Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung von Bereitschaftsdienst
Orientierungssatz
- § 14 Abs. 2 Buchst. c DRK-TV regelt die Anwesenheit an der Arbeitsstelle nicht abschließend, sondern nur für den Fall, dass der Arbeitnehmer in der Lage ist, von sich aus im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, weil er erlaubtermaßen schläft, kann er die Arbeit nur aufnehmen, nachdem er angewiesen wurde, tätig zu werden. In diesem Fall verrichtet er Bereitschaftsdienst nach § 14 Abs. 5 DRK-TV.
- Die Tarifvertragsparteien dürfen Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen. So wie Tarifverträge anerkanntermaßen für besondere Belastungen wie Akkord-, Nacht- oder Schichtarbeit bzw. die Arbeit an Sonn- und Feiertagen einen höheren Verdienst vorsehen, können sie bestimmen, dass Zeiten geringerer Inanspruchnahme der Arbeitsleistung zu einer niedrigeren Vergütung führen. Dies ist sachgerecht; ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt hierin nicht. Weitergehende gesetzliche Ansprüche bestehen nicht.
Normenkette
BGB §§ 612, 812, 823 Abs. 2; Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993; Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes § 14
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Vergütung von Bereitschaftsdienst.
Die elf Kläger sind bei dem beklagten Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes in verschiedenen Rettungswachen als Rettungsassistenten/Rettungssanitäter beschäftigt. Der Beklagte führt nach Maßgabe des Hessischen Rettungsdienstgesetzes (HRDG) vom 24. November 1998 (GVBl. I S. 499) die Notfallversorgung und den Krankentransport in seinem Kreisgebiet durch.
Auf die Arbeitsverhältnisse findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) Anwendung. § 14 DRK-TV lautet wie folgt:
“§ 14 Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38 ½ Stunden wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist in der Regel ein Zeitraum von 26 Wochen zugrunde zulegen.
Bei Mitarbeitern, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, kann ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.
(2) Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden *)
a) bis zu zehn Stunden täglich (durchschnittlich 49 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens zwei Stunden täglich fällt,
b) bis zu elf Stunden täglich (durchschnittlich 54 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich fällt,
c) bis zu zwölf Stunden täglich (durchschnittlich 60 Stunden wöchentlich), wenn der Mitarbeiter lediglich an der Arbeitsstelle anwesend sein muß, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten.
…
(5) Der Mitarbeiter ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.
Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit entsprechend dem Anteil der erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Zeit der Arbeitsleistung als Arbeitszeit gewertet und mit der Überstundenvergütung (§ 39 Abs. 3 Unterabs. 2) vergütet. Die Bewertung darf 15 , vom achten Bereitschaftsdienst im Kalendermonat an 25 nicht unterschreiten.
Die danach errechnete Arbeitszeit kann statt dessen bis zum Ende des dritten Kalendermonats auch durch entsprechende Freizeit abgegolten werden (Freizeitausgleich). Für den Freizeitausgleich ist eine angefangene halbe Stunde, die sich bei der Berechnung ergeben hat, auf eine halbe Stunde aufzurunden. Für die Zeit des Freizeitausgleichs werden die Vergütung (§ 25) und die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt.
…
(6) Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle, bei wechselnden Arbeitsstellen an der jeweils vorgeschriebenen Arbeitsstelle*) oder am Sammelplatz.
…
*) Anmerkung zu § 14 Abs. 2:
Im Geltungsbereich der Anlage 2 für die Mitarbeiter im Rettungsdienst und Krankentransport ist die Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 DRK-Tarifvertrag zu berücksichtigen.
…”
“ Anlage 2
§ 1 Geltungsbereich
Für Mitarbeiter im Rettungsdienst und Krankentransport gelten die Arbeitsbedingungen nach diesem Tarifvertrag, soweit in dieser Sonderregelung nichts anderes bestimmt ist.
§ 2 Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft
§ 3 der Sonderregelung (Anlage 1) wird entsprechend angewandt.
…
Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2:
Die Möglichkeit zur Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 14 Abs. 2 DRK-Tarifvertrag wird wie folgt eingeschränkt:
…
Ab 1. Januar 1993:
§ 14 Abs. 2a: Von 47 Stunden/Woche auf 45 Stunden/Woche.
