Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachholung von Arbeit im öffentlichen Dienst
Leitsatz (amtlich)
1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT-O ist als durchschnittliche Arbeitszeit innerhalb des in § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT-O festgelegten Ausgleichszeitraums zu leisten.
2. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat in Ausübung seines Direktionsrechts die regelmäßige Arbeitszeit den Wochen des Ausgleichszeitraums zuzuordnen und – gegebenenfalls unter Beachtung des Mitbestimmungrechts der Personalvertretung (hier: § 85 Abs. 1 Nr. 1 PersVG Berlin) – die Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zu verteilen sowie Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit zu bestimmen. Diese Festlegungen sind auch dann erforderlich, wenn im Betrieb die gleitende Arbeitszeit eingeführt ist.
3. Von dem Ausgleichszeitraum von bis zu einem Jahr nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT-O in der vom 1. Januar 1996 bis zum 28. Februar 1998 geltenden Fassung konnte nicht abgewichen werden (Abgrenzung zu der eine frühere Fassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT betreffenden Entscheidung des erkennenden Senats vom 13. Februar 1992 – 6 AZR 426/90 – AP BAT § 15 Nr. 22 = EzA BAT § 15 Nr. 2).
Normenkette
BAT-O § 15 Abs. 1, 8, § 70 Abs. 1, § 74 Abs. 2; BAT § 15 Abs. 1; BGB §§ 611, 286-287; ZPO §§ 148, 563; PersVG Berlin § 85 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. Mai 1998 – 16 Sa 27/98 – wird zurückgewiesen.
2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Arbeit nachholen muß, die in der ersten Hälfte des Jahres 1996 zu leisten war.
Der Kläger war seit 1985 bei der Magistratsverwaltung im ehemaligen Ostberlin als Verwaltungsangestellter tätig. Seit der Wiedervereinigung wird er in der Senatsverwaltung des beklagten Landes weiterbeschäftigt. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 13. August 1991 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Januar 1991 nach den Bestimmungen des BAT-O. Vom 24. August 1991 an wurde der Kläger in einer Dienststelle im ehemaligen Westberlin eingesetzt. Nach Bekanntwerden des sog. „Posturteils” des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68) schlossen die Parteien am 23. Dezember 1991 einen Arbeitsvertrag, nach dessen § 3 sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT bestimmt. Zum 1. April 1995 zog die Dienststelle des Klägers in das ehemalige Ostberlin um. Das beklagte Land behandelte den Kläger, obwohl dessen Arbeitszeitplatz sich nunmehr im ehemaligen Ostberlin befand, zunächst weiterhin nach dem BAT.
Nachdem das sog. „Feuerwehrurteil” des erkennenden Senats vom 26. Dezember 1995 (– 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207) bekannt geworden war, wies das beklagte Land in einem dem Kläger am 10. Januar 1996 zugegangenen Schreiben vom 9. Januar 1996 darauf hin, daß nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nach Rückkehr des Klägers in das Beitrittsgebiet auf das Arbeitsverhältnis wieder der BAT-O anzuwenden sei, die bisher nach BAT und damit nach dem Inhalt des Urteils übertariflich gewährten Leistungen im Rahmen der tariflichen Ausschlußfrist und damit rückwirkend für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis zum 31. Dezember 1995 vorsorglich zurück gefordert würden, die Vergütungsdifferenz vom nächsten Fälligkeitszeitpunkt an unter Vorbehalt gezahlt und über die geltenden Arbeitsbedingungen und die daraus gegebenenfalls resultierenden Rückforderungsansprüche nach abschließender Beurteilung der Rechtslage aufgrund der noch ausstehenden vollständigen Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts entschieden werde. In bezug auf die Arbeitszeit des Klägers heißt es in dem Schreiben:
„Bis dahin verbleibt es bei der z.Z. für Sie festgelegten Arbeitszeit nach dem BAT. Eventuell muß jedoch die nach dem BAT-O zu wenig geleistete Arbeitszeit vom Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens an nachgearbeitet werden.”
