Entscheidungsstichwort (Thema)
Benachteiligung eines Personalratsmitglieds
Normenkette
LPVG NW § 42 Abs. 3 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 1997 – 12 Sa 1485/96 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägern auf Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe wegen der Benachteiligung als freigestelltes Personalratsmitglied.
Die Klägerin war seit dem 16. November 1970 zunächst bei der Gemeinde H. als Kindergartenhelferin und ab dem 1. Oktober 1972 bei der damaligen Amtsverwaltung G. als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Im Rahmen einer Gemeindeneugliederung wurde sie mit Wirkung zum 23. September 1974 von der Beklagten übernommen und im Jugendamt eingesetzt. Sie erledigte dort zunächst Büroarbeiten und Kindergartenangelegenheiten und ab dem Jahre 1977 auch solche aus dem Bereich der wirtschaftlichen Erziehungshilfe. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der BAT/VKA Anwendung. Die Klägerin gehört seit dem 1. Juli 1975 dem bei der Beklagten gebildeten Personalrat an, zu dessen Vorsitzende sie im November 1977 gewählt wurde. Seit dem 1. Juli 1978 ist sie freigestelltes Personalratsmitglied.
Die Klägerin bestand am 5. März 1975 die erste und am 6. Juli 1979 die zweite Prüfung für Angestellte im kommunalen Verwaltungsdienst. Sie erhielt ab 1. Januar 1975 Vergütung aus der VergGr. VI b BAT/VKA. In der Folgezeit wurde sie mehrfach höhergruppiert. Seit dem 1. Juli 1991 ist die Klägerin in der VergGr. IV a Fallgr. 1 a BAT/VKA eingruppiert.
Die Beklagte beschäftigt insgesamt 13 Angestellte mit der Laufbahnbefähigung der Klägerin. Davon sind 9 Angestellte in den VergGr. IV b bis V b BAT/VKA eingruppiert. Eine Angestellte wird wie die Klägerin nach der Besoldungsgruppe IV a BAT/VKA entlohnt. Höhergruppiert als die Klägerin sind lediglich die Leiterin des Liegenschaftsamtes, die Vergütung aus der VergGr. II BAT/VKA erhält, und die Leiterin der Personalabteilung, die in die VergGr. III BAT/VKA eingestuft ist. Die Leiterin des Liegenschaftsamts ist seit 1973 bei der Beklagten beschäftigt ist. Sie bestand 1976 bzw. 1979 die Angestelltenprüfungen und erhielt in diesen Jahren überdurchschnittliche Beurteilungen. Die Leiterin der Personalabteilung ist lebensälter als die Klägerin und absolvierte die Angestelltenprüfungen 1974 bzw. 1975. Sie leitet die Personalabteilung seit 1979.
Nach dem die Beklagte ihrem Antrag auf Höhergruppierung in die VergGr. III BAT/VKA nicht entsprochen hatte, erhob die Klägerin eine Eingruppierungsfeststellungsklage. Sie hat die Auffassung vertreten, ohne ihre Tätigkeit als freigestelltes Personalratsmitglied wäre sie ebenfalls mit Leitungsfunktionen betraut worden. Dazu habe sie sich nicht gesondert bewerben müssen. Ihren beruflichen Werdegang nach sei sie jedenfalls mit der derzeitigen Leiterin des Liegenschaftsamtes vergleichbar. Daraus folge zumindest ein Anspruch auf eine Höhergruppierung in die VergGr. III BAT. Darüber hinaus sei sie im Jahre 1981 von dem damaligen Stadtdirektor der Beklagten darauf angesprochen worden, ob sie sich für die Tätigkeit einer Amtsleiterin interessiere. Die Übertragung einer Leitungsstelle sei schließlich an ihrer Personalratstätigkeit gescheitert.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. Juli 1994 Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT(VKA) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der berufliche Werdegang der Klägerin entspreche der bei ihr geübten Beförderungspraxis für Angestellte mit der Laufbahnbefähigung der Klägerin. Der außergewöhnliche berufliche Aufstieg der Leiterin des Liegenschaftsamtes beruhe auf überdurchschnittlichen dienstlichen Beurteilungen einer langjährigen Tätigkeit mit verantwortungsvollen Aufgaben im Liegenschaftsamt. Einen vergleichbaren Aufstieg habe die Klägerin in ihrer letzten Dienststelle beim Jugendamt nicht erreichen können. Ihre damalige Tätigkeit werde dort von einem Beamten der Besoldungsgruppe A 10 ausgeübt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verlangt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß der Klägerin kein Anspruch auf eine Entlohnung nach der VergGr. III BAT/VKA zusteht.
I. Die Klägerin als freigestelltes Personalratsmitglied kann einen Anspruch allein aus § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW herleiten. Dessen anspruchsbegründende Tatsachen hat sie jedoch nicht schlüssig vorgetragen.
1. Nach § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW dar der berufliche Werdegang eines freigestellten Personalratsmitglieds wegen seiner Freistellung nicht beeinträchtigt werden. Die Vorschrift enthält ebenso wie die gleichlautenden Vorschriften des Bundes (§§ 8, 46 BPersVG) über das darin geregelte Benachteiligungsverbot hinaus zugleich ein an den Arbeitgeber gerichtetes Gebot, dem Personalratsmitglied eine berufliche Entwicklung zukommen zu lassen, wie sie ohne Freistellung verlaufen wäre. Demzufolge kann das Personalratsmitglied den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der Differenz zwischen seiner derzeitigen und einer höheren Vergütungsgruppe in Anspruch nehmen, wenn er ohne seine Freistellung mit Aufgaben betraut worden wäre, die eine höhere Vergütungsgruppe rechtfertigen (BAG Urteil vom 26. September 1990 – 7 AZR 208/89 – BAGE 66, 85 = AP Nr. 4 zu § 8 BPersVG).
