1 Leitsatz
Mit der Aufstellung eines Gedenksteins – auch wenn dieser optisch einem Grabstein ähnelt – wird die Wohnungseigentumsanlage nicht grundlegend umgestaltet. Auch die Tatsache, dass man von der Wohnung des anfechtenden Wohnungseigentümers auf diesen Stein und eine Kirche blickt und sich dadurch der Eindruck einer Grabstätte verstärkt, spricht nicht für ein Sonderopfer.
2 Normenkette
§§ 14, 20 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen, einen privaten Gedenkstein für einen ehemaligen Wohnungseigentümer und Oberbürgermeister der Stadt Leipzig aufzustellen. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. K meint, der Gedenkstein, der einem Grabstein sehr ähnlich sei (es handelt sich tatsächlich allein schon von der Form her um einen von einem Künstler bearbeiteten und umgestalteten ehemaligen Grabstein) gestalte den Garten um, weil dieser nach der Gemeinschaftsordnung als "Ziergarten" vorgesehen sei. Zudem sei der exponiert im Garten angebrachte Stein vor allem von seiner Wohnung aus zu sehen. Da hinter dem Stein eine Kirche erkennbar sei, verstärke dies den Charakter des Grabsteins und vermittle den Eindruck einer Ruhestätte. Das AG erklärt den Beschluss aus diesen Gründen für ungültig. Dagegen richtet sich die Berufung.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Der Beschluss verstoße nicht gegen § 20 Abs. 4 WEG. Mit der Aufstellung des Gedenksteins werde die Wohnungseigentumsanlage nicht grundlegend umgestaltet. Ob eine grundlegende Umgestaltung vorliege, bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei Bezugspunkt die gesamte Wohnungseigentumsanlage sein solle und eine Umgestaltung nur in Ausnahmefällen anzunehmen sei. Letztendlich könne eine Umgestaltung angenommen werden, wenn das Aussehen der gesamten Wohnanlage oder die Nutzung grundlegend umgestaltet werden würden. So liege es nicht. Die grundlegende Umgestaltung folge nicht daraus, dass der Gedenkstein dem Charakter eines "Ziergartens" widerspreche. Jedenfalls stelle das Aufstellen eines Gedenksteins, auch wenn dieser optisch einem Grabstein ähnele, keine grundlegende Umgestaltung eines Ziergartens dar. Schon nach dem Sprachverständnis könnten in einem Ziergarten Skulpturen aufgestellt werden. Zum anderen handele es sich um einen sehr kleinen Eingriff, wenn eine Fläche von ca. 1 qm eines Gartens von einer Größe von ca. 160 qm mit einer Skulptur verändert werde. Die Bepflanzungen stünden nach wie vor im Vordergrund, so dass weder Aussehen noch Nutzung grundlegend geändert werden würden. Auch könne der Garten weiterhin zur Erholung genutzt werden. K werde auch nicht ohne ihr Einverständnis gegenüber den anderen Wohnungseigentümern durch das Aufstellen des Gedenksteins unbillig benachteiligt. Eine Benachteiligung liege vor, wenn einem Wohnungseigentümer Nachteile zugemutet werden, die bei wertender Betrachtung nicht durch die mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteile ausgeglichen werden. Zudem müsse dem nicht mit der baulichen Veränderung einverstandenen Wohnungseigentümer ein Nachteil zugemutet werden. Dabei sei ein objektiver Maßstab anzulegen. Danach sei der Gedenkstein nicht zu beanstanden. Die Tatsache, dass K als einzige Wohnungseigentümerin von ihrem Wohnzimmer aus einen direkten Blick auf den Gedenkstein habe, ändere nichts. Aus der Tatsache, dass K auf diesen Stein und eine Kirche blicke und sich dadurch der Eindruck einer Grabstätte verstärke, führe zu keinem Sonderopfer.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob die Gestattung einer baulichen Veränderung einer ordnungsmäßigen Verwaltung widerspricht. Das ist nach § 20 Abs. 4 WEG unter anderem der Fall, wenn bauliche Veränderungen eine Wohnungseigentumsanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen. Das LG folgt insoweit der herrschenden Meinung und lehnt beide möglichen Verstöße ab.
Grundlegende Umgestaltung
Der Begriff "grundlegende Umgestaltung" ist enger zu verstehen als der Begriff der Änderung der Eigenart im bisherigen Recht. Ob eine grundlegende Umgestaltung anzunehmen ist, muss damit im Einzelfall entschieden werden. Eine grundlegende Umgestaltung wird jedenfalls bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zwecks im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG dient, nicht anzunehmen sein. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 WEG vorliegen und ob die bauliche Veränderung angemessen ist.
Unbillige Benachteiligung
Eine unbillige Benachteiligung setzt voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte. Dient eine bauliche Veränderung einem der gesetzlich privilegierten Zwecke, bedarf es einer "besonders schweren Benachteiligung". Ohne Bedeutung ist, dass andere Wohnungseigentümer erst aufgrund eines Beschlusses nach § 21 Abs. 4 Satz 1 WEG bzw. § 21 Abs. 5 Satz 1 WEG von der Maßnahme Gebrauch machen dürfen.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltung muss die Wohnungseigentümer vor einem Beschluss nach § 20 Abs. 1 WE...