In einem auf dieses Schreiben Bezug nehmenden weiteren Schreiben vom 15. Juli 1996 teilte das beklagte Land unter Hinweis auf ein Rundschreiben der Senatsverwaltung für Inneres dem Kläger mit, daß die Arbeitsbedingungen sich vom Tag der Rückkehr in das Tarifgebiet Ost an wieder nach östlichem Tarifrecht richteten und die rechtzeitig geltend gemachten und unter Vorbehalt gewährten Leistungen zurückgefordert, allerdings zunächst gestundet würden. Zur Arbeitszeit des Klägers enthält das Schreiben folgenden Absatz:
„Die seit dem Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens vom 9. Januar 1996 zu wenig geleistete Arbeitszeit von grundsätzlich 1,5 Stunden wöchentlich ist nachzuarbeiten. Wir machen die entsprechende Nacharbeit hiermit geltend. Ihre regelmäßige Arbeitszeit beträgt seit diesem Zeitpunkt 40 Stunden wöchentlich.”
In einem dritten Schreiben vom 30. Mai 1997, das dem Kläger am 10. Juni 1997 zuging, erklärte das beklagte Land, daß seine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1995 (aaO) nicht angenommen worden sei und deshalb die Leistungen, die im Schreiben vom 15. Juli 1996 gestundet wurden, nunmehr zurückgefordert werden müßten. In bezug auf die Nacharbeit heißt es in dem Schreiben:
„Ferner ist die in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1996 zu wenig geleistete Arbeitszeit nachzuarbeiten. Dies soll innerhalb eines Jahres nach Ihren persönlichen Wünschen in Absprache mit der Büroleitung erfolgen. Wir bitten Sie daher, sich umgehend mit unserem Referat AV D in Verbindung zu setzen.”
Der Kläger, der dem Verlangen des beklagten Landes nach einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bereits mit Schreiben vom 22. Juli 1996 widersprochen hatte, hat die Auffassung vertreten, auf sein Arbeitsverhältnis seien auch nach dem 1. Januar 1996 die Bestimmungen des BAT anzuwenden. Es gelte somit eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 und nicht von 40 Stunden. Er sei nicht verpflichtet, für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1996 Nacharbeit zu leisten. Außerdem sei diese Arbeit nicht nachholbar. Er müsse dann nämlich mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, was der Anordnung von Überstunden gleichkomme. Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß er nicht verpflichtet ist, für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1996 Nacharbeit zu leisten.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat darauf verwiesen, daß im Hinblick auf die in der Dienststelle des Klägers eingeführte gleitende Arbeitszeit Gelegenheit bestand, innerhalb eines Jahres die 39 Arbeitsstunden nachzuarbeiten, die der Kläger zu wenig geleistet und auf die der Arbeitgeber unmittelbar auf § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT-O Anspruch habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision und hilfsweise um Aussetzung des Verfahrens, weil im Rechtsstreit – 91 Ca 38705/98 – vor dem Arbeitsgericht Berlin darüber gestritten werde, ob auf das Arbeitsverhältnis der BAT oder der BAT-O anzuwenden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Die negative Feststellungsklage ist begründet. Das beklagte Land hat keinen Anspruch darauf, daß der Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juni 1996 (fortan: streitgegenständlicher Zeitraum) eine Arbeitszeit von weiteren 1,5 Stunden wöchentlich nachleistet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat in Ziff. 2.2.1 des angefochtenen Urteils unterstellt, im streitgegenständlichen Zeitraum sei auf das Arbeitsverhältnis der BAT-O anzuwenden gewesen. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung, die seine 10. Kammer in einem gleichgelagerten Fall getroffen hat, hat es angenommen, der Kläger sei somit gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT-O verpflichtet gewesen, eine Arbeitsleistung von 40 Wochenstunden zu erbringen. Das beklagte Land habe dem Kläger jedoch nur im Umfang von 38,5 Stunden wöchentlich einen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt und sich deshalb hinsichtlich der weiteren 1,5 Wochenstunden dem grundsätzlich leistungsbereiten Kläger gegenüber im Annahmeverzug befunden. Der Kläger müsse deshalb entsprechend § 615 BGB weder die streitige Arbeit nachholen noch Wertersatz leisten.
