Entscheidungsstichwort (Thema)
Baugewerbe. selbständige Betriebsabteilung
Orientierungssatz
- Ein Betrieb, der mit Fliesen handelt und bei ihm erworbene Fliesen auf Wunsch seiner Kunden auch verlegt, wird nur dann vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn bei Berücksichtigung aller im Betrieb ausgeführten Arbeiten der überwiegende Anteil der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer auf Fliesenverlegearbeiten entfällt.
- Der Arbeitgeber führt den Geschäftsbereich “Fliesenverlegung” als selbständige Betriebsabteilung und damit als Baubetrieb iSd. Bautarifverträge, wenn dieser Bereich auch für Außenstehende wahrnehmbar räumlich und organisatorisch vom Geschäftsbereich “Fliesenhandel” deutlich abgegrenzt ist.
- Eine solche räumliche und organisatorische Abgrenzung fehlt, wenn wesentliche Betriebsmittel und ein zahlenmäßig ins Gewicht fallender Teil der Arbeitnehmer sowohl im Geschäftsbereich “Fliesenverlegung”, als auch im Geschäftsbereich “Fliesenhandel” eingesetzt werden.
- Hat das Berufungsgericht tatsächliche, dem späteren Revisionsbeklagten ungünstige Feststellungen getroffen, die für die Entscheidung des Berufungsgerichts keine Bedeutung hatten, hat das Revisionsgericht diese Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde zu legen, wenn es der Revision stattgibt und der Revisionsbeklagte die ihm ungünstigen Feststellungen nicht oder nicht mit ordnungsgemäß begründeten Gegenrügen angegriffen hat.
Normenkette
ZPO § 286
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 9. Juli 2004 – 6 Sa 889/04 – insoweit aufgehoben, als es der Klage stattgegeben hat.
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 1996 – 67 Ca 51672/95 – wird insgesamt zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob die Beklagte in der Zeit von Oktober 1991 bis Dezember 1993 Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zu leisten hat.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Die Beklagte firmierte im Klagezeitraum unter der Bezeichnung “Fliesenhaus BALBO, Fliesen + Naturstein GmbH”. Sie handelte mit Keramik-Fliesen und Natursteinen. Darüber hinaus verlegte sie bei ihr erworbene Fliesen, sofern ihre Kunden dies wünschten. In Fragebögen der ZVK gab die Beklagte am 17. Dezember 1993 und am 10. Mai 1994 ua. an, dass sie seit dem Jahr 1991 in der Abteilung “Handel mit Fliesen und Natursteinen” fünf Angestellte sowie zwei gewerbliche Arbeitnehmer und in der Abteilung “Fliesenverlegung” eine Angestellte, sieben gewerbliche Arbeitnehmer sowie vier Auszubildende beschäftigt hat. Sie bejahte die Frage, ob jeder Bereich über eigenes Personal verfügt. Die Fragen, ob jeder Bereich eigene Betriebsmittel hat und ob eine räumliche Abgrenzung vorliegt, verneinte die Beklagte. Die für den Verkauf und die Verlegung erforderlichen Fliesen hielt die Beklagte in einem Lager vor. In diesem war ein Lagerist tätig. Zwei Fahrer der Beklagten lieferten mit Fahrzeugen Fliesen an andere Firmen und Endverbraucher. Darüber hinaus beförderten sie mit denselben Fahrzeugen die Fliesenleger zu ihren Einsatzorten und transportierten die für die Verlegung benötigten Fliesen. Eine Putzfrau setzte die Beklagte sowohl im Bereich “Fliesenhandel” als auch im Bereich “Fliesenverlegung” ein.
