im vorliegenden Fall von einer Hemmung des Informationsflusses keine Rede sein, denn zwischen der Information des Zeugen H und des Leiters der Personaladministration liege lediglich ein Arbeitstag. Der Beklagten sei es auch unzumutbar gewesen, den Kläger auch nur bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Wegen der Begründung verweist das Landesarbeitsgericht auf das Urteil des Arbeitsgerichts gemäß § 543 Abs. 2 ZPO. Das Arbeitsgericht hat insoweit ausgeführt, der Kläger habe eine Vertrauensposition innegehabt. Der Beklagten sei gar nichts anderes übrig geblieben, als sich auf die Ehrlichkeit des Klägers zu verlassen. Es sei unstreitig, daß der Kläger Belege, die der Beklagten zur Kontrolle der Tätigkeit des Klägers dienten, gefälscht habe, nämlich die Belege über vorgetäuschte Barkäufe eines Kunden, dem ein hoher Rabatt eingeräumt gewesen sei. Die in den Rechnungen aufgeführten Waren habe er an andere Personen verkauft und den Rabatt zum Teil für sich behalten. Durch diese Verhaltensweise habe der Kläger das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Arbeitgeber unheilbar zerstört. Aus diesem Grunde habe es einer Abmahnung nicht bedurft.
B. Der Senat ist den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts gefolgt.
I. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht das Teilurteil des Arbeitsgerichts dahin ausgelegt, daß dieses nur über den Feststellungsantrag des Klägers entschieden hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Berichtigungsvermerk des Arbeitsgerichts.
II. Auch den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB hat der Senat im Ergebnis folgen können.
1. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, indem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Senat hat im Urteil vom 28. Oktober 1971 (BAGE 23, 475 = AP Nr. 1 zu § 626 BGB Ausschlußfrist) entschieden, nur der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer seien grundsätzlich zur Kündigung berechtigt. Auf der hier allein interessierenden Arbeitgeberseite würden aber häufig mehrere natürliche Personen in Erscheinung treten, die für den Arbeitgeber handeln. Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und den zur Vertretung einer Personengesamtheit berufenen Personen gehörten zu den Kündigungsberechtigten auch diejenigen Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen habe. Die Kenntnis anderer Personen sei für den Beginn der Zweiwochenfrist grundsätzlich unbeachtlich, auch wenn ihnen Aufsichtsfunktionen übertragen seien. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck von § 626 Abs. 2 BGB: Dieser solle zwar innerhalb begrenzter Zeit Klarheit darüber schaffen, ob ein bestimmtes Ereignis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grunde führe oder nicht. Die zeitliche Begrenzung solle aber nicht zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben oder gar der Anlaß sein, daß ohne genügende Vorprüfung außerordentlich gekündigt werde. Ganz ausnahmsweise müsse der Arbeitgeber sich nur die Kenntnis solcher Personen zurechnen lassen, die eine herausgehobene Funktion im Betrieb hätten und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage seien, einen Sachverhalt, der Ansatzpunkte für eine außerordentliche Kündigung biete, so umfassend zu klären, daß mit seiner Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen seine Entscheidung treffen könnte, damit zugleich Denunzierungsversuchen durch unvollständige Berichte der Boden entzogen sei. Diese Voraussetzungen könnten nur bei einem Mitarbeiter gegeben sein, der eine ähnlich selbständige Stellung wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers habe. Damit hat der Senat, wie er in seiner Entscheidung vom 5. Mai 1977 (BAGE 29, 158 = AP Nr. 11 zu § 626 BGB Ausschlußfrist) ausgeführt hat, zur Lösung von Fällen beitragen wollen, in denen der Arbeitgeber seinen Betrieb so organisiert, daß hieraus eine Verzögerung des Fristbeginns entstehen kann, obwohl eine andere Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Zu denken sei etwa an die vor allem bei großen Unternehmen und Verwaltungen mögliche Gestaltung, daß der Leiter eines nachgeordneten Betriebs bzw. Betriebsteils oder einer nachgeordneten Dienststelle keine Personalbefugnisse, insbesondere nicht das Recht zur außerordentlichen Kündigung der ihm unterstellten Mitarbeiter habe. Das spezifische Organisationsrisiko dürfe dem Arbeitnehmer als dem Kündigungsempfänger nicht überbürdet werden.
