Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrentenanwartschaft nach Übergang in den Vorruhestand
Leitsatz (amtlich)
- Der gesetzliche Insolvenzschutz einer Betriebsrentenanwartschaft kann auf der Anrechnung von Vordienstzeiten beruhen, wenn die angerechnete Betriebszugehörigkeit von einer Versorgungszusage begleitet war und bis unmittelbar an das Arbeitsverhältnis heranreicht, das eine neue Versorgungsanwartschaft begründet (BAGE 31, 45 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG; BAGE 44, 1 = AP Nr. 17 zu § 7 BetrAVG). Eine Erstreckung des Insolvenzschutzes aufgrund der Anrechnung von Vordienstzeiten ist aber ausgeschlossen, wenn der betreffende Arbeitnehmer bereits aufgrund der Vordienstzeiten allein eine kraft Gesetzes unverfallbare Versorgungsanwartschaft erlangt hatte.
- Ein Arbeitnehmer, der aufgrund einer Vorruhestandsregelung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, kann unter erleichterten Voraussetzungen eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erwerben. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG besteht neben § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG eine zweite selbständige Möglichkeit, eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft zu erwerben. Voraussetzung hierfür ist eine von einer Versorgungszusage begleitete Beschäftigungszeit beliebiger Dauer, das Ausscheiden des Arbeitnehmers aufgrund einer Vorruhestandsregelung sowie die für den Arbeitnehmer sich aus der Versorgungszusage ergebende Möglichkeit, bei Verbleib im Arbeitsverhältnis bis zum Versorgungsfall einen Betriebsrentenanspruch zu erwerben.
- Eine nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft ist mit dem Übergang in den Vorruhestand insolvenzgeschützt. Darauf, ob der Arbeitnehmer bei Verbleib im Arbeitsverhältnis bis zum Insolvenzfall Insolvenzschutz nach § 7 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG erlangt hätte, kommt es nicht an.
Normenkette
BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 2, § 2 Abs. 1, §§ 6, 7 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 12.04.1994; Aktenzeichen 9 Sa 133/93) |
ArbG Köln (Urteil vom 25.09.1992; Aktenzeichen 2 Ca 3921/92) |
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Kläger als Arbeitnehmer der D… KG – Hoch- und Tiefbau Stahl- und Spannbeton – eine insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft erlangt hat, aufgrund deren der Beklagte an ihn eine Betriebsrente zahlen muß.
Der am 13. Mai 1926 geborene Kläger war zunächst bei der I… GmbH beschäftigt gewesen. Er hatte von diesem Unternehmen eine Versorgungszusage erhalten und dort eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben, aus der er inzwischen eine Betriebsrente bezieht.
Mit Wirkung vom 1. Juli 1977 wechselte der Kläger als Werksleiter zur D… KG aufgrund eines von ihm am 2. April 1977 unterzeichneten Arbeitsvertrages. Der Vertragsentwurf war dem Kläger zur Unterzeichnung mit einem Begleitschreiben vom 24. März 1977 übersandt worden, in dem es u.a. heißt:
“An der betrieblichen Altersversorgung nehmen Sie in der Gruppe ohne Wartezeit mit einer Grundrente von DM 300,-- und einem Steigerungsbetrag von DM 6,-- je Dienstjahr teil.”
Mit Schreiben vom 17. Januar 1979 teilte die D… KG dem Kläger mit, sie habe seinen Rechtsanspruch auf Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung nach den Bestimmungen der Pensionsordnung vom 30. November 1961 ab dem 1. Januar 1979 erhöht. Die Grundrente belaufe sich nunmehr auf 600,-- DM, der jährliche Steigerungsbetrag auf 12,-- DM.
Am 1. Januar 1980 trat bei der D… KG eine neue Versorgungsordnung in Kraft, in der es u.a. heißt:
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Rentenhöhe
§ 7
Vorgezogene Altersrente
- Vorgezogene Altersrente wird gewährt, wenn der männliche Betriebsangehörige die Wartezeit erfüllt hat und das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres bezieht.
- …
§ 11
Leistungen bei vorzeitigem Ausscheiden
- Scheidet der Betriebsangehörige vor Eintritt des Versorgungsfalles aus den Diensten unserer Firma aus, behält er – abweichend von § 3 Buchstabe a – einen unverfallbaren Rentenanspruch, sofern er zu diesem Zeitpunkt mindestens das 35. Lebensjahr vollendet hat und die Versorgungszusage für ihn mindestens 10 Jahre bestanden hat.