Die ZVK ist der Ansicht, die Beklagte schulde ihr Sozialkassenbeiträge in Höhe von 16.628,40 Euro. Der Betrieb der Beklagten sei im Klagezeitraum dem Geltungsbereich des in den jeweiligen Fassungen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 (VTV) unterfallen. Die Arbeitnehmer und Auszubildenden der Beklagten hätten in den Monaten Oktober bis Dezember 1991 und in den Kalenderjahren 1992 und 1993 arbeitszeitlich überwiegend Fliesenverlegearbeiten ausgeführt. Die Beklagte habe somit im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend vom VTV erfasste gewerblich bauliche Leistungen erbracht. Jedenfalls habe die Beklagte eine selbständige Betriebsabteilung “Fliesenverlegung” unterhalten, die nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV ein Baubetrieb sei. Die in dieser Abteilung beschäftigten Fliesenleger hätten zu 100 % ihrer persönlichen Arbeitszeit baugewerbliche Tätigkeiten ausgeführt und über eigene technische Betriebsmittel sowie einen gesonderten Aufenthaltsraum verfügt, in dem sie sich auch umgezogen hätten. Für die Selbständigkeit der Abteilung “Fliesenverlegung” spreche auch die Antwort der Beklagten in ihren Fragebögen, wonach diese Abteilung und die Abteilung “Handel” kaufmännisch/buchhalterisch getrennt geführt worden und so gegliedert gewesen seien, dass sie jeweils ohne Umstrukturierung und ohne Schwierigkeiten weitergeführt werden hätten können, wenn eine der beiden Abteilungen weggefallen wäre.
Das Arbeitsgericht hat mit Versäumnisurteil vom 30. August 1995 die Beklagte verurteilt, an die ZVK 3.760,96 DM (1.922,95 Euro) zu zahlen. In der mündlichen Verhandlung am 5. Juli 1996 hat das Arbeitsgericht die Rechtsstreite der Parteien unter den Aktenzeichen – 67 Ca 51672/95 – und – 67 Ca 58435/95 – zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Die ZVK hat die Klage im Berufungsverfahren erweitert und zuletzt beantragt,
das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. August 1995 aufrecht zu erhalten und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 14.705,45 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Anteil der Fliesenverlegearbeiten am Gesamtumfang der betrieblichen Arbeitszeit habe nicht überwogen. Ihre Arbeitnehmer hätten damit nicht arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten ausgeführt. Sie habe im streitbefangenen Zeitraum auch keine selbständige Betriebsabteilung “Fliesenverlegung” unterhalten. Dieser Geschäftsbereich sei vom Handel mit Fliesen und Natursteinen weder personell noch räumlich noch organisatorisch abgegrenzt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf Grund einer teilweisen Rücknahme der Klage das Urteil des Arbeitsgerichts für wirkungslos erklärt, soweit das Arbeitsgericht die Klage im Umfang von 6.790,38 DM abgewiesen hat. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Revision nicht zugelassen. Mit der vom Senat mit Beschluss vom 27. Oktober 2004 (– 10 AZN 716/04 –) zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Die ZVK beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die ZVK hat nach § 45 Abs. 1 VTV iVm. § 47 VTV vom 12. November 1986 idF vom 11. Februar 1991 und 19. Mai 1992 sowie nach § 48 Abs. 1 VTV iVm. § 50 VTV vom 12. November 1986 idF vom 10. September 1992 keinen Anspruch auf Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes für die Zeit von Oktober 1991 bis Dezember 1993.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, der ZVK stünden die beanspruchten Beiträge zu. Die Beklagte habe den Bereich “Fliesenverlegung” als selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV geführt. In diesem Bereich seien ausschließlich von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 15 VTV erfasste Fliesenverlegearbeiten verrichtet worden. Die Abteilung “Fliesenverlegung” sei personell, räumlich und organisatorisch deutlich von der Abteilung “Fliesenhandel” abgegrenzt gewesen und habe einen besonders ausgeprägten arbeitstechnischen Zweck verfolgt. Die räumliche Abgrenzung habe dadurch stattgefunden, dass die Fliesenleger naturgemäß durchweg außerhalb des Betriebssitzes bei den jeweiligen Kunden eingesetzt worden seien. Dass sie weitgehend ihr eigenes Werkzeug verwendet hätten, sei von untergeordneter Bedeutung. Die Beklagte habe eingeräumt, Fliesenschneidemaschinen und andere Gerätschaften vorgehalten zu haben, und nicht erklärt, inwieweit diese Werkzeuge im Handel Verwendung finden könnten. Entscheidend sei, dass die Beklagte ihre Arbeitnehmer mit Ausnahme des Lageristen, der beiden Fahrer und der Putzfrau, die unspezifische Aufgaben verrichtet hätten, nicht je nach Bedarf in beiden Geschäftsbereichen eingesetzt habe. Schließlich habe die Beklagte auf Fragebögen der ZVK erklärt, dass sie die Abteilungen “Handel” und “Fliesenverlegung” unterhalte und beide Abteilungen jeweils ohne Umstrukturierung und ohne Schwierigkeiten weiter existieren könnten, wenn eine der beiden Abteilungen wegfiele.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Beklagte hat den Geschäftsbereich “Fliesenverlegung” im Klagezeitraum nicht als selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV geführt.