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend mit dem Berufungsgericht anzunehmen, daß der Leiter der Außenrevision K nicht Kündigungsberechtigter ist. Aufgrund seiner Stellenbeschreibung gibt es hierfür nicht den geringsten Anhaltspunkt. Er ist auch nicht einem Kündigungsberechtigten gleichzustellen. Aufgrund seiner Stellenbeschreibung hat er als Leiter der Außenrevision die P r ü f u n g des V e r t r i e b e s auf Inventurdifferenzen, Qualität des wirtschaftlichen und reibungslosen Ablaufs des Waren-, Geld- und Belegflusses zwischen den Außenbereichen und der Zentrale zu planen und zu organisieren. Er hat die Durchführung der beschlossenen Revisionsmaßnahmen zu überprüfen. Bereits aus seiner Funktion, die Geschäfte anderer in vielfältiger Weise zu überprüfen, ergibt sich, daß er selbst nicht am aktiven Geschäft teilnimmt und Personalentscheidungen trifft. Die Revisionstätigkeit bringt es zwar mit sich, daß der Zeuge K und seine Mitarbeiter Sachverhalte feststellen, die Anlaß für eine außerordentliche Kündigung geben können. Er hat diesen Sachverhalt auch unverzüglich an die Personalabteilung weiterzuleiten. Dennoch ist seine Kenntnis nicht der eines Kündigungsberechtigten gleichzusetzen, weil die Entscheidung der Beklagten, ihren Betrieb durch eine Revision ständig überprüfen zu lassen, überhaupt erst die Voraussetzung dafür ist, daß die Kündigungsberechtigten von einem Kündigungssachverhalt erfahren. Die Einrichtung einer Revision führt also nicht zu einer Verzögerung des Fristbeginns, sondern nur dazu, daß die Beklagte überhaupt von kündigungsrelevanten Sachverhalten Kenntnis erlangt.
3. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, der Vertriebsleiter H sei nicht Kündigungsberechtigter.
a) Dem Vertriebsleiter sind unterstellt die Regionalverkaufsleiter, der Verkaufsleiter Gastronomie und Großverbrauch, die Assistenten der Vertriebsleitung und die Gruppenleiterin AS. Nach Ziffer 19 seiner Stellenbeschreibung entscheidet er über die Einstellung, Kündigung und Entlassung der ihm unterstellten Mitarbeiter unter Berücksichtigung der hierfür geltenden Richtlinien und Bestimmungen. Nach der e i n d e u t i g e n Formulierung der Stellenbeschreibung des Vertriebsleiters H ist er gegenüber dem Kläger schon deshalb nicht kündigungsberechtigt, weil dieser nicht zu den ihm unterstellten Personen gehört. Nach der Senatsentscheidung vom 28. Oktober 1971 (aaO) genügt die Kündigungsbefugnis gegenüber einer Gruppe von Arbeitnehmern dann nicht, wenn der zu Kündigende nicht zu dieser Gruppe gehört. Für diesen Fall hat nach den Ausführungen des Senats der Mitarbeiter gerade kein Kündigungsrecht.
b) Aber auch aus den Erwägungen, die das Berufungsgericht anstellt, ergibt sich, daß der Vertriebsleiter H gegenüber dem Kläger nicht kündigungsberechtigt gewesen ist. Nach Ziffer 19 seiner Stellenbeschreibung hat er nur unter Berücksichtigung der hierfür geltenden R i c h t l i n i e n und B e s t i m m u n g e n entscheiden dürfen. Wie das Landesarbeitsgericht richtig gesehen hat, sind die Personalbefugnisse des Zeugen H weder ausschließlich noch letztentscheidend gewesen.
c) Zuständig für Disziplinarmaßnahmen und Kündigungen war der Leiter der Hauptabteilung "Personaladministration" G. Nach Ziffer 12 seiner Stellenbeschreibung entscheidet er in Abstimmung mit dem jeweiligen Disziplinarvorgesetzten über durchzuführende Disziplinarmaßnahmen. Nach Ziffer 13 entscheidet er in Abstimmung mit den Fachbereichen über die Vorgehensweise bei beabsichtigten T r e n n u n g e n von Mitarbeitern. Wird mit den Fachbereichen eine Einigung nicht erzielt, holt er die Entscheidung der Geschäftsführung ein. Dem entspricht der Auszug aus dem Personalhandbuch, nachdem bei einem Anlaß, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt und die sofortige Entfernung aus dem Betrieb erfordert, der Vorgesetzte den betreffenden Mitarbeiter ohne Fortzahlung der Bezüge beurlauben kann, mit dem Hinweis, daß die außerordentliche Kündigung eingeleitet wird. Der Vorfall und die Tatsache der Beurlaubung sind dem Leiter der Hauptabteilung "Personaladministration" schriftlich mitzuteilen. Dieser hat dann nach Eingang der Mitteilung das Kündigungsverfahren einzuleiten. Nach der Organisation der Beklagten wird also zwischen vorläufigen Maßnahmen und der Einleitung des Kündigungsverfahrens unterschieden. Während der Vertriebsleiter im vorliegenden Falle für die Beurlaubung zuständig gewesen ist, hatte der Leiter der Hauptabteilung "Personaladministration" die ausschließliche Kompetenz zur Einleitung des Kündigungsverfahrens. Er und nicht der Vertriebsleiter H war Kündigungsberechtigter.
d) Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsfehler angenommen, daß eine Kündigungsberechtigung des Vertriebsleiters H auch nicht aus dem Gedanken der Anscheinsvollmacht zu entnehmen ist. Das Institut der Anscheinsvollmacht beruht auf dem Gedanken, derjenige, der zwar nicht weiß, bei pflichtgemäßer Sorgfalt aber hätte erkennen und verhindern können, daß ein anderer, der hierzu nicht bevollmächtigt war, als sein Vertreter auftritt, hätte sich im Interesse der Rechtssicherheit nicht auf den Mangel der Vollmacht berufen können, wenn der Geschäftspartner nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte hat annehmen dürfen, der Vertretene kenne und dulde das Auftreten des für ihn Handelnden (RGZ 170, 284; BGHZ 5, 111, 116; 17, 13, 18; RGRK--Steffen, BGB, 12. Aufl., § 167 Rz 12). Vorliegend hat der Vertriebsleiter für die Beklagte gehandelt. Er hat jedoch keine Kündigung ausgesprochen, sondern den Kläger vorläufig beurlaubt. Dadurch hat kein schutzwürdiger Rechtsschein dafür entstehen können, daß der Vertriebsleiter zur Kündigung des Klägers berechtigt gewesen ist.
e) Aus der Stellenbeschreibung des Vertriebsleiters H ,dem Auszug aus dem Personalhandbuch und seinem Verhalten ergibt sich allerdings, daß der Vertriebsleiter H zu denjenigen Vorgesetzten gehörte, die keine Kündigungsberechtigung hatten, aber eine ähnlich selbständige Stellung wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter und nicht nur zur Meldung, sondern auch zur Feststellung der für eine außerordentliche Kündigung maßgebenden Tatsachen verpflichtet war (BAGE 23, 475; 29, 158; 47, 307 = AP Nr. 1, 11 und 19 zu § 626 BGB Ausschlußfrist sowie BAGE 46, 386 = AP Nr. 1 zu § 28 BGB; KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 251; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rz 359; Derleder, AK-BGB, § 626 Rz 13). Das Landesarbeitsgericht hat aber gleichwohl zu Recht entschieden, daß die Beklagte sich die Kenntnis des Vertriebsleiters H nicht anrechnen lassen muß.
Wie der Senat in der Entscheidung vom 5. Mai 1977 (aaO) noch einmal klargestellt hat, hat er mit dem im Urteil vom 28. Oktober 1971 (aaO) aufgestellten Rechtssatz nur zur Lösung von Fällen beitragen wollen, in denen der Arbeitgeber seinen Betrieb so organisiert, daß hieraus eine Verzögerung des Fristbeginns entstehen kann, obwohl eine andere Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Wie aber Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt haben, kann im vorliegenden Fall von einer von der Beklagten zu vertretenden Hemmung des Informationsflusses keine Rede sein, denn zwischen dem Personalgespräch zwischen dem Kläger und dem Vertriebsleiter H am 7. Februar 1986 und der Information des Leiters der Personaladministration lag außer dem Wochenende des 8./9. Februar 1986 nur ein einziger Arbeitstag, um den sich die Vorbereitung der Kündigung verzögerte. Da sich durch diese Organisation der Ausspruch der Kündigung allenfalls ganz unwesentlich verzögerte, wird vorliegend kein überflüssiges Organisationsrisiko auf den Kläger abgewälzt (BAG Urteil vom 7. September 1983 - 7 AZR 196/82 - n.v.). Hätte der Vertriebsleiter H in Dortmund die Kündigungsberechtigung gehabt, hätte er frühestens am Freitag, dem 7. Februar 1986, das Anhörungsverfahren des zuständigen Betriebsrats in B einleiten können. Das Anhörungsschreiben hätte diesen frühestens am Montag, dem 10. Februar 1986, erreicht. Bei Ausschöpfung der dreitägigen Frist zur Stellungnahme hätte der Vertriebsleiter H auch nicht vor dem 14. Februar 1986 die Kündigung aussprechen können. Am 14. Februar 1986 hat aber auch die Personalleitung in B vorliegend das Kündigungsschreiben gefertigt, nachdem am 13. Februar der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zugestimmt hatte. War die denkbare Verzögerung aber unerheblich und die Organisation nicht unsachgemäß, kann der Kläger sich nicht auf einen Organisationsfehler berufen. Dementsprechend begann die Ausschlußfrist nicht am 7., sondern am 11. Februar 1986.
