1 Leitsatz

Eine Gestattung nach § 20 Abs. 1 WEG widerspricht einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn ein Wohnungseigentümer durch die bauliche Veränderung eine Beeinträchtigung i. S. v. § 20 Abs. 3 WEG erfährt.

2 Normenkette

§§ 18, 20, 23, 44 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K beantragt, ihm eine bauliche Veränderung zu gestatten. Für den Antrag stimmen 12 Wohnungseigentümer. 7 Wohnungseigentümer stimmen mit Nein. Der Verwalter meint, dieses Quorum reiche nicht aus. Er stellt daher fest, dass der Beschluss nicht zustande gekommen und abgelehnt worden sei. Gegen diese Feststellung geht K vor. Er meint, die von ihm verlangte Gestattung sei beschlossen worden (Anfechtungsklage). Das Gericht soll ferner feststellen, folgender Antrag sei angenommen (Beschlussergebnisfeststellungsklage): "Jede/r Wohnungseigentümer bekommt die Möglichkeit, einen (Edelstahl-)Schornstein an der Außenfassade bzw. der Dachausführung für einen Kamin einzubauen, um eine individuelle und persönliche Heizquelle im Wohnraum zu schaffen, und der entsprechende errichtende Eigentümer die Kosten hierfür vollständig übernimmt".

4 Die Entscheidung

K erzielt einen Teilerfolg! Für eine Gestattung i. S. v. § 20 Abs. 1 WEG bedürfe es nur einer einfachen Mehrheit, wenn, wie im Fall, nichts Anderes vereinbart sei. Unstreitig hätten aber 12 Wohnungseigentümer für und nur 7 gegen die Gestattung gestimmt. Die Anfechtungsklage sei daher begründet. Etwas Anderes gelte hingegen für die Beschlussergebnisfeststellungsklage. Denn insoweit sei auch zu prüfen, ob der Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspreche. Dies sei nicht der Fall. Denn K hätte darlegen und beweisen müssen, keinen Wohnungseigentümer i. S. v. § 20 Abs. 3 WEG zu beeinträchtigen. Daran fehle es.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es neben vielen prozessualen Fragestellungen vor allem um zweierlei: Welcher Mehrheit bedarf eine Gestattung nach § 20 Abs. 1 WEG? Ist es relevant, ob ein Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung eine Beeinträchtigung i. S. v. § 20 Abs. 3 WEG erfährt?

Erforderliche Mehrheit für eine bauliche Veränderung

Haben die Wohnungseigentümer nichts Anderes vereinbart, bedarf derzeit jeder Beschluss, den man nach dem Gesetz fassen kann, nur einer einfachen Mehrheit. Das AG hat daher der Anfechtungsklage völlig zu Recht stattgegeben.

Beeinträchtigung

Ob eine Gestattung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist neben dem allgemeinen Maßstab der Ordnungsmäßigkeit an § 20 Abs. 4 WEG zu messen. Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen danach nicht beschlossen und gestattet werden. Ob eine bauliche Veränderung einen Wohnungseigentümer i. S. v. § 20 Abs. 3 WEG beeinträchtigt, ist hingegen seit dem 1.12.2020 grundsätzlich unbeachtlich. Es ist sehr ärgerlich, dass viele AG die Rechtslage an dieser Stelle unzutreffend einschätzen und, wie im Fall, der Ansicht sind, sie müssten eine Beeinträchtigung prüfen. Diesem Denken hat die WEG-Reform 2020 indessen dem Grunde nach eine klare Absage erteilt.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Jede Verwaltung muss wissen, dass ein Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG nur einer einfachen Mehrheit bedarf. Ferner sollte keine Verwaltung einen Beschluss fassen lassen, dessen Wortlaut dem im Fall vorgestellten entspricht. Zum einen regelt § 21 WEG die Frage, welcher Wohnungseigentümer die Kosten zu tragen hat. Im Fall ist § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG anwendbar, da die bauliche Veränderung den bauwilligen Wohnungseigentümern gestattet wurde. Zum anderen, und das ist wichtiger, wäre der Beschluss zu unbestimmt. Denn der Beschluss lässt offen, wo der Schornstein genau gebaut werden darf und wie er auszuführen ist. Den Wohnungseigentümern sollte grundsätzlich eine konkrete Bauplanung vorliegen, auf deren Grundlage sie die Gestattung aussprechen. Nur auf diese Art und Weise können die Wohnungseigentümer ihr Ermessen, ob sie die bauliche Veränderung gestatten wollen, angemessen ausüben.

6 Entscheidung

AG Ahrensburg, Urteil v. 23.5.2023, 37a C 21/22

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