- …
“
Der Kläger beendete seine Tätigkeit bei der D… KG am 31. Oktober 1986 und trat in den Vorruhestand. Unter dem 14. November 1986 bescheinigte die D… KG dem Kläger, daß er vom 1. Juli 1977 bis zum 31. Oktober 1986 bei ihr beschäftigt gewesen sei; ihm stehe ein unverfallbarer Anspruch auf Altersversorgung in Höhe von 510,07 DM monatlich zu.
Am 8. Mai 1987 wurde der Konkurs über das Vermögen der D… KG eröffnet. Die Zusatzversorgungskasse für das Baugewerbe übernahm die dem Kläger zustehenden Vorruhestandsleistungen. Seit dem 1. Juni 1989 nimmt der Kläger die vorgezogene gesetzliche Altersrente in Anspruch. Der Beklagte verweigert die Zahlung einer Betriebsrente, weil die Voraussetzungen für eine Insolvenzsicherung nicht vorlägen. Der Kläger habe bei der D… KG keine gesetzlich unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung habe ihm eine unverfallbare Rentenanwartschaft zugestanden. Bei der Berechnung der Zehn-Jahres-Frist des § 1 BetrAVG sei auf den Zeitpunkt der Zusage, den 24. März 1977, abzustellen. Darüber hinaus habe die D… KG mit der Versorgungszusage bezweckt, dem Kläger im unmittelbaren Anschluß an die bei der I… GmbH erworbene Betriebsrentenanwartschaft eine sofort unverfallbare Versorgungsanwartschaft zu verschaffen. Der Beklagte müsse deshalb eine monatliche Betriebsrente von 510,07 DM zahlen. Für die Zeit vom 1. Juni 1989 bis Mai 1992 ergebe sich daraus ein Rückstand von 18.362,52 DM.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 18.362,52 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab 20. Oktober 1991 zu zahlen sowie festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, auch ab dem 6. Juni 1992 an den Kläger eine monatliche Betriebsrente von 510,07 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat den Standpunkt vertreten, der Kläger habe die erforderliche Unverfallbarkeitsfrist nicht zurückgelegt. Es komme auf den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an. Im übrigen sei im Schreiben der D… KG vom 24. März 1977 lediglich auf die 15-jährige Wartezeit der Versorgungsordnung verzichtet worden. Von einer den Beklagten bindenden Anrechnung von Vordienstzeiten bei der I… GmbH könne nicht ausgegangen werden. Es fehle an einer dahingehenden Vereinbarung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist ganz überwiegend begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat der Kläger bei der D… KG eine unverfallbare und insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft erworben, aufgrund deren der Beklagte an den Kläger seit Eintritt des Versorgungsfalles am 1. Juni 1989 eine monatliche Betriebsrente von 490,92 DM zu zahlen hat.
I. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger bei der D… KG keine nach § 7 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG unverfallbare und insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft erlangt hat.
1. Der Kläger hat in diesem Unternehmen keine den Unverfallbarkeitsfristen genügende Beschäftigungszeit zurückgelegt. Dies gilt unabhängig davon, von welchem Zeitpunkt an diese Fristen zu laufen beginnen. Bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit Übergang in den Vorruhestand am 31. Oktober 1986 hat die Versorgungszusage der D… KG in keinem Falle 10 Jahre bestanden.
2. Vertragliche Zusagen des Arbeitgebers können den Insolvenzschutz nicht begründen. Eine einzelvertragliche Zusage kann zugunsten des Klägers unterstellt werden. Sie ist nicht insolvenzgeschützt. § 7 BetrAVG legt den Umfang des Insolvenzschutzes abschließend fest. Bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist Voraussetzung für das Eingreifen des Insolvenzschutzes eine kraft Gesetzes, nach § 1 BetrAVG, unverfallbare Versorgungsanwartschaft (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 22. November 1994 – 3 AZR 767/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
3. Es kommt auch nicht darauf an, ob die D… KG bei ihrem Versorgungsversprechen die von einer Versorgungszusage begleiteten Vordienstzeiten des Klägers bei der I… GmbH anerkennen wollte. Wegen dieser Vordienstzeiten hatte der Kläger bereits bei der I… GmbH eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben, aus der er eine Teilrente bezieht. Deshalb konnte er aufgrund einer von der D… KG vertraglich zugesagten Anrechnung dieser Vordienstzeiten aus deren Versorgungszusage keine weitere insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft mehr erwerben.