§ 14 Abs. 2b: Von 51 Stunden/Woche auf 49 Stunden/Woche.
§ 14 Abs. 2c: Von 56,5 Stunden/Woche auf 54 Stunden/Woche.
…”
“ Anlage 1
…
§ 3 Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft
A. (1) Für Mitarbeiter im Pflegedienst, die unter die Anlage 10b fallen, Mitarbeiter im medizinisch-technischen Dienst (z. B. medizinisch-technische Laboratoriumsassistenten, medizinisch-technische Radiologieassistenten, Arzthelferinnen, medizinisch-technische Gehilfen) und Mitarbeiter im pharmazeutischtechnischen Dienst (z. B. pharmazeutisch-technische Assistenten, Apothekenhelfer) gilt § 14 Abs. 5 und 5a mit den Maßgaben der Abs. 2 bis 6.
(2) a) Der Bereitschaftsdienst wird
bei einer Arbeitsleistung von 0 % bis 10 % zu 15 % Stufe A
bei einer Arbeitsleistung von mehr als 10 % bis 25 % zu 25 % Stufe B
bei einer Arbeitsleistung von mehr als 25 % bis 40 % zu 40 % Stufe C
bei einer Arbeitsleistung von mehr als 40 % bis 49 % zu 55 % Stufe D
als Arbeitszeit gewertet.
Ein hiernach der Stufe A zugeordneter Bereitschaftsdienst wird der Stufe B zugeteilt, wenn der Mitarbeiter während des Bereitschaftsdienstes in der Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr erfahrungsgemäß durchschnittlich mehr als dreimal, jedoch mindestens insgesamt zwei Stunden dienstlich in Anspruch genommen wird. Die Zuordnung zu einer Stufe des Bereitschaftsdienstes erfolgt jeweils für einen Zeitraum von sechs Monaten.
b) Entsprechend der Zahl der vom Mitarbeiter je Kalendermonat abgeleisteten Bereitschaftsdienste wird die Zeit eines jeden Bereitschaftsdienstes zusätzlich wie folgt als Arbeitszeit bewertet:
Zahl der Bereitschaftsdienste im Kalendermonat |
Bewertung als Arbeitszeit |
1. bis 8. Bereitschaftsdienst |
25 % |
9. bis 12. Bereitschaftsdienst |
35 % |
13. und folgende Bereitschaftsdienste |
45 % |
…”
Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Kläger betrug 49 Stunden. Nach den Dienstplänen werden die Tagdienste der Kläger als Arbeitsbereitschaft gewertet. Entsprechend dem Verhältnis von 38,5 Wochenstunden zu 49 Wochenstunden wird eine im Tagdienst geleistete Stunde mit einem Umrechnungsfaktor von 0,786 (38,5/49) vergütet. Für einen von 7.00 bis 17.00 Uhr geleisteten Tagdienst erhalten die Kläger demzufolge 7,86 Stunden bezahlt.
Der Beklagte bewertet den Wochenenddienst von Samstag 7.00 Uhr bis Sonntag 7.00 Uhr bzw. Sonntag 7.00 Uhr bis Montag 7.00 Uhr unter Berücksichtigung der Zahl der geleisteten Dienste als Bereitschaftsdienst der Stufe B mit einer Arbeitszeit von 50 %. Der Nachtdienst in der Rettungswache W… wird, wenn er von einem der Kläger mit einem Notarzt in der Zeit von 17.00 Uhr bis 7.00 Uhr durchgeführt wird, gleichfalls als Bereitschaftsdienst mit 50 % Arbeitszeit bewertet. Den Nachtdienst in der Rettungswache B… von 17.00 Uhr bis 7.00 Uhr behandelt der Beklagte in der Zeit von 17.00 Uhr bis 5.00 Uhr als Arbeitsbereitschaft und in der Zeit von 5.00 Uhr bis 7.00 Uhr als Bereitschaftsdienst mit einer Arbeitszeit von 50 %.