1. Unter einem Betrieb iSd. § 1 Abs. 2 VTV ist die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (BAG 3. Dezember 2003 – 10 AZR 107/03 –, zu II 2a aa der Gründe; 26. April 1989 – 4 AZR 17/89 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 115). Dieser Begriff des Betriebes deckt sich mit dem in § 211 Abs. 1 Satz 1 SGB III gebrauchten Betriebsbegriff (BAG 25. Januar 2005 – 9 AZR 44/04 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 1a bb der Gründe).
2. Eine Abteilung ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Teil eines gegliederten Ganzen, ein Zweig eines Betriebes mit bestimmtem Aufgabengebiet (Wahrig Deutsches Wörterbuch 7. Aufl. Stichwort “Abteilung”), ein relativ selbständiger Teil einer größeren Organisationseinheit (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort “Abteilung”). Eine Betriebsabteilung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein räumlich, personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb abgegrenzter Betriebsteil, der mit eigenen technischen Betriebsmitteln einen eigenen Betriebszweck verfolgt, der auch nur ein Hilfszweck sein kann (25. Januar 2005 – 9 AZR 146/04 – AP AEntG § 1 Nr. 21 = EzA AEntG § 1 Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 3e aa der Gründe mwN).
3. Das Wort “selbständig” bedeutet eigenständig, unabhängig (Wahrig Deutsches Wörterbuch 7. Aufl.; Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl., jeweils Stichwort “selbständig”). In § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV erfordert das zusätzliche tarifliche Merkmal der Selbständigkeit eine auch für Außenstehende wahrnehmbare räumliche und organisatorische Abgrenzung sowie einen besonders ausgeprägten spezifischen arbeitstechnischen Zweck (st. Rspr., vgl. BAG 25. Januar 2005 – 9 AZR 146/04 – AP AEntG § 1 Nr. 21 = EzA AEntG § 1 Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 3e aa der Gründe; 25. Januar 2005 – 9 AZR 44/04 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 1a bb der Gründe; 24. November 2004 – 10 AZR 169/04 – AP ArbGG 1979 § 61 Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 61 Nr. 19, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2c der Gründe; 28. Juli 2004 – 10 AZR 580/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 268; 11. September 1991 – 4 AZR 40/91 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 145; 22. April 1987 – 4 AZR 496/86 – BAGE 55, 223). Eine bloße betriebsinterne Spezialisierung der Art, dass getrennte Arbeitsgruppen jeweils bestimmte Aufgaben versehen, genügt für die Annahme einer selbständigen Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV nicht (BAG 13. Mai 2004 – 10 AZR 120/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 265). Eine solche liegt auch nicht vor, wenn die personelle und organisatorische Abgrenzbarkeit fehlt, weil Arbeitnehmer je nach Auftragslage für unterschiedliche Betriebszwecke eingesetzt werden (BAG 22. April 1987 – 4 AZR 496/86 – aaO). Eine selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV kann dagegen vorliegen, wenn ein Arbeitgeber weit entfernt vom Betriebssitz eine Niederlassung unterhält, von der aus er den Einsatz von Arbeitnehmern koordiniert (vgl. BAG 25. Januar 2005 – 9 AZR 44/04 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen., zu B I 2b aa der Gründe; 25. Juni 2002 – 9 AZR 322/01 –, zu B II 5d bb der Gründe). Die Voraussetzung einer nach außen hin erkennbaren deutlichen personellen, räumlichen und organisatorischen Abgrenzung vom Gesamtbetrieb ist in einem solchen Fall in der Regel erfüllt.