4. Soweit der Kläger rügt, aufgrund seiner Stellenbeschreibung vom 23. Januar 1985 sei er dem Bezirksverkaufsleiter W unterstellt gewesen, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil der Bezirksverkaufsleiter W wiederum dem Vertriebsleiter H untersteht und vom Kläger nicht vorgetragen worden ist, der Bezirksverkaufsleiter habe im Gegensatz zu dem ihm überstellten Vertriebsleiter eine Kündigungsbefugnis. Es kann unterstellt werden, daß auch der Bezirksverkaufsleiter W verpflichtet gewesen ist, einen Kündigungssachverhalt festzustellen. Ein Organisationsfehler, der zu einer erheblich verzögerten Kenntnisnahme des Kündigungsberechtigten geführt hätte, ist aber auch hier nicht festzustellen, weil der Bezirksverkaufsleiter am 7. Februar 1986 ebenso wie der Vertriebsleiter H vom Kündigungssachverhalt Kenntnis erlangt hat und der Kündigungsberechtigte aufgrund dieses Sachverhalts bereits am 11. Februar 1986 das Anhörungsverfahren eingeleitet hat.
III. Das Landesarbeitsgericht, das insofern auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen hat, hat auch ohne Rechtsfehler angenommen, die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei rechtswirksam.
1. Die Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht nicht uneingeschränkt nachgeprüft werden. Die Überprüfung beschränkt sich darauf, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes verkannt oder unrichtig angewendet hat. Das Revisionsgericht kann insoweit nur nachprüfen, ob ein bestimmter Vorgang für sich genommen überhaupt geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB zu bilden, und ob das Berufungsgericht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen bedacht und abgewogen hat (ständige Rechtsprechung: BAGE 2, 207, 212 = AP Nr. 5 zu § 626 BGB; BAGE 24, 401, 407 = AP Nr. 65 zu § 626 BGB; BAGE 41, 150, 158 = AP Nr. 73 zu § 626 BGB). Diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts entgegen der Auffassung der Revision stand.
2. Das Landesarbeitsgericht hat durch Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts ohne Rechtsfehler angenommen, der Kläger habe sich in einer besonderen Vertrauensposition befunden. Ein Außendienstmitarbeiter, der Inkassovollmacht hat, und nicht beaufsichtigt werden kann, hat insofern eine Vertrauensstellung, als sein Arbeitgeber auf die Ehrlichkeit des Arbeitnehmers bei der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Aufgaben angewiesen ist. Dieses Vertrauen, das die Beklagte dem Kläger entgegenbrachte, hat dieser unstreitig gründlich mißbraucht, indem er in mindestens sechs Fällen Kaufverträge mit anderen Personen über das Konto eines Kunden abgewickelt hat, dem ein Vorzugsrabatt eingeräumt war. Zur Täuschung der Beklagten hat er die Unterschrift dieses Vorzugskunden gefälscht und zumindest einen Teil des Rabatts für sich behalten. Damit hat der Kläger seinen Arbeitsvertrag im Vertrauensbereich verletzt. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht war darin beizupflichten, daß ein solches Verhalten die erforderliche Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien auf Dauer zerstört und deswegen - auch ohne vorhergehende Abmahnung - für eine außerordentliche Kündigung geeignet ist (BAGE 26, 116 = AP Nr. 1 zu § 626 BGB Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat; KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 99; Soergel/-Kraft, BGB, 11. Aufl., § 626 Rz 8; Stahlhacke, aaO, Rz 233, alle m.w.N.). Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, wenn sie zur Entlastung anführen will, in Zukunft könne ein entsprechendes Verhalten durch Überwachung des Klägers ausgeschlossen werden. Gerade eine solche Überwachung ist bei einem Außendienstmitarbeiter nur in sehr beschränktem Maße möglich. Der Arbeitgeber muß sich deshalb darauf verlassen können, daß der Außendienstmitarbeiter ehrlich ist.
Das Arbeitsgericht, auf das das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, hat auch alle wesentlichen Gesichtspunkte bei der Interessenabwägung berücksichtigt. Es hat insbesondere geprüft, ob der Kläger an einem anderen Arbeitsplatz habe eingesetzt werden können, bei dem es des verloren gegangenen Vertrauens nicht bedurft hätte. Es hat zu Recht ausgeführt, daß für eine solche Möglichkeit jeder Anhaltspunkt fehle. Der Kläger selbst hat keinen freien Arbeitsplatz genannt, bei dem ein derartiger Einsatz durch die Beklagte möglich gewesen wäre. Dementsprechend war die Revision zurückzuweisen.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Hillebrecht Dr. Weller Ascheid
Thieß Binzek
Fundstellen