Während des Bereitschaftsdienstes halten sich die Kläger in der jeweiligen Rettungswache auf. Dort befinden sich auch Schlafgelegenheiten, die von den Klägern genutzt werden können. Die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt während des Bereitschaftsdienstes. Im Einsatzfall werden die Kläger in der Rettungswache während des Bereitschaftsdienstes von der zentralen Leitstelle, die vom Landkreis betrieben wird, alarmiert. Die Kläger haben dann mit den Einsatzfahrzeugen unverzüglich auszurücken. Nach Beendigung des Einsatzes kehren die Kläger in die Rettungswache zurück und machen das Einsatzfahrzeug wieder einsatzbereit.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die vom Beklagten als Bereitschaftsdienst behandelte Dienstzeit sei insgesamt Arbeitszeit und als solche zu vergüten. Die Kläger müssten sofort und ohne jede weitere Vorbereitung im Einsatzfall ihre Arbeit aufnehmen und ausrücken. Auch wenn es ihnen nicht verboten sei zu schlafen, träte doch keine vollkommene Ruhe und Entspannung ein, da sie jederzeit mit einem Einsatzbefehl zu rechnen hätten.
Die Kläger haben sinngemäß beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger in Teilbeträgen insgesamt 33.267,80 Euro brutto nebst 4 % Zinsen aus dem jeweiligen Nettobetrag seit dem 14. Juli 2000 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung ver treten, während des Bereitschaftsdienstes falle sehr viel weniger Arbeit als sonst an. Es gebe weniger Einsätze. Routinearbeiten wie Reinigungsarbeiten entfielen in dieser Zeit. Die Kläger seien daher während des Bereitschaftsdienstes frei, ihre Zeit zu gestalten.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Zahlungsansprüche weiter. Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Für die von den Klägern geltend gemachten Entgeltforderungen besteht keine Anspruchsgrundlage. Die Ansprüche folgen insbesondere nicht aus dem DRK-TV (III 1 der Gründe), der Arbeitszeit-Richtlinie 93/104/EG des Rates (III 2 der Gründe), dem ArbZG (III 3 der Gründe), § 612 BGB (III 4 und 5 der Gründe), § 823 Abs. 2 BGB (III 6 der Gründe) oder § 812 Abs. 1 BGB (III 7 der Gründe), denn die Bewertung der streitigen Dienstzeiten der Kläger als Bereitschaftsdienst iSv. § 14 Abs. 5 DRK-TV ist nicht zu beanstanden.
- Nach dem kraft beiderseitiger Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die Arbeitsverhältnisse anwendbaren § 14 Abs. 5 DRK-TV ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitzeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.
1. Der Beklagte durfte Bereitschaftsdienst anordnen, weil während dieser Zeiten die Zeit ohne Arbeitsleistung überwog.
2. Bei den von den Klägern geleisteten Wochenenddiensten, den mit dem Notarzt gemeinsam geleisteten Nachtdiensten sowie dem in Anschluss an den Nachtdienst für die Dauer von zwei Stunden angeordneten Bereitschaftsdienst von 5.00 Uhr bis 7.00 Uhr handelt es sich um Bereitschaftsdienst iSv. § 14 Abs. 5 Satz 1 DRK-TV und nicht um verlängerte Arbeitszeit gemäß § 14 Abs. 2 Buchst. c DRK-TV.
a) Nach der Rechtsprechung des Dritten und Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts zu diesen Tarifvorschriften sind an den Bereitschaftsdienst geringere Anforderungen als an die Arbeitsbereitschaft zu stellen (30. Januar 1996 – 3 AZR 1030/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: DRK Nr. 5 = EzA TVG § 4 Rotes Kreuz Nr. 2; 22. November 2000 – 4 AZR 612/99 – BAGE 96, 284). Der Bereitschaftsdienst als solcher zähle zur Ruhezeit. Er sei nur eine Aufenthaltsbeschränkung verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden. Eine wache Achtsamkeit werde nicht verlangt. Der Arbeitnehmer könne ruhen oder sich anderweitig beschäftigen. Er müsse nicht von sich aus tätig werden, sondern nur auf Anweisung. Nach § 14 Abs. 5 Satz 1 DRK-TV liege dementsprechend Bereitschaftsdienst vor, wenn sich der Arbeitnehmer an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten müsse, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Demgegenüber verlange § 14 Abs. 2 Buchst. c DRK-TV, dass der Arbeitnehmer an der Arbeitsstelle anwesend sei, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten. Darin liege nicht nur eine stärkere Beschränkung des Aufenthaltsortes, sondern auch mehr Initiative der Arbeitnehmer beim Tätigwerden. Die Arbeitnehmer müssten nicht nur im Bedarfsfall vorkommende Arbeit auf Anforderung des Arbeitgebers “aufnehmen”, sondern von sich aus diese Arbeiten “verrichten”. Die unterschiedliche Wortwahl in beiden Absätzen derselben Vorschrift deute auf einen unterschiedlichen Regelungsgehalt hin. Weiter sei zu berücksichtigen, dass während des Bereitschaftsdienstes die Möglichkeit bestehe zu schlafen.