4. Daran gemessen war der Geschäftsbereich “Fliesenverlegung” im Klagezeitraum keine selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV.
a) Es fehlte eine für Außenstehende wahrnehmbare, deutliche räumliche Abgrenzung.
aa) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die räumliche Abgrenzung habe dadurch stattgefunden, dass die Fliesenleger naturgemäß durchweg außerhalb des Betriebssitzes bei den jeweiligen Kunden eingesetzt gewesen seien, während die im Geschäftsbereich “Fliesenhandel” beschäftigten Arbeitnehmer ihre Verkaufstätigkeit am Betriebssitz ausgeführt hätten. Üben Arbeitnehmer ihre Tätigkeit überwiegend nicht in Betriebsräumen, sondern außerhalb des Betriebssitzes bei den jeweiligen Auftraggebern und Kunden des Arbeitgebers aus, wie das insbesondere im Handwerk häufig vorkommt, liegt noch keine nach außen hin erkennbare deutliche räumliche Abgrenzung vor. Die Fliesenleger der Beklagten erhielten ihre Weisungen im Betrieb. Die Beklagte hat den Einsatz der Fliesenleger damit von ihrem Betrieb aus koordiniert. Dort verfügten diese auch über einen Raum, in dem sie sich aufhalten und umziehen konnten. Wenn dieser Raum von den im Fliesenhandel beschäftigten Arbeitnehmern nicht als Aufenthalts- und Umzugsraum benutzt wurde, kann daraus noch keine für Außenstehende wahrnehmbare deutliche räumliche Abgrenzung abgeleitet werden.
bb) Auch die Betriebsräume und Betriebsmittel beider Geschäftsbereiche waren nicht für Außenstehende wahrnehmbar deutlich abgegrenzt. Die Beklagte hielt alle Fliesen in einem gemeinsamen Lager vor. Dass die zu verlegenden Materialien und Arbeitsgeräte der Fliesenleger nach der Behauptung der ZVK in einem abgegrenzten Teillagerbereich untergebracht waren, hindert die Annahme eines gemeinsamen Fliesenlagers für die Bereiche “Fliesenverlegung” und “Fliesenhandel” nicht. Für die Beförderung der Fliesenleger und den Transport der von diesen benötigten Fliesen setzte die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dieselben Fahrzeuge ein, mit denen sie Fliesen und Natursteine an andere Firmen oder Endverbraucher lieferte. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt es zur Annahme einer selbständigen Betriebsabteilung iSd. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV noch nicht, wenn bestimmte Betriebsmittel, insbesondere Werkzeuge, nur in einem Geschäftsbereich Verwendung finden. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht deshalb maßgebend darauf abgestellt, dass Fliesenschneidemaschinen und andere Werkzeuge ausschließlich bei der Verlegung der Fliesen und nicht auch im Bereich “Fliesenhandel” eingesetzt wurden.