2. Wird der Anspruch auf höhere Vergütung wegen einer Benachteiligung darauf gestützt, daß das Personalratsmitglied ohne seine Freistellung eine Tätigkeit ausüben würde, die die Merkmale der angestrebten Vergütungsgruppe erfüllt, so ist der berufliche Werdegang des Personalratsmitglieds fiktiv nachzuzeichnen. Das Personalratsmitglied ist so zu behandeln, wie ein vergleichbarer Kollege ohne Personalratsamt. Dabei ist darauf zu achten, daß das freigestellte Personalratsmitglied im Verhältnis zu den übrigen Beschäftigten nicht bevorzugt wird. Denn zur Wahrung der inneren Unabhängigkeit der Personalratsmitglieder verbietet § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW gleichermaßen eine Begünstigung wie eine Benachteiligung des freigestellten Personalratsmitglieds. Deshalb dürfen keine Eingruppierungsunterschiede berücksichtigt werden, die nur auf individuelle Leistungs- und Befähigkeitsunterschiede vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgehen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
3. Die Klägerin hat sich in der Vergangenheit nicht um eine nach VergGr. III BAT/VKA dotierte Amts- oder Abteilungsleiterstelle beworben. Das ist jedoch unschädlich. Eine Benachteiligung im Sinne des § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW ohne eine Bewerbung auf eine freie Stelle kann sich auch daraus ergeben, daß der öffentliche Arbeitgeber Angestellte mit bestimmten Laufbahnvoraussetzungen nach feststehenden Maßstäben und/oder Zeitabläufen auf frei werdende oder neu geschaffene Stellen der VergGr. III BAT/VKA befördert und Personalratsmitglieder wegen ihrer Freistellung davon ausnimmt. Das hat das Personalratsmitglied darzulegen.
Eine solche Benachteiligung läßt das Vorbringen der Klägerin jedoch nicht erkennen. Entsprechende Beförderungsprinzipien der Beklagten bei der Beförderung von Angestellten mit ihrer Laufbahnbefähigung werden nicht dargelegt. Ein solches Muster ergibt sich auch nicht aus dem beruflichen Werdegang der Leiterin des Liegenschaftsamtes oder der Leiterin der Personalabteilung, die nach den ungerügten Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jeweils aufgrund überdurchschnittlicher Leistungen bzw. der besonderen Situation in ihren Abteilungen bzw. Ämtern eine höhere Vergütung erreicht haben. Auch die derzeitige Eingruppierung der Klägerin spricht dagegen, daß sie von der Beklagten aufgrund ihrer Personalratstätigkeiten in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt worden ist. Von den 13 Angestellten der Beklagten, die über die Laufbahnvoraussetzungen der Klägerin verfügen, sind nur die Leiterin des Liegenschaftsamtes nach der VergGr. II BAT/VKA und die Leiterin der Personalabteilung nach der VergGr. III BAT/VKA höhergruppiert. Nur eine Angestellte ist wie die Klägerin eingruppiert, während die übrigen vergleichbaren Angestellten eine Vergütung nach niedrigeren Vergütungsgruppen erhalten.
4. Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Benachteiligung wegen Eingruppierung in eine unrichtige Fallgruppe berufen.
Das Benachteiligungsverbot des § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW verwehrt es der Arbeitgeberin, von einer Höhergruppierung im Wege des Bewährungsaufstiegs während der Freistellung eines Personalratsmitglieds abzusehen. Ein daraus folgender Höhergruppierungsanspruch setzt voraus, daß das Personalratsmitglied in eine Fallgruppe einer Vergütungsgruppe eingruppiert ist, die einen Bewährungsaufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe vorsieht. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Sie erfüllt unstreitig die Merkmale der VergGr. IV a Fallgr. 1 a BAT/VKA. Voraussetzung einer Höhergruppierung in die VergGr. III Fallgr. 1 b BAT/VKA im Wege des Bewährungsaufstiegs ist jedoch eine vierjährige Bewährung in der VergGr. IV a Fallgr. 1 b BAT/VKA. Die Klägerin meint zwar, die Beklagte hätte sie bei der letzten Höhergruppierung in die Fallgr. 1 b der VergGr. IV a BAT/VKA eingruppieren müssen. Es fehlen jedoch jegliche Angaben darüber, daß sie etwa bei einem Verbleib ihrer früheren Stelle im Jugendamt eine vertragliche Tätigkeit ausüben würde, die diesen Anforderungen entspricht. Da es sich bei dieser Vergütungsgruppe um eine solche handelt, die ihrerseits die Erfüllung der Merkmale einer Ausgangsfallgruppe und darauf aufbauender Vergütungsgruppen voraussetzt, müßte sich ihr Vorbringen ferner auf die dazu notwendigen Voraussetzungen beziehen. Auch daran fehlt es.
II. Der Anspruch der Klägerin folgt aus nicht aus der von ihr vorgetragenen Zusage auf Übertragung eines Amtes der VergGr. III BAT/VKA, von der wegen ihrer Freistellung Abstand genommen worden sei. Ein darauf gestützter Vergütungsanspruch wegen einer Verletzung des personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbots ist bereits durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. Juni 1987 – 16 Sa 1104/83 – nach Durchführung eines Revisionsverfahrens vor dem Senat (vgl. Urteil vom 31. Juli 1986 – 6 AZR 592/83 – n.v.) rechtskräftig abgewiesen worden. Die von der Klägerin gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts gerichteten Verfahrensrügen sind aus diesem Grunde unbeachtlich.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Knapp, Jens, Herbst
Fundstellen
Haufe-Index 1251981 |
ZTR 1999, 235 |