Diese Begründung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Der Annahmeverzug des beklagten Landes scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger als Schuldner nicht leistungsbereit war, auch nicht „grundsätzlich”, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat. Der Kläger vertrat, wie sich aus seinem Schreiben vom 22. Juli 1996 ergibt, und vertritt im vorliegenden Rechtsstreit den Standpunkt, daß er im streitgegenständlichen Zeitraum nur die in § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT geregelte Arbeitszeit von 38,5, nicht aber die vom beklagten Land geforderte Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich(§ 15 Abs. 1 Satz 1 BAT-O) habe leisen müssen. Die Grundsätze des Gläubigerverzugs verhelfen der negativen Feststellungsklage somit nicht zum Erfolg. Das Berufungsurteil stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar(§ 563 ZPO).
II. Der erkennende Senat kann – ebenso wie das Berufungsgericht – für die Entscheidung dieses Rechtsstreits offenlassen, ob seit der Rückkehr des Klägers in das Beitrittsgebiet im Jahr 1995 auf das Arbeitsverhältnis wieder der BAT-O anzuwenden ist. Auch wenn man dies bejaht, kann das beklagte Land die Nachleistung nicht verlangen. Es hat versäumt, diese Arbeitszeit in dem Zeitraum, in dem die Arbeit nach den tariflichen Bestimmungen zu leisten war, festzulegen. Der Rechtsstreit – 91 Ca 38705/98 – vor dem Arbeitsgericht Berlin, in dem der Kläger klären lassen will, ob auf sein Arbeitsverhältnis der BAT oder der BAT-O anzuwenden ist, ist somit für den vorliegenden Rechtsstreit nicht iSd. § 148 ZPO vorgreiflich.
1. Die regelmäßige Arbeitszeit des nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag „vollzeitbeschäftigten” Klägers betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 40 Stunden wöchentlich(§ 15 Abs. 1 Satz 1 BAT-O). Nachdem der Kläger unstreitig nur 38,5 Arbeitsstunden wöchentlich geleistet hatte, konnte das beklagte Land verlangen, daß der Kläger die fehlenden 1,5 Stunden wöchentlich nachholte. Dieses Recht besteht jedoch nicht mehr, nachdem das beklagte Land nicht festgelegt hat, wann innerhalb des in § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT-O geregelten Zeitraums (fortan: Ausgleichszeitraum) die Nachleistung erfolgen soll.
2. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden wird als durchschnittliche Arbeitszeit geschuldet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BAT-O). Für die Berechnung des Durchschnitts ist ein Zeitraum bis zu einem Jahr zugrunde zu legen(§ 15 Abs. 1 Satz 2 BAT-O). Diese durch den 7. ÄndTV vom 15. Dezember 1995 eingefügte – von der Arbeitnehmerseite allerdings zum 28. Februar 1998 gem. § 74 Abs. 2 Unterabs. 3 BAT-O mit den dort geregelten Wirkungen gekündigte – Bestimmung galt während des streitgegenständlichen Zeitraums ab dem 1. März 1996. Für die regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in den Monaten Januar und Februar 1996 betrug der Ausgleichszeitraum gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT-O in der Fassung, die vorher gegolten hatte, „in der Regel … 26 Wochen”.
