1 Leitsatz
Wird das Sondereigentum durch eine unzulässige bauliche Veränderung beeinträchtigt, kann der Wohnungseigentümer als Sondereigentümer gegen die bauliche Veränderung vorgehen.
2 Normenkette
§§ 14 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Der Erdgeschosswohnung von Wohnungseigentümer B ist ein nicht von ihm errichteter Wintergarten vorgelagert. Diesen lässt B abreißen und durch einen neuen Wintergarten ersetzen. Ferner lässt B auf dem neu errichteten Wintergarten eine Markise nebst Markisenkasten mit einer Breite von 5,05 m und einer Tiefe (Ausfall) von 4,00 m anbringen, die bzw. der über die gesamte Breite des Wintergartens ragt.
B hält dem entgegen, K habe dem Vorhaben im Zuge der Erneuerung des Wintergartens zugestimmt. Die Markise – deren Kasten nicht größer sei als jeder andere übliche Markisenkasten auch – ersetze den vorherigen innenliegenden Sonnenschutz. Nur ein außenliegender Sonnenschutz erfülle zudem die energetischen Anforderungen der aktuellen Förderbedingungen der KfW. Die Oberseite des Markisenkastens ende etwa 5 cm bis 10 cm unterhalb der Unterkante des Fensters des K, weswegen keine optische Beeinträchtigung gegeben sei.
4 Die Entscheidung
Die Klage auf Beseitigung hat Erfolg! Das Recht, von B Beseitigung zu verlangen, stehe K individuell zu. K berufe sich auf eine Beeinträchtigung seines Sondereigentums. B sei auch zur Beseitigung verpflichtet.
Ein (förmlicher) Beschluss, der die in Rede stehende bauliche Veränderung legalisiert habe, bestehe nicht. Soweit B auf eine Zustimmungserklärung des K abhebe, habe K allenfalls der Zusammenlegung der früheren Wohneinheiten 2 und 3 zugestimmt, nicht aber der Installation einer Markise nebst Kasten in ausgeführter Form auf dem Wintergarten. B als Handlungs- und Zustandsstörer beeinträchtige das Sondereigentum des K auch in einer Weise, wie dieser es im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 WEG nicht hinzunehmen habe. B stehe daher auch kein Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf (nachträgliche) Gestattung der Maßnahmen nach § 20 Abs. 3 WEG zu, den er dem Beseitigungsanspruch nach § 242 BGB entgegenhalten könnte.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob sich ein Wohnungseigentümer gegen eine unzulässige bauliche Veränderung (hier: vor allem die Anbringung einer Markise) wehren kann, wenn diese sein Sondereigentum beeinträchtigt. Dazu ist zu klären, wann eine bauliche Veränderung zulässig ist. Ferner ist zu klären, ob das Sondereigentum oder das gemeinschaftliche Eigentum gestört wird.
Bauliche Veränderung
Will ein Wohnungseigentümer das gemeinschaftliche Eigentum baulich verändern, ist dieses Tun nach § 20 Abs. 1 WEG nur dann rechtmäßig, wenn die Wohnungseigentümer die bauliche Veränderung gestattet haben oder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die bauliche Veränderung vorgenommen hat.
Im Sondereigentum ist es anders. Für Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung (Erhaltung) des Sondereigentums hinausgehen, gilt § 20 WEG mit der Maßgabe entsprechend, dass es keiner Gestattung bedarf, soweit keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (§ 13 Abs. 2 WEG).
Eigentum am Wintergarten und an der Markise
Das Dach des Wintergartens ist ein Bestandteil des Gesamtgebäudes und gehört als konstruktives Element zum gemeinschaftlichen Eigentum. Auch die Markise (nebst Kasten) steht im gemeinschaftlichen Eigentum. Sie ist für die äußere Gestaltung der Gebäudefassade (auch) maßgeblich.
Unzulässigkeit
Da die Markise und der Wintergarten gemeinschaftliches Eigentum sind, bedurfte es eines Beschlusses nach § 20 Abs. 1 WEG. Auf die Frage eines Nachteils i. S. v. § 13 Abs. 2 WEG kommt es nicht an.
Dieser Beschluss, der auch nachträglich gefasst werden kann, fehlt im Fall. Die Anbringung der Markise ist also unzulässig. Der Wohnungseigentümer dürfte auf die Anbringung nach § 20 Abs. 3 WEG auch keinen Anspruch haben. Anders ist es nur, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind oder wenn es – anders als im Fall – keinen Nachteil gibt.
Entstörungs-Kompetenz
Wird das Sondereigentum durch ein Geräusch oder Geruch oder Ähnliches gestört, kann der Eigentümer des Sondereigentums dagegen vorgehen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nach §§ 9a, 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG nur für eine Entstörung des gemeinschaftlichen Eigentums zuständig.
6 Entscheidung
AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 25.6.2021, 980a C 5/21