b) Der Geschäftsbereich “Fliesenverlegung” war auch nicht nach außen hin deutlich erkennbar personell und organisatorisch abgegrenzt.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts waren ein Lagerist, zwei Fahrer und eine Putzfrau sowohl im Bereich “Fliesenhandel” als auch im Bereich “Fliesenverlegung” tätig. Damit setzte die Beklagte vier der von ihr in den Fragebögen insgesamt angegebenen 15 Arbeitnehmer und damit einen zahlenmäßig ins Gewicht fallenden Teil ihrer Arbeitnehmer in beiden Geschäftsbereichen ein. Dies hindert die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Bereich “Fliesenverlegung” sei ein personell und organisatorisch deutlich vom Gesamtbetrieb abgegrenzter Betriebsteil gewesen. Wegen des Einsatzes der in beiden Bereichen tätigen Mitarbeiter, insbesondere der zwei Fahrer, bedurfte es organisatorischer Absprachen darüber, wann und in welchem zeitlichen Umfang diese Arbeitnehmer jeweils Tätigkeiten für den Bereich “Fliesenverlegung” und den Bereich “Fliesenhandel” ausführten. Dies schloss eigenständige Entscheidungen weitgehend aus. So konnte der Bereich “Fliesenverlegung” über den Einsatz der Fahrzeuge und Fahrer zur Beförderung der Fliesenleger und zum Transport der von diesen für die Verlegung benötigten Fliesen nicht unabhängig vom Bereich “Fliesenhandel” entscheiden, der dieselben Fahrzeuge und Fahrer zur Lieferung von Fliesen an andere Firmen und Endverbraucher brauchte.
c) Ebenso wie bei der Frage, ob vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasste Tätigkeiten verrichtet worden sind, ist bei der Beurteilung, ob die Beklagte zur Verlegung von Fliesen eine selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV unterhalten hat, nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handels- und gewerberechtliche Kriterien abzustellen. Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Landesarbeitsgerichts spricht es deshalb nicht für die Selbständigkeit des Geschäftsbereichs “Fliesenverlegung”, dass die Beklagte in den Fragebögen der ZVK angegeben hat, die Abteilungen “Fliesenverlegung” und “Fliesenhandel” würden kaufmännisch/buchhalterisch getrennt geführt. Ob und gegebenenfalls welche Abteilungen ein Fliesenhaus, das mit Fliesen und Natursteinen handelt und diese auf Wunsch der Kunden auch verlegt, kaufmännisch/buchhalterisch getrennt führt, ist in aller Regel nach außen hin jedenfalls dann nicht deutlich erkennbar, wenn wie hier die personelle, räumliche und organisatorische Abgrenzung der Betriebsteile fehlt. Sind die Voraussetzungen einer selbständigen Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV objektiv nicht erfüllt, ist die subjektive Einschätzung eines Arbeitgebers ohne Bedeutung, die beiden Abteilungen ließen sich jeweils allein ohne Schwierigkeiten weiterführen, wenn die andere Abteilung wegfiele.
d) Ohne eine nach außen hin deutlich wahrnehmbare personelle, räumliche und organisatorische Abgrenzung des Betriebsteils wäre ein mit der Verlegung von Fliesen verfolgter, besonders ausgeprägter arbeitstechnischer Zweck ohne Bedeutung. Allerdings haben die Fliesenleger der Beklagten nur von dieser erworbene Fliesen verlegt. Darüber besteht kein Streit. Die Auftraggeber für die Verlegung der Fliesen waren zugleich Kunden des Bereichs “Fliesenhandel”. Die Beklagte hat damit im Vergleich zu einem Betrieb des Fliesenlegerhandwerks ohne Fliesenhandel nur eingeschränkt den Zweck verfolgt, Fliesen zu verlegen. Würde trotzdem zu Gunsten der ZVK angenommen, dass Betriebszweck nicht der Handel mit Fliesen mit oder ohne Verlegung war, sondern die Beklagte mit der Verlegung der bei ihr erworbenen Fliesen einen besonders ausgeprägten arbeitstechnischen eigenen Zweck verfolgt hat, rechtfertigte dies dennoch auf Grund fehlender, nach außen hin deutlich erkennbarer Abgrenzung der Betriebsteile nicht die Annahme einer selbständigen Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV.
III. Entgegen der Auffassung der ZVK ist die Klage nicht deshalb begründet, weil bei Berücksichtigung aller im Betrieb der Beklagten im streitbefangenen Zeitraum ausgeführten Arbeiten der überwiegende Anteil der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer der Beklagten auf Fliesenverlegearbeiten entfallen ist.