Das beklagte Land konnte somit die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinsichtlich der Wochen bis zum 1. März 1996 in der Weise regeln, daß im Verlauf von jeweils 26 Wochen nicht mehr als 1.040 Stunden Arbeitszeit verlangt wurden, wobei in die Durchschnittsberechnung für jede Woche sowohl die vorangegangenen als auch die darauf folgenden 25 Wochen einzubeziehen waren (vgl. BAG 13. Februar 1992 – 6 AZR 426/90 – AP BAT § 15 Nr. 22 = EzA BAT § 15 Nr. 2). Für die Zeit zwischen dem 1. März 1996 und dem 30. Juni 1996 endete der für die letze Woche maßgebende Ausgleichszeitraum am 30. Juni 1997. Das beklagte Land konnte somit die in der ersten Jahreshälfte 1996 nicht geleistete Arbeit dadurch nachholen lassen, daß es innerhalb der Ausgleichszeiträume eine höhere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit festlegte, zB für die Wochen der zweiten Jahreshälfte statt 40 Stunden 41,5 Stunden oder zB für die Hälfte dieser Wochen 40 und für die andere Hälfte 43 Stunden.
Es wäre Sache des beklagten Landes gewesen, diese Festlegung zu treffen, wenn es auf der streitigen Nachleistung bestehen wollte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht es dem Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts zu, im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig beschriebene Leistungspflichten des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung zu bestimmen (BAG 27. März 1980 – 2 AZR 506/78 – BAGE 33, 71, 75; 20. Dezember 1984 – 2 AZR 436/83 – BAGE 47, 363, 375; 17. März 1988 – 6 AZR 268/85 – BAGE 58, 19, 25 f.). Das beklagte Land hätte deshalb bestimmen müssen, wie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht geleistete Arbeit auf die für die Leistung verbleibenden Wochen des Ausgleichszeitraums zu verteilen ist. Außerdem hätte es – soweit eine generelle Regelung notwendig war, mitbestimmt durch den Personalrat (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 PersVG Berlin) – Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage festlegen müssen. Die auf einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT aufbauenden bisherigen Festlegungen reichten für Angestellte wie den Kläger, für die seit der Verlegung der Dienststelle in das Beitrittsgebiet wieder der BAT-O galt, im Hinblick auf deren jetzt um 1,5 Wochenstunden erhöhte Arbeitszeit nicht aus.
3. Das beklagte Land hat die nachzuholende Arbeitszeit des Klägers nicht innerhalb der für die Wochen des streitgegenständlichen Zeitraums geltenden Ausgleichszeiträume festgelegt.
a) Als das beklagte Land in dem dem Kläger am 10. Juni 1997 zugegangenen Schreiben vom 30. Mai 1997 forderte, die in der Zeit vom 10. Januar bis zum 30. Juni 1996 zu wenig geleistete Arbeit nachzuarbeiten, waren die Ausgleichszeiträume (bis 29. Februar 1996 in der Regel 26 Wochen, ab 1. März 1996 längstens ein Jahr) für die Wochen bis zum 9. Juni 1996 bereits abgelaufen. Bei der Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit in der Zeit nach dem 9. Juni 1997 konnte die Arbeit, die vor dem 10. Juni 1996 zu leisten war, somit nicht mehr berücksichtigt werden.
Die in dem Schreiben enthaltene Anordnung, die rückständige Arbeitszeit solle innerhalb eines Jahres nach den persönlichen Wünschen des Klägers in Absprache mit der Büroleitung nachgeholt werden, und, man bitte, sich umgehend mit dem Referat AV D in Verbindung zu setzen, enthielt nicht die Festlegung der rückständigen Arbeitszeit aus der Zeit vom 10. bis 30. Juni 1996. Diese Arbeitszeit hätte zwar bei Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für die noch in den Ausgleichszeitraum von bis zu einem Jahr fallenden Wochen vom 10. bis zum 30. Juni 1997 berücksichtigt werden dürfen. Die Anordnung des beklagten Landes verzichtete jedoch auf die notwendige Festlegung. Sie bezweckte vielmehr, wie der Hinweis auf eine in der Zukunft liegende „Absprache” zeigt, den Ausgleichszeitraum über die Dauer eines Jahres hinaus zu verlängern. Dies ist jedoch nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT-O in der Fassung des 7. ÄndTV nicht zulässig. Dafür spricht nicht nur der klare Wortlaut der Bestimmung, sondern auch der Umkehrschluß aus der dazugehörigen Protokollnotiz, die einen längeren Ausgleichszeitraum nur für die Dauer sog. Sabbatjahrmodelle erlaubt.
