Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung im Textileinzelhandel

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel; Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 (MTV Einzelhandel NW) § 8; BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 27.08.1985; Aktenzeichen 6 Sa 792/85)

ArbG Rheine (Urteil vom 30.01.1985; Aktenzeichen 2 Ca 572/84)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. August 1985 – 6 Sa 792/85 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die 38-jährige Klägerin ist seit Mitte August 1978 bei der Beklagten mit einer monatlichen Arbeitszeit von 100 Stunden als Verkäuferin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 (MTV) Anwendung.

Aufgrund vertraglicher Vereinbarung zahlte die Beklagte der Klägerin im Klagezeitraum (Oktober 1983 bis Dezember 1984) einen Grundbetrag von DM 940,– und eine garantierte Prämie von DM 200,–. Das Tarifgehalt der Klägerin betrug in diesem Zeitraum monatlich DM 1.139,–. In Ziff. 3 des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien heißt es:

Etwaige später wirksam werdende Erhöhungen des Tarifentgelts kommen soweit nicht zum Zuge, als die Gesamtbezüge bereits die Höhe des neuen Tarifs erreichen.

Die Klägerin erhält für ihre Verkäufe Umsatzprovisionen, deren Höhe sich nach der Art der verkauften Artikel richtet und zwischen 0,8 % und 2,0 % schwankt. Ferner erhält sie für schwer verkäufliche Ware eine vom Abteilungsleiter jeweils gesondert festgesetzte Provision sowie für die Urlaubszeit eine nach den sonst verdienten Provisionen ausgerichtete Ausgleichsprämie. Diese Provisionen, die die Beklagte in ihren Lohnabrechnungen als EDV-Prämie und Lenkungsprämie bezeichnet, rechnet die Beklagte auf die garantierte Prämie von monatlich DM 200,– an.

Die Klägerin meint, diese Art ihrer Entlohnung stehe mit § 8 Abs. 6 Satz 1 MTV nicht in Einklang. Danach müsse das monatliche Fixum mindestens dem monatlichen Tarifgehalt entsprechen. Bei der Garantieprämie von DM 200,–, auf die die anderen Prämien angerechnet würden, handele es sich um eine Umsatzprovision, die nicht zum Fixum gezählt werden dürfe. Das tariflich garantierte Fixum der Klägerin betrage DM 1.139,–. Da die Beklagte nur ein Fixum von DM 940,– zahle, schulde sie der Klägerin noch monatlich DM 199, –, das seien für die Zeit von Oktober 1983 bis Dezember 1984 DM 2.985, –.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 1.592,– brutto zuzüglich 4 % Zinsen von dem sich ergebenden Nettobetrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 398,– brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 597,– brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
  4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 400,– brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, nach dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 6 MTV solle der Arbeitnehmer Bezüge erhalten, die dem Tarifgehalt entsprächen. Dem werde die Beklagte gerecht. Das der Klägerin gezahlte Grundgehalt habe zusammen mit der Garantieprämie stets das Tarifgehalt überstiegen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, für jeden Umsatz der Klägerin Provision zu zahlen. Es sei vielmehr zulässig, daß Provisionen erst für einen Sockelbetrag übersteigende Umsätze gezahlt würden. Ziff. 3 des Arbeitsvertrags werde von ihr seit Inkrafttreten des MTV nicht mehr angewandt. Deshalb wirkten sich Steigerungen des Tarifgehalts unmittelbar gehaltserhöhend für die Klägerin aus.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils unter Beschränkung der Zinsen auf die Nettobeträge. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Zahlung von DM 2.985,– brutto nebst Zinsen verlangen. Denn das monatliche Fixum der Klägerin lag entgegen ihrer Auffassung nicht unter dem Tarifgehalt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 (MTV) kraft Allgemeinverbindlichkeit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). In § 8 Abs. 6 MTV heißt es:

Bezieht ein Arbeitnehmer verschiedene Arten von Vergütungen (Fixum und Provision, ausgenommen Stück- oder ähnliche Prämien), so muß das monatliche Fixum mindestens dem monatlichen Tarifgehalt/-lohn entsprechen. Bestehen für den Arbeitnehmer aus Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag andere Regelungen, so sind diese bis zum 31.12.1982 dieser Bestimmung anzupassen. Einzelheiten sind in Betriebsvereinbarungen zu regeln.

Nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung, der aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung ersichtlich und damit für die Tarifauslegung maßgebend ist (vgl. BAG 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), soll der Arbeitnehmer monatlich einen festen Betrag (Fixum) erhalten, der der Höhe nach mindestens dem Tarifgehalt entspricht. Dieser feste Betrag muß im voraus vereinbart sein. Im vorliegenden Fall erhält die Klägerin als festen Betrag monatlich einen Grundbetrag von DM 940,– und eine garantierte Prämie von DM 200,– und damit stets mindestens DM 1.140,–. Bei diesem festen Betrag handelt es sich um ein Fixum im tariflichen Sinne. Wie die Parteien dieses Fixum bezeichnen, ob als Grundbetrag zuzüglich garantierte Prämie oder als Garantiegehalt, ist rechtsunerheblich. Entscheidend ist, daß es sich um einen festen Betrag handelt, der monatlich zu zahlen ist. Da dieses Fixum das Tarifgehalt der Klägerin übersteigt, ist die Klage unbegründet.

Ein Teil des der Klägerin gezahlten Fixums, nämlich die garantierte Prämie von DM 200,–, wird zwar von der Beklagten mit erzielten Provisionen – von der Beklagten als „Prämien” bezeichnet – verrechnet. Damit wird dieser Teilbetrag von DM 200,– aber nicht zur Provision, da er unabhängig von jeder Verkaufstätigkeit der Klägerin als fester Betrag monatlich zu zahlen ist. Die Verrechnung dieses Betrags mit erzielten Provisionen bedeutet nur, daß Provisionen erst gezahlt werden, wenn und soweit sie einen bestimmten Sockelbetrag überschreiten. Damit erhält die Klägerin für Verkäufe, bei denen Provisionen bis zur Höhe des Sockelbetrags anfallen, in Wahrheit keine Provision. Provisionen werden vielmehr erst gezahlt, soweit der Sockelbetrag überschritten ist. Diese Vertragsgestaltung ist nicht tarifwidrig. Denn nach den tariflichen Regelungen hat eine Verkäuferin keinen Anspruch auf Provision. Die von der Beklagten über das Fixum hinaus gezahlte Provision ist insoweit eine übertarifliche Leistung. Wenn die Klägerin auf diese Weise in manchen Monaten keine Provision erzielen sollte, weil die von ihr getätigten Verkäufe keinen Provisionsbetrag ergeben, der den Sockelbetrag übersteigt, ist auch dies nicht tarifwidrig. Der Tarifvertrag schreibt nämlich nicht vor, daß bei der Vereinbarung eines Fixums und von Provisionen der Vertrag so gestaltet sein muß, daß auch tatsächlich monatlich über das Fixum hinaus Provisionen gezahlt werden müssen. Nach dem Tarifvertrag ist nur ein Fixum in Höhe des monatlichen Tarifgehalts garantiert.

Auch die Tarifgeschichte spricht nicht gegen die hier vorgenommene Auslegung. Nach der Auskunft der Tarifvertragsparteien war im Manteltarifvertrag von 1977 geregelt, daß Arbeitnehmer, die verschiedene Arten von Vergütungen (z.B. Fixum und Provision) erhielten, monatlich mindestens ein Entgelt erhalten mußten, das dem Tarifgehalt oder dem Tariflohn entsprach, wobei dieses Entgelt im Durchschnitt von sechs Monaten das Tarifgehalt oder den Tariflohn überschreiten mußte. Eine solche Regelung konnte zu Mißverständnissen Anlaß geben, weil die Auslegung denkbar wäre, daß erst im Durchschnitt von sechs Monaten das Tarifgehalt erreicht werden müsse, also untertarifliche Bezüge eines Monats durch hohe übertarifliche Bezüge in einem anderen Monat ausgeglichen werden könnten. Der Manteltarifvertrag vom 13. Dezember 1980 hat jedenfalls insoweit eine Klarstellung gebracht und eine klare Regelung getroffen.

Auf die Frage, ob Ziff. 3 des Arbeitsvertrags, der die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Vergütungsbestandteile (Gesamtbezüge) vorsieht, wirksam ist oder nicht, kommt es damit nicht mehr an.

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Feller, Dr. Freitag, Dr. Etzel, Jansen, Fieberg

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1490034

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