b) Dieser Tarifauslegung ist beizutreten. Die Angriffe der Revision greifen nicht durch. Die Kläger übersehen, dass § 14 Abs. 2 Buchst. c DRK-TV die Anwesenheit an der Arbeitsstelle nicht abschließend regelt, sondern nur für den Fall, dass der Arbeitnehmer in der Lage ist, von sich aus im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, weil er erlaubtermaßen schläft, kann er die Arbeit nur aufnehmen, nachdem er angewiesen wurde, tätig zu werden. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die “vom Arbeitgeber bestimmte Stelle” iSd. § 14 Abs. 5 DRK-TV auch nicht zwingend eine andere als die Arbeitsstelle iSd. § 14 Abs. 2 Buchst. c DRK-TV. Die vom Arbeitgeber bestimmte Stelle kann auch die Arbeitsstelle des Mitarbeiters sein (BAG 22. November 2000 – 4 AZR 612/99 – BAGE 96, 284).
- In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze sind die zwischen den Parteien allein streitigen Bereitschaftsdienstzeiten in den Dienstplänen des Beklagten § 14 Abs. 5 DRK-TV zuzuordnen. Die Kläger sind während des Bereitschaftsdienstes verpflichtet, sich in der Rettungswache aufzuhalten und tätig zu werden, wenn sie von der zentralen Leitstelle alarmiert werden. Sie haben in dieser Zeit Gelegenheit zu schlafen. Dem Vorbringen der Prozessparteien ist nicht zu entnehmen, dass die verschiedenen von den Klägern ausgeübten Bereitschaftsdienste unterschiedlich behandelt werden. Während des vereinbarten Bereitschaftsdienstes nehmen die Arbeitnehmer daher im Bedarfsfall auf Anforderung die Arbeit auf und verrichten sie nicht von selbst. Dass die Aufforderung zum Tätigwerden nicht vom Arbeitgeber, dh. von dem Beklagten kommt, sondern durch die zentrale Leitstelle erfolgt, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, dass während des zwischen den Parteien vereinbarten Bereitschaftsdienstes die Initiative zum Tätigwerden nicht vom Arbeitnehmer selbst ausgeht.
Ob durch den geleisteten Bereitschaftsdienst unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zum Begriff der Arbeitszeit iSd. Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 (dazu EuGH 9. September 2003 – C-151/02 – [Landeshauptstadt Kiel ./. Jäger] EzA ArbZG § 7 Nr. 5; 3. Oktober 2000 – C-303/98 – [SIMAP] AP EWG-Richtlinie Nr. 93/104 Nr. 2 = EzA ArbZG § 7 Nr. 1) die Arbeitszeitgrenzen des § 14 Abs. 2 DRK-TV überschritten wurden und ob hierdurch das nach Auffassung der Kläger richtlinienkonform auszulegende ArbZG verletzt wurde, kann ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob der Arbeitszeit-Richtlinie unmittelbare Wirkung zwischen Privaten zukommt (dazu ablehnend EuGH 14. Juli 1994 – C-91/92 – [Faccini Dori] EuGHE I 1994, 3325, 3347; BAG 18. Februar 2003 – 1 ABR 2/02 – AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 12 = EzA ArbZG § 7 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – DB 2004, 138, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Keiner weiteren Erörterung bedarf weiterhin die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Beklagte eine staatliche Einrichtung iSd. Rechtsprechung des EuGH ist und deshalb die Richtlinie anzuwenden ist (dazu insbes. EuGH 12. Juli 1990 – C-188/89 – [Foster] EuGHE I 1990, 3313). Selbst wenn zugunsten der Kläger unterstellt wird, der DRK-TV verstoße in Bezug auf die arbeitszeitrechtliche Regelung des Bereitschaftsdienstes gegen die Arbeitszeit-Richtlinie, weil er ebenso wie das ArbZG in seiner bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung den Bereitschaftsdienst abweichend von der Rechtsprechung des EuGH (9. September 2003 – C-151/02 – [Landeshauptstadt Kiel ./. Jäger] aaO; 3. Oktober 2000 – C-303/98 – [SIMAP] aaO) nicht insgesamt als Arbeitszeit bewerte, und weiter gehend zugunsten der Kläger angenommen wird, dieser Verstoß führe zu einer unmittelbaren Geltung der Richtlinie zwischen den Prozessparteien (ablehnend für das DRK in Baden-Württemberg BAG 18. Februar 2003 – 1 ABR 2/02 – aaO; eben- so 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – aaO; vgl. ferner Wurmnest EuZW 2003, 511, 512; Körner