Zwar hat der erkennende Senat unter Geltung einer früheren Fassung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT, nach der (gleichlautend mit der entsprechenden früheren Bestimmung des BAT-O) für die Berechnung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit „in der Regel ein Zeitraum von acht Wochen zugrunde zu legen” war, angenommen, daß die Arbeitsvertragsparteien von diesem Regelzeitraum abweichen können, wenn dafür ein sachlicher Grund besteht. Außerdem hat er unter dieser Voraussetzung auch eine einseitige Abweichung durch den Arbeitgeber erwogen (vgl. BAG 13. Februar 1992 – 6 AZR 426/90 – AP BAT § 15 Nr. 22 = EzA BAT § 15 Nr. 2). Diese Möglichkeiten scheiden jedoch nach dem eindeutigen Tarifwortlaut in der Fassung des 7. ÄndTV aus. Außerdem hätte es dem beklagten Land auch an einem sachlichen Grund für die Verlängerung des Ausgleichszeitraums gefehlt. Das beklagte Land war nicht gehindert, die Arbeitszeit des Klägers innerhalb des tariflichen Ausgleichszeitraums festzulegen, nachdem es sich ausweislich seines Schreibens vom 15. Juli 1996 grundsätzlich entschlossen hatte, auf der streitgegenständlichen Nacharbeit zu bestehen.
b) Durch die Schreiben vom 9. Januar und vom 15. Juli 1996 hatte das beklagte Land die Arbeitszeit des Klägers nicht festgelegt.
aa) Das Schreiben vom 9. Januar 1996 enthielt nicht nur keine Festlegung der nach BAT-O zu erbringenden Arbeitszeit, sondern den ausdrücklichen Hinweis, daß es bis zur abschließenden Beurteilung der Rechtslage durch das beklagte Land bei der zur Zeit festgelegten Arbeitszeit nach BAT verbleibe. Bezüglich der zu wenig geleisteten Arbeitszeit nach BAT-O heißt es nur, daß sie „eventuell” nachgearbeitet werden müsse. Eine Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach BAT-O war darin nicht zu sehen.
bb) Im Schreiben vom 15. Juli 1996 forderte das beklagte Land zwar nunmehr ohne Vorbehalt, die seit dem Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens vom 9. Januar 1996 zu wenig geleistete Arbeitszeit von grundsätzlich 1,5 Stunden nachzuarbeiten. Außerdem wies es darauf hin, daß diese Nacharbeit geltend gemacht werde und die regelmäßige Arbeitszeit seit diesem Zeitpunkt 40 Stunden wöchentlich betrage. Eine Festlegung der nachzuarbeitenden Arbeitszeit durch den Arbeitgeber enthielt aber auch dieses Schreiben nicht. Das beklagte Land bestimmte darin nicht, wie die nachzuholende Arbeit den verbleibenden Zeitabschnitten des Ausgleichszeitraums zuzuordnen war. Dies wäre aber erforderlich gewesen, und zwar auch dann, wenn, wovon auszugehen ist, in der Dienststelle des Klägers für die Zeit ab 1. Juli 1996 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden festgelegt war. Die nachzuholenden 39 Stunden aus der ersten Jahreshälfte 1996 waren durch diese Festlegung nicht erfaßt.
c) Die Zuordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil nach der unwidersprochenen Behauptung des Beklagten in der Dienststelle des Klägers die gleitende Arbeitszeit eingeführt war. Diese Regelung enthielt keine ausdrücklichen Festlegungen hinsichtlich des zu leistenden Arbeitszeitvolumens, insbesondere nicht hinsichtlich der Arbeitszeit, deren Nachholung das beklagte Land begehrt. Davon muß der erkennende Senat jedenfalls mangels weiteren Sachvortrags des beklagten Landes ausgehen. Einer Gleitzeitregelung als solcher sind derartige Festlegungen nicht zu entnehmen.
