Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. Geltendmachung. Schadenersatz
Normenkette
BUrlG § 7; BGB §§ 249, 284, 286-287
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 10.02.1988; Aktenzeichen 8 Sa 99/87) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 24.08.1987; Aktenzeichen 21 Ca 116/87) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. Februar 1988 – 8 Sa 99/87 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin war seit 1983 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel (MTV), zuletzt in der ab 1. Januar 1985 geltenden Fassung, anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:
„§ 20 Verwirkung von Ansprüchen
Ansprüche aus bestehenden Arbeitsverhältnissen müssen innerhalb folgender Ausschlußfristen geltend gemacht werden:
…
b) Ansprüche auf rückständigen Urlaub und Urlaubsgeld innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres,
…
- Bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses können alle aus dem Arbeitsverhältnis entstandenen Ansprüche nur innerhalb von zwei Monaten nach der Auflösung und rückwirkend nur für die in Abs. 1 genannten Ausschlußfristen geltend gemacht werden.
- Die Ansprüche aus den Ziffern 1 a, 1 b und 2 sind schriftlich anzumelden.
…”
Die Klägerin war im Jahre 1986 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Zum 31. Dezember 1986 hat sie das Arbeitsverhältnis gekündigt. Nachdem die Klägerin am 13. Januar 1987 ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hatte, begehrte sie Ende Januar 1987 (mündlich) vergeblich bei der Personalabteilung der Beklagten Abgeltung von 30 Urlaubstagen (= 1.877,44 DM) für das Jahr 1986. Am 25. März 1987 forderte die Klägerin die Beklagte schriftlich erneut ergebnislos auf, die Urlaubsabgeltung zu gewähren.
Mit ihrer am 9. April 1987 erhobenen Klage hat die Klägerin von der Beklagten Abgeltung des Urlaubs für 1986 verlangt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.877,44 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Februar 1987 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 335,35 DM (Abgeltung von fünf Urlaubstagen) verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung weiterer 1.552,09 DM (Abgeltung von 25 Urlaubstagen) verurteilt. Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin zu Recht die Abgeltung für weitere 25 Urlaubstage als Schadenersatz zugesprochen.
I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Klägerin bei ihrem Ausscheiden am 31. Dezember 1986 ein Abgeltungsanspruch für 30 Urlaubstage zugestanden hat.
1. Für die Klägerin war im Jahre 1986 ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen entstanden. Die Klägerin hatte die Wartezeit erfüllt. Die Entstehung des Anspruchs war nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin im Urlaubsjahr 1986 keine Arbeitsleistungen erbracht hat. Der Senat hat sich bereits im Urteil vom 14. Mai 1986 (BAGE 52, 67, 69 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu I 2 der Gründe) der Rechtsprechung des Sechsten Senats angeschlossen, nach der der Urlaubsanspruch nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der Wartezeit, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr voraussetzt. An dieser von ihm seither in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung hält der Senat fest.
2. Dieser Urlaubsanspruch hat sich mit dem Ausscheiden der Klägerin am 31. Dezember 1986 in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt. Der Klägerin konnte der Urlaub nicht mehr vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Freistellung von der Arbeitspflicht gewährt werden (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung setzt nicht voraus, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsfähig ist (BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BurlG Abgeltung).
II. Der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin ist zwar am 31. März 1987 erloschen. Die Klägerin kann den der Abgeltung entsprechenden Geldbetrag aber als Schadenersatz verlangen, da sie die Beklagte in Verzug gesetzt hat. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden.
1. Der nicht erfüllte Abgeltungsanspruch ist zum Ende des Übertragungszeitraums am 31. März 1987 erloschen (§ 20 Ziff. 1 b MTV, § 7 Abs. 3 BUrlG). Der Abgeltungsanspruch ist, abgesehen vom Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses, an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Urlaubsanspruch selbst (vgl. BAGE 46, 224; 50, 107; 52, 67 = AP Nr. 18, 24 und 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAGE 50, 112 = AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung) kann ein Arbeitnehmer, wenn er seinen Arbeitgeher hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs in Verzug gesetzt hat, einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag als Schadenersatz fordern, wenn der Anspruch zwischenzeitlich wegen Fristablaufs erloschen ist (§ 284 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Satz 1 BGB).
a) Die Klägerin hat die Beklagte Ende Januar 1987 rechtzeitig zur Urlaubsabgeltung aufgefordert und sie damit in Verzug gesetzt (§ 284 Abs. 1 BGB). Zu diesem Zeitpunkt war der Abgeltungsanspruch erfüllbar, da die Klägerin ab 13. Januar 1987 ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hatte und der Urlaub bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis bis zum 31. März 1987 hätte genommen werden können (vgl. BAGE 53, 328, 330 = AP Nr. 26 zu § 13 BUrlG, zu I 2 der Gründe).
b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Klägerin die Beklagte mündlich in Verzug setzen konnte. Der Schriftform bedurfte es nicht. Dem steht § 20 Ziff. 3 MTV nicht entgegen, wie die Revision meint. Nach dieser Bestimmung sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich anzumelden. Die Vorschrift soll lediglich sicherstellen, daß schriftlich angemeldete Ansprüche nicht verfallen. Die Geltendmachung von Urlaubs bzw. von Urlaubsabgeltungsansprüchen unterliegt nicht der Schriftform. Es genügt, wenn diese mündlich so rechtzeitig geltend gemacht werden, daß sie bis zum Ende des Übertragungszeitraums erfüllt werden können. Nur zur Vermeidung des Verfalls ist vor Ablauf der Ausschlußfrist die schriftliche Anmeldung erforderlich. Dies ist vorliegend am 25. März 1987 geschehen.
Unterschriften
Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Wittek, Wittendorfer, Dr. Gaber
Fundstellen