Der Senat hat zwar mehrfach entschieden, daß sich der gesetzliche Insolvenzschutz ausnahmsweise auch auf solche Versorgungsanwartschaften erstrecken kann, deren Unverfallbarkeit auf der Anrechnung von Vordienstzeiten beruht. Voraussetzung dafür ist, daß die angerechnete Betriebszugehörigkeit von einer Versorgungszusage begleitet war und an das Arbeitsverhältnis heranreicht, das eine neue Versorgungsanwartschaft begründet (BAGE 31, 45 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG; BAGE 44, 1 = AP Nr. 17 zu § 7 BetrAVG, mit Anm. von Weitnauer). Tragender Grund dieser Entscheidungen war aber die Überlegung, daß das Betriebsrentengesetz die Risiken des Pensions-Sicherungs-Vereins begrenzen, die Erhaltung von Versorgungsbesitzständen aber nicht schlechthin unmöglich machen und vom Insolvenzschutz ausnehmen wollte (BAGE 44, 1, 5 = AP Nr. 17 zu § 7 BetrAVG, zu II 2a der Gründe; in der Sache auch schon BAGE 31, 45, 51 f. = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG, zu I 2 der Gründe).
Eine Anrechnung von Vordienstzeiten kann mit diesen Erwägungen aber nur dann zu einer insolvenzgeschützten Versorgungsanwartschaft führen, wenn dadurch ein mit der Vordienstzeit erreichter Versorgungsbesitzstand erhalten bleibt, der ohne die Anrechnungszusage verloren gegangen wäre. Anders verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Vordienstzeiten bereits eine kraft Gesetzes unverfallbare Versorgungsanwartschaft erlangt hat. Hier würde die Ausdehnung des Insolvenzschutzes auf die Versorgungsanwartschaft im Folgearbeitsverhältnis nicht nur zu einer Erhaltung der im Vorarbeitsverhältnis erreichten Versorgungsrechte führen. Ein solcher Arbeitnehmer würde ohne Grund dadurch begünstigt, daß die beim ersten Arbeitgeber zurückgelegte Betriebszugehörigkeit zweimal bei der Berechnung der Unverfallbarkeitsfristen berücksichtigt würde. Dies könnte der Arbeitgeber des Folgearbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer zwar zusagen. Für eine Einstandspflicht des Pensions-Sicherungs-Vereins fehlt aber eine gesetzliche Grundlage.
II. Der Kläger hat bei der D… KG jedoch nach § 7 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG eine unverfallbare und insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft erworben.
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG behält ein Arbeitnehmer seine Anwartschaft auch dann, wenn er aufgrund einer Vorruhestandsregelung ausscheidet und ohne das vorherige Ausscheiden die Wartezeit und die sonstigen Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hätte erfüllen können. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber eine zweite selbständige Möglichkeit neben § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG geschaffen, eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft zu erwerben. Es kommt für deren Erwerb nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer Unverfallbarkeitsfristen bis zum Übergang in den Vorruhestand oder in der Folgezeit zurückgelegt hat oder hätte zurücklegen können. Mit Eintritt in den Vorruhestand ist nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG der Rechtserwerb abgeschlossen. Der Arbeitnehmer wird Inhaber einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft, die bei Fehlen günstigerer betrieblicher Regelungen nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zu berechnen ist. Voraussetzung hierfür ist nach dem 2. Halbsatz des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG nur, daß der Arbeitnehmer bis zum Übertritt in den Vorruhestand darauf vertrauen durfte, er werde bei seinem Arbeitgeber einen Versorgungsanspruch erwerben. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer bei Verbleib im Arbeitsverhältnis nach den Regelungen der im Betrieb geltenden Versorgungsordnung einen Betriebsrentenanspruch erlangt hätte.
Die hierin liegende Verbesserung der Stellung der Vorruheständler entspricht dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG. Die Bestimmung wurde durch Art. 8 des Gesetzes zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand vom 13. April 1984 (BGBl. I, S. 601, 607) in das Betriebsrentengesetz eingefügt. Durch sie soll ein Anreiz für den Abschluß von Vorruhestandsvereinbarungen gegeben werden (Höfer/Reiners/Wüst, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 3. Aufl., Stand: 30. September 1994, § 1 Rz 1309). Es soll vermieden werden, daß Arbeitnehmer die Möglichkeit, Vorruhestand in Anspruch zu nehmen, deshalb ausschlagen, weil sie mit dem Übergang in den Vorruhestand Betriebsrentenansprüche verlieren, die sie bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gehabt hätten (BT-Drucks. 10/880, S. 21; BT-Drucks. 10/1175, S. 32).
2. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für eine nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft.
Er ist aufgrund einer Vorruhestandsvereinbarung nach Maßgabe des Tarifvertrages über den Vorruhestand im Baugewerbe am 31. Dezember 1986 bei der D… KG ausgeschieden. Ohne dieses vorzeitige Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis hätte der Kläger einen Betriebsrentenanspruch erworben. Die nach § 3 Buchst. b der Versorgungsordnung erforderliche Wartezeit von 15 Jahren mußte er aufgrund der einzelvertraglichen Zusage vom 24. März 1977 nicht zurücklegen. Die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen hätte er erfüllt.
Dem Erwerb einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft steht nicht entgegen, daß § 11 der Versorgungsordnung der D… KG in ihrer letzten am 1. Januar 1980 in Kraft getretenen Fassung für eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft das Ausscheiden des Arbeitnehmers nach Vollendung des 35. Lebensjahres und nach mindestens 10-jährigem Bestand einer Versorgungszusage verlangt. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 BerAVG wird nicht erwähnt. Eine abweichende Regelung wäre unwirksam. Die Unverfallbarkeitsbestimmungen des § 1 Abs. 1 BetrAVG sind gesetzliche Mindestregelungen. Ungünstigere Bestimmungen sind nach § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG rechtsunwirksam.
3. Aufgrund des Konkurses der D… KG muß der Beklagte für die nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft des Klägers einstehen. Diese Anwartschaft ist nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG insolvenzgeschützt.
Voraussetzung für einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung ist nach dem Wortlaut des Gesetzes, daß der Arbeitnehmer eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft hat. § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG unterscheidet nicht zwischen Anwartschaften, die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und solchen, die nach Satz 2 erworben wurden. Es ist deshalb auch für den Insolvenzschutz nicht erforderlich, daß ein Arbeitnehmer wie der Kläger, der vor Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen mit einer nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschieden ist, ohne sein Ausscheiden bis zu einem danach eintretenden Insolvenzfall die Unverfallbarkeitsfristen noch zurückgelegt hätte.
Die Vertreter der Gegenmeinung (Höfer/Reiners/Wüst, aaO, § 7 Rz 2731.1) stützen sich auf das nach ihrer Auffassung widersprüchliche Ergebnis, daß anderenfalls ein Vorruheständler Insolvenzschutz genieße, während ein zur gleichen Zeit in den Betrieb eingetretener, aber im Beschäftigungsverhältnis verbliebener Arbeitnehmer dessen Voraussetzungen noch nicht erfülle. Der Gesetzgeber habe es aufgrund fehlenden Problembewußtseins nur versäumt, die pauschale Verweisung in § 7 Abs. 2 BetrAVG auf § 1 BetrAVG zusammen mit der Einfügung des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG sachgerecht einzugrenzen.
Richtig ist, daß in den Materialien zum Gesetz zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand der Insolvenzschutz nicht angesprochen worden ist. Dies war aber auch nur konsequent. Nach dem Konzept des Betriebsrentengesetzes folgt der gesetzlichen Unverfallbarkeit deren Insolvenzschutz. Werden die Möglichkeiten, eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft gegenüber dem früheren Arbeitgeber zu erwerben, um einen Fall erweitert, ergibt sich bei Insolvenz des früheren Arbeitgebers ohne weiteres ein entsprechender Anspruch gegenüber dem Träger der Insolvenzsicherung. Die Einräumung einer kraft Gesetzes unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ohne gleichzeitige Begründung des Insolvenzschutzes wäre systemwidrig.