NJW 2003, 3606, 3608; Rapatinski RdA 2003, 328, 339), steht den Klägern die verlangte Arbeitsvergütung nicht zu. Die so zugunsten der Kläger unterstellte teilweise Unanwendbarkeit von Arbeitszeit regelnden Bestimmungen des Tarifvertrags ließe die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Vergütung von Bereitschaftsdiensten unberührt. Die Kläger hätten dann zwar mehr Arbeit geleistet, als sie zu leisten verpflichtet waren. Für diese Arbeit haben sie jedoch das tarifliche Arbeitsentgelt erhalten. Der Beklagte hat den Bereitschaftsdienst mit 50 % des regulären Arbeitsverdienstes vergütet. Weiter gehende Ansprüche bestehen nicht.
1. Die Kläger haben keinen tarifvertraglichen Anspruch auf weitere Vergütung der von ihnen über 48 Stunden hinaus erbrachten Arbeitsleistungen. Der von den Klägern geleistete Bereitschaftsdienst ist keine volle Arbeitsleistung, sondern eine Aufenthaltsbeschränkung, die mit der Verpflichtung verbunden ist, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden (BAG 27. Februar 1985 – 7 AZR 552/82 – AP BAT § 17 Nr. 12, zu II 2a der Gründe mwN). Damit unterscheidet sich dieser Dienst seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die vom Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt. Dieser qualitative Unterschied rechtfertigt es, für den Bereitschaftsdienst eine andere Vergütung vorzusehen als für die Vollarbeit. Die Tarifvertragsparteien dürfen deshalb Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen. So wie Tarifverträge anerkanntermaßen für besondere Belastungen wie Akkord-, Nacht- oder Schichtarbeit bzw. die Arbeit an Sonn- und Feiertagen einen höheren Verdienst vorsehen, können sie bestimmen, dass Zeiten geringerer Inanspruchnahme der Arbeitsleistung zu einer niedrigeren Vergütung führen. Dies ist sachgerecht; ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt hierin nicht (BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – DB 2004, 138, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2b der Gründe). Der DRK-TV unterscheidet vergütungsrechtlich zwischen der Vergütung von Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst. In § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 DRK-TV ist die Vergütung von Bereitschaftsdienst geregelt. Die sich hieraus ergebenden Vergütungsansprüche hat der Beklagte erfüllt. Dass die tarifliche Vergütung für geleisteten Bereitschaftsdienst insgesamt niedriger ist als das Entgelt für volle Arbeitszeit, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Die Arbeitszeit-Richtlinie sieht bei Verstößen gegen ihre Regelungen keine finanziellen Ansprüche vor. Sie betrifft nur den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz (BAG 24. Oktober 2000 – 9 AZR 634/99 – AP BUrlG § 11 Nr. 50 = EzA BUrlG § 11 Nr. 48, zu II 2d der Gründe; 22. November 2000 – 4 AZR 612/99 – BAGE 96, 284, 291 f.; 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – aaO, zu B II 2a der Gründe). Nach ihrem Art. 1 Abs. 2 hat sie zum Gegenstand die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, den Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen, die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie bestimmte Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus. Zur Frage der Vergütung von Arbeitszeit enthält die Richtlinie dagegen keine Bestimmungen. Allein in Art. 7 ist vom “bezahlten” Mindestjahresurlaub die Rede. Dies ist folgerichtig. Nach ihren Erwägungsgründen (Abs. 1) stützt sich die Arbeitszeit-Richtlinie auf Art. 118a EG. Diese Vorschrift berechtigt den Rat, durch Richtlinien Mindestvorschriften festzulegen, die die Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt fördern, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer verstärkt zu schützen. Es geht darum, unter welchen Umständen die Arbeit erbracht wird. Mindestvorschriften über die Vergütungspflicht sind in Art. 118a EG nicht vorgesehen. Im EG-Vertrag ist auch keine entsprechende Primärkompetenz der Gemeinschaft angelegt (BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – aaO).