Bei einer Gleitzeitregelung darf der Arbeitnehmer innerhalb bestimmter Grenzen entweder Lage, also Beginn und Ende, der täglichen Arbeitszeit (einfache gleitende Arbeitszeit) oder Lage und Dauer der täglichen Arbeitszeit (gleitende Arbeitszeit mit Zeitausgleich) selbst bestimmen (vgl. MünchArbR/Anzinger § 210 Rn. 58 mwN).
Das beklagte Land meint, heute sei es nicht mehr so, daß die Arbeitsleistung unmöglich werde, wenn Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht in dem dafür vorgesehenen Zeitraum erbringen. Für Arbeitsverhältnisse mit Gleitzeitregelung lasse sich die Prämisse, Arbeit werde grundsätzlich während eines bestimmten Zeitraums geschuldet, nicht mehr aufrechterhalten. Von einer vorher bestimmten Arbeitszeit könne man nicht mehr sprechen, wenn Arbeitnehmer nur während der Kernzeit von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr bzw. 14.00 Uhr zur Arbeitsleistung verpflichtet seien, während sie im übrigen nach eigener Wahl zwischen 6.30 Uhr morgens und 18.00 Uhr abends „gleiten” und außerdem angesammelte Stundenguthaben „abbummeln” könnten, und sie einmal im Monat an einem Tag ihrer Wahl der Arbeit ganz fernbleiben könnten (sog. „Gleittag”). Hieraus folge, daß im Normalfall Arbeitsleistung durchaus nachholbar sei, so auch hier. Diese Bestimmungen reichen jedoch für die Festlegung des Umfangs der zu leistenden Arbeit nicht aus.
Auch bei flexiblen Arbeitszeitsystemen muß festgelegt sein, innerhalb welchen Zeitraums welche Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand März 2000 § 15 Rn. 24). Allein die Festlegung der Kernzeit und des variablen Teils der Arbeitszeit gibt keinen Aufschluß darüber, innerhalb welcher Zeit der Arbeitnehmer welches Arbeitsvolumen erbringen muß. Die zusammengerechnete Kernzeit einer Woche liegt naturgemäß unter der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Rechnet man zu der Kernzeit die Gleitzeit, also die Zeit hinzu, in der der Arbeitnehmer Beginn und Ende der Arbeitszeit selbst bestimmen kann, gelangt man zu einer Zeitspanne, die die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit übersteigt. Auch bei Geltung einer Gleitzeitregelung gilt daher, daß die Arbeitszeit vom Arbeitgeber konkret festzulegen ist (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr aaO Rn. 15).
Ohne diese Festlegung wäre nicht feststellbar, welches durch die Selbstbestimmung der täglichen Dauer der Arbeitszeit entstehende Zeitdefizit oder Zeitguthaben innerhalb des durch die betriebliche Gleitzeitregelung für den Zeitausgleich festgelegten Zeitraums (Wochen, Doppelwoche, Kalendermonat) auszugleichen ist, und gegebenenfalls, wieviele vorgearbeitete oder nachzuarbeitende Stunden in den folgenden, für den Zeitausgleich bestimmten Zeitraum zu übertragen sind. Ebenso wie zur Regelung der Gleitzeit notwendig Bestimmungen darüber gehören, in welchem Umfang innerhalb welcher Zeit Zeitdifferenzen auszugleichen sind, muß dort aber vor allem auch geregelt sein, mit wieviel Stunden Tage ohne Arbeitsleistung – Urlaub, Krankheit, Feiertage – in die Berechnung einzubeziehen sind (MünchArb/Matthes § 326 Rn. 57). Für die tägliche Arbeitszeit, die Arbeitszeit also, die innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an den nach dem Dienstplan festgelegten Kalendertagen regelmäßig zu leisten ist(§ 15 Abs. 8 Unterabs. 2 BAT-O), sind Durchschnittswerte zu bilden oder ist der Durchschnitt der wöchentlichen Arbeitszeit anzusetzen, weil sonst eine Regelung für Ausfalltage fehlt (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr aaO Rn. 24).