Der von den Vertretern der Gegenauffassung gesehene Wertungswiderspruch kommt auch nur dann in Betracht, wenn man sich auf eine rückschauende Betrachtung beschränkt. Eine solche Sicht ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG nicht geboten. Es ging bei der Einführung dieser besonderen Form einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft darum, den Übergang in den Vorruhestand zu erleichtern. Es müssen deshalb die Vor- und Nachteile einander gegenübergestellt werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung, in den Vorruhestand zu wechseln, erkennbar sind. Dabei bestehen von vornherein für einen Arbeitnehmer, der auf seinen Arbeitsplatz verzichtet und in den Vorruhestand wechselt, erhebliche betriebsrentenrechtliche Nachteile gegenüber einem Arbeitnehmer, der im Arbeitsverhältnis verbleibt. Der Vorruheständler behält zwar die bis zum Übergang in den Vorruhestand erdiente Versorgungsanwartschaft, erhält daraus aber nur eine nach § 2 Abs. 1 BetrAVG ratierlich gekürzte Teilrente. Der im Arbeitsverhältnis verbleibende Arbeitnehmer hat demgegenüber die Chance, eine Vollrente zu erwerben. Er nimmt darüber hinaus, anders als der Vorruheständler, weiterhin an der regelmäßig zugesagten Rentendynamik teil. Angesichts dessen ist es nicht unangemessen, wenn dem Vorruheständler mit dem Übergang in den Vorruhestand das Insolvenzrisiko für seine Betriebsrentenanwartschaft genommen wird, während ein gleichzeitig eingestellter Arbeitnehmer dieses Risiko bis zum Ablauf der Fristen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG weiterzutragen hat. Dieses Ergebnis steht auch in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG, dem Arbeitnehmer die Entscheidung, in den Vorruhestand zu wechseln, zu erleichtern.
III. Der Beklagte muß an den Kläger aufgrund der nach § 7 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG unverfallbaren und insolvenzgeschützten Versorgungsanwartschaft seit dem 1. Juni 1989 eine monatliche Betriebsrente von 490,92 DM zahlen. Nur soweit der Kläger eine darüber hinausgehende Betriebsrente verlangt, waren die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen aufrechtzuerhalten.
Da der Kläger nicht bis zum Versorgungsfall im Arbeitsverhältnis geblieben, sondern vorzeitig ausgeschieden ist, muß sein Rentenanspruch nach § 2 Abs. 1 BetrAVG berechnet werden. Die Versorgungsordnung der D… KG enthält keine hiervon abweichende und für den Kläger günstigere Bestimmung. Danach ist zunächst die Betriebsrente zu errechnen, die der Kläger im Versorgungsfall erhalten hätte, wenn er bis dahin im Arbeitsverhältnis verblieben wäre. Da der Kläger die Betriebsrente für den besonderen Versorgungsfall des § 6 BetrAVG verlangt, den Zeitpunkt der vorzeitigen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente, kommt es auf die bis zu diesem Zeitpunkt erreichbare Betriebsrente an. Hierfür trifft die Versorgungsordnung der D… KG in § 5 Abs. 3 eine eigenständige Berechnungsregelung. Es kommt deshalb nicht auf die vom Senat in diesem Zusammenhang zur Lückenfüllung aufgestellten Auslegungsregeln (vgl. BAGE 38, 277, 281 f. = AP Nr. 4 zu § 6 BetrAVG, zu 1c, 2 der Gründe) an.
Nach § 5 Abs. 3 der Versorgungsordnung hätte der Kläger ohne sein vorzeitiges Ausscheiden am 1. Juni 1989 Anspruch auf eine monatliche Betriebsrente von 732, -- DM gehabt (600,-- DM Grundrente sowie ein Steigerungsbetrag von 132,-- DM für elf Dienstjahre). Dieser Betrag ist mit dem Unverfallbarkeitsfaktor von 112/167 zu multiplizieren. Dieser Faktor ergibt sich aus dem Verhältnis der vom Kläger zurückgelegten Beschäftigungszeit zu dem Zeitraum, den er vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres zurückgelegt hätte.
IV. Da der Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juni 1989 eine monatliche Betriebsrente von 490,92 DM schuldet, war der Klage auch hinsichtlich der Rückstände aus der Zeit vom 1. Juni 1989 bis zum 31. Mai 1991 im zuerkannten Umfang zu entsprechen. Die Pflicht, die rückständigen Beträge zu verzinsen, ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 288, 291 BGB. Insoweit muß der Klage stattgegeben werden. Die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen waren nur aufrechtzuerhalten, soweit der Kläger eine höhere monatliche Betriebsrente, entsprechend höhere Rückstände sowie für die Rückstände ab Oktober 1991 eine Verzinsung vor Fälligkeit verlangt hat.
Unterschriften
Dr. Heither, Bepler, Kaiser, H. Frehse
Richter Kremhelmer ist wegen seines Urlaubs an der Unterschrift verhindert.
Dr. Heither
Fundstellen
Haufe-Index 870888 |
BAGE, 370 |
BB 1995, 2326 |
NZA 1996, 258 |
ZIP 1995, 1617 |
AP, 0 |