3. Dem Arbeitszeitgesetz lässt sich ebenfalls keine Anspruchsgrundlage für Vergütungsansprüche entnehmen. Wie die Arbeitszeit-Richtlinie hat es den öffentlichrechtlichen Arbeitsschutz zum Gegenstand. Der Gesetzgeber hat mit diesem Gesetz den ihm durch Art. 30 Abs. 1 Nr. 1 des Einigungsvertrags erteilten Auftrag erfüllt, das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht einheitlich neu zu kodifizieren. Ferner hatte er den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts aus den Entscheidungen zum Hausarbeitstagsgesetz (13. November 1979 – 1 BvR 631/78 – BVerfGE 52, 369) und zum Nachtarbeitsverbot für Arbeitnehmerinnen (28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 ua. – BVerfGE 85, 191 = AP AZO § 19 Nr. 2 = EzA AZO § 19 Nr. 5) nachzukommen. Der europarechtliche Regelungsauftrag für den Gesetzgeber ergab sich insbesondere aus den Artikeln 3 bis 13 der Arbeitszeit-Richtlinie. Danach beschränkt sich das ArbZG auf den öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutz. Nach § 1 ArbZG besteht der Gesetzeszweck darin, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern sowie den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen. Allein § 6 Abs. 5 ArbZG regelt – alternativ – eine Vergütungsfrage. Danach hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen.
Die rechtswidrige Anordnung von Bereitschaftsdienst hat nicht zur Folge, dass die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich wie reguläre Arbeit zu behandeln ist. Bereitschaftsdienst, den der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen und den der Arbeitnehmer dennoch leistet, bleibt Bereitschaftsdienst und wird nicht etwa von selbst zu voller Arbeitsleistung mit einem entsprechenden Vergütungsanspruch (BAG 27. Februar 1985 – 7 AZR 552/82 – AP BAT § 17 Nr. 12, zu II 2b der Gründe; 4. August 1988 – 6 AZR 48/86 – ZTR 1989, 147; 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – DB 2004, 138, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2b der Gründe). Der Arbeitnehmer kann die Leistung von gesetzwidrigen wie von vertragswidrigen Bereitschaftsdiensten verweigern und ggf. einen Annahmeverzug des Arbeitgebers herbeiführen. Als Sanktionen kommen die Strafund Bußgeldvorschriften der §§ 22 f. ArbZG in Betracht; hinzuweisen ist schließlich auf die Durchführungsbestimmungen der §§ 16 f. ArbZG. Deshalb ist die von den Klägern begehrte Vergütung auch nicht zur Durchsetzung des Arbeitszeitrechts erforderlich.
4. Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 612 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Das betrifft Fälle, in denen weder durch Gesetz, Tarifvertrag oder einzelvertragliche Vereinbarung noch auf sonstiger Grundlage eine Vergütung festgelegt ist. § 612 Abs. 1 BGB greift auch dann ein, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus eine Sonderleistung erbracht wird, die durch die vereinbarte Vergütung nicht abgegolten ist und weder einzelvertraglich noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind (Senat 29. Januar 2003 – 5 AZR 703/01 – AP BGB § 612 Nr. 66, zu I 1 der Gründe; BAG 21. März 2002 – 6 AZR 456/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Nr. 17 = EzA TVG § 4 Musiker Nr. 2, zu I 1 der Gründe). Der DRK-TV enthält in § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 eine Vergütungsregelung für Bereitschaftsdienst. Ein Rückgriff auf § 612 Abs. 1 BGB scheidet somit aus.