Eine solche Festlegung hatte das beklagte Land für die Zeit bis zum 30. Juni 1997, dem Ende der für die Nachholung von Arbeit aus der ersten Hälfte des Jahres 1996 zur Verfügung stehenden tariflichen Ausgleichszeiträume für diese nachzuholende Arbeit nicht getroffen. In dem Betrieb, in dem der Kläger tätig war, galt vielmehr zunächst nach wie vor die von dem beklagten Land im Schreiben vom 9. Januar 1996 als einstweilen fortbestehend bekräftigte regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden, die der Kläger im Rahmen der Gleitzeitregelung zu erbringen hatte. Die auch im Rahmen einer Gleitzeitregelung bei Änderung der regelmäßigen Arbeitszeit notwendige Änderung der Sollarbeitszeit (vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann BAT Stand März 2000 § 15 Rn. 17), zB durch Erhöhung derselben auf 41,5 Stunden wöchentlich in der zweiten Jahreshälfte 1996, hatte nicht stattgefunden. Dies ergibt sich aus dem Schreiben vom 30. Mai 1997, in dem das beklagte Land erstmals versuchte, die Nacharbeit konkret zu regeln und dem sich entnehmen läßt, daß die Nachleistung der rückständigen 1,5 Stunden wöchentlich bis dahin nicht erwartet worden war.
III. Der Kläger ist dem beklagten Land auch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes(§ 286 Abs. 1, § 287 Satz 2 BGB) nicht zur Nachleistung verpflichtet. Der Kläger befand sich nicht im Schuldnerverzug, als die Ausgleichszeiträume abliefen.
1. Das Schreiben vom 9. Januar 1996 scheidet als verzugsbegründend aus, weil es keine Mahnung iSd. § 284 BGB enthält. Als bestimmte Aufforderung zur Leistung kann es schon deshalb nicht angesehen werden, weil es trotz Bezeichnung des nunmehr geltenden und damit auch für den Umfang der Arbeitszeit maßgebenden BAT-O den Hinweis darauf enthielt, daß die bisherige Arbeitszeitregelung fortgelte.
2. Das Schreiben vom 15. Juli 1996 enthielt zwar eine Geltendmachung des beklagten Landes und verhinderte dadurch, daß der Anspruch auf Nacharbeit jedenfalls für die Zeit seit dem 15. Januar 1996 nach § 70 Abs. 1 BAT-O verfiel. Da dieses Schreiben aber ebensowenig wie das Schreiben vom 30. Mai 1997 eine Regelung über die Festlegung der Arbeitszeit enthielt, fehlte es an einer notwendigen Mitwirkungshandlung des Gläubigers, ohne die der Schuldnerverzug nicht beginnt (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 284 Rn. 14).
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Dr. Pühler, D. Knauß
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 30.03.2000 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 507964 |
BAGE, 189 |
BB 2000, 1580 |
FA 2000, 267 |
NZA 2001, 111 |
ZAP-Ost 2000, 561 |
ZTR 2000, 412 |
AP, 0 |
NJ 2000, 667 |
PersR 2000, 387 |
PersV 2001, 280 |
RiA 2001, 56 |
ZfPR 2000, 276 |