1. Ungeachtet seiner Ausführungen zur selbständigen Betriebsabteilung ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf ankommt, ob in den Monaten Oktober bis Dezember 1991 sowie in den Kalenderjahren 1992 und 1993 im Betrieb der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasste Tätigkeiten verrichtet worden sind, wobei auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- und gewerberechtliche Kriterien abzustellen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 23. August 1995 – 10 AZR 105/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 193 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 79; 14. Januar 2004 – 10 AZR 182/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 263; 27. Oktober 2004 – 10 AZR 119/04 –, zu II 2 der Gründe).
2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entfiel bei Berücksichtigung aller im streitbefangenen Zeitraum ausgeführten Arbeiten der überwiegende Anteil der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer der Beklagten nicht auf Fliesenverlegearbeiten gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 VTV idF vom 11. Februar 1991 und § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 15 VTV idF vom 19. Mai 1992. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der weitgehend spekulative Vortrag der ZVK zur Verteilung der Gesamtarbeitszeit im Betrieb der Beklagten habe nicht erkennen lassen, dass dort im streitbefangenen Zeitraum arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche und nicht kaufmännische Tätigkeiten ausgeführt worden seien.
3. Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind für den Senat bindend. Die ZVK hat sie zwar angegriffen, ihre in der Revisionserwiderung erhobene formelle Rüge jedoch nicht ordnungsgemäß begründet.
a) Da das Landesarbeitsgericht der Klage – soweit für die Revision von Interesse – aus anderen rechtlichen Erwägungen stattgegeben hat, waren die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur arbeitszeitlich überwiegenden Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten nicht entscheidungserheblich. Allerdings war die ZVK als Revisionsbeklagte nicht gehindert, wegen dieser ihr ungünstigen Feststellungen des Berufungsurteils bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht Verfahrensrügen (“Gegenrügen”) zu erheben, ohne dass es dazu der Erhebung der Anschlussrevision bedurfte (vgl. BAG 14. Juli 1965 – 1 AZR 343/64 – BAGE 17, 236, 238 f.; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 75 Rn. 19 mwN; GK-ArbGG/Ascheid Stand September 2005 § 74 Rn. 72). Mit der Erhebung von Gegenrügen konnte sie vermeiden, dass die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ihr zum Nachteil gereichen, wenn das Revisionsgericht der Auffassung der Revisionsklägerin folgt und annimmt, dass diese im Klagezeitraum keine selbstständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV unterhalten hat.
b) Die ZVK hat in ihrer Revisionserwiderung geltend gemacht, sie habe prozessual zulässig und schlüssig zur Tarifunterfallenheit des Gesamtbetriebes in dem noch streitbefangenen Zeitraum vorgetragen und ihren Vortrag unter Beweis gestellt. Damit ist sie zwar erkennbar den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Unschlüssigkeit ihres Vorbringens entgegengetreten. Sie hat ihre Rüge, das Landesarbeitsgericht hätte Beweis erheben müssen, jedoch nicht ordnungsgemäß begründet. Bei einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge wegen übergangenen Beweisantritts muss nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht eine gebotene Beweisaufnahme unterlassen haben soll und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme hätte zeitigen müssen. Erforderlich ist dabei die Angabe der genauen vorinstanzlichen Fundstelle der übergangenen Beweisanträge nach Schriftsatz und bei umfangreichen Schriftsätzen nach Seitenzahl (st. Rspr., vgl. BAG 6. Januar 2004 – 9 AZR 680/02 – BAGE 109, 145 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Gegenrüge der ZVK nicht. Auch eine Gegenrüge der Revisionsbeklagten muss ordnungsgemäß begründet werden, wenn wie hier nicht ohne weiteres klar und einsichtig ist, welchen Vortrag und welchen Beweisantritt das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt haben soll.
Unterschriften
Dr. Freitag, Brühler, Creutzfeldt, Schlaefke, Schmidt
Fundstellen
DB 2006, 736 |
FA 2006, 156 |
EzA |
NZA-RR 2006, 392 |
ArbRB 2006, 107 |
NJOZ 2006, 2364 |