5. Der Anspruch folgt auch nicht aus § 612 Abs. 2 BGB. Hiernach ist in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Diese Vorschrift ist auch anwendbar, wenn die Vergütungsvereinbarung unwirksam ist (BAG 28. September 1994 – 4 AZR 619/93 – AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 38 = EzA BGB § 612 Nr. 17, zu B I der Gründe). Die tarifvertragliche Vergütungsregelung zum Bereitschaftsdienst ist jedoch nicht unwirksam. Hat die Ableistung der Bereitschaftsdienste gegen öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorschriften verstoßen und waren die zugrunde liegenden Anordnungen gem. § 134 BGB nichtig, führt dies nicht zur Unanwendbarkeit der Tarifbestimmung. Die einschlägigen Verbotsvorschriften dienen allein dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Sie sollen vor einer die Gesundheit gefährdenden Überbeanspruchung bewahren. Eine angemessene Vergütung der Arbeit wollen sie dagegen nicht sicherstellen.
6. Den Klägern steht kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 3, Art. 6 Nr. 2 Arbeitszeit-Richtlinie oder § 5 Abs. 1 ArbZG zu. Dabei kann offen bleiben, ob die Bestimmungen der Arbeitszeit-Richtlinie Schutzgesetze iSv. § 823 Abs. 2 BGB darstellen (ablehnend BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – DB 2004, 138, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Einem Schadensersatzanspruch steht entgegen, dass den Klägern ein ersatzfähiger Schaden nicht entstanden ist. Die Nichtgewährung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten führt zu einem Verlust an Freizeit. Dieser Verlust stellt als solcher keinen Schaden iSd. §§ 249 ff. BGB dar (BAG 24. August 1967 – 5 AZR 59/67 – BAGE 20, 48, 52; 28. September 1972 – 5 AZR 198/72 – AP AZO § 12 Nr. 9 = EzA AZO § 12 Nr. 1, zu 3a der Gründe; BGH 22. November 1988 – VI ZR 126/88 – BGHZ 106, 28, 32; 13. Juli 1993 – III ZR 116/92 – BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Notfalldienst 2; MünchKommBGB/Oetker Bd. 2a § 249 Rn. 87 ff.). Die Kläger haben einen wirtschaftlichen Verlust durch die Nichtgewährung von Ruhezeiten nicht geltend gemacht. Ihnen ist kein höherer Anspruch entgangen. Zu einer möglichen Gesundheitsbeeinträchtigung haben sie nichts vorgetragen. Die bloße Gefahr eines Schadenseintritts löst keinen Schadensersatzanspruch aus.
7. Ein Anspruch der Kläger ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 BGB. Unterstellt man, der Beklagte sei durch die Erbringung unzulässiger Bereitschaftsdienste ungerechtfertigt bereichert worden, schuldet er nur Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB, da ihm die Herausgabe der Bereitschaftsdienstleistungen der Kläger nicht möglich ist. Der Umfang des Wertersatzanspruchs bestimmt sich bei Arbeitsleistungen nach der dafür üblichen Vergütung oder mangels einer solchen nach der angemessenen Vergütung (BAG 12. Februar 1992 – 5 AZR 297/90 – BAGE 69, 324, 330). Da die Bereicherungsansprüche in besonderem Maße unter den Grundsätzen von Treu und Glauben stehen, kann im Wege des Bereicherungsausgleichs nicht mehr verlangt werden, als im Beschäftigungsverhältnis vereinbart war (BAG 12. Februar 1992 – 5 AZR 297/90 – aaO; BGH 31. Mai 1990 – VII ZR 336/89 – BGHZ 111, 308, 312 ff.). Da die Kläger die ausgezahlte Vergütung zurückzuerstatten hätten, errechnet sich kein Saldo zu ihren Gunsten.
- Die Kläger haben gem. § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu gleichen Teilen zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Bull, Buschmann
Fundstellen
DB 2004, 1320 |
ZTR 2004, 413 |
AP, 0 |
EzA |